Diese Arbeit stellt die Entwicklung eines Konzepts dar, in dem der Kontakt zwischen Grundschulkindern aus dem Lippetal und aus dem englischen Gloucester via E-Mail hergestellt und aufrecht erhalten wird. Mit Hilfe dieses sehr schnellen und mittlerweile kostengünstigen Mediums soll dem Anspruch des Englischunterrichts auf Authentizität, interkulturelles Lernen mit dem Fokus auf interkultureller Kommunikation, handlungsorientierung und Kommunikations-basiertheit begegnet werden.
Seit Februar diesen Jahres schreiben sich die Kinder der 4b (später zusätzlich einige der 4a) der Ludgerus Grundschule in Lippborg mit denen des vierten Jahrgangs der Grundschule Abbeymead in England gegenseitig E-Mails. Sie haben sich einander vorgestellt und sich über Interessen, Alltag, Bräuche und ihre Umgebung ausgetauscht. Während zunächst jede Gruppe in ihrer Fremdsprache schrieb – die Kinder aus Abbeymead hatten gerade angefangen, Deutsch zu lernen – fand der E-Mail-Verkehr nach einigen Wochen mit wenigen Ausnahmen nur noch auf Englisch statt.
Von den zwei Unterrichtsstunden, die die Schülerinnen und Schüler wöchentlich für Englisch zur Verfügung haben, wird eine für die Begleitung des E-Mail-Verkehrs genutzt. Die zweite Stunde haben sie regulären Englischunterricht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Begrundung und Eingrenzung des Themas
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Interkulturelles Lernen und interkulturelle Kommunikation
2.1 Begriffsklarung
2.2 Bedeutung fur den Englischunterricht der Grundschule
3. E-Mail-Projekte im Englischunterricht
3.1 Das Transatlantische Klassenzimmer
3.2 Anpassungen fur den Englischunterricht der Grundschule
4. Ziele, Bedingungen und Problematiken
4.1 Zielsetzungen und Bedingungen
4.2 Lehrerfunktionen
4.3 Die Voraussetzungen vor Ort
4.4 Problematiken
5. Entwicklung und Beschreibung des Konzepts
5.1 VorOberlegungen
5.2 Die Partnerschule
5.3 Organisatorische Aspekte
5.4 Die Themen und ihr Lernpotenzial
5.5 Methodisch-didaktische Aspekte
5.6 Leistungsbeurteilung und Umgang mit Fehlern
6. Erprobung des Konzepts
6.1 Verlauf
6.2 Verhalten der Kinder
7. Evaluation
7.1 Methoden und Ergebnisse
7.2 Interpretation und Fazit
8. Reflexion und Ausblick
9. Quellenverzeichnis
10. Anhang
1. Einleitung
1.1 Begriindung und Eingrenzung des Themas
Sowohl in den Richtlinien der Grundschule als auch im Lehrplan für das Fach Englisch sind zahl-reiche Ziele interkulturellen Lernens dargestellt,1 die die Schülerinnen und Schüler befähigen sollen, „verantwortlich am [...] gesellschaftlichen [...] und kulturellen Leben teilzunehmen".2 Für das Leben in unserer Gesellschaft, die durch Pluralität und Globalisierung geprägt ist,3 bedeutet dies nicht nur, eine Wahrnehmung für die kulturelle Vielfalt im eigenen Land zu entwickeln, sondern auch die Grundlage für Verständnis und Respekt gegenüber den Kulturen anderer Nationen.4
Da Sprache immer „kulturell kodiert" ist5 und deshalb Spracherwerb mit kulturellem Lernen einher geht, liegt es nahe, interkulturelle Kommunikation als essentiellen Teil des (interkulturellen) Lernens anzusehen. Darüber, dass interkulturelles Lernen — und damit auch interkulturelle Kom-munikation — vor allem für den Frühbeginn des Fremdsprachenunterrichts von groller Bedeutung ist, herrscht weitestgehend Einigkeit. 6 Es kann aber nur auf wenige Jahre der Empirie bzgl. ihrer praktischen Umsetzung zurückgegriffen werden, da Fremdsprachendidaktik in der Grundschule erst seit 2003 mit dem verbindlichen Beginn des Englischunterrichts ab Klasse 3 einen festen Platz in der Lehrerausbildung hat.7
In Hinblick darauf, dass Authentizität und Realitätsbezug zur Fremdkultur weitere Pfeiler erfolgrei-chen Fremdsprachenunterrichts darstellen,8 ist es wünschenswert, direkten Kontakt zwischen ihr und den Lernern herzustellen. Wann immer es möglich ist, sollten auf diese Weise „künstliche" Ge-sprächs- und Handlungssituationen im Klassenraum durch „echte" ersetzt werden.9
Das Internet für diesen Zweck zu nutzen, ist nahe liegend, hat es sich doch in den vergangen zwanzig Jahren zu der gröaten und vielseitigsten Kommunikationsplattform in unserer Gesellschaft entwickelt, nicht zuletzt, weil sie inzwischen nahezu jedem verfügbar ist. Um E-Mail und Internet für die Kommunikation zwischen den deutschen und den englischen Kindern nutzen zu können, bedarf es also lediglich eines Minimums an Computerausstattung10 und eines Konzepts, das das Medium E-Mail methodisch-didaktisch fiir diesen Zweck nutzbar macht. Die natiirliche Mitteilungs-bereitschaft der Kinder11 soll genutzt werden, um ihren Brieffreunde12 offen zu begegnen und sich mit ihnen verständigen zu können. Indem sie zu bestimmten Themen iiber sich selbst schreiben und E-Mails der englischen Kinder erhalten, erfahren sie Ahnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihren Lebenswelten.
Diese Arbeit stellt die Entwicklung eines Konzepts dar, in dem der Kontakt zwischen Grundschul-kindern aus dem Lippetal und aus dem englischen Gloucester via E-Mail hergestellt und aufrecht erhalten wird. Mit Hilfe dieses sehr schnellen und mittlerweile kostengiinstigen Mediums soll dem Anspruch des Englischunterrichts auf Authentizität, interkulturelles Lernen mit dem Fokus auf inter-kultureller Kommunikation, Handlungsorientierung und Kommunikations-basiertheit begegnet werden.
Seit Februar diesen Jahres schreiben sich die Kinder der 4b (später zusätzlich einige der 4a) der Ludgerus Grundschule in Lippborg mit denen des vierten Jahrgangs der Grundschule Abbeymead in England gegenseitig E-Mails. Sie haben sich einander vorgestellt und sich iiber Interessen, Alltag, Bräuche und ihre Umgebung ausgetauscht. Während zunächst jede Gruppe in ihrer Fremd-sprache schrieb — die Kinder aus Abbeymead hatten gerade angefangen, Deutsch zu lernen — fand der E-Mail-Verkehr nach einigen Wochen mit wenigen Ausnahmen nur noch auf Englisch statt.
Von den zwei Unterrichtsstunden, die die Schiilerinnen und Schiiler wöchentlich fiir Englisch zur Verfiigung haben, wird eine fiir die Begleitung des E-Mail-Verkehrs genutzt. Die zweite Stunde haben sie regulären Englischunterricht.
Die Schulleitung ist der dauerhaften Integration einer E-Mail-Korrespondenz mit englischen Schiilern in das Schulprogramm positiv eingestellt.13 Vor allem die hohe Motivation der Kinder, bedingt durch die Authentizität der Kommunikation,14 und das daraus resultierende intensive und ertragreiche Arbeiten iiberzeugte sie, die Weiterentwicklung des Konzepts und seine zukiinftige Anwendung zu unterstiitzen. Indem das Konzept dem Kollegium durch eine Materialsammlung und konkrete Handlungshinweise zugänglich gemacht wird, soll seine Ubertragbarkeit auf andere Lern-gruppen und seine Nutzbarkeit durch andere Lehrer gepriift werden.
1.2 Aufbau der Arbeit
Zunächst beginne ich mit der Klärung der Begriffe 'Interkulturelles Lernen' und 'Interkulturelle Kom-munikation', sowie deren Bedeutung fiir den Englischunterricht in der Grundschule, da sie die Kernziele der Korrespondenz darstellen. Es soll gezeigt werden, dass Interkulturelles Lernen ein notwendiges Element im Fremdspracherwerb darstellt, und im Unterricht besonders gut durch E-Mail-Kontakte realisierbar ist. Es folgt ein Beispiel eines groll angelegten E-Mail-Projekts, das eine Vielzahl deutscher und amerikanischer Schulen miteinander verkniipft und so deren Englischunter-richt in der Sekundarstufe durch ein grolles Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten bereichert hat. Ich möchte diese Möglichkeiten kurz darstellen und deren Einsetzbarkeit in der Grundschule herausarbeiten. Dass ich mich auf Beispiele der Sekundarstufe berufen musste, wird in Kapitel 4 als Problematik näher beschrieben. Hier werden auch die Voraussetzungen an der Grundschule Lippborg beschrieben, und welche Bedingungen — seitens des Lehrers und des Konzepts — gegeben sein miissen, damit ein erfolgreicher interkultureller E-Mail-Austausch stattfinden kann.
Es folgen die methodisch-didaktischen, inhaltlichen und organisatorischen Entwicklungsdetails des Konzepts, sowie eine Beschreibung dessen bisheriger Erprobung, in der Verlauf, Auffälligkeiten und Anpassungen ausgefiihrt sind. In Kapitel 7 wird gepriift, inwieweit die in Kapitel 4 genannten Ziele erreicht worden sind. Hierfiir beziehe ich mich v. a. auf die Beobachtung und die Befragung der deutschen Kinder, doch auch die Meinungen der englischen Partnerlehrkaft und des Kollegi-ums der Ludgerus Grundschule kommen bei der Auswertung zum Tragen. Schlielllich möchte ich die Arbeit an und mit dem Konzept reflektieren, indem ich auf meine verschiedenen Aufgabenbe-reiche zuriickblicke. Abschliellend möchte ich einen Ausblick auf die Fortsetzung der Korrespon-denz geben.
2. Interkulturelles Lernen und interkulturelle Kommunikation
2.1 Begriffsklarung
Der Begriff „interkulturelle Kommunikation" (IKK) ist nicht eindeutig definierbar, da er in Forschung und Literatur sehr unterschiedlich verwendet wird.15 Am ehesten trifft hier die Umschreibung als „Kommunikation zwischen Personen unterschiedlicher Nationalitat oder Muttersprache" zu.16 IKK wird zwar nicht in den Richtlinien oder dem Lehrplan Englisch erwahnt, kann jedoch als Ziel „inter-kulturellen Lernens" (IKL) betrachtet werden17, das wiederum in der Fremdsprachendidaktik eine feste Grölle ist. IKL findet statt, wenn die kulturellen Codes „erkennbar werden, die eigenen Codes wie auch die [...] fremden."18 Ihr Ziel ist es, „den Anderen/ Fremden in seiner Eigen-Wertigkeit und Eigen-Deutung anzuerkennen, sich selbst in Beziehung zu ihm zu sehen und vom Anderen her zu denken."19
Besonders deutlich wird die Bedeutung von IKK, wenn sie fehlschlagt. Missverstandnisse zwischen Menschen verschiedener Nationalitaten aufgrund mangelnden Wissens um die Bedeutung von Gesten oder Sprache konnen Scheu vor weiterem Kontakt hervorrufen oder verstarken. Wenn sie nicht als Missverstandnisse erkannt werden, entstehen falsche Vorstellungen iiber die andere Kultur, die u. U. nie als solche erkannt werden.
Zwei Beispiele konflikttrachtiger Situationen:20
- Das Vermeiden von Blickkontakt gilt in einigen (z.B. afrikanischen) Landern als Beweis fiir Respekt. In Deutschland wird es als unhoflich empfunden.
- Daumen und Zeigefinger zu einem Ring zu formen bedeutet in England „gut", in Frankreich „Null", in Korea „Geld" und in Tunesien gilt es als Drohung.
Eine Sichtweise, die IKK mit IKL in umgekehrte gegenseitige Abhangigkeit bringt, ist die von Juliane House, die IKL im Fremdsprachenunterricht als „kommunikativ-interkulturelle Kompetenz" betrachtet. Ihr Ansatz betont die Wichtigkeit gelungener IKK als Voraussetzung fiir erfolgreiches IKL.21
Die englische Berufsbezeichnung 'Interpreter' illustriert die gegenseitige Abhangigkeit von IKL und IKK. Ein 'Interpreter' iibersetzt nicht einfach nur die Worte, er muss sie interpretieren. Die Qualitat der Ubersetzung hangt also vom Wissen des Dolmetschers um die Umstande der Aullerung ab.22 Je weniger iiber die nonverbale Kommunikation, wie Gestik und Mimik oder die Herkunft des Sprechers bekannt ist, desto hoher ist die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender Ubersetzungsfeh-ler. Ganzlich fehlerfreie IKK ist deswegen eine Utopie, da liickenloses Wissen iiber die fremde Kultur und seine Vertreter — und folglich deren uneingeschranktes Verstehen — nicht denkbar ist.23
2.2 Bedeutung fiir den Englischunterricht der Grundschule
Dass IKK nie perfekt sein kann, heillt natiirlich nicht, dass man sich nicht um deren bestmögliches Gelingen bemiihen sollte. Menschliche Kommunikation unterliegt immer der Subjektivitat gesendeter und ausgewerteter Botschaften und ist deshalb fehleranfallig.24 Da es die Aufgabe der Grundschule ist, ihre Schiiler auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten, muss sie also eine Erziehung zu gegenseitigem Verstehen verfolgen. Wahrend es im Schulalltag zu den unterschiedlichsten Situationen kommt, in denen Kinder gefragt sind, sich in den Anderen hineinzuversetzen, um ihn besser zu verstehen, liegt der Fokus des Englischunterrichts auf der interkulturellen Dimension gegenseitigen Verstandnisses.
Doch kann IKK nicht als losgelostes — oder gar optionales — Lernziel des Fremdsprachenunter-richts betrachtet werden. Eine Fremdsprache kann nur dann wirklich gelernt werden, wenn im Unterricht Spracherwerb, IKL und IKK eng miteinander verzahnt sind.25 Es gilt, einen grölltmöglichen Gehalt kultureller Authentizität zu wahren. Ebenso wichtig ist es, den Schiilerinnen und Schiilern die Möglichkeit zu geben, die Fremdkultur mit ihrer eigenen Lebenswelt vergleichen zu können. Eine einseitige Wissensvermittlung iiber die Fremdkultur ist also nicht ausreichend — die Kinder miissen sich auch ihrer eigenen Situation bewusst werden.
Neben der kulturellen, sprachlichen und methodisch-didaktischen Qualifikation des Lehrers26 bilden das geringe Zeitkontingent von lediglich neunzig Minuten in der Woche und das Leistungsni-veau der Schiiler die Grenzlinien des im Unterricht Leistbaren. Es ist also naheliegend, den Englischunterricht mit einer grölltmöglichen Dichte von Aspekten interkulturellen Lernens zu gestalten. Als Grundsatz sollte demnach neben dem bekannten „teach English in English"27 auch „teach English in an intercultural context" gelten.
Den Schiilerinnen und Schiilern solche Einblicke in die Lebenswelt englischer Kinder zu gewähren, die sich an ihren eigenen Erfahrungsfeldern orientieren, stellt dabei die Mindestanforde-rung von IKL dar.28 Als besonders ergiebig fiir diesen Zweck ist der Kontakt mit englischen Kindern iiber Briefe oder Internet zu bewerten.29 Wie in Kapitel 8 ausgefiihrt wird, ist es zudem möglich, sie mit sehr unterschiedlicher Intensität und entsprechend unterschiedlichem Aufwand zu verwirklichen. Aus der Entfernung miteinander in Dialog zu treten, kann nur noch durch „echte" Begegnungen vor Ort iibertroffen werden, die in jedem Fall mit grollem Aufwand verbunden sind und in der Grundschule bisher nur selten Anwendung finden.30
3. E-Mail-Projekte im Englischunterricht
3.1 Das Transatlantische Klassenzimmer
E-Mails als Medium fiir internationale Begegnungen zu nutzen, wurde zwar mit der zunehmenden Verfiigbarkeit und Benutzerfreundlichkeit des Internet immer leichter; vermutlich aufgrund der erst jungen Geschichte der Fremdsprachendidaktik in der Primarstufe sind Beispiele hierfiir jedoch bisher fast ausschlielllich im Unterricht der weiterfiihrenden Schulen zu finden. Obwohl diese sich teilweise stark in Details wie Dauer, Intensität und Teilnehmerzahl unterscheiden, weisen sie jedoch grundlegende methodisch-didaktische Gemeinsamkeiten auf, die auf den Einsatz in der Grundschule iibertragbar sind. Ein grollflächig angelegtes E-Mail-Projekt fiir die weiterfiihrenden Schulen soll hierfiir als Beispiel dienen.
Das „Transatlantische Klassenzimmer" (TAK) war ein Projekt, das als Maflstab des in der Sekundarstufe Machbaren betrachtet werden kann und aufgrund seiner detaillierten Dokumentati-on durch das gleichnamige Buch als kompakte Orientierungshilfe bei der Arbeit mit E-Mail-Projekten genutzt werden kann. Das u.a. von Reinhard Donath31 betreute Projekt, das mehrere deutsche und amerikanische Schulen mit Hilfe einer Mailing-Liste miteinander vernetzte, startete 1994 und musste nach etwa zehn Jahren wegen fehlender Sponsoren eingestellt werden. E-Mails konnten hier zwar an Einzelpersonen gerichtet sein, es waren jedoch alle Nachrichten fiir alle Teilnehmer sichtbar. Der Uberblick fiber Sender, Thema und Verlauf der Kommunikation in diesem Forum war durch die entsprechende Gruppierbarkeit der Nachrichten im E-Mail-Programm gegeben.
Lehrer, die das TAK fiir ihren Unterricht nutzten, betreuten ihre Schuler dabei, sich mit den Amerikanern fiber aktuelle Unterrichtsthemen (z.B. teenage life, the holocaust, school rules) auszutauschen und koordinierten die Korrespondenz mit den amerikanischen Kollegen. Die Schuler halfen sich so gegenseitig bei ihren Recherchen und fiihrten zum Teil hitzige und ertragreiche Diskussionen, die im Unterricht fiir authentische Gesprachsanlasse sorgten.32
Der Lernerfolg der Schuler war neben dem inhaltlichen und kulturellen Austausch v.a. durch das Ubernehmen von Begriffen und Sprachstrukturen erkennbar, die sie den Texten der amerikani-schen Schuler entnommen haben.
Wahrend die sprachliche Lernentwicklung in einem gewissen Rahmen automatisch erfolgte, betont Donath, dass IKL nur mit Hilfe des Lehrers stattfinden konnte.33 Es ist damit zu rechnen, dass Schiilern sprachliche Entgleisungen passieren, die — beabsichtigt oder unbeabsichtigt — beleidigend sein können und vor dem Abschicken vom Lehrer erkannt werden miissen. Im Unterricht sollte dies dann Anlass zum Gesprach fiber die Sensibilitat von IKK sein. Die Art des Umgangs mit Fehlern in den Texten der Schuler machte Donath davon abhangig, ob sie in eher informellen Texten vorkamen, oder ob die Texte Gegenstand des Unterrichts waren. In beiden Fallen sollten sie zwar im Unterricht thematisiert werden, aber nur die Texte, die zum Thema des Unterrichts gehörten, unterlagen der Pramisse, sprachlich korrekt zu sein.
3.2 Anpassungen fiir den Englischunterricht der Grundschule
Im o.g. Beispiel wird die Fahigkeit der Schuler, sich frei in der Fremdsprache auszudrucken und an abstrakteren Inhalten zu arbeiten, vorausgesetzt. Beides kann in der Grundschule jedoch nur angebahnt werden. Bevor die Schiiler iiber historische und emotional anspruchsvolle Themen wie z.B. den Holocaust oder Sklaverei diskutieren können, miissen sie sich zunachst intensiv mit ihnen auseinandersetzen und sich selbst zu ihnen zu positionieren. Die dafiir nötige Reife und Weitsicht können sie erst erlangen, wenn sie alter sind. Im Unterricht der Grundschule sollten deshalb die Inhalte im Vordergrund stehen, die die Lebenswelt der Kinder direkt betrefffen, wie z.B. Schule, Familie, Freunde, etc.
Damit Grundschiiler E-Mails verfassen können, brauchen sie zudem schriftliche Vorlagen34, da freies Schreiben nicht zum Erwartungshorizont des Englischunterrichts der Grundschule gehört. Schreiben ist dem Hören und Sprechen der Fremdsprache unterzuordnen und darf den Kindern deshalb nicht zu viel abverlangen.35 Entsprechend spielt die sprachliche Korrektheit, anders als im Unterricht der weiterfiihrenden Schule, eine untergeordnete Rolle. Die Fehlerhaufigkeit beim Abschreiben einer Vorlage kann zwar mit der Sprachsicherheit eines Kindes korrelieren, sollte aber nicht Gegenstand der Leistungsbewertung sein.
Das Forum-Prinzip des TAK, das durch die Mailing-Liste gegeben war, wiirde einen durchschnitt-lich entwickelten Grundschiiler mit seiner Abstraktheit iiberfordern. Damit sich ein Schiiler ein Bild von der Lebenswelt eines englischen Kindes machen kann, sollte der Kontakt die Form einer konkreten Brieffreundschaft haben. So kann sich iiber die Phase des gegenseitigen Vorstellens und dem Austausch iiber Interessen eine Art Fernfreundschaft entwickeln, die beide Seiten zum Schreiben motiviert, ohne dass zusatzlicher Druck durch Lehrer oder Eltern nötig ist. Davon, dass die Kinder sich dauerhaft selbststandig an Erstellungsfristen der E-Mails halten, ist wiederum nicht auszugehen. Im Gegensatz zu den Schiilerinnen und Schiilern der Sekundarstufe benötigen Grundschulkinder ein höheres Mall an Begleitung aller die Korrespondenz betreffenden Elemente durch den Lehrer. So muss auch inhaltlich orientiertes Arbeiten unter Verwendung der Fremdsprache vom Lehrer gelenkt werden. Dieser muss die Sprechanlasse methodisch-didaktisch vorbereiten. Somit kann der Unterricht nicht — wie in der Sekundarstufe — autonom in Kleingruppen erfolgen.
4. Ziele, Bedingungen und Pro blematiken
4.1 Zielsetzungen und Bedingungen
Das Anbahnen interkultureller Kommunikation ist, wie bereits in der Einleitung ausgefiihrt, das Hauptziel des Projekts. Der fortlaufende E-Mail-Kontakt soll den deutschen Schiilern ein erstes behutsames Begegnen mit den Kindern der fiir sie fremden englischen Kultur ermöglichen. Im Vordergrund steht dabei weniger der Wissenserwerb iiber die Kultur als vielmehr der blolle Kontakt — die Kommunikation — mit ihren Akteuren.
Doch warum soll IKK nur angebahnt und nicht direkt angestrebt werden? Das Niveau interkulturel-ler Lernintentionen darf in der Primarstufe nicht zu hoch angesetzt werden, da das Feld IKL erst in der Sekundarstufe und dem tertiaren Bildungsbereich mit zunehmender Tiefe begangen werden kann. 36 Zu erreichen, dass die Begegnung mit der fremden Kultur von den Kindern mit Freude und unbefangenem Kennenlernen einhergeht, ist deswegen als Erfolg zu betrachten, der den Kindern den Weg zum Erreichen interkultureller Kompetenzen erleichtert.
Um das Hauptziel sind mehrere Teilziele und Voraussetzungen gruppiert, die die Natur des Konzepts beschreiben und seine Eckpfeiler darstellen. Wie gut es gelingt, diese Kriterien zu verwirklichen, bestimmt den Erfolg des Konzepts.
- Die Kinder sollen durch den Umgang mit Internet, PC und E-Mail Lernzuwachs im Bereich Medienkompetenz erzielen.
- Motivation, 3- Neugierde und Mitteilungsbereitschaft der Kinder sind die Voraussetzungen fiir einen ertragreichen partnerschaftlichen E-Mail-Verkehr.
- Damit die Kinder nicht iiberfordert sind, muss die Arbeitsbelastung qualitativ und quantitativ angemessen sein.
- Die Arbeit am Projekt muss sich so in den Schulalltag der Lehrer und der Kinder einfiigen, dass sie langfristig nicht zur Belastung wird und zukiinftige Durchgange mit Bereitwilligkeit geplant werden konnen.
- Das Konzept darf die essentiellen Lehr- und Lernmethoden nicht vernachlassigen (Differenzierung, Ganzheitlichkeit, miindlicher Sprachgebrauch), damit — wenn es als Pflichtunterricht eingesetzt wird — die konventionellen Lernziele38 erreicht werden konnen.
- Im Speziellen muss sich der E-Mail-Verkehr an den im Lehrplan genannten „Erfahrungsfeldern"39 orientieren, damit die Kinder ihre eigene Lebenswelt mit der der englischen Kinder vergleichen konnen. (/
- Ist der E-Mail-Verkehr und dessen Betreuung Teil des Pflichtunterrichts, muss die Leistung der Kinder bewertet werden.41 Hierfiir konnen die iiblichen Mittel herangezogen werden (z.B. Beobachtungen im Unterricht, Qualitat und Quantitat der miindlichen und sonstigen Beitrage, Kreativitat, Zuverlassigkeit).
[...]
1 E-Mail-Kontakte werden besonders hervorgehoben. (s. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008: S. 74)
2 s. ebd.: S. 11
3 vgl. Eickhorst, 2007: S. 21 und Licata, 2004: S. 9
4 vgl. Eickhorst, 2007: S. 7 und Holzbrecher, 2004: S. 110
5 s. Holzbrecher, 2004: S. 106
6 vgl. Licata, 2004: S. 92
7 vgl. Pienemann u.a., 200 6: S. 159
8 vgl. ebd.: S. 27
9 vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008: S. 74
10 Um eine E-Mail zu verfassen, ist lediglich ein handelsüblicher PC mit Internetanschluss erforderlich. Der gemeinnützige Verein 'Schulen ans Netz' verhalf im Zeitraum 199 6 bis 2001 allen deutschen Schulen zu einem kostenlosen Internetanschluss. Die Nutzung von PCs ist den Kindern an praktisch allen deutschen Grundschulen möglich — durchschnittlich müssen sich etwa 12 Kinder ein Gerät teilen (s. Bundesministerium fiir Bildung und Forschung, 200 6: S. 10). Zeitversetzte Nutzung und die Benutzung privater PCs können diese Zahl jedoch erheblich reduzieren.
11 vgl. Eickhorst, 2007: S. 64
12 Zur besseren Lesbarkeit wird auf die ständige Verwendung beider Geschlechtsformen zur Bezeichnung von Personengruppen verzichtet.
13 Die Haltung des Schulkollegiums wird in Kapitel 7 differenziert dargestellt.
14 vgl. Böttger, 2005: S. 69
15 vgl. Földes, 2007. S. 7ff — Fiir die Sichtweisen verschiedener Autoren auf IKL und IKK siehe auch Bausch u.a., 1994.
16 vgl. ebd. S. 11f
17 vgl. Bausch u.a., 1994: S. 43
18 s. Holzbrecher, 2004: S. 106
19 s. ebd.: S. 107
20 vgl. Holzbrecher, 2004: S. 25, 28
21 vgl. Baumgarten u.a., 2004: S. 145
22 vgl. ebd.: S. 48
23 vgl. Holzbrecher, 2004: S. 14
24 vgl. Watzlawick u.a., 19 69, S. 53
25 vgl. Bausch u.a., 1994: S. 9
26 Um des Hintergrundwissens iiber die kulturellen Konnotationen der Fremdsprache — die fiir das Verständnis der Sprache notwendig sind — habhaft werden zu können, fordert Bleyhl, dass die Lehrer „einige Zeit in der Zielsprachkultur" gelebt haben miissen. (ebd.: S. 11f)
27 s. Ministerium fiir Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008: S. 71
28 vgl. ebd.: S. 74, 76
29 vgl. Eickhorst, 2007: S. 64
30 vgl. ebd.: S. 63
31 Die Arbeit Reinhard Donaths ist besonders hervorzuheben (http://www.schule.de/englisch/reinhard.htm). Als Vorreiter fr den Einsatz des Internet im Englischunterricht der Sekundarstufe bieten seine zahlreichen Veröffentlichungen eine solide Grundlage fr die Beschäftigung mit E-Mail-Projekten auch in der Primarstufe.
32 Ein Amerikanischer Schiller begann eine E-Mail mit der Begrüflung „Hail Lena und Sonja" und löste damit eine heftige Debatte Ober das Bild der Amerikaner und das Selbstbild der Deutschen bzgl. des Dritten Reichs aus. (vgl. Donath u.a., 1997: S. 309)
33 vgl. ebd.: S. 2 63f
34 vgl. Kapitel 5.5
35 vgl. Legutke u.a., 2008: S. 1
36 Als Studiengang wird Interkulturelle Kommunikation derzeit an 12 Universitäten in Deutschland angeboten. Intensives interkulturelles Lernen kann erst stattfinden, wenn der Lerner iiber die Fähigkeit verfiigt, sozio-kulturelle Strukturen und Prozesse zu verstehen, damit er die seines Herkunftslandes mit denen des Ziellandes vergleichen kann. (vgl. Goethe-Institut, 2002: S. 52, 59, 231)
37 vgl. Baumgarten u.a., 2004: S. 72ff
38 Findet der E-Mail-Verkehr in den Pflichtstunden des Englischunterrichts statt, muss selbstverständlich dafiir Sorge getragen werden, dass die Anforderungen der Richtlinien und des Lehrplans erfiillt werden.
39 s. Ministerium fiir Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008: S. 76
40 Die Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Lebenswelt ist als Grundvoraussetzung fiir erfolgreiches interkulturelles Handeln anzusehen. (vgl. ebd.: S. 74 und Goethe-Institut, 2002: S. 51)
41 vgl. Donath u.a., 1997: S. 2 62f
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