Die Welt ist so vielfältig wie die Augen, die sie sehen und so ist auch der Begriff der interkulturelle Kompetenz. Was ist eigentlich dran an dem Phänomen, welchem unzählige Wissenschaftler sich mit ihrem Lebenswerk verschrieben haben, welchem eigene Studiengänge gewidmet sind und welches in jedem anderen öffentlichen Bereich des Lebens präsent ist?
Jeder, der eine gewisse Verbindung zur internationalen Wirtschaft besitzt, meint sicher, eine Vorstellung davon zu haben, was interkulturelle Kompetenz ist. Bei näherem Hinterfragen wird sich herauskristallisieren, dass die Ideen, die dahinter stecken, oft mehr als nur vage sind.
Ist interkulturelle Kompetenz ebenso wie soziale Kompetenz etwas, das wir uns in jedem zwischenmenschlichen Kontakt von unserem Gegenüber wünschen? Und wären wir nicht selbst gerne sozial, bzw. interkulturell kompetent, um mit der ganzen Welt problemlos kommunizieren zu können, um persönliche Beziehungen und Netzwerke aufzubauen?
Was ist so kompliziert an einem Begriff, der doch nur anstrebt, das Zusammenleben und -arbeiten mit anderen Menschen angenehmer und einfacher zu gestalten?
Interkulturelle Kompetenz - das magische Wort der globalen Zukunft - soll auf den folgenden Seiten ein wenig entzaubert werden, ohne ihm aber jene Faszination zu nehmen, die die zwischenmenschliche Kommunikation von jeher begeistert hat und auch weiter begleiten wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Ausgangssituation
1.2. Zielsetzung
1.3. Konzeption
2. Interkulturelle Kompetenz im Fokus
2.1. Begriffseingrenzungen
2.1.1. Die ewige Kulturfrage
2.1.2. Kompetenz und ihre „praktische" Anwendung
2.1.3. Spezialfall Interkulturelle Kompetenz
2.1.4. Transkulturalität
2.2. Interkulturelle Kompetenz - Weggefährte der Globalisierung
2.3. Die Rolle des Personalmanagement im Globalisierungsprozess
2.4. Die Notwendigkeit transkultureller Personalmanagement-Standards unter wirtschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten
2.4.1. Universalismus und Relativismus im Kreuzfeuer zwischen Theorie und Praxis
2.4.2. Der konstruktivistische Ansatz als universale Lösung für den Praktiker?
3. Interkulturelle Kompetenz - ein Lösungsansatz zur personalwirtschaftlichen Anwendung
3.1. Die Prozesshaftigkeit interkultureller Kompetenz - ein definitorischer Lösungsansatz
3.2. Soziale Kompetenz - partieller oder integrativer Bestandteil interkultureller Kompetenz?
3.3. Die transkulturelle Übertragbarkeit der Kriterien interkultureller Kompetenz
3.3.1. Interkulturelle Sensibilität als dispositiver Faktor interkultureller Kompetenz
3.3.1.1. Wahrnehmung und Wissen im Rahmen der interkulturellen Interaktion
3.3.1.2. Wahrnehmung - ein kulturgebundenes Phänomen?
3.3.1.3. Emotion und Empathie
3.3.2. Die interkulturellen Handlungskompetenzen
3.3.2.1. Die Situation als Rahmen der Interaktion
3.3.2.2. Persönlichkeit und persönlicher Kontext
3.3.2.3. Motivation - die steuernde Kraft
3.3.2.4. Die Kultur als Orientierungssystem
3.4. Die Bedeutung des prozessualen Ansatzes interkultureller Kompetenz für die Personalbeurteilung
4. Die Beurteilung interkultureller Kompetenz
4.1. Kulturelle Unterschiede in der Personalbeurteilungspraxis
4.2. Das Standpunktproblem oder die Subjektivität des Beurteilers
5. Schlussbetrachtung: Praktische Anwendung und Handlungsempfehlungen - Standardisierung interkultureller Kompetenz: Grenzen und Möglichkeiten, Sinn und Unsinn
Literaturverzeichnis
Lebenslauf
Erklärung
Vorwort
„Die Welt der Großnasen ist so unendlich fremd unserer Welt, daß es fast unmöglich ist, Dir, der Du sie nur aus meinen Briefen kennst, auch nur den Grad der Fremdheit klarzustellen. Es sind nicht nur die Dinge hier, die anders sind, es ist die Fremdartigkeit der Begriffe und der Denkvorgänge.
Die Entsprechungen zwischen unserer vertrauten und dieser Welt sind so gering, dass mir oft, wenn ich etwas schildern soll, die Anknüpfungspunkte fehlen. Es ist so, als ob ich einer blinden Schildkröte das Erscheinungsbild eines Kamels erklären wolle. Beide, Schildkröte und Kamel, haben vier Beine, einen Kopf und einen stummeligen Schwanz, das ist schon alles an Übereinstimmung, und selbst Beine, Kopf und Schwanz sind ganz verschieden an Schildkröte und Kamel und haben kaum Ähnlichkeit.
Ich habe Dir bis jetzt in meinen Briefen Phänomene geschildert, die mir aufgefallen sind, habe sie zu erklären versucht, zu analysieren, so gut ich sie selber verstanden habe. Bei weitem ist das alles noch längst nicht das Bild dieser Welt im Gesamten. Es gibt Erscheinungen, Verhaltensweisen, Fremdartigkeiten, die das ganze Leben prägen, die mir natürlich längst aufgefallen sind, die ich mir erklären konnte oder nicht, von denen ich aber dennoch bisher nicht gesprochen habe. Warum? Weil ich nicht alles gleichzeitig schildern kann. Ich bin, so musst du dir das vorstellen, vor einen riesigen Wandteppich gestellt mit Tausenden von Figuren und Gegenständen. Der Blick erfasst zwar - oberflächlich - rasch und vieles auf einmal, aber die Schilderung hinkt nach. "1
Die Welt ist so vielfältig wie die Augen, die sie sehen und so ist auch die interkulturelle Kompetenz. Was ist eigentlich dran an diesem Phänomen, welchem unzählige Wissenschaftler sich mit ihrem Lebenswerk verschrieben haben, welchem eigene Studiengänge gewidmet werden und welches in jedem anderen öffentlichen Bereich des Lebens präsent ist?
Jeder, der eine gewisse Verbindung zur internationalen Wirtschaft hat, meint sicher, eine Vorstellung davon zu haben, was interkulturelle Kompetenz eigentlich ist. Bei näherem Hinterfragen wird sich herauskristallisieren, dass die Ideen, die dahinter stecken, oft mehr als nur vage sind.
Ist interkulturelle Kompetenz, ebenso wie soziale Kompetenz etwas, dass wir uns in jedem zwischenmenschlichen Kontakt von unserem Gegenüber wünschen? Und wären wir nicht selbst auch gerne sozial, bzw. interkulturell kompetent, um mit der ganzen Welt und der Vielfalt der Menschen problemlos kommunizieren zu können, um persönliche Beziehungen und Netzwerke aufzubauen?
1. Einleitung
1.1. Ausgangssituation
„Die Praxis zeigt, dass tiefliegende Unterschiede in kulturellen Wertvorstellungen gerade dort mehr und mehr zur Quelle von Konflikten werden, wo das Management versucht, für universell erachtete Wertestandards (z.B. Menschenrechte) als Teil der Unternehmenspolitik global zur Geltung zu bringen. '2
In dieser Aussage sprechen Steinmann/Scherer die wesentliche Herausforderung an, mit der sich global operierende Unternehmen in der Praxis konfrontiert sehen und welche in der vorliegenden Arbeit mit Bezug auf die interkulturelle Forschungs- Diskussion erörtert werden soll - der Versuch der Unternehmen, Globalisierung mit Standardisierung gleichzusetzen, führt nicht selten zur Vernachlässigung der in jedem Mitarbeiter und Menschen tief verwurzelten ethischen, religiösen und kulturellen Werthaltungen und Gewohnheiten.
Im Zuge der Globalisierung wachsen die Anforderungen insbesondere an die „globalen" Manager zunehmend. Gemäß dem Modell der geozentrischen Unternehmensstrategie von Perlmutter sollte dieser idealerweise zum „One-World- Manager" avancieren3, der in der Lage ist, sich auf internationalem Parkett in jedem nur denkbaren Kulturkreis gleichermaßen zu recht zu finden und seinem Unternehmen damit zum Erfolg zu verhelfen. Eine Organisation mit einer geozentrischen Werthaltung orientiert sich im Rahmen ihrer Stellenbesetzungspolitik nicht an der Nationalität, sondern ausschließlich den Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter, und verfolgt diese mit einer „weltweit integrierten Unternehmensstrategie"4. Dinges geht in Anlehnung an Adler sogar soweit, dass jener „multicultural man" seine Werte, Haltungen und Glaubensvorstellungen ständig neu formen solle und daher in ständiger persönlicher Transition begriffen sei5.
In der Literatur kreisen die Diskussionen um die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz oft um nur den Personenkreis der Manager und Führungskräfte6. Wenn dies auf der einen Seite auch verständlich scheinen mag, so ist andererseits zu bedenken, dass die zunehmende Prozessorientierung in Großunternehmen - u.a. bedingt durch Qualitätsnormen wie z.B. die TS 169497 in der Automobilindustrie - ein Umdenken aller beteiligten Mitarbeiter erfordert. Innerhalb der Unternehmensorganisationen werden hierbei zwangsläufig die geografischen Grenzen verwischt und weichen einer reinen „Prozesskette". Diese beginnt beispielsweise mit einem ersten Kundenkontakt in Deutschland, wird mit der Entwicklung in Japan, der Produktion in England fortgeführt und endet mit Auslieferung des Endproduktes über ein Zentrallager in Holland. Am Beispiel eines derartigen strukturierten und „grenzenlosen" Entwicklungsprozesses wird deutlich, dass nicht mehr nur der Manager gefragt ist, wenn es um den erfolgreichen Einsatz interkultureller Kompetenz geht, sondern tatsächlich alle in den Prozess involvierten Mitarbeiter, sowie auch deren Kooperationspartner.8 Das Privileg der interkulturellen Kompetenz wird zur normalen Anforderung im Arbeitsalltag.
Steinmann/Scherer zeigen auf, dass die Globalisierung im Wesentlichen nichts anderes als eine „strukturelle Angleichung der Wirtschaft" bedeutet, die letztlich die Unternehmen dazu „zwingt", ihre Unternehmenspolitik den geänderten sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Daraus erwachsen die Bestrebungen, Standardisierungen vorzunehmen, um einem weltweiten, ökonomischen Vergleich standhalten zu können und konkurrenzfähig zu bleiben.9
Betrachtet man die personelle Struktur und den Anteil ausländischer Mitarbeiter in vielen Unternehmen in Deutschland10, die teils nicht einmal global, sondern „nur" international oder gar national agieren, so wird man schnell feststellen, dass auch für sie interkulturelle Kompetenz schnell zu einer gefragten Fähigkeit werden kann. Denn wie beispielsweise bewältigt der deutsche Meister in einem Fertigungsbetrieb Konflikte mit seinen türkischen oder polnischen Bandarbeiterinnen? Wird auch bei seiner eigenen Einstellung oder Personalbeurteilung danach gefragt, ob und wieweit er interkulturell kompetent ist? Um es noch etwas provokativer zu formulieren - wird nicht in der Praxis auf den unteren Unternehmensebenen die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz nahezu gänzlich vernachlässigt? So hat vielleicht der Meister oder Arbeiter im Unterschied zum Manager nicht die schwierige Aufgabe, im Zuge von Mergers&Aquisitions oder Fusionen, diverse Unternehmens-, geschweige denn Landeskulturen, zu vereinen. Aber auf jeder Mitarbeiterebene könnten personell relevante Kennzahlen wie Krankheitsquote, Fluktuation oder Qualitätsprobleme Indikatoren für schwelende Konflikte sein, die unter Umständen auf kulturell bedingte Probleme zurückzuführen sind.
Es ist sicher nicht zu leugnen, dass je nach Art und Zielsetzung der Funktion im Unternehmen der Grad der geforderten interkulturellen Kompetenz in ihrer Ausprägung Abstufungen erfährt, jedoch ist zweifellos festzustellen, dass sie heute mehr und mehr zum normalen Arbeitsalltag gehört.11
Auch gesellschaftspolitisch wird anhand von Migrationsprognosen deutlich, dass das „interkulturelle" nicht länger das „ferne" und „fremde" bedeutet, sondern das „intra"- kulturelle Umfeld unaufhaltsam durchdringen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Migrationsprognosen jeweils für das Jahr 202012
Aber wie könnte man nun den interkulturell kompetenten Mitarbeiter charakterisieren? Wie muss er sich verhalten und wie kann man ihn von einem interkulturell inkompetenten Mitarbeiter unterscheiden?
Diese Frage wird in der Zukunft nicht nur für globalisierende Unternehmen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Der „weiche" Teil des Faktors Mensch, der in rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung nicht ausreichend Berücksichtigung findet und hinter Zahlen, Daten und Fakten, sowie Strukturen und Prozessen zurückstehen muss, wird heute jedoch mehr und mehr als Träger dieser Prozesse verstanden. Das zeigt sich in gängigen Ausdrücken, wie sie vor allem Personalmanager zuweilen gerne benutzen, z.B. „der Mensch, das wichtigste Gut im Unternehmen" oder auch in der englischen Bezeichnung „Human Resources" (= menschliche Ressourcen), die häufig die Bezeichnung „Personalabteilung" ersetzt.
Wolf weist darauf hin, dass gerade im Personalmanagement ein „ausgeprägtes Kulturpotential, ... mit dem soziale Steuerung betrieben werden kann"13, zu finden ist, wodurch erdessen Rolle im globalen Unternehmen deutlich macht. Logisch betrachtet, müsste auf jegliche Einführung neuer Strukturen und Standards eine Qualitätskontrolle, respektive Überprüfung folgen, ob die Neuerungen erfolgreich implementiert wurden, ob sie dem Unternehmen Vorteile bringen, oder ob eventuell korrektive Anpassungen vorgenommen werden müssen. In den meisten größeren Unternehmen gibt es zur Evaluierung der „Qualität" der Mitarbeiter regelmäßige und strukturierte Personalbeurteilungen.
Fordert ein Unternehmen von seinen Mitarbeitern interkulturelle Kompetenz, so müsste es sich Gedanken machen, wie diese als fester Bestandteil der Unternehmenspolitik und als Kriterium zur Personalbeurteilung ins Portfolio aufgenommen werden soll. Vor dem Hintergrund einer globalen Ausrichtung sollte geprüft werden, „ob die zugrunde gelegten Kriterien auch vor dem Hintergrund anderer Kontextfaktoren anwendbar und relevant sind"14. Jedoch scheint, wie Barmeyer feststellt, gerade hier noch erhebliches Verbesserungspotential zu bestehen, da seiner Meinung nach die „Diskussion um neue
Personalorganisationsformen ... landeskulturelle Einflüsse wie etwa kollektive Mentalitäten" nicht ausreichend berücksichtigt15.
Gerade das Problem der Vereinbarkeit landes-, bzw. kulturspezifischer Gegebenheiten mit einer universalen Unternehmensstrategie eröffnet ein bis dato noch nicht überschaubares Spielfeld an Herausforderungen, die in der vorliegenden Arbeit größtenteils theoretisch erörtert werden sollen.
1.2. Zielsetzung
Das Ziel der Arbeit ist es, zur Klärung des Begriffes interkulturelle Kompetenz beizutragen, um damit seine praktische Anwendbarkeit, insbesondere im Bereich des Personalmanagements globaler Unternehmen, im Rahmen eines Lösungsansatz, bzw. einer Empfehlung zu ermöglichen.
Dabei wird primär der Begriff der interkulturellen Kompetenz untersucht, seine Bestandteile, bzw. Faktoren in Bezug zu diversen wissenschaftlichen Ansätzen gesetzt, sowie wechselseitige Abhängigkeiten und Zusammenhänge herausgearbeitet. Neben der Analyse jedes einzelnen Faktors sollen praxisorientierte Lösungsvorschläge entwickelt werden, die im Rahmen der hier behandelten Thematik jedoch nur relativ allgemein und unspezifisch formuliert werden können. Konkrete und kulturspezifische Analysen sowie ausführliche Lösungsalternativen sind nicht vorgesehen, da sie der Forderung nach einer gewissen Simplizität im Sinne des nicht interkulturell geschulten Praktikers widersprechen würden.
Die folgenden zentralen Hypothesen werden im Laufe der Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln und im Hinblick auf unterschiedliche Gebiete der interkulturellen Forschung sowie auf verschiedene wissenschaftliche Erkenntnisse betrachtet, was unter anderem zur Formulierung eigener Annahmen und Erkenntnisse beitragen wird.
Hypothese 1:
Wenn interkulturelle Kompetenz aus kulturspezifischen und kulturunabhängigen Faktoren besteht, so kann die Möglichkeit einer transkulturellen Anwendbarkeit zunächst nur im Hinblick auf die kulturunabhängigen Faktoren angenommen werden.
Hypothese 2:
Wenn bestimmte Faktoren der interkulturellen Kompetenz kulturspezifisch sind, ist für diese eine universell anerkannte Vorgehensweise nötig, um eine kulturübergreifende Vergleichbarkeit und eine transkulturelle Anwendbarkeit zu schaffen.
Die Hypothesen führen unmittelbar zu einigen bereits durch den Titel der Arbeit aufgeworfenen Fragen:
Gibt es Wege und Möglichkeiten, das Konzept bzw. das Verständnis von interkultureller Kompetenz in einen fremdkulturellen Kontext zu übertragen und wie könnte dieses Konzept aussehen? Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen müssen für eine transkulturelle Anwendbarkeit gegeben sein und wo sind ihre Grenzen? Wie können die hier gewonnenen Erkenntnisse oder Annahmen letztlich durch das Personalmanagement globaler Unternehmen sinnvoll und erfolgreich genutzt werden?
Es soll damit deutlich werden, wie komplex das Thema rund um die interkulturelle Kompetenz ist und wie schwierig allein die Klärung der Begrifflichkeiten. Die Wissenschaft hat jedoch die Aufgabe, sich gerade mit diesen Begrifflichkeiten zu beschäftigen und Modelle zu entwickeln, die möglichst abstrakt und für jedermann verständlich sind. Damit verbunden ist unweigerlich auch das deflatorische Wiederaufgreifen von Begriffen, die auf den ersten Blick jedem bekannt und vertraut erscheinen mögen. Mit einer detaillierten Definition kann die Wissenschaft jedoch die Basis für eine anerkannte Einheitlichkeit schaffen und sich so mitunter dem Ziel der Entdeckung einer - vermeintlich - „absoluten Wahrheit" Stück für Stück annähern.
Dass sich hinter manchmal einfach und einleuchtend scheinenden Begriffen und Theorien, wie z.B. dem Wort „Kultur", hoch komplexe psychologische und soziologische Annahmen und Konstrukte verbergen, ist dem „Hobby- Interkulturalisten" oft gar nicht bewusst. So schreibt Trompenaars, einer der bekanntesten wie auch umstrittensten Berater für interkulturelles Management: „In 20 years we have seldom encountered two or more groups or individuals with identical suggestions regarding the concept of culture".16 Dass es auch für die Kultur bislang keine allgemein anerkannte und wissenschaftlich einheitliche Definition gibt, macht die Arbeit jedes Forschers zu einer schier unerschöpflichen Herausforderung.
Obwohl im Bereich der interkulturellen Diskussion zwar viele Aspekte und Themen wie z.B. die heute weitgehend anerkannte Theorie des „Culture shock" oder diverse interkulturelle Kommunikationstheorien17 bereits bis ins kleinste durchleuchtet und mit Erklärungsmustern versehen wurden, klafft zwischen Theorie und Praxis oft noch eine immense Lücke. Die Betroffenen, sei es im Rahmen von Auslandsentsendungen oder sonstiger interkultureller Kontaktsituationen, sehen sich trotz bester Vorbereitung und vermeintlich erwiesener hoher interkultureller Kompetenz immer wieder vor schier unüberwindliche Probleme gestellt.
1.3. Konzeption
Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst ein Bezug zur Praxis hergestellt und aufgezeigt, wie globale Unternehmen mit dem Thema interkulturelle Kompetenz umgehen, bzw. welchen Hintergründen die zunehmende Bedeutung dieses Schlagwortes zuzuschreiben ist, das heutzutage in aller Munde ist. Wie anfangs erwähnt, gewinnt die Standardisierung von Prozessen, auch im Bereich des Personalmanagements, zunehmend an Bedeutung, da sie für die Unternehmen eine Quelle von möglichen finanziellen Einsparungen birgt, sowie das Image durch ein weltweit einheitliches Corporate Identity positiv beeinflussen kann. Durch einheitliche Prozesse wird ein grenzüberschreitender Austausch von Gütern und Informationen innerhalb des Unternehmens vereinfacht und damit neue Wege für den „Global Manager" der Zukunft geebnet. Unabhängig davon, auf welchem Teil der Erde dieser sich dann befinden mag, findet er schließlich gleiche Strukturen und Prozesse vor, die es ihm ermöglichen, sich ohne langwierige Einarbeitung und ohne Zeitverzögerung in die Arbeit zu stürzen - so könnte das optimale Szenario aussehen, das wohl jedes Unternehmerherz höher schlagen lässt. Klingen aber derartige enthusiastische Visionen - teil abrupt - wieder ab, sehen die Unternehmer sich erst vor die eigentliche Herausforderung gestellt - und zwar jene der Umsetzung dieses Szenarios in die eigene Praxis und das Alltagsgeschäft. Schnell wird klar, dass der Weg in diesem Fall noch lange nicht das Ziel ist.
Im zweiten Teil wird der Begriff der interkulturellen Kompetenz, sowie seine Bedeutung und Einbindung in die heutige wissenschaftliche Diskussion erörtert. Dies wird im dritten Teil fortgeführt, in dem untersucht wird, welche Faktoren der interkulturellen Kompetenz kulturabhängig und welche eventuell kulturunabhängig sein könnten.
Gudrun Eder hat sich in diesem Zusammenhang mit der Frage beschäftigt, inwieweit soziale Kompetenz Grundvoraussetzung für die interkulturelle Kompetenz ist, speziell, inwieweit die Veränderbarkeit der sozialen Kompetenz durch interkulturelle Kontakte bedingt ist.18 Dies impliziert den Gedanken, dass soziale Kompetenz grundsätzlich eine veränderbare Variable ist und lässt auf eine Hypothese Eders schließen, dass, sofern soziale Kompetenz durch interkulturelles Handeln erweitert werden könne, erstere nicht schon a priori vorhanden sein müsse. Hier bleibt zu erörtern, ob diese Veränderbarkeit auch auf andere Faktoren der interkulturellen Kompetenz anzuwenden ist, was einen wichtigen Einfluss auf den Entwicklungsprozess und die Beurteilung der interkulturellen Kompetenz haben könnte.
