1. Einleitung und Problemstellung
Die Analyse ungleicher Sozialstruktur erfolgte bisher mit Hilfe von Klassen- oder Schichtmodellen, die den heutigen Gegebenheiten nicht mehr entsprechen, bzw. diese nicht mehr genau genug abbilden können. Bei der Untersuchung der sozialen Ungleichheit, also des vertikalen Aufbaus der Sozialstruktur, wird mit Hilfe der Klassenkonzepte erklärt, wie die Herausbildung von Gruppen mit ungleichen Lebensbedingungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Stellung im Wirtschaftsprozess und den sich daraus ergebenden Herrschafts- und Konfliktkonstellationen erfolgt ist. Die Schichtenkonzepte dagegen beschreiben die Struktur sozialer Ungleichheit als vertikal abgestuftes Gefüge von Gruppierungen mit unterschiedlichen Lebensbedingungen. Diese stehen meist in mehr oder minder engem Verhältnis zur beruflichen Stellung.
Weder die Erklärungsfunktion des Klassenmodells, noch die Beschreibungsfunktion der Schichtenmodelle können heute noch hinreichend erfüllt werden.(1) Die Begründung dafür liegt vor allem im Strukturwandel der modernen Gesellschaften, der meist mit den Schlagworten »Differenzierung«, »Pluralisierung«, »Individualisierung« oder »Entstrukturierung«(2) beschrieben wird. Mehrere Autoren prägen in diesem Zusammenhang den Begriff der „neuen Ungleichheiten“(3) , wie z.B. NISBET (1959), BECK (1983) sowie CLARK und LIPSET (1991).
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1 vergl. S. Hradil: Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft. Von Klassen und Schichten zu Lagen und Milieus, Leverkusen 1987, S. 7. (im folgenden zitiert als: S. Hradil: Sozialstrukturanalyse.)
2 vergl. F. Zerger: Klassen, Milieus und Individualisierung. Eine empirische Untersuchung zum Umbruch der Sozialstruktur, Frankfurt 2000, S. 23f. (im folgenden zitiert als: F. Zerger: Klassen, Milieus und Individualisierung.)
3 F. Zerger: Klassen, Milieus und Individualisierung, a.a.O., S. 28.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Problemstellung
- Bausteine für ein Modell sozialer Ungleichheit in fortgeschrittenen Gesellschaften
- Anforderungen an ein zeitgemäßes Modell sozialer Ungleichheit
- Soziale-Indikatoren-Bewegung
- Statusinkonsistenzforschung
- Sozialstrukturelle Sozialisationsforschung
- Qualitative Sozialforschung in der Sozialstrukturanalyse
- Sozialstrukturanalyse in einer fortgeschrittenen Gesellschaft
- Begründung der Konzeption sozialer Ungleichheit
- Soziale Lagen
- Soziale Milieus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Referat befasst sich mit der Lebensstilforschung als Baustein einer „modernisierten“ Ungleichheitsforschung bzw. Sozialstrukturanalyse. Es untersucht die Veränderungen in der Sozialstruktur moderner Gesellschaften und die damit verbundenen Herausforderungen für die traditionellen Klassen- und Schichtmodelle.
- Die Transformation der Sozialstruktur in fortgeschrittenen Gesellschaften
- Die Grenzen klassischer Klassen- und Schichtmodelle im Hinblick auf die Analyse moderner Ungleichheit
- Die Rolle der Lebensstilforschung als Ansatzpunkt für eine zeitgemäße Ungleichheitsforschung
- Die Bedeutung sozialer Indikatoren, Statusinkonsistenz und sozialstruktureller Sozialisation für die Erfassung moderner Ungleichheit
- Die Bedeutung von Lebensstilen und Mentalitäten für die Analyse der Sozialstruktur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problemstellung dar, dass die traditionellen Klassen- und Schichtmodelle die heutige Sozialstruktur nicht mehr adäquat abbilden können. Es werden die Begriffe „neue Ungleichheiten“ und die Veränderungen in der Sozialstruktur durch „Differenzierung“, „Pluralisierung“, „Individualisierung“ und „Entstrukturierung“ erläutert.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Anforderungen an ein zeitgemäßes Modell sozialer Ungleichheit, welches die „neuen“ Ungleichheiten berücksichtigt. Es werden fünf Anforderungen vorgestellt: umfassende Dimensionen der Ungleichheit, Erfassung des Zusammenwirkens von Lebensbedingungen, Verteilung der Gesellschaftsmitglieder auf Gesamtsituationen sozialer Ungleichheit, Berücksichtigung subjektiver Faktoren, Fähigkeit zur Verallgemeinerung und Einbezug von Lebensstilen.
In den folgenden Abschnitten werden verschiedene Ansätze zur Sozialstrukturanalyse vorgestellt, die zur Entwicklung eines zeitgemäßen Modells beitragen können. Dazu gehört die Soziale-Indikatoren-Bewegung, die Statusinkonsistenzforschung und die sozialstrukturelle Sozialisationsforschung.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter sind Sozialstrukturanalyse, Ungleichheitsforschung, Lebensstilforschung, Klassen, Schichten, „neue Ungleichheiten“, Differenzierung, Pluralisierung, Individualisierung, Entstrukturierung, soziale Indikatoren, Statusinkonsistenz, sozialstrukturelle Sozialisation, Lagen, Milieus.
- Arbeit zitieren
- Thomas Reith (Autor:in), 2001, Lebensstilforschung als Baustein einer modernisierten Ungleichheitsforschung bzw. Sozialstrukturanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1380