Der Labeling Approach

Eine Ausarbeitung der verschiedenen Richtungen des Etikettierungsansatzes


Seminararbeit, 2009

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Definition

2. Theorien des Labeling Approach
2.1. Die Begründung des Labeling Approachs durch Tannenbaum
2.2. Primäre und sekundäre Devianz bei Lemert
2.3. Der Machtaspekt und die ‚kriminelle Karriere‘ bei Becker
2.4. Formelle und informelle Sanktionen bei Erikson und Kitsuse
2.5. Der „radikale“ Ansatz nach Sack

3. Gemeinsamkeiten

4. Beurteilung und Anwendbarkeit des Labeling Approach

5. Eigene Stellungnahme

Quellenverzeichnis

Einleitung

„The young delinquent becomes bad, because he is defined as bad“[1] – dieser Satz beschreibt in etwas polemischer Art und Weise, aber dennoch anschaulich ein soziologisch geprägtes Paradigma abweichenden Verhaltens: Der Labeling Approach, je nach Literatur auch als Ettikettierungs-, Definitions- oder Reaktionsansatz bezeichnet.

Die Ausarbeitung dieses Erklärungsansatzes reizt mich vor allem deshalb, weil der Labeling Approach im Gegensatz zu den meisten anderen Kriminalitätstheorien die Ursache abweichenden Verhaltens nicht in der Person oder dem sozialen Umfeld des „Täters“ selbst zu erkennen glaubt, sondern in der gesellschaftlichen Reaktion auf dessen Verhalten.

Auch als Student der Sozialen Arbeit unterliegt man tendentiell zunächst eher den ätiologisch- individualistischen Erklärungsansätzen für Kriminalität, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie bequemer sind. Insofern hat der Labeling Approach durchaus provokative Aspekte zu bieten.

Im Studium wird man aber auch immer dazu angehalten Perspektiven zu wechseln, ungewohnte Standpunkte und Sichtweisen einzunehmen um den Erfahrungshorizont zu erweitern. Dies möchte ich im Zuge dieser Ausarbeitung tun.

Zunächst werde ich die Sichtweisen der wichtigsten Vertreter des Labeling Approach darlegen, deren Unterscheide und Gemeinsamkeiten.

Im Anschluß daran werden die Zugänge auf deren Anwendbarkeit hin überprüft.

Zum Schluß werde ich meine eigenen Gedanken zum Thema beschreiben und Stellung beziehen.

Grundlage dieser Arbeit ist das Buch von Siegfried Lamnek „Theorien abweichenden Verhaltens – ‚Klassische‘ Ansätze“ in der 8. Auflage. Fußnoten, die keinen anders lautenden Verweis enthalten, beziehen sich auf dieses Buch.

1. Definition

Der Labeling Approach ist ein relativ junger soziologischer Erklärungsansatz für abweichendes Verhalten, der je nach Autor unterschiedliche Perspektiven und Gewichtungen ins Zentrum rückt.

„Label“ bedeutet soviel wie Kennzeichnung, Etikett oder Markierung. „Approach“ steht für Annäherung bzw. Zugang.

Die Theorien des Labeling Approach sind nicht ätiologisch orientiert. Vielmehr versuchen sie abweichendes Verhalten als das Ergebnis eines Interaktionsprozesses zwischen der Gesellschaft und dem Täter zu deuten. Devianz wird nicht als fixe Größe definiert, vielmehr wird explizit auf den Normsetzungscharakter der Zuschreibung eingegangen wodurch die Geltung von Normen mithin relativiert wird.[2]

Dies bedeutet, daß nicht mehr die Tat als solche mit ihren im Individuum oder des sozialen Umfeldes verorteten Ursachen im Mittelpunkt der Betrachtung steht, sondern die Reaktion der Gesellschaft und den sich daraus ergebenden Folgen für die kriminelle Karriere des Täters.

2. Theorien des Labeling Approach

2.1. Die Begründung des Labeling Approachs durch Tannenbaum

Der US-amerikanische Soziologe und Kriminologe Frank Tannenbaum prägte bereits 1938 mit dem eingangs wiedergegebenen Zitat die erste Formulierung eines etikettierungstheoretischen Ansatzes zur Erklärung des Phänomens der Kriminalität und gilt so als der Urvater des Labeling Approach.

Als entscheidende Ursache für Devianz betrachtet er „die sozialen Reaktionen der Umwelt“[3] auf diese. Abweichendes Verhalten werde demnach durch die (sanktionierenden) Reaktionen der Umwelt provoziert, indem der Delinquent sich erst dadurch seiner abweichenden Rolle bewußt wird und schlußendlich die ihm zugeschriebene Rolle übernimmt. Die Folge: Zur Aufrechterhaltung seines Selbstkonzeptes und um nicht in Widerspruch mit diesem zu geraten, erfüllt er die „Erwartungen“ der Gesellschaft indem er abweichende Handlungen vornimmt.

Tannenbaum stellte mit dieser Theorie erstmalig die gesellschaftliche Reaktion auf Devianz in Form von Zuschreibung des Attributes „abweichend“ in den Mittelpunkt der Betrachtung und nicht dessen (vermeintlich) ursprüngliche Ursachen.

Die weiteren Vertreter des Labeling Approach griffen bei ihren Überlegungen jedoch nicht mehr auf Tannenbaums Ausführungen zurück, sondern begründeten ihre Ansätze selbständig.

2.2. Primäre und sekundäre Devianz bei Lemert

Lemert begründet die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Devianz, wobei er bezogen auf das Erklärungsmuster des Labeling Approach hauptsächlich die sekundäre Devianz als bedeutsam anerkennt.

Sekundäre Devianz bezeichnet die Rollenidentifizierung eines Individuums als Abweichler aufgrund von Rollenzuschreibungen seiner sozialen Umwelt. Es reorganisiert seine Identität um ein deviantes Verhaltensmuster und orientiert sich in der Folge nicht mehr am konformen Verhalten, sondern ist quasi bemüht, die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen, indem es immer wieder deviante Verhaltensweisen zeigt.

Eine bis dahin existierende konforme Selbstdefinition wird durch die Unvereinbarkeit mit der Fremddefinition zu einem devianten Selbst umgestaltet, womit die erstrebte Konsistenz wieder erreicht wird.

[...]


[1] Lamnek, Siegfried: „Theorien abweichenden Verhaltens I“, Fink Verlag, 8. Auflage 2007, Seite 225

[2] vgl. ebd. S. 223

[3] vgl. ebd. S. 225

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Labeling Approach
Untertitel
Eine Ausarbeitung der verschiedenen Richtungen des Etikettierungsansatzes
Hochschule
Katholische Hochschule Freiburg, ehem. Katholische Fachhochschule Freiburg im Breisgau
Veranstaltung
Seminar Kriminalitätstheorien
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V138104
ISBN (eBook)
9783640465903
ISBN (Buch)
9783640466092
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abweichendes Verhalten, Kriminalität, Etikettierungsansatz
Arbeit zitieren
Rainer Wolff (Autor:in), 2009, Der Labeling Approach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138104

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