Zahlreiche Theorien interkultureller Kompetenz beinhalten soziale Kompetenz oder Teilkompetenzen der sozialen Kompetenz als wesentlichen Bestandteil. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die meisten der Teilkompetenzen nicht nur inter- sondern auch intra-kulturell eine große Rolle für die Einordnung einer Person in die Kategorie „sozial kompetent" spielen.
Bolten19 stellt sehr vorsichtig die Überlegung in den Raum, „ob es überhaupt eine eigenständige interkulturelle Kompetenz geben kann", wohingegen Allolio-Näcke und Kaischeuer sich an diese These wesentlich provokativer heran wagen. Beide behaupten explizit, dass es keinen Beweis für eine Unterscheidung zwischen interkultureller und sozialer Kompetenz gebe - „there is no evidence, that intercultural competence is something other than social competence"20 - und dass auch die Frage bis dato noch nicht beantwortet wurde, „whether intercultural competence is something new, a Supplement of social competence or even the same"21. Dieser kritische Diskussionsansatz wird uns im Laufe der Arbeit noch öfter begegnen.
Soziale Kompetenz ist immer dann vonnöten, wenn eine erfolgreiche Interaktion mit anderen Menschen stattfinden soll. Da im Normalfall jedes Individuum im Kontext zwischenmenschlicher Begegnungen und Kontakte schon rein intuitiv bestrebt ist, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, sei damit schon ein beherrschendes Erfolgskriterium für fast jede Interaktion genannt.
Erfolg ist hier immer dann gegeben, wenn der Aufbau positiver sozialer Beziehungen gelingt, Kommunikation stattfindet, die von beiden Seiten als positiv, respektvoll und nutzbringend erachtet wird und die Bedürfnisse der jeweils anderen Parteien berücksichtigt, gleichzeitig aber auch die eigenen Ziele verfolgt werden können.22
Weitere Aspekte, die im dritten Teil betrachtet werden, sind die so genannten „Kontextfaktoren" interkultureller Kompetenz: die Situation, die persönlichkeitsbedingten Einflüsse (z.B. intuitive Antipathien zwischen Individuen), die persönliche Motivation und schließlich die dem kulturellen Einfluss zuzuordnenden Faktoren. Im privaten Lebensbereich kann durch „Flucht" oder offene Ablehnung des persönlichen Kontaktes eine Interaktion ohne weiteres umgangen werden, also spielt hier die absolute Notwendigkeit sozialer Kompetenz eine geringere Rolle, da sie in der „Ausführung" nicht zum Tragen kommt. Im beruflichen Kontext, wo eine Flucht jedoch meist nicht möglich ist oder kaum auf positive Resonanz seitens der Vorgesetzten stieße, könnte eine Spannungssituation, wie persönliche Antipathie, unter Umständen Konflikte hervorrufen, sofern nicht ein hohes Maß an sozialer und interkultureller Kompetenz eine Eskalation im Vorfeld verhindert. Thomas23 weist noch dazu darauf hin, dass gerade in solchen Problemsituationen durch die zusätzliche kulturelle Prägung des Wünschens, Wollens, Fühlens, Denkens und Tun des Menschen eine erfolgreiche Interaktion und Kooperation um einiges erschwert werden kann.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird aufgrund der gewählten Vorgehensweise die soziale Kompetenz nicht explizit als Faktor der interkulturellen Kompetenz berücksichtigt, worauf jedoch noch näher eingegangen wird.
Weitergehend wird betrachtet, inwieweit die Kontextfaktoren auf die interkulturelle Kompetenz einwirken und Erfolg oder Misserfolg der Interaktion mit bestimmen. Um die Fragestellung einzugrenzen, werden in der Arbeit ausschließlich Situationen auf beruflicher Ebene angesprochen, wo die Interaktionen in der Regel nicht aus eigener Motivation heraus angestoßen werden, sondern aus der betrieblichen Notwendigkeit und Aufgabe heraus oder auf Veranlassung eines Dritten hin. Die persönliche Motivation spielt eine ebenso wesentliche Rolle wie die Persönlichkeitsmerkmale und der individuelle Kontext der Interaktionspartner. Hierbei kommt auch der Bereich der Emotionen zum Tragen, die Signifikanz von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, welche das Interesse, in der Interaktion erfolgreich zu sein, erheblich beeinflussen können.
Zu untersuchen bis dahin ist also:
1) welche Faktoren oder Handlungsfähigkeiten im Rahmen ihres jeweiligen Kontextes Einfluss auf den Grad der interkulturellen Kompetenz nehmen, bzw. auf eine erfolgreiche Interaktion speziell in interkulturellen Situationen einwirken,
2) ob diese Kriterien kulturunabhängig oder kulturspezifisch sind, so dass man hieraus ableiten könnte, dass trotz kulturspezifischer Prägung diese Teile der interkulturellen Kompetenz kulturübergreifend definiert werden könnten.
Die dargestellte Prozessorientierung des in der Arbeit ausgearbeiteten Definitionsvorschlages interkultureller Kompetenz soll dazu beitragen, einen ganzheitlicheren Ansatz zu unterstützen, der unter Umständen ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem tatsächlich transkulturellen Verständnis sein könnte.
Schließlich wird im vierten Teil der Arbeit auf eine weitere Herausforderung bei der Frage nach einer kulturübergreifenden transkulturellen Definition oder gar Transferierbarkeit an sich eingegangen - die Beurteilung der interkulturellen Kompetenz.
Dabei ist zunächst primär aus psychologischer Sicht zu betrachten, wie der Prozess der Personalbeurteilung grundsätzlich von statten gehen kann, welche Rollen dabei der Beurteilende, der Beurteilte, sowie auch das Instrument selbst einnehmen. Es wird kritisch die Problematik der kulturellen Prägung des Beurteilenden betrachtet, sowie auch von vermeintlich kulturunabhängigen Beurteilungsinstrumenten (z.B. „Intercultural Development Inventory - IDI" von Bennett24 ), deren Validität nicht nur im Hinblick auf eine transkulturelle Anwendbarkeit bewertet werden muss, sondern auch auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse in der tatsächlichen kulturübergreifenden praktischen Anwendung.25
Am Schluss der Untersuchung und im letzten Teil werden die Ergebnisse der vorangehenden theoretischen Betrachtungen zusammengeführt und im Hinblick auf folgende Schwerpunkte bewertet:
- mögliche Unterscheidung zwischen kulturabhängigen und kulturunabhängigen Faktoren interkultureller Kompetenz sowie deren Abgrenzung voneinander
- Möglichkeiten und Wege der kulturübergreifenden Transferierbarkeit unter den in der Arbeit herausgearbeiteten Gegebenheiten
- Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur praktischen Umsetzung der Erkenntnisse (nicht nur) für globalisierende Unternehmen.
2. Interkulturelle Kompetenz im Fokus
2.1. Begriffseingrenzungen
2.1.1. Die ewige Kulturfrage
Wie auch Hauser in Anlehnung an Baecker (2000) in ihrer Arbeit immer wieder erwähnt, war und ist es bis dato ein erwiesenermaßen schwieriges Unterfangen, den Begriff „Kultur" zu definieren.
