Deutsche Schuldner wandern immer mehr ins Ausland ab, um ein Insolvenzverfahren nach dortigem Recht zu durchlaufen. Das Streben nach vereinfachten, verkürzten und somit kostengünstigeren Verfahren im Ausland, die auch in Deutschland anerkannt werden müssen, bezeichnet man als Insolvenztourismus.
Ziel dieser Arbeit ist, Erklärungen zu geben, warum Schuldner zu Insolvenztouristen werden. Es werden die Verfahren in Deutschland, England und Frankreich vorgestellt und auf Grund dieser Information die Motivation für den Insolvenztourismus abgeleitet. Anschließend folgen Lösungsmöglichkeiten für Kreditinstitute, dies zu verhindern.
Inhaltsverzeichnis
I Abkarzungsverzeichni
1. Einfiihrung
2. Die Rechtslage der Insolvenzverfahren in Deutschland
2.1 Uberblick fiber das Insolvenzverfahren
2.1.1 Allgemeine Eröffnungsvoraussetzungen
2.1.1.1 Insolvenzfähigkeit
2.1.1.2 Insolvenzgrundes
2.1.1.3 Insolvenzantrag
2.1.2 Bestandteile, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
2.2 Das Restschuldbefreiungsverfahren
2.2.1 Zugang zur Wohlverhaltensphase
2.2.2 Die Wohlverhaltensphase
2.2.3 Obliegenheiten des Schuldners während der Wohlverhaltensphase
2.2.3.1 Erwerbstätigkeit
2.2.3.2 Erbfall
2.2.3.3 Auskunftspflichten
2.2.3.4 Gleichbehandlungsgebot
2.2.4 Erteilung der Restschuldbefreiung
3. Insolvenzverfahren im europäischen Ausland
3.1 Unternehmensinsolvenzverfahren in England
3.1.1 Uberblick fiber die Verahrensarten
3.1.2 Company voluntary agreement
3.2 Verbraucherinsolvenz in England
3.2.1 Persönlicher Anwendungsbereich und Antragsstellung
3.2.2 Bestandteile und Verwertung der Konkursmasse
3.2.3 Erteilung und wirkung der discharge
3.3 Verbraucherinsolvenz in Frankreich
4. Grande des Insolvenztourismus
4.1 Legitimation des Insolvenztourismus
4.2 Motivation des Schuldners
5. Lösungsmöglichkeiten far Kreditinstitute
5.1 Verhinderung ausländischer Insolvenzverfahrens
5.2 AuBergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan
5.3 Risikominimierung bei der Kreditvergabe
5.2.1 Schuldenbereinigung far Privatpersonen
5.2.2 AuBergerichtliche Unternehmenssanierung
5.3 Risikominimierung bei der Kreditvergabe
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 . Einffihrung
Im Jahr 2006 wurden 154.404 Insolvenzen registriert. Davon entfielen auf Unternehmen 30.357 und auf Privatpersonen 119.299. Bis zum Juli 2007 meldeten insgesamt 77.724 Privatpersonen und 16.876 Unternehmen Insolvenz an.1 Während bei den Unternehmensinsolvenzen seit 2005 ein Riickgang zu verzeichnen ist, bleibt die Lage bei den Verbraucherinsolvenzverfahren weiter angespannt.2 Dies spiegelt sich auch im derzeitigen Boom der Schuldnerberatungssendungen im Fernsehen wider. Bekanntestes Beispiel diirfte „Raus aus den Schulden" bei RTL sein.
Doch deutsche Schuldner wandern immer mehr ins Ausland ab, um ein Insolvenzverfahren nach dortigem Recht zu durchlaufen.3 Das Streben nach vereinfachten, verkiirzten und somit kostengiinstigeren Verfahren im Ausland, die auch in Deutschland anerkannt werden miissen, bezeichnet man als Insolvenztourismus.4
Ziel dieser Arbeit ist, Erklärungen zu geben, warum Schuldner zu Insolvenztouristen werden. Es werden die Verfahren in Deutschland, England und Frankreich vorgestellt und auf Grund dieser Information die Motivation fiir den Insolvenztourismus abgeleitet. AnschlieBend folgen Lösungsmöglichkeiten fiir Kreditinstitute, dies zu verhindern.
