Seit langer Zeit spielt der Nahe Osten eine tragende Rolle im Weltgeschehen. Drei Weltregionen entspringen dem Gebiet, welches sich, je nach Definition, vom Iran im Osten, über Mesopotamien, Anatolien und der arabischen Halbinsel bis hin zur Atlantikküste Marokkos im Westen er-streckt. Ägypten, mit seiner über die Jahrtausende zurück verfolgbaren Geschichte, liegt im Zentrum dieser geschichtsträchtigen Region.
Diese Arbeit geht zurück auf die Geschehnisse in Ägypten in den Jahren zwischen 1952 und 1970 und damit auf die von den „Freien Offizieren“ angeführte Revolution. Unter der Führung General Ali Muhammad Nagibs und Oberst Gamal Abdel Nassers wurde das Königreich Ägypten, welches 1922 von der britischen Regierung gegründet wurde, am 23. Juli 1952 abgeschafft und der entthronte König Faruk I. ins italienische Exil verbannt. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Frage beleuchtet, wie die Revolution mit ihren Kindern umgegangen ist, das heißt, welche Innen- bzw. Sozialpolitik Nassers Regime verfolgte und welche Auswirkungen diese auf die Menschen hatte, die im Ägypten dieser Zeit lebten.
Bei der politikwissenschaftlichen Untersuchung der Ereignisse bilden folgende Teilfragen den Schwerpunkt: Wie lässt sich der Regierungsstil Nassers charakterisieren? Welche Schritte zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse wurden der Regierung Nasser unternommen? Welche gesellschaftlichen Gruppen waren von ihnen betroffen, welche Bevölkerungsteile profitierten von den Reformen und welchen wurden Privilegien entzogen? Diese Arbeit sucht ausdrücklich keinen Vergleich zum Ägypten der heutigen Zeit, das Hauptaugenmerk gilt den Veränderungen in Relation zur vorrevolutionären Zeit.
Um sich den Antworten auf die gerade gestellten Fragen zu nähern, sind verschiedene Quellen Gegenstand der Betrachtung und Grundlage der Argumentation. Zum einen umfasst dies Sekundärliteratur, die in den Jahren der Revolution erschienen ist, zum anderen aber auch aktuelle Beiträge aus dem wissenschaftlichen Diskurs.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundzüge und Grundsätze der Innenpolitik Nassers
2.1 Nasser und die Massen
2.2 Der Nasseristische Demokratiebegriff
3 Nasseristische Innenpolitik und ihre Auswirkungen auf unterschiedliche soziale Gruppen
3.1 Die Bauern und die ländliche Bevölkerung
3.2 Die Arbeiter und Angestellten
3.3 Die Kapitalisten und Großgrundbesitzer
3.4 Das Beamtentum und der Öffentliche Dienst
3.5 Nasser und die Medien
4 Schlussbemerkungen
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Seit langer Zeit spielt der Nahe Osten eine tragende Rolle im Weltgeschehen. Drei Weltregionen entspringen dem Gebiet, welches sich, je nach Definition, vom Iran im Osten, über Mesopotamien, Anatolien und der arabischen Halbinsel bis hin zur Atlantikküste Marokkos im Westen erstreckt. Ägypten, mit seiner über die Jahrtausende zurück verfolgbaren Geschichte, liegt im Zentrum dieser geschichtsträchtigen Region.
Diese Arbeit geht zurück auf die Geschehnisse in Ägypten in den Jahren zwischen 1952 und 1970 und damit auf die von den „Freien Offizieren“ angeführte Revolution. Unter der Führung General Ali Muhammad Nagibs und Oberst Gamal Abdel Nassers wurde das Königreich Ägypten, welches 1922 von der britischen Regierung gegründet wurde, am 23. Juli 1952 abgeschafft und der entthronte König Faruk I. ins italienische Exil verbannt.[1] Im Rahmen dieser Arbeit wird die Frage beleuchtet, wie die Revolution mit ihren Kindern umgegangen ist, das heißt, welche Innen- bzw. Sozialpolitik Nassers Regime verfolgte und welche Auswirkungen diese auf die Menschen hatte, die im Ägypten dieser Zeit lebten.
Bei der politikwissenschaftlichen Untersuchung der Ereignisse bilden folgende Teilfragen den Schwerpunkt: Wie lässt sich der Regierungsstil Nassers charakterisieren? Welche Schritte zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse wurden der Regierung Nasser unternommen? Welche gesellschaftlichen Gruppen waren von ihnen betroffen, welche Bevölkerungsteile profitierten von den Reformen und welchen wurden Privilegien entzogen? Diese Arbeit sucht ausdrücklich keinen Vergleich zum Ägypten der heutigen Zeit, das Hauptaugenmerk gilt den Veränderungen in Relation zur vorrevolutionären Zeit.
Um sich den Antworten auf die gerade gestellten Fragen zu nähern, sind verschiedene Quellen Gegenstand der Betrachtung und Grundlage der Argumentation. Zum einen umfasst dies Sekundärliteratur, die in den Jahren der Revolution erschienen ist, zum anderen aber auch aktuelle Beiträge aus dem wissenschaftlichen Diskurs.
Im nächsten Kapitel wird der Versuch unternommen, Nassers Politik in ihren Grundzügen über die zwei Dekaden seiner Regierungszeit zu skizzieren. Dabei ist der Fokus der Betrachtung vor allem auf die sozialpolitischen und ökonomischen Aspekte seines Handelns gerichtet. Dies bildet die Grundlage für die Bemessung der sozialen Auswirkungen der politischen Entscheidungen auf unterschiedliche Gesellschaftsgruppen der ägyptischen Gesellschaft. Diese Analyse wird den Hauptteil dieser Arbeit kennzeichnen.
2 Grundzüge und Grundsätze der Innenpolitik Nassers
Gamal Abdel Nasser bestimmte die Geschicke seines Landes seit der Machtergreifung per Revolution, als Führer der Freien Offiziere, von 1952 bis zu seinem Tod am 29. September 1970. Größtenteils tat er dies im Stil eines autokratischen Herrschers, der nicht allzu viel Gewaltenteilung hielt, wie Laura James darlegt: „By the time of his death, he had himself become an absolute ruler, cowing the Egyptian intelligentsia and imprisoning his former Muslim Brotherhood allies in concentration camps.“[2], jedoch in einer vergleichsweise abgeschwächten Form, als es in Ägyptens Nachbarschaft der Fall war, wie die Autorin im Verlauf einschränkt: „However, that is not the whole story. Compared with the totalitarian excesses of such Arab dictators as Hafez al-Asad [in Syrien, Anm. d. Autors], Saddam Hussein or even his own zealous acolyte Mu’ammar Gaddafi [in Libyen, Anm. d. Autors], Nasser’s absolute rule was relatively restrained.”[3].
Als maßgeblich für die Gestaltung der Regierungspolitik unter Nasser stellte sich das von den Freien Offizieren vorgelegte Sechs-Punkte-Programm heraus. Dieses umfasst die folgenden Punkte: I) Auflösung jeglicher Form von Fremdherrschaft, II) Vertreibung des Imperialismus aus Ägypten, III) Abschaffung der feudalen Gesellschaftsstruktur, Zurückdrängung des Einflusses des Großkapitals, IV) Herstellung von sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit, V) Aufbau eines schlagkräftigen Militärs sowie VI) Einrichtung eines repräsentativen demokratischen Systems. Gerade das letzte Ziel scheint, anhand der Argumentation im vorigen Absatz ablesbar, eine eher geringe Priorität gehabt zu haben.[4]
[...]
[1] Vgl. Nutting, Anthony: Von Mohammed bis Nasser – Eine Geschichte der Araber, Wien 1966. S.328-334
[2] James, Laura: Conclusion: Ambiguous Legacy, In: James, Laura: Nasser at War – Arab Images of the Enemy, New York 2006. S. 175
[3] Ebenda, S. 176
[4] Vgl. Aburish, Said: Nasser – The Last Arab, New York 2004. S. 36; Vgl. Beattie, Kirk: Egypt during the Nasser Years – Ideology, Politics and Civil Society, Boulder 1994. S. 111
- Quote paper
- Mirko Ückert (Author), 2009, Nassers Ägypten – Wohlfahrt für die Massen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137296