Bei den Autoren, die sich im Rahmen der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. der Anthropologie, Kommunikation, Erziehung, Recht, Linguistik, Psychologie und Soziologie mit dem Thema Interkulturalität im engen oder weiteren Sinne beschäftigen, sind verschiedene Vorgehensweisen zu konstatieren. Manche beginnen Ihre Publikation mit der Erörterung des definitorischen Problems, um dann letzten Endes festzustellen, dass sie sich doch in einer Art Sackgasse befinden, die nur durch einen kräftigen Sprung über die „Mauer" ihrer eigenen Gedanken wieder verlassen werden könnte. Niemand ist bestrebt, am Ende seiner Bemühungen wieder am Anfang des Weges zu stehen. Vielleicht hätte aber eben dieser Sprung, das Abweichen von allen bisher vorgezeichneten Wegen, einen solchen Durchbruch zur Folge, dass er in eine wissenschaftliche Katastrophe münden könnte und die Arbeit vieler Forscher in Frage stellen würde.
Andere Autoren stellen ihrer Arbeit gewissermaßen voraus, die Unmöglichkeit einer universalen Definition von „Kultur" sei a priori anzuerkennen, und greifen daher auf bereits geleistete und zumindest teilweise anerkannte Forschungen zurück, um sich in ihrer Arbeit schließlich eher pragmatischen Fragestellungen widmen zu können. Insofern soll auch in der vorliegenden Arbeit von dem Versuch der Wortklauberei mit Respekt für eine, bereits viele Jahre währende und unerschöpfliche Diskussion, Abstand genommen werden. Ziel ist es nicht, eine neue Definition von „Kultur" oder „interkultureller Kompetenz" zu erschaffen, ebenso wenig jedoch soll die Diskussion in ein Pro und Contra diverser auf dem Markt verfügbarer Definitionen münden.
Die Fragen, die meines Erachtens für die Praxis von größerer Relevanz sind, befassen sich
- mit den Gründen für die bisher sehr eingeschränkt erfolgreichen Versuche, eine universale kulturelle Basis und Einheitlichkeit durch Standardisierungen zu schaffen,
- mit dennoch unter Umständen transkulturellen oder „universellen" Lösungsmöglichkeiten
- mit dem Nutzen, würde man dieses Ziel tatsächlich erreichen und
Nichts desto trotz ist es, wie im späteren Verlauf erkennbar wird, unumgänglich, einen definitorischen Ansatz als Grundlage zu schaffen, zu dem man alle weiterführenden Gedanken und Überlegungen in Relation setzen kann. Die Wissenschaft propagiert selbst, im Dienste der Menschheit zu stehen, und Hilfestellungen und Lösungen für die Umsetzung theoretischer Fragen in praktische Antworten zu geben. Ebenso muss sich auch die interkulturelle Forschung immer wieder daran messen lassen, wie sie durch ihre Ergebnisse der Gesellschaft Vorteile verschaffen kann.
Eine sehr umfassende Definition des Begriffes Kultur findet man bei Thomas, die - gemäß Schroll-Machl - die Ansätze von Kroeber und Kluckhohn, sowie von Boesch vereint und abrundet26:
„Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe sehr typisches Orientierungssystem"... „Dieses wird aus spezifischen Symbolen gebildet, in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung."
Thomas bezeichnet also Kultur als ein „universelles Orientierungssystem", das dadurch einen großen Spielraum lässt, indem es keinen Anspruch auf Absolutheit erhebt, sondern nur einen Rahmen bietet, ein theoretisches Konstrukt, das mit individuellen oder kollektiven Interpretationen gefüllt werden kann. Das „universelle" an diesem System stellt für Thomas die Annahme dar, dass Kultur überall ist, und es so gesehen keine „Kulturlosigkeit" geben kann.
Damit drückt er gleichwohl eine für ihn wesentliche Grundvoraussetzung aus: Kultur beeinflusst die Wahrnehmung, das Denken, Werten und Handeln - damit also jede Sekunde des (Miteinander)Lebens. In Bezugnahme hierauf soll die vorliegende Arbeit Einblick geben, inwieweit diese Einflussnahme bei der Betrachtung der interkulturellen Kompetenz regulierbar, veränderbar, respektive überhaupt erst als kulturell bedingt erkennbar werden kann.
Stellt man die Untersuchung einer möglichen praktisch umsetzbaren Universalisierung interkultureller Kompetenz in den Mittelpunkt einer Arbeit, so ist es meiner Ansicht nach wichtig, sich vorab bewusst machen, dass jede Kultur im Sinne eines gesellschaftlichen Orientierungsrahmens zum einen nicht in einer reinen Form vorliegt und zum anderen neben jeder anderen Kultur nicht gleich, jedoch aber gleichwertig angesehen werden sollte27. Diese Überlegung steht damit der Theorie von Casmir entgegen, der ein „Dritt-Kultur-Modell"28 als das wünschenswerte Ziel der Interaktion zwischen Mitgliedern zweier Kulturen darstellt. Damit jedoch entstünde, „retortengleich", eine neue Kultur, in die man implizit eine neue absolute Wahrheit hineininterpretieren könnte, welche den Darstellungen von Mall, der alle Kulturen als stets gleichwertig und gleichberechtigt ansieht, widersprechen würde. In diesem Fall sei von dem Einwand abzusehen, dass es sich in dem von Casmir beschriebenen Fall ja durchaus um die Bildung einer, auf gemeinsamer Vereinbarung entstandener „Dritt-Kultur" zwischen zwei Interaktionspartnern handeln könnte. Denn dieser trifft meines Erachtens nicht ganz die Definition von Thomas, und vielen anderen Autoren, die Kultur als Orientierung nicht einem einzelnen Individuum zuschreiben, sondern eher - als gesellschaftliches System - auf eine Vielzahl von Personen beziehen, die mit ihrer Kultur „Bedeutungen austauschen"29 können.
Diese Überlegungen sollen den Leser aufmerksam machen, dass ethische Ansätze und Betrachtungen sukzessive in den Blickwinkel dieser Arbeit mit einfließen, welchen WierlacherA/Viedenmann auch als das „Neigungsverhältnis zwischen Eigenem und Fremdem" bezeichnen und das als solches eine „individuelle und kulturelle Pluralität von Sichtweisen spiegelt"30. Um nochmals auf Mall zurück zu kommen, wird es auch für die vorliegende Arbeit als wichtige Randbedingung erachtet, alle verwendeten Vergleiche oder Gegenüberstellungen von einer absoluten Wertung freizusprechen und das wahre Vermögen - die Vernunft - zu bewahren. In allen Überlegungen sollten wir immer auch bedenken, „unsere Welt aus dem Blickwinkel eines anderen zu sehen"31.
Es werden sich unter Umständen neue Fragen auftun, auf die es sicher noch um ein vielfaches mehr an möglichen Antworten gibt. Jeder ist jedoch stets frei, aus seinem eigenen „Wissensvorrat"32 zu schöpfen, der Interpretationen liefert und zugleich Sinngebung ist.
Sinn wird durch jedes Individuum ständig und fortwährend neu zugeordnet, damit die Dinge, die man wahrnimmt, verstehbar werden. Dies bedeutet auch, dass verschiedene Individuen unterschiedliche Sinngebungen generieren werden. Aber da die interkulturelle Kompetenz im Rahmen des Interaktionsprozesses und unter dem Einfluss verschiedener Kontextfaktoren, den sie durchläuft, veränderbar ist, können auch diese Sinngebungen verändert und gegebenenfalls angepasst werden. Dies geschieht jedoch nur dann mit Erfolg, wenn die Interaktionspartner aktiv in dem Prozess eingreifen und dabei bestimmte Rahmenbedingungen für das Vorhandensein interkultureller Kompetenz gegeben sind.
2.1.2. Kompetenz und ihre „praktische" Anwendung
„Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun." Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), österreichische Schriftstellerin Ähnlich wie im vorangehenden Absatz, ist es ein nicht minder schwieriges Unterfangen, den Begriff „Kompetenz" in eine Form zu bringen, so dass er für die weiteren Überlegungen eine passende Ausgangsbasis liefert. Da er jedoch immerhin zur Hälfte den Begriff der interkulturellen Kompetenz mit konstituiert, kommt man nicht umhin, auch hier eine definitorische Eingrenzung vorzunehmen und seinen Anwendungsradius annäherungsweise zu bestimmen.
Das einleitende Zitat zeigt auf anschauliche Weise eine Kernbedingung, die dem Kompetenzbegriff zugrunde liegt: Kompetenz erlangt nur dann eine wirkliche Bedeutung, wenn sie sich durch eine Aktion, respektive Interaktion ausdrückt - die Verhaltensdisposition muss durch das „Tun" bewiesen werden. Sprachwissenschaftlich bedeutet Kompetenz „die (idealisierte) Fähigkeit des Sprechers einer Sprache, mit einer begrenzten Anzahl von Elementen und Regeln eine unbegrenzte Zahl von Äußerungen zu bilden und zu verstehen und über die sprachliche Richtigkeit von Äußerungen zu entscheiden"33.
Übertragen auf den in der vorliegenden Arbeit betrachteten Begriff der interkulturellen Kompetenz verstehe ich Kompetenz als die Fähigkeit einer kulturell geprägten Person, in der Interaktion innerhalb einer ihrem „Orientierungssystem" angemessenen „Verhaltensgrammatik" so zu handeln, dass Kommunikation auf einer gemeinsamen Basis möglich ist. Da Interaktion bereits Handlung impliziert34, kann es sicher von Vorteil sein, sich in der Untersuchung primär auf die „handlungsrelevanten Kompetenzen" zu konzentrieren.
Zur Vervollständigung der soeben erwähnten Definition von Kompetenz betonen Erpenbeck/Rosenstier35, dass dieser Prozess „selbstorganisiert" von statten geht, also die Verantwortung des Handelnden noch deutlicher hervorgehoben wird. In der die Praxis der beruflichen Bildung haben sich in den letzten zwanzig Jahren vier Gruppen von Kompetenzen eingebürgert, die auch als Grundlage für eine weitere Detaillierung und Untergliederung hilfreich sind36. Diese sind soziale Kompetenzen, fachliche und methodische Kompetenzen, sowie personale Kompetenzen. In der interkulturellen Forschung ist man ebenfalls dazu übergegangen, die von Geertsen (1990) vorgeschlagene Kategorisierung der interkulturellen Kompetenz in eine kognitive, konative und affektive Dimension37 zu verwenden. Auf diese wird im weiteren Verlauf immer wieder Bezug genommen. In den neueren Untersuchungen zur interkulturellen Kompetenz finden sich immer häufiger die durch verschiedene Autoren verwendeten Begriffe „Effektivität und Angemessenheit"38, die als wesentliche Bestandteile der interkulturellen Kompetenz ihren festen Platz gefunden haben.
Effektiv in diesem Sinne ist ein Verhalten, das dem handelnden Individuum dazu verhilft, die eigenen Ziele zu erreichen und dabei „positive Konsequenzen zu maximieren und negative zu minimieren"39.
In der Definition des Begriffes der sozialen Kompetenz erweitert Gudrun Eder, ähnlich wie Kanning40, diese Beschreibung lediglich mit dem Hinweis, dass auch die Konsequenzen des eigenen Handelns in gleicher Weise für die anderen Beteiligten berücksichtigt werden müssen41.
Damit wird gleichwohl auch der Aspekt von „Angemessenheit" integriert, der „Fähigkeit, den beziehungsbezogenen Erwartungen der Interaktionsteilnehmer, sowie kulturellen Regeln zu entsprechen"42. Die Kompetenz selbst wiederum fördert „die Qualität des Sozialverhaltens"43.
Da jedes Handeln durch eine spezifische Situation geprägt, bzw. verursacht wird, und der Akteur selbst einer Reihe von externen wie auch internen variablen Einflüssen ausgesetzt ist, ist es nur wahrscheinlich, dass gleiches Verhalten in verschiedenen Kontexten nicht immer das gleiche Ergebnis zur Folge haben muss. Dies müsse nach Meinung einiger Autoren, so z.B. Kanning, dazu führen, dass die Definition der Kompetenz sich lediglich auf eine Handlungsdisposition beschränken kann, diese also eine statische Größe und ein individuelles „Potenzial" darstellt. Beim vorhergehenden Modell bleibt zu Recht die Frage nach der Bewertung der Kompetenz offen, da der Einfluss externer Faktoren oft wenig greifbar und quantifizierbar ist. Kanning differenziert hier zwischen der Kompetenz als punktuell messbare Disposition und dem „kompetenten Verhalten", welches nur durch eine sich über eine gewisse Zeitspanne erstreckende Beobachtung sichtbar wird. Die Person muss das Potenzial also mehrfach unter Beweis stellen, um sich die Zuschreibung dieser Eigenschaft - durch einen Außenstehenden - zu verdienen.44 Da Kultur sich nur zum Teil in beobachtbarem Verhalten äußert, kann es meines Erachtens interkulturelle Kompetenz nicht als statische Eigenschaft angesehen werden. Im Gegenteil, die Sinnhaftigkeit jeglicher Kompetenz tritt erst im konkreten Anwendungsfall zu Tage, nämlich wenn sie in einer Folge von Interaktionen erkennbar wird.
Kompetenz erfordert im vorliegenden Kontext also das Vorhandensein zumindest einer weiteren Person für die diese Kompetenz Relevanz besitzt - „competence is a social judgement which requires an evaluation by one's relational partners"45 Denn welchen Sinn und vor allem praktischen Nutzen hat eine Kompetenz, wenn niemand sie tatsächlich erlebt und wahrnehmen kann, möglicherweise nicht einmal der „kompetente Betroffene" selbst?
Zum anderen wird durch diese Dreidimensionalität - der Betroffene und seine eigene innere Wahrnehmung, der Betroffene aus der Sicht der anderen, sowie eine mögliche dritte Person oder die Außenwelt - erkennbar, dass Kompetenz immer eine Person erfordert, die sie als solche erkennen kann, den Beobachter des entsprechend kompetenten, oder nicht kompetenten Verhaltens. Kompetenz in diesem Sinne ist also nichts anderes als „eine Form der Zuschreibung auf Grund des Urteils des Beobachters"46
Gehen wir wieder zurück zur eben getroffenen Annahme, dass Kompetenz Handlung erfordert, so könnte man schlussfolgern, dass die Handlungsdisposition zwar mit entscheidend ist, letztlich aber nur die tatsächliche Ausführung die Konsequenzen einer Interaktion bestimmt.
Gemäß der wohl bekanntesten These des Psychologen Paul Watzlawick „man kann nicht nicht kommunizieren"47, tritt bei der näheren Untersuchung ein weiterer unumgänglicher Faktor aufs Spielfeld - die Kommunikation - deren Rolle bei der Untersuchung der Handlungskompetenzen im Rahmen interkultureller Kompetenz jedoch später noch ausführlich erörtert wird. Die untrennbare Verbindung zwischen Kompetenz und Kommunikation wird auch durch Lustig/Koester bestätigt: „competent communication results in behaviours that are regarded as appropriate and effective"48.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kompetenz
- erst in der Umsetzung durch Handlung praktische Bedeutung erlangt, also die Handlungskompetenzen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen müssen
- immer einen entsprechenden Output von Effektivität und Angemessenheit zur Folge haben muss
- nur durch Attribution des Beobachters zur Kompetenz oder Nicht-Kompetenz wird, indem dieser zunächst einen Maßstab für die Effektivität und Angemessenheit vorgibt.
- immer mit Kommunikation verbunden ist.
2.1.3. Spezialfall: Interkulturelle Kompetenz
Untersucht man diverse Beschreibungen und Konzepte zur interkulturellen Kompetenz (vgl. z.B. Beneke, Bennett, Chen, Samovar/Porter), so fällt auf, dass der Begriff „Intercultural Sensitivity" oft als „erster Schritt" auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz erwähnt wird, sei es als Vorbedingung, zumindest jedoch als Teilkomponente. Im „Hildesheimer Assessment Center" wird sie neben der „interkulturellen Handlungskompetenz" und der „Regionalkompetenz" systematisch untersucht, dabei jedoch von Beneke als die Komponente mit dem „größten Allgemeinheitsgrad" bezeichnet, da sie nur eine generelle Lernfähigkeit und Verhaltensdisposition darstelle49.
Sensibilität (=„Sensitivity") bedeutet Empfindsamkeit, Feinfühligkeit sowie die „Fähigkeit des Organismus oder bestimmter Teile des Nervensystems, Gefühls- und Sinnesreize aufzunehmen"50. Betrachtet man nun Sensibilität, wie von den genannten Autoren beschrieben, als wesentliche Teilkompetenz der interkulturellen Kompetenz, kann man hier schon die Komplexität des Begriffes erahnen, da hierbei laut Scholz der ganze Bereich der intuitiv-emotionalen Fähigkeiten berührt wird51. Erpenbeck/Rosenstiel beschreiben, möglicherweise um der Frage nach einer genauen Definition von Kompetenz aus dem Weg zu gehen, dass das Innere des Menschen nicht unmittelbar beobachtet werden könne und daher die Kompetenz nur als theoretischer Terminus im Rahmen einer spezifischen Theorie über Kompetenz behandelt werden könne52.
Für die interkulturelle Kompetenz würde diese Aussage bedeuten, dass auch sie im oben genannten Sinne kein für sich selbst stehendes und unabhängiges Konstrukt darstellt, sondern immer erst in Verbindung mit einer Theorie eine tatsächliche Bedeutung erlangen kann.
Eine Theorie bietet wohl in der Tat den Vorteil, dass sie eine Vergleichs-, bzw. Bezugsbasis für eine Betrachtung aus einem bestimmten Blickwinkel heraus liefert. Damit würde sie zumindest zum Teil das Problem einer möglichen Inkommensurabilität lösen, der Unmöglichkeit eines Vergleichs aufgrund eines fehlenden, gemeinsamen Maßstabes, wie von Cesana53 beschrieben wird. Cesana bezieht sich dabei überwiegend auf unterschiedliche Wertvorstellungen und
Glaubensausprägungen, die in den Kulturen maßgeblich differieren. Verfolgt man seine Ansätze jedoch bis zur letzten Konsequenz, so müsste man gegebenenfalls feststellen, dass bedingt durch die Einzigartigkeit jedes Menschen auch innerhalb einer gleichen Kultur das Problem der Inkommensurabilität niemals behoben werden kann. Kein Individuum kann in seinem Fühlen, Denken und Handeln mit einem anderen zu 100% identisch sein, selbst wenn äußere Rahmenbedingungen durchaus übereinstimmen - wo also könnte man hier einen universalen Maßstab für eine Vergleichbarkeit anlegen?
Stellt man die Individualität des Menschen in den Vordergrund dieser Überlegungen, so würde allerdings jeder weitere Versuch, eine einheitliche begriffliche oder konzeptuelle Basis für eine Bewertung zu schaffen, vorn vorne herein ad absurdum geführt werden. Auch die Untersuchung der interkulturellen Kompetenz als Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen und Forschung liefe dann Gefahr, einer gewissen Banalität zu unterliegen - ähnlich wie die Schaffung eines „standardisierten" und „kulturlosen" Menschen.
Dieses etwas kompromisslos und plakativ dargestellte Szenario soll lediglich aufzeigen, dass nicht jede Theorie, auch wenn sie argumentativ auf den ersten Blick gut durchdacht sein möge, das nötige Licht ins Dunkel bringt. Jede Theorie kann daher nur so gut sein, wie das Ziel, das sie verfolgt und der Nutzen, der dabei für eine Gruppe von Menschen entsteht. Ist dieser nicht erkennbar, so wird man bestrebt sein, seine wissenschaftlichen Energien in wichtigere Dinge denn die Bildung nicht beweisbarer Theorien zu kanalisieren.
Immerhin aber kann eine Theorie, selbst wenn sie keinen „konkreten Anwendungsfall" beschreibt, als eine Art „Landkarte" dienen, die die Realität sogar „abstrahieren muss", um vielfach lesbar zu sein54.
Daher könnte es ohne Zweifel ein besserer Weg sein, tatsächlich eher nach jenen „kulturellen Überlappungen" zu suchen, einzig in welchen gemäß Mall eine mögliche Entdeckung von Universalien gelingen kann . Da die Suche nach wissenschaftlich verifizierbaren Überlappungen - den menschlichen Universalien - zunächst eher in die Fachgebiete der Anthropologie und Biologie führen, wird es unwahrscheinlich sein, dass wir hier auch Antworten auf unsere Fragen finden. Der Bedarf an Überlappungen wird allerdings durch zahlreiche Diskussionen über universal gültige ethische Maßstäbe mehr als deutlich.
Auch in der Literatur zum Thema interkulturelle Kompetenz stellt man immer wieder Überlappungen fest, die in der Regel terminologischer und konzeptioneller Art sind und gerade damit der Forderung nach einer Theorie - als der größten, wenn auch gewissermaßen künstlich erzeugten Überlappung - gerecht werden. Der Philosoph Elberfeld gibt in einem kurzen Abstrakt diesem Sinne zu bedenken, dass „Theorien im Medium von Begriffen" erzeugt werden und damit in erster Linie für die Wissenschaft eine relevante Handlungsgrundlage bieten. Eine „ethische Orientierung auch für die Alltagserfahrung" jedoch sei damit noch nicht gegeben55.
Alle Definitionen und Konzepte haben jedoch meist eines gemeinsam: Interkulturelle Kompetenz kann meines Erachtens nicht als Ergebnis einer Addition von diversen einzelnen Teil-Kompetenzen festgehalten werden, sondern stellt ein komplexes und dynamisches Gebilde verschiedenster Einflüsse dar. Oft lässt es die Literatur dabei bewenden, dass entweder die Teil-Kompetenzen lediglich erörtert werden, oder aber eine bestimmte Methodik und Technik zur Förderung interkultureller Kompetenz beschrieben wird. Interkulturelle Kompetenz als übergreifende, und aus vielen Einzelkompetenzen bestehende Fähigkeit, die es zu durchleuchten und verstehen gilt, wird dabei oftmals etwas eingeschränkt aus der Perspektive einer bestimmten Personengruppe und einem spezifischen theoretischen Verständnis heraus betrachtet. Viele andere, aus meiner Sicht wesentliche Faktoren finden in diesem Zusammenhang oft zu wenig Beachtung, obwohl sie im Gesamtkonzept interkultureller Kompetenz jedoch jeweils für sich schon als erfolgsbestimmend erachtet werden könnten.
