Sport als Mittel sozialer Distinktion


Seminararbeit, 2001

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Entstehung des Angebots

3 Die Phase der Ausbreitung

4 Die Nachfrage

5 Quellen

1 Einleitung

Die Vorlage zu dieser Hausarbeit bietet der Text „ Historische und soziale Voraussetzungen modernen Sports“ von Pierre Bourdieu aus Volker Caysas Buch „Sportphilosophie“, Leipzig 1997, Seite 101- 127. In diesem Kapitel geht es um die Frage, wie sich Sport als gesellschaftliches Angebot darstellt und sich eine bestimmte Nachfrage entwickelt. Das heißt also zum einen, ob man „Sport“ überhaupt als autonome Gesellschaftsform mit eigener Logik und Geschichte bezeichnen kann. Zum anderen ist es wichtig zu wissen, welche gesellschaftlichen Bedingungen dazu führen, dass sich eine bestimmte Klientel für diesen Themenbereich, sei es aktiv oder passiv, interessiert. Bourdieu bringt dies auf Seite 102 auf den Punkt:

„...Von welchen Prinzipien werden die sozialen Akteure bei ihrer Wahl in bezug auf Sportpraxis und Sportkonsum aus der Palette der zu einem gegebenen historischen Moment angebotenen Möglichkeiten geleitet?“

Die Historie und die soziale Struktur des Sports also sollen als Erläuterung und Begründung dienen für die Aufgabenstellung dieser Arbeit:

Sport als Mittel sozialer Distinktion.

Im folgenden wird darauf eingegangen, wie sich unterschiedliche Gruppen einer Gesellschaft gegeneinander abgrenzen: Sportinteressierte von „Unsportlichen“, Aktive von Passiven und vor allem die Distinktion unter den einzelnen Gesellschaftsschichten, also vom Arbeiter bis zum Aristokraten. Gerade letzterer Punkt bildet sozusagen den Hauptpunkt, da Bourdieu davon ausgeht, dass die Zugehörigkeit zu einer Klasse durch den Geschmack im Sinne der Ästhetik signalisiert wird. Da Sport eben diesem Sinn ein weites Spektrum bietet, lässt sich folglich in diesem Bereich der Klassenspezifische Geschmack und die damit einhergehenden sozialen Abgrenzungen am besten verdeutlichen.

2 Die Entstehung eines Angebots

An erster Stelle steht die Entwicklung des Sports zu einem selbständigen, das heißt autonomen Gesellschaftsfeld. Dieses soll sich auszeichnen, und vor allem abgrenzen, durch eine eigene Geschichte sowie spezifische Entwicklungsgesetze. Bourdieu bezeichnet es als ein „Konkurrenzfeld“ (S. 103) mit Experten und Laien, also als einen Raum mit Leuten unterschiedlichster Meinungen, Interessen und Entwicklungsstufen.

„...eine im gewissen Sinne esoterische, den Professionellen von Laien trennende Kultur.“ (S.104)

Weiter sind sportliche Aktivitäten durch die eigentümliche Logik ihres sportspezifischen Feldes determiniert. Es treten also Unterscheidungsmerkmale zwischen einzelnen Disziplinen auf, die dadurch einen separaten Wissenschafts-gegenstand bieten.