2 .Die Rechtslage der Insolvenzverfahren in Deutschland
2 .1 Uberblick fiber das Insolvenzverfahren
2 .1 .1 Allgemeine Eroffnungsv oraussetzungen
Das Gesetz fordert drei Voraussetzungen, um ein Insolvenzverfahren eroffnen zu konnen: Die Insolvenzfahigkeit, das Vorhandensein eines Insolvenzgrundes sowie einen Insolvenzantrag. Im Folgenden werden diese Voraussetzungen kurz erlautert.
2.1.1.1 Insolvenzfahigkeit
Uber das Vermogen jeder juristischen und jeder natiirlichen Person kann das Insolvenzverfahren eroffnet werden.5 Die Insolvenzfahigkeit umfasst auch immer die
Möglichkeit der Liquidation und des Planverfahrens.6
2.1.1.2 Insolvenzgrund?
Während fur Privatpersonen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften die eingetretene oder die drohende Zahlungsunfähigkeit7 einen Insolvenzgrund darstellt, ist fur juristische Personen zusätzlich die Uberschuldung8 anzuf/hren.9 Grund hierf/r ist, dass die juristischen Personen nur begrenzt mit ihrem Betriebsvermögen haften.10
2.1.1.3 Insolvenzantrag
Sowohl der Schuldner als auch dessen Gläubiger sind grundsätzlich berechtigt, den
Insolvenzantrag zu stellen. Er muss schriftlich erfolgen.11
Bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit können Gläubiger den Antrag nicht stellen.12
2 .1 .2 Bestandteile, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
Die Insolvenzmasse umfasst das gesamte Vermögen, welches der Schuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung besitzt und im Laufe des Verfahrens erlangt.13 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt der Schuldner zwar Eigentümer der Insolvenzmasse, doch verliert er die Befugnis, sein Vermögen zu verwalten und dariiber zu verf/gen.14 Diese Einwirkungsmöglichkeiten tritt der Schuldner an den Insolvenzverwalter ab, um die ungestörte Befriedigung der Gläubiger zu gewährleisten.15
Der Insolvenzverwalter hat auBerdem Sorge daf& zu tragen, dass alle Forderungen gegen den Schuldner angemeldet werden.16 Dadurch wird sichergestellt, dass die Forderungen der Gläubiger während des Insolvenzverfahrens bedient werden können.
Die wirtschaftliche Lage des Schuldners und deren Ursachen soll der Insolvenzverwalter im Zuge eines so genannten Berichtstermins darstellen. Handelt es sich beim Schuldner um ein Unternehmen, soll er prognostizieren, inwieweit es ganz oder teilweise fortgefiihrt werden kann, ob die Möglichkeit fiir einen Insolvenzplan besteht und welche Auswirkungen dies auf die Befriedigung der Gläubiger hat.17 Während des Berichtstermins beschlieBt zudem die Gläubigerversammlung, ob das Unternehmen liquidiert oder fortgefiihrt werden soll.18
Hat die Gläubigerversammlung der Liquidation des Unternehmens zugestimmt, ist es Pflicht des Insolvenzverwalters, die Insolvenzmasse sofort zu verwerten.19 Er soll sich um gröBtmöglichen Erlös aus VeräuBerung des Vermögens bemiihen.20 Alternativ kann auch eine zeitweise Fortfiihrung des Unternehmens sinnvoll sein.Obermfillernennt den Fall, dass einer Bank zur Besicherung Maschinen iibereignet worden sind und eine Betriebsfortfiihrung giinstig sei, damit der Verkaufserlös aus den fertig gestellten Giitern zur Forderungsbefriedigung genutzt werden kann.21
Die Verteilung der Insolvenzmasse erfolgt nach der in der InsO genannten Rangordnung der Gläubiger.22 Dies kann erfolgen, sobald hinreichende Barmittel aus Verkauf des Vermögens vorhanden sind.23 Erlöse aus Verkauf von Gegenständen, die zur Forderungssicherung dienen, hat der Insolvenzverwalter sofort an die gesicherten Gläubiger zu zahlen.24
Die verbleibende Insolvenzmasse soll zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens25 sowie sonstiger Masseschulden26 vorweg verwendet werden.27 Diejenigen Gläubiger, die einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung haben, werden im Anschluss an die Massegläubiger bedient.28 In den Rang dieser so genannten Insolvenzgläubiger ordnetObermfillerdie Inhaber ungesicherter Forderungen aus Krediten, Anleihen und Schuldscheindarlehen ein.29
Nach Verteilung der Insolvenzmasse erlischt die Firma des Unternehmens, das Verfahren ist beendet. Privatpersonen miissen aber gegebenenfalls noch ein Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen.30
2 .2 Das Restschuldbefreiungsverfahren
In Deutschland steht jeder natiirlichen, d.h. auch jeder gegenwärtig und ehemals wirtschaftlich tätigen Person, das Restschuldbefreiungsverfahren offen.31 Ausgenommen hiervon sind juristische Personen und Personengesellschaften.32
Bevor das eigentliche Restschuldbefreiungsverfahren beginnt, hat der Gesetzgeber das Insolvenzverfahren gesetzt.33 Grund hierfiir ist, dass die Gläubiger die Möglichkeit haben sollen, ihre Forderungen gegeniiber dem Schuldner anzumelden und eine Vermögens- und Einkommensaufstellung des Schuldners durchgefiihrt werden kann. Ohne dieses Vorgänge im Rahmen des Insolvenzverfahrens wiirden die Gläubiger alle ihre Forderungen ganz oder zumindest teilweise verlieren.34 Die Restschuldbefreiung nach § 286 InsO hat daher den Zweck, den Schuldner von den während des Insolvenzverfahrens nicht erfiillten Forderungen der Gläubiger zu befreien.35
2 .2 .1 Zugang zur Wohlverhaltensphase
Gemäß § 287 I 1 InsO ist ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung nötig, um den Zugang zur Wohlverhaltensphase zu ermöglichen.36 Dieser soll mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden.37 Des Weiteren ist der Nachweis notwendig, dass der Schuldner sich nicht unredlich verhalten hat.38 Gemeint ist insbesondere die Vermeidung von Verhaltensweisen, die eine Restschuldbefreiung aus Gläubigersicht unvertretbar erscheinen lassen.39
[...]
1 Vgl. Statistisches Bundesamt (2007a): o. S.
2 Vgl. Statistisches Bundesamt (2007b): o. S.
3 Vgl. Theewen, E. (2006): S. 38
4 Vgl. Theewenm, E. (2006): S. 38
5 Vgl. InsO (2007): § 11 Abs. 1, S. 115
6 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 3
7 Zahlungsunfähigkeit ist eingetreten, wenn der Schuldner nicht mehr „in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.", InsO (2007): § 17 Abs. 2, Seite 145; drohende Zahlungsunfähigkeit wird angenommen, wenn der Schuldner „voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.", InsO (2007): § 18 Abs. 2, Seite 157
8 „ Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.", InsO (2007): § 19 Abs. 2, S. 162
9 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 3
10 Vgl. Obermüller,M. (2007): S. 4
11 Vgl. InsO (2007): § 13 Abs. 1, S. 122
12 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 4
13 Vgl. InsO (2007): § 35 Abs. 1, S. 262
14 Vgl. InsO (2007): § 80 Abs. 1, S.574
15 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 59
16 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 119
17 Vgl. InsO (2007): § 156 Abs. 1, S. 957
18 Vgl. InsO (2007): § 157, S. 960
19 Vgl. InsO (2007): § 159, S. 966
20 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 124
21 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 124
22 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 126
23 Vgl. InsO (2007): § 187 Abs. 2, S. 1071
24 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 126
25 „Kosten des Insolvenzverfahrens sind [...] Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren [sowie] die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.", InsO (2007): § 54, Seite 413
26 Sonstige Masseschulden sind z.B. Schulden, „die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder [...] durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". InsO (2007): §55 Abs. 1 Nr. 1, Seite 421
27 Vgl. InsO (2007): § 53, S. 409
28 Vgl. Obermüller, M. (2007): S. 127
29 Vgl. Obermiiller, M. (2007): S. 127
30 Vgl. Obermiiller, M. (2007): S. 133
31 Vgl. InsO (2007): § 286, S. 1336
32 Vgl. Zurlinden, M. (2007): S. 5-6
33 Vgl. Zurlinden, M. (2007): S. 6
34 Vgl. SchmidtRäntsch, R. (2006): S. 1061
35 Vgl. Zurlinden, M. (2007): S. 6
36 Vgl. Preu13, N. (2003): S. 217
37 Vgl. Preu13, N. (2003): S. 218
38 Vgl. InsO (2007): § 1, S. 19
39 Vgl. Schmidt-Räntsch, R. (2006): S. 1065-1066
- Arbeit zitieren
- Manuel Günzel (Autor:in), 2007, Insolvenztourismus als neue Erscheinungsform im Privatkunden- und Firmenkundengeschäft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137831