Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Lucius Cornelius Sulla Felix (138-78 v.Chr.) - Kurzbiographie bis ins Jahr 83v.Chr.
3. Sullas Rückkehr nach Italien und der Bürgerkrieg 83-81 v.Chr.
4. Sulla crudelis: die Proskriptionen und die Unterwerfung der letzten Gegner
5. Dictator legibus scribundis et rei publicae constituendae - Die Neuordnung des römischen Staates
5.1. Die Reform der Magistraturen (Volkstribunat, Quaestur, Prätoren, Cursus Honorum)
5.1.1 Volkstribunat - tribuni plebis
5.1.2 Lex Cornelia de magistratibus
5.1.3 Lex Cornelia de praetoribus octo creandis
5.2. Die Senatsreform (Einschränkung der Censoren)
5.3. Die Neuordnung der Provinzverwaltung
5.4. Die Reform der Rechtsprechung - neue juristische Institutionen
5.5. Die Luxus- und Moralgesetzgebung
5.6. Reformen auf dem Bereich des Religiösen (lex de sacerdotis)
5.7. Die Entmilitarisierung Italiens
6. Sullas Rücktritt
7. Zusammenfassung
8. Forschungsüberblick - Literatur zu Sullas Neuordnung des Staates
9. Literatur
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit soll einen geschichtlichen Überblick zu Sullas politischem Wirken in den Jahren 83 - 79 v. Chr. geben. Im Mittelpunkt stehen Sullas Rückkehr nach Italien im Jahr 83 v.Chr., der darauf folgende Bürgerkrieg, Sullas Machtübernahme in Rom, die Proskriptionen und vor allem Sullas Diktatur mit der damit verbundenen Restauration und Reformierung des römischen Staates. Die in der geschichtswissenschaftlichen Forschung kontroverse Diskussion zur sullanischen Neuordnung des römischen Staates und die schwierige Bewertung und Interpretation von Sullas Absichten ( und seinen politischen Motiven) soll in ihren Grundzügen dargestellt werden.
2. Lucius Cornelius Sulla Felix (138-78 v.Chr.) - Kurzbiographie bis ins Jahr 83v.Chr.
Sullas Biographie, seine politische und militärische Karriere bis ins Jahr 83 v.Chr., stehen zwar nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Darstellung, sind aber für die Einschätzung der Person Sullas und der persönlichen Motive für seine Diktatur (seines Reformwerkes) nicht ganz zu vernachlässigen. Sulla entstammt einer angesehenen, aber verarmten römischen Patrizierfamilie. Eine Erbschaft ermöglichte ihm den Beginn einer politisch-militärischen Karriere. Er wurde 107 zum Quaestor gewählt und kämpfte unter Marius erfolgreich im Numidischen Krieg. In den Jahren 104-103 diente er ebenfalls unter Marius als Legat bzw. Kriegstribun im Krieg gegen die Germanen in Gallien. Erst 97 wurde er schließlich (wahrscheinlich durch Bestechung) in das Prätorenamt gewählt. Im Jahre 96 setzte er im Auftrag des Senats (als Proconsul in Cilicia) Ariobarzanes als König von Cappadocia ein, gelangte dabei bis an den Euphrat und knüpfte erste diplomatische Kontakte zwischen Rom und den Parthern. Unterstützt von einer angesehenen Familie (Metelli), wurde Sulla im Jahre 88 zum Konsul gewählt. Als Exponent optimatischer Politik wurde er mit dem Krieg gegen Mithridates betraut. Noch bevor Sulla mit seinen Truppen nach Asien aufbrechen konnte, wurde ihm jedoch der Oberbefehl entzogen und auf Marius übertragen. Er selbst, seine Legionen und auch einer seiner Offiziere (L. Lucullus) wollten die Entscheidung nicht akzeptieren. Sulla zog mit seinen Soldaten gegen Rom[2] ; sie konnten die Stadt trotz heftigem Widerstand einnehmen. Er ließ seine politischen Gegner (Sulpicius, Marius, u.a.) zu Staatsfeinden (hosti publici) erklären; die Gesetzgebungen der popularen Politik wurden aufgehoben. Auf Druck auch seiner Anhänger verließen die sullanischen Legionen wieder die Stadt, und es wurden für das Jahr 87 Konsulatswahlen durchgeführt. Sullas zu jenem Zeitpunkt sinkende Popularität manifestierte sich in der Wahl eines politischen Gegners: L.Cornelius Cinnas wurde Konsul, zunächst für das Jahr 87. Sulla vertraute dennoch auf die politische Fairneß Cinnas und verließ mit seinen Legionen Italien Richtung Griechenland, wo sich bereits Truppen des Mithridates befanden. Diese hatten in der sog. „Vesper von Ephesos“ ca. 80000 Römer und Italiker getötet - ein rasches militärisches Vorgehen gegen Mithridates war daher dringend nötig. Gleichzeitig entsandten Cinna und der Senat ein weiteres Heer (unter Valerius Flaccus) nach Griechenland, um Sullas Aufgabe zu übernehmen - wiederum sollte ihm sein Oberbefehl entzogen werden, er wurde sogar zum Staatsfeind erklärt. Sulla verfolgte in Griechenland eine umstrittene Strategie des Ausweichens - mehrmals vermied er die direkte militärische Konfrontation mit Mithridates. Die „popularen“ Legionen schlossen sich Sulla an, und er konnte mit Mithridates einen großzügigen Frieden (Friede von Dardanos, 85 v.Chr.) schließen; all dies mit dem Hintergedanken, seine Legionen für eine feindliche Rückkehr nach Italien zu schonen.[1]
Sullas politische und militärische Karriere waren eng verknüpft mit den konfliktreichen Ereignissen der späten Römischen Republik. Die Ereignisse nach seiner Rückkehr im Jahr 83 lassen sich nur vor dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklungen begreifen. Sullas Marsch auf Rom, die Proskriptionen und seine Diktatur waren schon im Jahre 83 kein Novum mehr - die Ereignisse aus dem Jahr 88, als Sulla zum ersten Mal auf Rom marschierte um seinen politischen Willen durchzusetzen, geben bereits einen Ausblick auf seine Rückkehr aus Griechenland im Jahre 83.
3. Sullas Rückkehr nach Italien und der Bürgerkrieg der Jahre 83 - 81 v.Chr.
Nachdem Sulla im Jahre 85 v.Chr. mit König Mithridates von Pontos jenen überraschend großzügigen Frieden geschlossen hatte[4] (Friede von Dardanos), bereitete er sich mit seinen Legionen (ca. 40000 Mann) darauf vor, nach Rom zurückzukehren. In Rom regierten zwischenzeitlich die Konsuln Cornelius Scipio und C. Norbanus, beide politische Erben des Marius. Als Sulla seine Rückkehr ankündigte, wurden in ganz Italien Truppen ausgehoben um der Bedrohung eines erneuten Bürgerkriegs militärisch entgegenzutreten. In einem Brief an den Senat rechtfertigte Sulla seine Vorgehensweise, zählte seine Verdienste auf und kündigte die Rückkehr nach Italien und Rache an seinen politischen Gegner an:[3]
Appian, Emphylia 1, 77, 350-352:
Sulla schrieb hochgemut in eigener Sache an den Senat, nannte seine Verdienste schon als Quäestor in Afrika gegen Iugurtha von Numidien, als Legat im Krieg gegen die Kimbern, als Kommandant in Kilikien und im Bundesgenossenkrieg, schließlich als Konsul, Er betonte besonders seine jüngsten Erfolge gegen Mithridates und zählte die vielen Völkerschaften auf, die Mithridates unterstanden hatten, nun aber durch ihn an Rom gelangt waren. Er stellte ebenso heraus, daß er die von Cinna aus Rom Vertriebenen, die sich zu ihm in ihrer Verzweiflung geflüchtet hatten, bei sich aufgenommen hätte... Als Dank für all dies, so sagte er, hatten ihn nun seine Gegner zum Feind des Staates erklärt, sein Haus sei zerstört, seine Freunde ermordet; seine Frau und seine Kinder hätten kaum zu ihm entkommen können. Er käme nun, um an den Schuldigen Rache für die Opfer und für die ganze Stadt zu nehmen. Er machte aber dem Volk insgesamt und besonders den Neubürgern dabei deutlich, daß er ihnen nichts vorzuwerfen habe.[5]
Erst im Jahr 83 v.Chr. landete Sulla mit fünf Legionen in Brundisium[6] (Brindisi); seine siegreichen Legionen waren zwar nicht besonders zahlreich, aber auf Grund ihres außerordentlichen Erfolgs in Griechenland (Frieden von Dardanos, Sieg über Mithridates) ihrem Heerführer treu ergeben. Die beiden römischen Konsuln, L. Cornelius Scipio und C. Norbanus, erwarteten Sullas Ankunft in Italien nicht unvorbereitet. In ganz Italien wurden Truppen ausgehoben (ca. 100 000 Soldaten) um der militärischen Bedrohung eines erneuten Bürgerkrieges entgegenzutreten. Es stellten sich jedoch Sulla mehrere optimatische Freunde[7] als Legaten zur Verfügung: Marcus Licinius Crassus rekrutiert in Spanien, als er von Cinnas Tod hörte, eine Armee und schloß sich Sullas Legionen an. Auch Pompeius beteiligte sich mit zwei Legionen, die er aus eigenen Mitteln in Picenum ausgehoben hatte. Ganz Unteritalien trat in einer raschen Entscheidung zu Sulla über[8]. Da er sich seiner Abhängigkeit vom Wohlwollen der gesamten Bevölkerung Italiens bewußt war, untersagte Sulla seinen Legionen jegliches Plündern und signalisiert, die unter Marius und Cinna zugestandenen Bürgerrechte der Bundesgenossen (Lex Plautia Papiria) zukünftig zu respektieren.[9] Die zunächst angestrebten Friedensverhandlungen mit den beiden Konsuln (Scipio und Norbanus) scheiterten. Die Legionen Scipios verbündeten sich jedoch mit Sullas Armee, und es wurde ihm möglich Norbanus zu schlagen. Für das Jahr 82 v.Chr. wurden Gnäus Papirius Carbo und der 27jährige Sohn Marius zu Konsuln gewählt. Es standen ihnen noch genügend Truppen zur Verfügung, zumal sich die Neubürger Italiens zum großen Teil gegen Sulla entschieden hatten. Es gelang Sulla jedoch bis ins Latium vorzudringen, Marius bei Signa zu schlagen, und ihn in der Stadt Präneste einzuschließen. Ohne auf weiteren Widerstand zu treffen, konnte Sulla daraufhin in Rom einziehen. Carbo und Marius hielten sich jedoch immer noch in Oberitalien auf, und ein großes Heer von Samniten und Lukanern unter einheimischen Führern marschierte von Süden gegen Rom. Den Krieg gegen Sulla, der im Bundesgenossenkrieg (91-89 v.Chr.) hart gegen die Samniten vorgegangen war, verstanden diese Italiker[10] als letzten Freiheitskampf gegen Rom. Vor dem Collinischen Tor (Porta Collina) im Nordosten Roms wurde im November 82 jene blutige Schlacht geschlagen, die mit der Vernichtung des Heeres der Italiker endete. Der antike Historiker Velleius Paterculus[11], beschrieb ca. 30 n.Chr. in seiner römischen Geschichte jene, den Bürgerkrieg entscheidende, Schlacht vor der Porta Collina:
Velleius Paterclus 2, 27, 1-2 :
Pontius Telesinus, der Anführer der Samniten, ein tapferer und kriegserfahrener Mann und Todfeind der Römer, rekrutierte etwa 40000 der tapfersten und zähesten Männer und lieferte [...] beim Collinischen Tor Sulla eine Schlacht. Sulla und die ganz res publica gerieten in die größte Gefahr; [...] Telesinus ging von Einheit zu Einheit seines Heeres und erklärte, für die Römer sei der letzte Tag gekommen; man müsse die Stadt völlig zerstören, denn nicht eher würde es keine Wölfe mehr geben, die die Freiheit Italiens raubten, als bis der Wald, in den sie sich immer flüchten konnten, gerodet sei.[12]
Sullas Legion konnten, wenn auch unter großen Verlusten, den Sieg davontragen. Die gefangenen Samniten (3000-4000) wurden auf dem Campus Martius getötet. Kurze Zeit darauf konnte auch die Stadt Präneste eingenommen werden.
4.Sulla crudelis : die Proskriptionen und die Unterwerfung der letzten Gegner
Im November 82 v.Chr. zog Sulla als vermutlich mächtigster Mann den Rom bis dahin in seiner republikanischen Geschichte gesehen hatte in die Stadt ein.[14] Der Bürgerkrieg war militärisch und strategisch beendet - Sulla widmete sich der Rache an seinen politischen und militärischen Gegnern. Sein Entschluß, das Morden und Rauben (ohne äußeren Zwang) fortzusetzen, ist sowohl für den heutigen Betrachter, als auch für seine Zeitgenossen, schwer nachvollziehbar.[15] Er verfolgte all jene, die die von ihm als Konsul (88v.Chr.) getroffenen Anordnungen umgestoßen und ihn geächtet hatten. All jene, die der popularen Politik nahe standen, oder dessen nur verdächtigt wurden, sollten verfolgt und getötete werden. Sulla dehnte zudem sein Verdikt auf jene aus, die während des Bürgerkriegs im feindlichen Lager gestanden hatten und die nicht an seiner Seite gekämpft hatten. Der Bürgerkrieg war mit Sullas Sieg im Grunde noch nicht beendet - es wiederholten sich die grausamen Ereignisse aus dem Jahr 87, als Marius (nach seiner Rückkehr aus dem afrikanischen Exil) seine politischen Gegner verfolgte. Sulla ließ die Güter der Ermordeten versteigern[16]. Was er hierbei anwandte, war Kriegsrecht - die Gewalt des Stärkeren gegenüber dem besiegten Gegner[17]. Als auch seine Anhänger den bürgerkriegsähnlichen Zustand in Rom leid waren, wurde Sulla in einer Senatssizung gebeten, diejenigen zu nennen, die sterben müßten, und somit die übrigen von der Furcht davor zu befreien[18]. Es folgte nun eine gewisse Reglementierung der Willkür durch die sog. Proskriptionen (proscriptio). Auf öffentlichen Namenslisten wurde angegeben, wer geächtet sei und sterben solle. Jeder Mord an den Geächteten sollte finanziell belohnt werden. Mancher, der einem Racheakt zum Opfer gefallen war, wurde erst nachträglich auf die Tafeln gesetzt. Die Proskribierten waren zumeist vornehme oder wenigstens reiche Leute, d.h. alte Angehörige des Senatsadels oder des Ritterstandes. Der revolutionäre Konflikt spielte sich innerhalb der oberen Schicht[19] ab, einfache Bürger waren nicht beteiligt. Nach niedrigen Schätzung waren 40 Senatoren und 1400 Angehörige des Ritterstandes betroffen. Andere schätzen die Gesamtsumme der Proskribierten auf rund 4700 Opfer[20]. Sullas Verfolgungen trafen vor allem Angehörige des Ritterstandes, die im Jahr 88 v.Chr. mit Sulpicius Rufus gemeinsam Politik betrieben und sich an den Verfolgungen des Marius beteiligten.[21] Den Sklaven der Proskribierten wurde die Freiheit geschenkt, und sie trugen fortan den Beinamen Cornelius - sie gehörten somit zum Klientel Sullas. Der Besitz der Proskribierten wurde größtenteils versteigert[22] ; ihre Nachfahren sollten für immer von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Die Stadt Praeneste, in die sich die Anhänger Cinnas und Marius zurückgezogen hatten, wurde eingenommen. Die Stadt bezahlte ihr Bündnis gegen Sulla mit dem Tod von 12000 Einwohnern. Das grausame Vorgehen der Soldaten Sullas in Praeneste veranlaßte die Bürger anderer Städte, sich selbst zu töten und ihre Häuser anzuzünden. Große Städte wie Capua und Nola wurden völlig zerstört. Auch in dieser Hinsicht ist der sullanische Bürgerkrieg die geradlinige Fortsetzung der Verwüstungen des Bundesgenossenkrieges. Die beiden Kriege verwüsteten allmählich den südlichen Teil Italiens.[13]
[...]
[1] Sehr umfassend informieren Keaveney und Letzner über Sullas militärischen und politischen Werdegang vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Konflikte der späten römischen Republik. (Letzner, Wolfram, S.22-208.; Keaveney, Arthur, S.6-110.)
[2] Bellen beschreibt die folgenschweren Ereignisse aus dem Jahr 88v.Chr, als erstmals römische Truppen gegen die eigene Stadt marschierten: „Sulla [...] brauchte die Soldaten dazu, sich der Befehlsübernahme durch Marius [...] zu widersetzen. Sie bekundeten [...] ihren Willen, Sulla in Rom Geltung zu verschaffen und mit ihm in den Krieg gegen Mithridates zu ziehen. [Sulla] [...] führte vier Legionen gegen Rom (zwei blieben vor Nola zurück). Die Ungeheuerlichkeit des Entschlusses, gegen den Sitz der res publica zu ziehen - auch wenn ein Konsul ihn gefaßt hatte und als Befreiungstat rechtfertigte -, kam vor allem den Offizieren zu Bewußtsein; sie verließen Sulla und eilten in die bedrohte Hauptstadt. Den Soldaten dagegen galten ihr Feldherr und ihr Vorteil mehr als der Staat. Das war die Konsequenz aus dem Strukturwandel des römischen Heeres; ein Berufsarmee ließ sich auch gegen den Staat einsetzten.“ vgl. Bellen, Heinz, S.108-109.
[3] Zum Verlauf der hier dargestellten historischen Handlungen und Abläufe siehe auch: Meier, Christian, S.240-243; Bleicken, Jochen, S.72-73; Letzner, Wolfram, S.229-245; Crawford, Michael, S.169-171.
[4] Mithridates sollte lediglich seine Eroberungen in der Provinz Asia aufgeben und 2000 Talente bezahlen, blieb ansonsten aber straflos und konnte sein großes Reich halten. Er bekam sogar den Status eines römischen Bundesgenossen. Von den Städten in Asia die z.T. zu Mithridates „übergelaufen“ waren, verlangte Sulla jedoch 20000 Talente und hohe Aufwendungen für seine Legionen - immerhin blieb Sulla fast noch zwei Jahre in Griechenland ehe er die Rückkehr nach Italien wagte.
[5] Zit. nach Crawford, Michael, S.169; der Sullas Argumentation wie folgt bewertet: „Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, mit welchem Nachdruck Sulla seine Verdienste um den Staat als Rechtfertigung für seine Vorhaben anführte; doch war ihm bewußt, daß er damit einen Kernpunkt im römischen Wertesystem ansprach.“
[6] Im Zusammenhang mit dem Aufbruch von Sullas Legionen in Griechenland erwähnt Plutarch folgende Begebenheit: „Als er nun im Begriff war, die Soldaten einzuschiffen, und die Besorgnis hegte, daß sie sich, sobald sie nach Italien kämen, in ihre Städte zerstreuen würden, da schworen sie zunächst von sich aus, bei ihm zu bleiben und, soviel an ihnen liege, in Italien keine Schäden anzurichten, und da sie ferner sahen, daß er viel Geld brauchte, so veranstalteten sie eine Sammlung und gaben, jeder nach seinem Vermögen. Aber Sulla nahm das Opfer nicht an, sondern lobte sie nur, ermunterte sie, [...]“ (Plut. Sulla 27.5); dt. Übersetzung zit. nach: Plutarch: Große Griechen und Römer, (aus dem Griechischen übertragen und erläutert von Konrad Ziegler), Bd.3, München 1980, S.83. Zur Bewertung jener Spendenszene siehe auch Letzner, Wolfram, S.228, und Anm.44: „Der Appell an die Loyalität ihm gegenüber war sicher nur reine Formsache, denn die Truppen hatten schon längst Sullas Ziele verinnerlicht, da sie sogar spontan bereit waren, durch eine Sammlung die Kriegskosten teilweise zu tragen, was von Sulla aber abgelehnt wurde. [...] Bei der Bewertung von der Spendengeschichte wird man davon ausgehen müssen, daß sie von Plutarch unmittelbar aus der res gestea Sullas [Sulla schrieb kurz vor seinem Tod seine Memoiren, ein Text der antiken Autoren bekannt war, heute jedoch verschollen ist] übernommen ist. [...] Es stellt sich die Frage, welche Intention Sulla mit der Erwähnung der Episode verband. Es gibt die Vermutung, daß Sulla die Spendengeschichte bewußt lanciert habe, um so die Loyalität des Heeres weiter zu verfestigen.[...]“
[7] Auch Metellus schloß sich Sullas Legionen an; siehe hierzu Keaveney,Arthur, S.130: „It was at this point that Metellus and Crassus, fresh from their overseas adventures, came finally to join him. The accession of Metellus, [...] was of particular importance. Still a proconsul, a member of a powefull noble familiy and possessing immense personal prestige, the example he set in joining Sulla convinced many waverers to do likewise.“
[8] „Unmittelbar nach der Landung vollzog Sulla erneut Opfer und Auspizien, die sich geschickt auswerten ließen, da sie erneut einen Sieg Sullas prophezeiten. Brundisium selbst öffnete ohne Gegenwehr die Tore, da es Sullas Versprechungen glaubte. Aufgrund der Disziplin, die Sullas Armee an den Tag legte, entschloß sich ganz Apulien für die Unterwerfung.“ vgl. Letzner, Wolfram, S.229.
[9] So urteilt Crawford, Michael, S.170ff: „Sulla war klug genug, deutlich zu machen, daß er nicht die Absicht hatte, den Italikern ihr römisches Bürgerrecht zu entziehen oder ihr Wahlrecht anzutasten; als der römische Widerstand gebrochen war, wurde Sulla von den meisten Italikern anerkannt.“
[10] „Von einigen Darstellungen auf Münzen abgesehen, haben die Italiker selbst keinerlei Aufzeichnungen hinterlassen, die uns ihre Beweggründe für ihren Krieg gegen Rom nach dem Jahre 91 nennen; [...]“ vgl. Crawford, Michael, S.162.
[11] Zum Quellenwert der Darstellungen des Velleius Paterculus, siehe Letzner, Wolfram, S.13: „Relativ nahe am Zeitgeschehen entstand die Darstellung des Velleius Paterculus, die um 30 n.Chr. angesetzt wird. Obwohl Velleius seine römische Geschichte in großer Eile verfaßt hat, scheint seine Darstellung insgesamt doch recht zuverlässig zu sein. Negativ wirkt sich aus, daß er die Zeit der Republik bis zum Bürgerkrieg nur sehr knapp darstellen wollte, also der hier interessierende Abschnitt nur skizzenhaft erscheint. [...] Für die republikanische Zeit hat er wohl die Werke des Cornelius Nepos, Sallust und Livius herangezogen.“
[12] Übersetzter Text, zitiert nach: Crawford, Michael, S.171.
[13] Eine umfassende Darstellung der sullanischen Proskriptionen findet sich bei Hinard, François: Les proscriptions de la Rome républicaine, (Collection de l’école française de Rome 83), Rom 1985, S.17-219. Ein ebenfalls umfangreiches Kapitel innerhalb seiner Sulla-Biographie hat Keaveney den Proskriptionen gewidmet: Keaveney, Arthur, S.148-168, (Sulla Dictator - The Proscriptions). Auch bei W. Letzner findet sich eine sehr übersichtliche Darstellung zu Sullas Proskriptionen: Letzner, Wolfram, S.249-258.
[14] „Alles lag ihm zu Füßen. seiner Willkür waren keine Grenzen gesetzt, und schon im Altertum wurde die Vermutung geäußert, er sei im Besitz der Monarchie gewesen, die er angestrebt habe, eine Auffassung die mitunter in der modernen Forschung vertreten wird.“ Vgl. hierzu: Heuss, Alfred: Das Zeitalter der Revolution, S.224.
[15] Jules Michelet vergleicht in seiner Histoire Romaine jene Proskriptionen mit den vorherigen Racheakten des Marius: „Cette ostentation de légalité, cette barbarie systématique fut ce qu’il y eut de plus insolent et de plus odieux dans la victoire de Sylla. Marius avait suivie sa haine en furieux, et tué brutalement ceux qu’il haïssait. Les massacres de Sylla furent réguliers et méthodiques.“ vgl. Michelet, Jules: Histoire Romaine, Paris 41866, Bd.2, S.221.
[16] Michael Crawford erkennt in jenen Vermögensversteigerungen ein durchaus strategisches Denken: „Der Besitz der Ermordeten wurde größtenteils versteigert und von Anhängern Sullas zu Spottpreisen erworben, die damit teilweise ihr Vermögen begründeten. Einige behaupteten später, nur aus Furcht an den Proskriptionen teilgenommen zu haben. Sulla wollte sichergehen, daß die herrschende Schicht, der er die Regierung der res publica übertragen wollte, ein finanzielles Interesse an der Erhaltung seines Staatssystems haben, sich aber auch dessen Anfängen moralisch verpflichtet fühlen sollte.“ vgl. Crawford, Michael, S.172.
[17] So urteilt Alfred Heuss über Sullas Rache: „Der Berichterstatter muß auch heute noch ehrlicherweise gestehen, daß ihm der Zugang zu dem Entschluß Sullas, das Morden und Rauben ohne eigentlichen äußeren Zwang fortzusetzen, noch immer verschlossen ist. Sulla war einer der klarsten Köpfe in politicis, die Rom jemals gehabt hat, gewiß ein Zyniker und auch blasiert, [...]. [...] und dennoch handelte er nach seinem Sieg über die Marianer mit nahezu krankhaftem Haß.“ vgl. Heuss, Alfred, Das Zeitalter der Revolution, S.224.
[18] Nur unter dem Druck besonnener Anhänger entschloß sich Sulla dazu, Namenslisten der hostes publici offiziell (auf den Foren) auszuhängen:
Florus, Epitome rerum Romanarum 3,22: Donec admonente Fufidio, vivere aliquos debere, ut essent quibus imperarent, proposita est ingens illa tabula, et ex ipso equestris ordinis flore ac senatu, duo millia electi qui mori iuberentur (zit. nach König, Ingmar, Der römische Staat I, S.98, Anm.24.)