Nun stellt sich zwangsläufig die Frage, ab welchem Zeitpunkt man überhaupt von Disziplinen oder Sport im allgemeinen sprechen kann. Dies beruht auf der Entwicklung an den sogenannten Public Schools in England. Hier wurde erstmals eine Unterscheidung zwischen „Spiel“, im traditionellen Sinne, und „Sport“, als konditioniertem Begriff, durchgeführt. Schüler dieser Eliteschulen sollten zu Führungspersonal ausgebildet werden. Der Charakter sollte gestärkt werden, und der Umgang mit der standestypischen Distanz zu anderen, vornehmlich zu niedriger gestellten, sollte gefestigt werden. So entleerte man traditionelle und rituelle Aktivitäten[1] ihrer Funktion, um ein Mittel aus dem Volk zu haben, an dem man seine distanzierte und neutralisierende Einstellung zur Gesellschaft ausprägen, oder überhaupt erlernen konnte. Die Betätigung an sich war lediglich ein Ausdruck der Neigung zum zweckfreien Handel, sozusagen nur um ihrer selbst willen. Dabei war der „Fair-Play“[2] -Gedanke von höchster Wichtigkeit. Durch ihn lässt sich die spätere Führungsperson nicht zu unkontrolliertem Handeln verleiten. Der Ausgang einer Zusammenkunft dieser Art ist also schon vorher genau zu bestimmen. Das einstige Spiel wird somit zu einem automatisierten Vorgang, der aufgrund der neu propagierten Rationalisierung voll und ganz berechenbar wird. Die neue Philosophie des Sports ist jetzt die Theorie des Amateurismus, die in Form einer interessefreien Praxis Gestalt annimmt; analog zu künstlerischer Betätigung. Um überhaupt bestehen zu können bedarf es, wie in allen anderen Kulturen, einer internen Führungsschicht, den sogenannten „governing bodies“[3]. Sie stellen die Kompetenz dar, die einen Regelkanon festlegen und Wettkämpfe über ihre Schule und Region hinaus ins Leben rufen. Es findet also der erste intradisziplinäre Verkehr einer etablierten gesellschaftlichen Gruppierung statt. Doch je mehr Einflüsse anderer Entwicklungen eines Sports zusammenkommen, umso größer wird das Verlangen nach Reglementierung und Selbstverwaltung. Wenn man sich beispielsweise die vielen Abarten des Fußballs ansieht, Rugby, Gaelic, Aussie, American, Beach Soccer, Sepaktakraw,..., kann man hier „Sport“ erstmals als interdisziplinär aufgebautes und manifestiertes Gebilde betrachten. Schnell tritt hier der Verdacht auf, Rivalität zwischen den Disziplinen könnte sich entwickeln. Jedoch, unterstützt durch die aristokratische Moral, trägt das Fair-Play nach wie vor dazu bei, dass zwar der „Willen zum Siegen“[4] als oberste männliche Tugend hervorgehoben wird, man sich allerdings weiter davon distanziert verbissen und verkrampft, völlig untypisch für einen Gentleman, einen vulgären Sieg zu erringen. Dementsprechend wird und kann diese Kultur vorerst nur durch den aristokratischen Stand weitergegeben werden. So waren bei den ersten olympischen Spielen der Neuzeit unter de Coubertin ausschließlich Herzöge, Barone und weitere Adlige im Organisationskomitee. Das Hauptziel und die Maxime allen adligen und großbürgerlichen Handelns ist und bleibt die Absetzung und Distinktion von allen unterklassigen Gepflogenheiten und Entwicklungsansätzen. Man bedient sich des Sports als eine Art „Neuen Typs von Lernen“[5]. Privatinitiative und Unternehmergeist sollen geschult werden, Energie, Mut und Willen als Rüstzeug für den Herrn aus gutem Hause. Nichts eignete sich besser als die jetzt mögliche praktische Umsetzung von Erziehungsrichtlinien und –Inhalten. Der englische Adel stieg zusehends in seinem Ansehen in Europa. Der neue Grundsatz war „Sport gegenüber konservativer Bildung“. Die weiter Abkehr von konservativen Erziehungsansätzen, nämlich dem braven, an den Schreibtisch gebundenen Schüler, spaltet vorerst die bürgerliche Elite in zwei Hälften. Es kommt unter den einen eine Vorstellung von „Antiintellektualismus“ auf, der die Kontramuster „männlich“ und „verweiblicht“ der anderen gegenüberstehen[6]. Begründet werden derart subjektive Schlagworte mit der zunehmenden Distanzierung von einer Art asketischem Rigorismus, der den Leuten streng nach Tradition vorgibt, in welchem Rahmen sportliche Betätigung stattzufinden hat. Sport wird somit letztlich zur frei gestaltbaren Kultur und vor allem Kommunikationsebene.

[...]


[1] Es sei hier auf den Fußball verwiesen, der in seiner Urform ein typisches Gesellschaftsspiel zu Karneval war.

[2] Siehe auf Seite 106, unten

[3] Sie setzen sich aus den „Old Boys“ der Public Schools zusammen, also Ehemaligen, die bei der Einführung einer Sportart zum Kern der Aktiven gehörten.

[4] Dieser „will to win“ gehört neben Mut und Männlichkeit zur Vorstellung des Sports als Schule des Charakters, in der der wahre Führer herangezüchtet wird.

[5] Seite 108 beschreibt die Vorbildstellung Englands im neuartigen Schulungssystem:

„... gleichfalls bei Demolins,(...), dem Gründer der Ecole des Roches und Autor solcher Werke wie ´A quoi tient la supériorité des anglo-saxons?´(Worauf beruht die Überlegenheit der Angelsachsen) und ´L´éducation nouvelle´(Neue Erziehung), in denen er das napoleonische Kasernen-Lyzeum einer vehementen Kritik unterzieht...“

[6] Siehe Seite 110, oben

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Sport als Mittel sozialer Distinktion
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Sportphilosophie
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V13812
ISBN (eBook)
9783638193627
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sport, Mittel, Distinktion, Sportphilosophie
Arbeit zitieren
Ben Waizmann (Autor:in), 2001, Sport als Mittel sozialer Distinktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13812

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Sport als Mittel sozialer Distinktion



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden