Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Die Basisprinzipien des Beardschen LMBM-Modells
2.1. Die Separationshypothese
2.2. Das erste Grundprinzip Beards
2.3. Die „Split-Morphology-Hypothesis“
2.4. Das vierte Grundprinzip Beards
3. Die Derivation der Form des flektierten Verbes „chantera“ innerhalb des Beardschen LMBM-Modells
3.1. Die Merkmalsmatrix der Form des flektierten Verbes „chantera“
3.2. Beards Konzeptioin von Flexion als syntaktischem Interpretations- mechanismus von morpholexikalischen Kategoriemerkmalen
3.3. Beards Unterteilung von grammatischen Kategorien in lexikalische und flexionale Kategorien
3.4. Die flexionale Kategorie „Agreement“ als syntaktischer Interpre- tationsmechanismus von morpholexikalischen Merkmalen
3.5. Die graphische Darstellung von Agreementfunktionen und flexionalen Kategoriemerkmalen in der Syntax
3.6. Die Tilung von syntaktischen Klammern und Verbanhebung durch die MS-Komponente
3.7. Die Spelling-Operationen der MS-Komponente
4. Bibliographie
1. Einleitung
Ich werde im folgenden die Derivation des französischen Satzes „Pierre chantera
cette chanson“ innerhalb des von Beard (1995) vorgeschlagenen LMBM-Modells
aufzeigen. Den zentralen Punkt meiner Darstellung bildet dabei die Derivation der
Form des flektierten Verbes „chantera“. Weiterhin werde ich versuchen, das Zu-
sammenwirken der autonomen grammatischen Module bei der Derivation dieses
Satzes innerhalb des Beardschen LMBM-Modells schrittweise dazustellen.
Zum besseren Verständnis der Funktionsweise dieser autonomen grammatischen
Module im Beardschen LMBM-Modell halte ich es für notwendig, auf die Basis-
prinzipien einzugehen, auf welche sich Beard bei der Konzeption dieser gramma-
tischen Module stützt. Daher werde ich eingangs die Ableitung des Aufbaus der
grammatischen Module von den grundlegenden Basisprinzipien kurz umreißen.
Ich werde auf die Konsequenzen, welche sich aus den Basisprinzipien für Beards
Konzeption der grammatischen Module in seinem LMBM-Modell ergeben, bei
der schrittweisen Derivation des Satzes „Pierre chantera cette chanson“ differen-
zierter eingehen.
2. Die Basisprinzipien des Beardschen LMBM-Modells
Die Basisprinzipien, auf die Beard sein LMBM-Modell gründet, sind die „Sepa-
ration Hypothesis“, die „Split Morphology Hypothesis“ („Lexicalist Hypothesis“/
„Lexical Integrity Hypothesis“) sowie die von Beard selbst definierten fünf Grund-
prinzipien. Ich werde im folgenden auf diese beiden Hypothesen sowie auf zwei
seiner Grundprinzipien eingehen.
2.1. Die Separationshypothese
Die Separationshypothese trennt die Derivation grammatischer Merkmale strikt
von der Markierung dieser Merkmale durch grammatische Morpheme (Affigie-
rung) (Beard,1995;S.45-51/97). Die Markierung grammatischer Merkmalswerte
durch grammatische Morpheme unterliegt einem autonomen grammatischen Mo-
dul, der „Morphological Spelling“-Komponente (MS-Komponente). Gramma-
tische Morpheme werden als Prozesse dieser Spelling-Komponente definiert
(Beard,1995;S.48-49). Der Status der Spelling-Komponente als eines eigenen
Modul wird dadurch gewährt, daß die Spelling-Operationen keinen Zugang zum
internen Ablauf von Derivationsregeln haben (Beard,1995;S.50). Die Spelling-
Komponente operiert lediglich auf dem Output der Derivation grammatischer
Merkmale. Die Spelling-Komponente operiert somit unabhängig von Deriva-
tionsregeln, grammatische Morpheme sind allerdings aufgrund ihrer Reaktion
auf lexikalische und flexionale Merkmale definiert (Beard,1995;S.50). Die Mar-
kierung von derivierten grammatischen Merkmalswerten erfolgt postsyntaktisch.
Gebundene Morphologie umfaßt somit zwei unabhängige, getrennte Prozesse,
auf welche sich Beard als „Derivation“ und „morphologisches Spelling“ bezieht
(Beard,1995;S.46). Derivationale Operationen und morphologische Spelling-
Operationen operieren jedoch auf denselben Objekten, Lexemen.
2.2. Das erste Grundprinzip Beards
Ein weiterer Aspekt der Separationshypothese besteht in der Unterscheidung zwi- schen Lexemen und grammatischen Morphemen. Beard definiert Lexeme und
grammatische Morpheme unterschiedlich. Lediglich Lexeme repräsentieren die
direkte Artikulatioin von Bedeutung durch Laute (Beard,1995;S.45). Beard kon-
zipiert Lexeme in dem von ihm aufgestellten ersten Grundprinzip als wechselsei-
tig implizierte und direkt artikulierte phonologische, grammatische und semanti-
sche Repräsentationen (Beard,1995;S.44-47). Beard definiert die Repräsentation
eines Lexems als wechselseitig impliziertes Tripel von p (phonologischen), g
grammatischen) und r (semantischen) Merkmalswerten (Beard,1995;S.46). Gram-
matische Morpheme hingegen werden in Begriffen von indirekten und kontext-
abhängigen Mitteln der Referenz definiert (Beard,1995;S.45). Ein grammatisches
Morphem drückt nur bestimmte grammatische Kategorien in festen Kontexten
aus (Beard,1995;S.49). Gebundene grammatische Morpheme haben keinen gram-
matischen oder semantischen Inhalt (Beard,1995:S.69) und sind als morphologi-
sche Spelling-Operationen als unabhängige Modifikationen der grammatischen
Repräsentation von Lexemen definiert (Beard,1995;S.44). Grammatische Mor-
pheme definieren sich aufgrund ihrer Reaktion auf lexikalische und syntaktische
Merkmale (Beard,1995;S.50). Weiterhin setzen grammatische Morpheme Lexe-
me voraus. Somit müssen grammatische Morpheme nicht direkt an die gramma-
tischen Kategorien, welche sie markieren, gebunden sein (Beard,1995;S.49-50).
2.3. Die „Split-Morphology-Hypothesis“
Die „Split-Morphology-Hypothesis“ („Lexicalist Hypothesis“) bezeichnet die
Trennung der Derivation und Manipulation morpholexikalischer Kategoriemerk-
male von der Derivation und Manipulation morphosyntaktischer flexionaler Ka-
tegoriemerkmale (Beard,1995;S.97-101). Die Manipulation morpholexikalischer
Kategoriemerkmale, von Beard als „L-Derivation“ bezeichnet, wird im Lexikon
angesiedelt, wohingegen die Manipulation morphosyntaktischer flexionaler Kate-
goriemerkmale, von Beard als „I-Derivation“ bezeichnet, in der Syntax stattfin-
det (Beard,1995;S.97/101). Die Begriffe „I-Derivation“ und „L-Derivation“ be-
zeichnen Operationen auf grammatischen Kategoriemerkmalen im Lexikon und
in der Syntax unabhängig von Affigierung (Beard,1995;S.98). Die Grammatik
enthält somit zwei unterschiedliche Arten von grammatischen Kategoriemerkma-
len: lexeminhärente morpholexikalische Kategorien (Gl) im Lexikon, welche
von L-Derivationsregeln bearbeitet werden, und morphosyntaktische flexionale
Kategoriemerkmale (Gi) in der Syntax, welche von I-Derivationsregeln manipu-
liert werden (Beard,1995;S.52). Zwar sind I-Derivation und L-Derivation von-
einander unabhängig, teilen jedoch dieselben Spelling-Operationen einer einzel-
nen integrierten MS-Komponente (Beard,1995;S.97/101).
Die derivierten morpholexikalischen Merkmale (Gl) und morphosyntaktischen
flexionalen Merkmale (Gi) bilden ein kombiniertes lexikalisches Merkmalsinven-
tar (Gl + Gi = G), welches den Operationsbereich der MS-Komponente darstellt
(Beard,1995;S.51-53/101). Um die kumulierten morpholexikalischen und mor-
phosyntaktischen Merkmale als gebundenes grammatisches Morphem realisieren
zu können, muß die MS-Komponente einen Spelling-Mechanismus besitzen, wel-
cher die grammatischen Merkmalswerte schrittweise und in einer bestimmten Rei-
henfolge bearbeitet. Bei der Ausführung dieser Schritte muß der Spelling-Mecha-
nismus Zugang zu allen drei Ebenen der lexikalischen Repräsentation haben (der
grammatischen, phonologischen und semantischen Repräsentationeines Lexems).
Da der Spelling-Mechanismus jedoch nur auf der phonologischen Ebene P arbei-
tet, benötigt er keinen Zugang zu einem Zwischenstadium von L- und I-Deriva-
tion. Der Spelling-Mechanismus bearbeitet lediglich den Output von L- und I-De-
rivation, d.h. das lexikalische Merkmalsinventar G (Beard,1995;S.55). Die Ope-
rationen der autonomen MS-Komponente sind auf das lexikalische Wort und auf
die funktionalen Kategorien in der Syntax beschränkt (Beard,1995;S.52).
2.4. Das vierte Grundprinzip Beards
Bei der Konzeptiion der unterschiedlichen grammatischen Module im vorliegen-
den LMBM-Modell aufgrund von Basisprinzipien wie der „Separation Hypothe-
sis“ und der „Split-Morphology-Hypothesis“ berücksichtigt Beard die von ihm
in seinem vierten Grundprinzip geforderte Autonomie dieser grammatischen Mo-
dule. Die Operationen eines grammatischen Moduls dürfen danach keinen Zugang
zu den internen Operationen eines anderen Moduls haben (Beard,1995;S.16).
Wenn die Operationen von grammatischen Subkomponenten nur insofern mit-
einander interagieren, als daß der Output eines Moduls den Input eines anderen
Moduls bildet (Beard,1995;S.16). Beard trägt diesem Modularitätsprinzip ins-
besondere bei der Konzeption von L- und I-Derivation Rechnung. Er schließt
jeglichen syntaktisch-lexikalischen Zugang durch die Berücksichtigung der
„Split-Morphology-Hypothesis“ aus. L-Derivationsregeln operieren auf lexem-
inhärenten morpholexikalischen Kategorien (Gl) im Lexikon, wohingegen I-
Derivationsregeln morphosyntaktische flexionale Kategorien (Gi) in der Syntax
bearbeiten (Beard,1995;S.52). Durch diese strikte Unterscheidung von lexikali-
schen und syntaktischen Operationen kommen der MS-Komponente neben der
Ausführung von morphologischen Spelling-Operationen noch die Aufgaben der
Tilgung syntaktischer Klammern in der Syntax sowie der Kontrolle von Verb-
anhebung zu. Ich werde auf diese weiteren Aufgaben der MS-Komponente bei
der Derivation des Satzes „Pierre chantera cette chanson“ genauer eingehen.
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