[19] Bekanntestes, prominentes (Beinahe-) Opfer der Proskriptionen war Julius Caesar. Am Beispiel seines Schicksals läßt sich erschließen, wer Einfluß auf jene Poskriptionslisten hatte, und wie bereits Proskribierte von einflußreichen Personenkreisen geschützt werden konnten: : „[Julius Caesar] was still a very young man and of little consequence politically. What finally brought him to Sulla’s attention was the fact that he was married to a daughter of Cinna. Sulla made it his policy to force all who had forged marriage links with his dead opponent’s family to dissolve them. Already one man, M. Puplius Piso, another of those enemies of Sulla who switched sides in time, had divorced his wife who was Cinna’s widow. When Ceasar proved less accommodation than Piso, Sulla added his name to the list of those who were to die. With a price on his head and hotly pursued by bounty-hunters, he was forced to go into hiding until the Vestal Virgins and two leading Sullans, [...] managed to get him a pardon.“ vgl. Keaveney, Arthur, S.154.
[20] Vgl. hierzu Heuss, Alfred: Das Zeitalter der Revolution, S.225-226.
[21] Christian Meier erkennt weit mehr als Alfred Heuss eine gewisse Notwendigkeit oder Logik in den Proskriptionen: „In diesem Sinne hat er die gesamte Schicht derer, die in den vorangegangenen zehn Jahren die Politik gegen den Senat und die in ihm maßgebenden Kreise getragen hatten, 40 Senatoren, 1600 Ritter, das heißt deren gesamte politisch führende Schicht im weitesten Sinne [...] und die mit ihnen verbundenen Neubürger systematisch liquidiert. [...] In erster Linie [...] ging es, wie Sallust schreibt, um das supplicium hostium partis suas munire.“ Doch auch Christian Meier gelangt schließlich zu einem negativen Urteil über Sullas hartes Vorgehen: „Aber man darf den Erfolg der Proskriptionen nicht unabhängig von den Mitteln betrachten, mit denen er herbeigeführt wurde. Mehr als auf den Kreis der unmittelbar Betroffenen wirkte die Weiterführung des Krieges gegen Unbewaffnete, der Terror dieser kaltblütigen Morde und die Summe der von Sulla gedeckten oder in seinem Namen geschehenen Verbrechen [...] auf die gesamte Bürgerschaft. [...] es ist jedenfalls sicher, daß die Wirkung des Diktators auf die römische Moral außerordentlich tief und einschneidend war. Und die negativen Folgen seiner Tätigkeit wogen auf Dauer gewiß schwerer als die positiven.“ vgl. Meier, Christian, Res Publica Amissa, S.253-255.
[22] Wolfram Letzner betont die wirtschaftliche und politische Bedeutung jener Versteigerung der Latifundien von Proskribierten: „Die Verfolgung der politischen Gegner beschränkte sich nicht auf die physische Vernichtung. Ergänzend zu seinem Bestreben, die oppositionellen Familien ihres Einflusses zu berauben, wurden Vermögen und Landbesitz der Proskribierten eingezogen. Im sullanisch dominierten Senat war es wohl relativ leicht gewesen, diese Maßnahmen durchzubringen und mit einem SC de agraris vendendis die Besitztümer zu versteigern. Die Versteigerungspraxis richtete sich nicht nach dem realen Wert der Besitztümer, vielmehr ging es darum, den politischen Freunden Sullas, die während der Verfolgungen unter Cinna ebenfalls enteignet worden waren, materiellen Ersatz zu verschaffen und über diesen hinaus ihnen eine breitere wirtschaftliche Basis zu geben. Die gezahlten Preise lagen deutlich unter dem Marktwert, [...]. Auch Sulla selbst hielt sich bei dem Erwerb der Proskribiertenbesitztümer nicht zurück. Durch die Versteigerungen gelangten 350 Millionen Sesterzen in die Staatskasse.“ vgl. Letzner, Wolfram, S.257-258.