Die Rolle der Pflegekräfte bei der "Euthanasie“ in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Berufsbild der Krankenpflege um 1933
2.1. Einfluss durch den Nationalsozialismus
2.2. Aufgaben der Krankenpflege im Nationalsozialismus

3. Anspruch auf medizinische Versorgung im Nationalsozialismus

4. Euthanasie
4.1. Vorbereitung der „Aktion T4“
4.2. Organisationen innerhalb der „Aktion T4“
4.3. „Aktion T4“ in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg

5. Die Täter

6. Zeugenaussagen der Täter

7. Erklärungsversuche und Resultat

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Angehörigen der Krankenpflege sind heutzutage eine angesehene Berufsgruppe. Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen ist die Pflege alter und kranker Menschen nun nicht mehr die Aufgabe der Familie wie es jahrelang der Fall war, sondern muss häufig aufgrund beruflicher Einbindung der Familienmitglieder von staatlichen oder privaten Einrichtungen übernommen werden. Die Pflege orientiert sich hauptsächlich am Grundgesetz Artikel 1-4, worin unter anderem steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat und alle vor dem Gesetz gleich sind, egal welcher Rasse sie angehören.1 Im Mittelpunkt der pflegerischen Tätigkeiten steht die intensive Beziehung zwischen dem Kranken und der Pflegekraft. Dieses Verhältnis wird intensiviert durch Einfühlungsvermögen in die Situation des Kranken, durch Kommunikation und verantwortungsbewusstes Handeln. Das Ziel ist es dem Patienten dabei zu helfen, die gesundheitliche und soziale Situation so gut wie möglich wiederherzustellen.

Leider war das nicht immer so. Die Zeit des Nationalsozialismus2 von 1933-1945 war ein „dunkles“ Kapitel in der Geschichte der Krankenpflege. In dieser Epoche wurden Pflegekräfte aber auch Ärzte durch bewusste Manipulation und Täuschung seitens der Faschisten dazu gebracht, schreckliche Gräueltaten an kranken und hilfebedürftigen Menschen auszuüben. Dieses Thema wird heute gern vernachlässigt bzw. totgeschwiegen. Nicht einmal in der Berufsausbildung der Krankenpflege wird den angehenden Schwestern und Pflegern die Zeit der Euthanasie nahegebracht, obwohl dies vielleicht maßgeblich dazu beitragen kann, dass so etwas nicht noch einmal passiert.

Damit diese Epoche nicht in Vergessenheit gerät, soll diese Arbeit das Verständnis für diese Zeit fördern und den Leser sensibilisieren. Ich habe mir die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg herausgesucht und möchte an diesem Beispiel die zentrale Frage meiner Arbeit klären:

Welche Aufgaben hatte die Krankenpflege während der Zeit des Nationalsozialismus und wie rechtfertigten die Täter ihre Gräueltaten bei der „Euthanasie“?

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen dass Begriffe wie Ballastexistenzen, geistig Gestörte oder lebensunwertes Leben zum Vokabular der Zeit ab 1920 gehörten und keinesfalls meinem Denken entsprechen.

2. Das Be rufsbild der Krankenpflege um 1933

2.1. Einfluss du rch den Nationalsozialismus

Das Berufsbild der freien Krankenpflege, welches es seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt, war gekennzeichnet von berufspolitischer Zersplitterung und bedingungslosem Gehorsam gegenüber den Ärzten. Die freien Krankenschwestern waren in Berufsverbänden organisiert, die kaum einheitliche Ziele hatten. Die Weimarer Republik schien für die Krankenpflege der Beginn für berufliche Rechte, geregelte Arbeitszeiten und Tarifverträge – eine Hoffnung, die sich letztendlich nicht erfüllte. Bis zum Beginn des Nationalsozialismus war der Berufsstand der Krankenpflege uneinig und dadurch leicht angreifbar.

Um die Krankenpflege für sich zu vereinnahmen, griffen die Nationalsozialisten die Uneinigkeit der Pflegekräfte auf. Die Berufsverbände wurden aufgelöst und die höheren Posten im Pflegebereich der Krankenhäuser durch treue NS-Anhänger ersetzt.3 Das Ziel dieser Maßnahmen bestand in der Einigung dieser große Berufsgruppe und die Infiltration mit nationalsozialistischem Gedankengut.4 In gleicher Weise versuchte man auch die kirchlichen Pflegeverbände einzubeziehen.

Im Mai 1934 wurde die NS-Schwesternschaft gegründet und damit die „Braunen Schwestern“ ins Leben gerufen. Sie hatten nunmehr eine – wie bereits oft gefordert – einheitliche Ausbildung, die 3 Jahre dauerte. Die Aufnahmebedingungen waren sehr streng und setzten einige Vorkenntnisse voraus. Die Schwesternschülerinnen mussten im Internat wohnen und wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Mädel (BDM) einer nationalsozialistischen Grundschulung unterzogen.5

In einem Krankenpflegelehrbuch aus dem Jahr 1939 findet man das Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege, verabschiedet am 28.09.1938. Darin steht folgender Absatz: „§ 8 Abs. IV [Der Unterricht umfasst folgende Lehrfächer: [...] II. weltanschauliche Schulung, Erb- und Rassenkunde, Erb- und Rassenpflege, Bevölkerungspolitik]“6. Die jungen Pflegeschülerinnen wurden also bereits in der Ausbildung mit Rassenhygiene vertraut gemacht. So war es den Nationalsozialisten leicht, die Ansichten zu einer gesunden deutschen Volksgemeinschaft zu beeinflussen.

2.2. Aufgaben der K rankenpflege im Nationalsozialismus

Mit Beginn des Nationalsozialismus wuchsen die Aufgaben der Pflegekräfte. Sie waren nun nicht mehr nur die Untergebenen des Arztes, sondern ein bedeutender Teil des Gesundheitswesens und in allen Bereichen der Partei vertreten. „ Mit der NS-Schwester hat der Nationalsozialismus einen neuen Schwesterntyp geschaffen. Neu deshalb, weil nicht die Krankenpflege die Hauptaufgabe der NS-Schwesternschaft ist, sondern weil jede einzelne NS-Schwester aufgrund ihres Bekenntnisses zur nationalsozialistischen Weltanschauung Willensträgerin des Deutschen Reiches auf dem Gebiet der Gesundheitsführung des deutschen Volkes sein soll.“7

Die Hauptaufgabe der Krankenschwester im Nationalsozialismus war die Volksgesundheitspflege, die dazu diente das deutsche Volk gesund zu erhalten. In diesem Bereich waren die Schwestern relativ selbstständig tätig. Als Gemeindeschwestern hatten sie die Aufgabe, Bürger zu Hause zu beraten, anzuleiten und ihnen Tipps, zum Beispiel zur Bevorratung und Sparsamkeit, zu geben. Ferner waren sie aber auch dafür zuständig, Kuren für Kinder zu beantragen beziehungsweise Meldung über abweichendes Verhalten und Missbildungen zu machen.8 Die NS-Schwestern gaben soziale Einschätzungen ab und leiteten diese entsprechend weiter. Dies hatte mitunter verheerende Folgen für die Betroffenen und deren Familie, beispielsweise die Zwangssterilisation von sogenannten Erbkranken und sozial Schwachen. Die Hausbesuche dienten dazu, dass die NS-Schwestern sich in den Wohnungen und Häusern der Menschen direkt ein Bild machen konnten und die Lebensumstände förmlich ausspionierten. So war es zum Beispiel schwierig, missgebildete Kinder vor der Erfassung (und Ermordung) zu verstecken. Die Pflegekräfte leisteten so ihren unmittelbaren Beitrag zur Umsetzung der nationalsozialistischen Gesundheits- und Rassenpolitik.

Natürlich waren die NS-Schwestern auch in großem Maße für die Betreuung Kranker im Krankenhaus zuständig. Dort wurden Pflegekräfte aller Berufsverbände eingesetzt vorwiegend Frauen, da Männer an der Front und im Lazarett gebraucht wurden.9

Die pflegerische Versorgung des Parteiapparates war eine weitere Aufgabe der NS-Schwestern. Sie waren vorwiegend im BDM und der Hitlerjugend eingesetzt, versorgten die Kranken in den Lazaretten der Waffen-SS und waren tätig in Konzentrations- und Arbeitslagern des Reiches.

[...]


1 Vgl., Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland, Arti kel 1-4, 23.05.1949.

2 Radi kale, extrem nationalistische und rassistische politische Bewegung nach dem 1. Welt krieg.

3 Vgl., Steppe, 2001, S. 61.

4 Vgl., ebenda.

5 Vgl., Seidler, 2003, S. 251f.

6 Kran kenpflegelehrbuch, 1939.

7 Fischer, Grog, 1940, S. 322f.

8 Vgl., Steppe, 2001, S. 73.

9 Vgl., ebenda, S. 76.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Pflegekräfte bei der "Euthanasie“ in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg
Hochschule
Charité - Universitätsmedizin Berlin  (Geschichte)
Note
1
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V138352
ISBN (eBook)
9783640494095
ISBN (Buch)
9783640493739
Dateigröße
829 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Pflegekräfte, Euthanasie“, Landes-Heil-, Pflegeanstalt, Bernburg
Arbeit zitieren
René Winkler (Autor:in), 2009, Die Rolle der Pflegekräfte bei der "Euthanasie“ in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138352

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