Zur Bestimmung der interkulturellen Kompetenz und ihrer Umsetzung in konkrete Handlungen schlägt beispielsweise Hauser in ihrer Dissertation eine eher pragmatische und praxisorientierte Vorgehensweise vor. In ihren acht Thesen versucht sie nicht, den Begriff der interkulturellen Kompetenz neu zu definieren, sondern erklärt ihn mit einer Reihe von „zentralen Gesetzmäßigkeiten", welche in einem ganzheitlichen und systemischen Zusammenhang" verstanden werden müssen . Diese werden nachfolgend zusammengefasst:
- Bewusstsein über die eigene kulturelle Identität, welche nur im Kulturkontakt entstehen kann
- Verständnis für die Werte und Praktiken der Fremdkultur und Entwicklung einer Grundhaltung, die eine erfolgreiche Interaktion erst ermöglicht
- Bewusstsein über eigene mentale Modelle sowie deren kontinuierliche Überprüfung und Vervollständigung
- Anerkennung und Öffnung für eine einschließende Vielfalt, die mehrere Wahrheiten zulässt
- Verstehen von und bewusste Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Fehlern als Teil eines Lernprozesses
- Persönliche Neigung, neues entdecken zu wollen, sowie Übernahme von Verantwortung für die eigene Realität
- Innere Verpflichtung zur kontinuierlichen Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
- Dialogfähigkeit und Auseinandersetzung mit fremden sowie eigenen Perspektiven
Hauser beschreibt in ihren Thesen auf recht verständliche Art und Weise, worauf es ihr bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz ankommt - sie fokussiert dabei nicht auf ein Gebilde abstrakter sozialer und persönlicher Kompetenzen, für welche es zudem sowieso bislang keine „weithin anerkannte integrative Theorie gibt"56. Damit versucht sie, eben jenes verborgene und nicht beobachtbare Innere aufzudecken, das Erpenbeck/Rosenstiel nur im Rahmen eines theoretischen Kompetenz-Konzeptes als erkennbar ansehen. Die in Hausers Ansätzen nicht explizit diskutierte theoretische Basis sucht sie durch eine, in der Person begründete, Ganzheitlichkeit, zu ersetzen.
Damit entspricht sie den Forderungen, die einem innovativen und internationalen Personalmanagement von jeher in die Wiege gelegt wird - den Mensch nicht allein als Ressource und Glied der Wertschöpfungskette zu sehen, sondern vielmehr als das Öl, dass die Zahnrädchen im Getriebe des Unternehmens zum Laufen bringt und am Laufen erhält.
Wie auch schon vorangehend beschrieben, ist interkulturelle Kompetenz als rein theoretisches Konstrukt für die Praxis wenig sinnvoll und nutzbringend, denn erst durch Interaktion kommt sie in ihrer Bedeutung zum Tragen - das Handeln ist also eine essentielle Voraussetzung und „Ausdruck der Fähigkeit"57, der Kompetenz.
Da jedoch der Mensch, Mitarbeiter oder Manager nicht in einem, von der Außenwelt abgegrenzten Vakuum lebt und agiert, wird deutlich, dass der Fokus auf das „eigene Innere", die Persönlichkeit, nicht allein ausreicht, um das Konzept interkulturelle Kompetenz umfassend zu beschreiben, geschweige denn, einem Personalmanager damit Hilfestellung zur Einbindung in die Unternehmens- und Personalmanagementstrategie zu geben.
Betrachtet man die interkulturelle Kompetenz aus einer wirklich umfassenden Perspektive, so dürfen die nachfolgend beschriebenen Rahmenbedingungen keinesfalls außer Acht gelassen werden, sei es bei der Festlegung eines Anforderungsprofils zur interkulturellen Kompetenz, noch bei der Entwicklung oder der Auswahl eines Evaluierungsverfahrens. Alle Faktoren sind in gleicher Weise unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung in das Gesamtkonzept interkulturelle Kompetenz zu integrieren und können so wesentlich dazu beitragen, die Eckpfeiler „Effektivität" und „Angemessenheit" in der richtigen Relation zu sehen.
Die dieser Arbeit zugrunde zu legende Definition interkultureller Kompetenz lehnt sich insofern an jene Hausers an, da auch hier jeweils der Mensch als Interaktionspartner in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt wird. „Neu" daran ist aus meiner Sicht die Gesamtdarstellung interkultureller Kompetenz als Prozess mit sich wechselseitig beeinflussenden Kontextfaktoren, denen wiederum spezifische Handlungskompetenzen zugeschrieben werden können.
Letztere werden im dritten Teil der Arbeit konkretisiert und auf ihre jeweilige transkulturelle Übertragbarkeit untersucht, um so eine Schlussfolgerung zuzulassen, die für die Praxis anwendbare Lösungen bieten könnte.
Mit der prozessorientierten Darstellung wird das häufig als Erklärungsbasis verwendete Modell des Wirkungs-Dreiecks Person - Situation - Kultur58, um einige wesentliche Faktoren erweitert, die in ähnlicher Form auch schon durch Kise, Phipps und Sufferlein59 in ihrem „cube model for intercultural effectiveness" dargestellt wurden.
[...]
1 Herbert Rosendorfer, Briefe in die chinesische Vergangenheit, S. 257
2 Steinmann/Scherer, S. 2
3 vgl. z.B. Scherm, S. 228; Welge/Holtbrügge, S. 231
4 Weber/Festing/Dowling/Schuler, S. 90
5 vgl. Dinges in: Landis/Brislin, S. 180
6 vgl. z.B. Hauser, S. VIII, Thomas, Bd. 1, S. 140 ff.
7 TS 16949 beinhaltet Qualitätsnormen des VDA (Verband der Automobilindustrie) ...
8 vgl. Hauser, S. 47
9 Steinmann/Scherer S. 3
10 Bundeszentrale für politische Bildung, Bericht Zahlen und Fakten, 2005, S. 19: Im Jahre 2003 betrug der Anteil sozialversicherungspflichtiger ausländischer Beschäftigter 9,1 % der gesamten Erwerbstätigen in Deutschland.
11 Hauser, S.1
12 Fachhochschule Köln, Forschungsschwerpunkt Interkulturelle Kompetenz, 2001
13 Wolf, S. 178
14 Weber/Festing/Dowling/Schuler, S. 190
15 Barmeyer/Stein, S. 71
16 Trompenaars, S. 21
17 vgl. Chen/Starosta, 1998
18 vgl. Eder, S. 411 f.
19 Bolten, 2001, S. 86
20 Allolio-Näcke, S. 1
22 Kaischeuer, S. 3
22 Fantini, S. 27
23 vgl. Thomas, Bd. 1, S. 103
24 Hammer/Bennett/Wiseman, S. 421 f.
25 vgl. Greenholtz, S. 73
26 Schroll-Machl, 2003, S. 26/27
27 vgl. Mall/Schneider, S. 1 und Mall, 2003, S. 38
28 vgl. Casmir, S. 90
29 Roth/Köck, S. 9
30 Wierlacher/Wiedenmann, S. 227
31 Benvenuto, S. 68
32 vgl. Habermas, S. 209
33 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2000
34 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2000: Interaktion = „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen"
35 Erpenbeck/Rosenstiel, S. X
36 vgl. Wikipedia, Eintrag vom 18.02.2006; vgl. auch: Erpenbeck/Rosenstiel, S. XVI
37 vgl. Bolten in: Schmeisser (Hg.), 2001
38z.B. Lustig/Koester, 2000, S. 7/vgl. auch Meyer, S. 131
39 vgl. Kanning, S. 12
40 vgl. Kanning, S. 15
41 vgl. Eder, S. 412
42 Meyer, S. 131
43 Kanning, S. 16
44 vgl. Kanning, S. 13
45 Koester, Wiseman, Sanders, S. 7
46 Erpenbeck/Rosenstiel, S. XI
47 vgl. Watzlawick, Beavin, Jackson, 1969
48 Lustig/Koester, 2000, S. 197
49 Beneke, S. 98
50 Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2000
51 vgl. Scholz, S. 827
52 Erpenbeck/Rosenstiel, S. XII
53 Cesana in: Mall, S. 121
54 vgl. Süß, S. 65/66
55 Elberfeld, Abs. 7
56 Kanning, S. 30
57 Hauser, S. 58
58 vgl. Schroll-Machl, S. 32
59 Kise/Phipps/Sufferlein, S. 228 f.
- Quote paper
- Daniela Hofbauer (Author), 2006, Die transkulturelle Anwendbarkeit des Konzeptes interkulturelle Kompetenz vor dem Hintergrund globaler Personalmanagement-Strategien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137341