Thomas von Aquin und die Juden


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Allgemeine Aussagen des Thomas von Aquin zu den Juden
2.2 Das Zinsgeschäft der Juden
2.3 Die Juden zwischen Heiden und Ketzern
2.4 Servitus Judaeorum
2.5 Über die Kleiderordnung der Juden und ihren sozialen Status

3 Schlussfolgerung

4 Literatur- und Quellenangaben
4.1 Primärquellen
4.2 Sekundärquellen
4.3 Internetseiten

1 Einleitung

Die rechtliche und soziale Stellung der Juden war im Mittelalter besonders problematisch. Sie hatten kein eigenes Staatsgebiet und lebten als Minorität unter fremder Herrschaft. Folglich waren sie dem Wohlwollen ihrer jeweiligen Landesherren oft auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Als Juden wurden sie zudem als Mörder Christi beschuldigt.

Als einer der größten Denker seiner Zeit hat Thomas von Aquin sich über fast alle theologischen und philosophischen Fragestellungen des Mittelalters geäußert. Wie viele Theologen seiner Zeit hat er sich auch Gedanken über die Juden gemacht. Auffallend ist jedoch, dass er nie ein Werk nach Art traditioneller Traktate „Contra Judaeos“ verfasst hat. Trotzdem hat er sich in einer Vielzahl seiner Arbeiten auch mit dem Judentum beschäftigt.

Anhand verschiedener Beispiele aus der Summa Theologiae und der Epistola ad ducissam Brabantiae soll die zwiespältige Position des Thomas von Aquin zum Judentum dargestellt werden. Neben seiner Hochschätzung der biblischen Juden als auserwähltes Volk Gottes kann man aus den genannten Beispielen auch seine Stellungnahme zum zeitgenössischen Judentum deutlich erkennen.

Unter Berücksichtigung der beiden genannten Werke des Aquinaten soll diese Arbeit vor allem die Reflexionen des Thomas über die Juden und ihre gesellschaftliche Situation wiedergeben und analysieren. Thomas bezieht sich bei seinen Überlegungen zum Judentum vornehmlich auf das 4. Laterankonzil vom November 1215, insbesondere auf die Kanone 67 bis 70. Aus diesem Grund werden diese Bestimmungen zu den Juden in die Untersuchung zur Position des Thomas von Aquin zu den Juden und ihrer gesellschaftlichen Stellung mit einbezogen.

Nach einer allgemeinen Übersicht über die Aussagen des Thomas von Aquin zu den Juden, werden die Rolle der Juden im Finanzgeschäft, ihre Positionierung als Nicht-Christen zwischen Heiden und Ketzern und ihre selbstverschuldete Knechtschaft näher beleuchtet, um anschließend auf die Frage einzugehen, inwiefern die Kleiderordnung zur sozialen Isolierung der Juden beigetragen hat.

2 Hauptteil

2.1 Allgemeine Aussagen des Thomas von Aquin zu den Juden

Die Aussagen des Thomas von Aquin sind weder originell, noch systematisiert. Sie sind durchaus widersprüchlich und entsprechen weitgehend der zeitgemäßen Auffassung über die Juden. Entscheidend ist, dass die Juden und das Judentum nie in sich betrachtet werden, sondern immer nur in Bezug auf das Christentum als neues Gottesvolk.[1]

Thomas von Aquin hat nie eine Apologie nach Art traditioneller Traktate ‚Contra Judaeos‘ verfasst. Er setzt sich allerdings in verschiedenen Werken mit dem Judentum auseinander.[2]

Trotz der Vieldeutigkeit der Aussagen des Thomas von Aquin zu den Juden hat der italienische Thomist Petrus von Bergamo (†15.10.1482 in Piacenza) diese Aussagen in drei Gruppen eingeteilt, in communi, boni, mali.

Die erste Gruppe beinhaltet die Äußerungen über die Juden im Allgemeinen, besonders über ihre Abstammung vom Stammvater Judas. Die zweite Gruppe bezieht sich auf die Aussagen über das jüdische Volk im Alten Testament und ihre Vorbildfunktion für das Christentum. Die dritte Gruppe enthält leicht diskriminierend wirkende Stellungnahmen des Aquinaten zum Judentum, besonders über die soziale Situation der Juden im Mittelalter.[3]

In seinen Äußerungen zu den Juden unterscheidet Thomas von Aquin vor allem zwischen dem alttestamentarischen, biblischen Volk der Juden und den Juden zu seiner Zeit. Während erstere von ihm hoch geschätzt werden und als Vorgänger und Vorbild für das Christentum gelten, bezeichnet er letztere als schuldig am Tod Christi. Diese hohe Wertschätzung der biblischen Juden ist charakteristisch für Thomas. Er betrachtet sogar die soziale und gesetzliche Gesellschaftsstruktur der alttestamentarischen Juden als paradigmatisch für eine sozialethisch zu fundierende christliche Gesellschaftsordnung.[4]

Wie alle anderen mittelalterlichen Theologen, war auch Thomas der Auffassung, dass der Tod Christi am Kreuz das Ende für die legitime Existenz der jüdischen Religion bedeutete. Nicht mehr die Juden, sondern die Christen als Nachfolger Jesu sind nun das von Gott auserwählte Volk. Dementsprechend ist die Geschichte der Juden des Alten Testaments eine praeparatio Christi, eine Vorbereitung auf das Kommen des Erlösers. Thomas von Aquin differenziert die Juden zur Zeit Jesu in diejenigen, die Christus folgen und weiterhin zu den Auserwählten gehören und in die, welche Christus nicht als Messias anerkennen, und weiterhin ihrem alten Glauben anhängen.[5]

Trotzdem stuft Thomas die Juden als ungläubig und gefährlich ein, da sie die Christen durchaus dazu verleiten können den ‚wahren‘ Glauben zu verleugnen. Jedoch hat er, bedingt durch den Apostel Paulus, keine vollständig negative Sicht auf das Judentum. Paulus nämlich war der Meinung, dass die Verdammung der Juden, die ihnen als Strafe für ihre Schuld am Tod Christi von Gott auferlegt wurde, nur temporär ist und nicht ewig andauert. Gott liebt sie immer noch und wird sie auch erlösen.[6]

Die Aussagen des Thomas von Aquin über die Juden sind dreifach theologisch fundiert. Thomas ist der festen Überzeugung, dass das Exil der Juden seiner Zeit die Strafe für die Kreuzigung Jesu ist. Sie haben sich von Jesus und damit von Gott abgewendet und müssen nun als Strafe ein Leben als Minderheit in der Fremde führen. Thomas deutet dies auch als Zeichen für den Triumph des Christentums.[7]

Die zweite theologische Begründung findet sich im Römerbrief des Apostels Paulus: „Denn wenn schon ihre Verwerfung für die Welt Versöhnung gebracht hat, dann wird ihre Annahme [des Christentums] nichts anderes sein als Leben aus dem Tod “ (Römer II,15). Paulus war überzeugt davon, dass sich die Juden eines Tages doch für den ‚wahren‘ Glauben entscheiden werden und dass Gott sie dann aus ihrer Verdammung erlösen wird.[8]

Als dritte theologische Fundierung bezieht sich Thomas auf die Theorie des Augustinus, dass das Christentum immer noch von der Existenz der Juden profitiert. Dadurch wird nämlich bewiesen, dass die Prophezeiungen des Alten Testaments wahr sind, ganz besonders die des kommenden Messias, da auch die Juden daran glauben. Dies macht Christus als Erlöser glaubwürdiger, gerade in den Augen der noch zu missionierenden Heiden.[9] Die Juden praktizieren ihre Religion im Glauben sie seien immer noch das Volk Gottes aus dem Alten Testament. Dadurch sind sie zu einem Zeugnis einer vergangenen Epoche innerhalb der Heilsgeschichte geworden. Sie sind also der lebende Beweis für die Wahrheit der kirchlichen Doktrin.[10]

2.2 Das Zinsgeschäft der Juden

Thomas von Aquin bereitet die Unterscheidung zwischen Binnen- und Außenmoral, so wie sie in der Thora verdeutlicht wird, Schwierigkeiten. Auf wirtschaftsethischem Gebiet ist diese Unterscheidung besonders augenfällig, besonders in Betreff auf das Verbot des Zinsnehmens. Im Deuteronomium heißt es: „ Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. Von einem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, von deinem Bruder darfst du keine Zinsen nehmen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem, was deine Hände schaffen, in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen “ (Deut. XXIII,20-21). Hier wird ganz klar unterschieden zwischen den Angehörigen des eigenen Volkes und den Fremden.

Anhand der Thora versucht Thomas nun die Allgemeinverbindlichkeit des Zinsverbotes zu beweisen. Wenn es verboten ist vom eigenen Bruder Zins zu verlangen, dann ist es allgemein widerrechtlich Zinsen zu fordern, da alle Menschen Brüder sind. Folglich ist das Zinsnehmen schlechthin böse und unrechtmäßig. Zwar ist es von staatlicher Seite her nicht verboten, jedoch aus christlich-theologischer Sicht sündhaft, da es gegen das Gebot der Nächstenliebe verstößt.[11]

[...]


[1] Eckert, Paul Willehad : Thomas von Aquino – Seine Stellung zu Juden und zum Judentum, in : Freiburger Rundbrief, Nr. 73/76, Freiburg: Dezember 1968, Seite 30-38, hier Seite 37.

[2] Schreckenberg, Heinz: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (13.-20.Jh.), Frankfurt a. Main: 1994, Seite 252.

[3] Eckert, Paul Willehad : Thomas von Aquino – Seine Stellung zu Juden und zum Judentum, (wie Anm. 1), Seite 33.

[4] Schreckenberg, Heinz: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (13.-20.Jh.), (wie Anm. 2), Seite 254.

[5] Hood, John Y. B.: Aquinas and the Jews, Philadelphia: 1995, Seite 62.

[6] Hood, John Y. B.: Aquinas and the Jews, (wie Anm. 5), Seite 62.

[7] Hood, John Y. B.: Aquinas and the Jews, (wie Anm. 5), Seite 77.

[8] Hood, John Y. B.: Aquinas and the Jews, (wie Anm. 5), Seite 77.

[9] Hood, John Y. B.: Aquinas and the Jews, (wie Anm. 5), Seite 78.

[10] Liebeschütz, H. : Judaism and Jewry in the social doctrine of Thomas Aquinas, in : Weiss, J.G. (Ed.) : The Journal of Jewish Studies, Vol. XIII, Nos. 1-4, London, Manchester: 1962, Seite 57-81, hier Seite 63.

[11] Eckert, Paul Willehad : Thomas von Aquino – Seine Stellung zu Juden und zum Judentum, (wie Anm. 1), Seite 34.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Thomas von Aquin und die Juden
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für systematische Theologie)
Veranstaltung
Einführung in das Denken des Thomas von Aquin
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V137548
ISBN (eBook)
9783640464005
ISBN (Buch)
9783640461165
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thomas, Aquin, Juden
Arbeit zitieren
Isabelle Schleich (Autor:in), 2009, Thomas von Aquin und die Juden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137548

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Thomas von Aquin und die Juden



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden