Das Menschliche Bewusstsein in Philosophie und Neurowissenschaft

Wieso das Thema „Bewusstsein“ auch heut noch nicht seine Aktualität verloren hat


Hausarbeit, 2009

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I.: Das menschliche Bewusstsein – Untersuchung eines Phänomens

II.: Ein Phänomen – Verschiedene philosophische Zugänge
II.1.1 Der Dualismus nach Decartes – Res extensa und res cogitans
II.1.2. Der Dualismus nach Saul Kripke
II.2. Monismus und Funktionalismus
II.3. Der Funktionalismus

III. Das Bewusstseinskonzept in den Neurowissenschaften
III.1. Die Entstehung des Bewusstseins
III.2. Die Aufgaben des Bewusstseins
III.3. Neuronenverbände als Grundgerüst des menschlichen Bewusstseins
III.4. Die Rolle des Gedächtnisses
III.5. Die wichtigsten Wirkprinzipien beim Entstehen von Bewusstsein

IV. Neurowissenschaft versus Philosophie

V. Ein Ausblick - Das künstliche Bewusstsein

VI. Literaturverzeichnis.

Das Menschliche Bewusstsein in Philosophie und Neurowissenschaft Wieso das Thema „Bewusstsein“ auch heut noch nicht seine Aktualität verloren hat

I.: Das menschliche Bewusstsein – Untersuchung eines Phänomens

„Das Problem des Bewußtseins bildet heute - vielleicht zusammen mit der Frage nach der Entstehung unseres Universums - die äußerste Grenze des menschlichen Strebens nach Erkenntnis. Es erscheint deshalb vielen als das letzte große Rätsel überhaupt und als die größte theoretische Herausforderung der Gegenwart.“[1]

Mit dieser Aussage umreißt der Philosoph Thomas Metzinger die Tragweite des Problems, an dessen Lösung sich bereits namhafte Philosophen des antiken Griechenlands, wie z.B. Platon oder Aristoteles versucht haben.[2] Dank technischer Neuerungen, wie dem Magnetresonanztomographen (MRT) und dem Elektroenzephalographen (EEG) besitzen wir heutzutage die Möglichkeiten, detaillierte Einblicke in die Wirkmechanismen unseres Gehirns zu erlangen. Je größer jedoch die mit Hilfe der zuvor genannten technischen Hilfsmittel gewonnenen Informationsmengen werden, desto klarer zeichnet sich ab, dass die von Metzinger getroffene Aussage weiterhin ihre Gültigkeit behält. Es ist sogar vorstellbar, dass Phänomene, wie das menschliche Bewusstsein niemals bis ins letzte Detail geklärt werden können. Auf diese Möglichkeit weist auch Patricia Smith Churchland hin, wenn sie feststellt, dass unser Gehirn derart komplex ist, dass seine daraus hervorgehende Intelligenz nicht ausreichen könnte, um diese ungeheure Komplexität zu begreifen.[3] Doch obwohl eine solche hypothetische Konstellation durchaus der Realität entsprechen könnte, rät sie zunächst zum Versuch der Beantwortung folgender Fragen:

„Wie weit reicht unser geringer Intellekt? Wie schwierig ist das Problem? Wie könnte es möglich sein, daß es außerhalb unserer Reichweite liegt, unabhängig davon, wie sich Wissenschaft und Technologie entwickeln?“[4]

In dieser Arbeit soll derselbe pragmatische Ansatz verfolgt werden, wie er z.B. auch vom Hirnforscher Christof Koch in Zusammenarbeit mit Francis Crick angestrebt wird.[5] Dabei werde ich zunächst die zwei bedeutendsten Philosophischen Positionen der Dualisten einerseits und der Monisten bzw. Funktionalisten andererseits präsentieren, um zu zeigen, welche Erklärungsmodelle die Philosophie zu diesem Phänomen beizutragen hat. Anschließend werden in einer knappen und trotzdem möglichst konsensfähigen Form die Ergebnisse der Neurowissenschaften zum Thema erläutert und daraus ein naturwissenschaftliches Bewusstseinsmodell gebildet. Ausgehend von den dem Bewusstsein zugeschriebenen Leistungen, speziell im Bereich der Verarbeitung von auf den menschlichen Körper einströmenden Reizen, werden die grundlegenden Wirkmechanismen dieses komplexen Gebildes näher beleuchtet. Im letzten Teil der Arbeit gehe ich schließlich auf die Diskrepanzen ein, die ein Vergleich der drei zuvor genannten Modelle mit sich bringt. Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden besprochenen philosophischen Ansätze werden herausgearbeitet und der Versuch einer Synthese, welcher zu einem ganzheitlichen Bewusstseinskonzept führt, soll versucht werde. Dabei kommt es mir aber auch darauf an, die (vorläufigen?) Grenzen der Neurowissenschaften aufzuzeigen. Denn nur die von Micheal Pauen angemahnte Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen wird langfristig zu neuen Erkenntnissen und damit auch zur Beantwortung der von Patricia Smith Churchland formulierten Fragen führen.[6]

II.: Ein Phänomen – Verschiedene philosophische Zugänge

Dualismus, Physikalismus, Identitätstheorie, Materialismus, Monismus, usw. Alle diese philosophischen Konzepte bemühen sich um eine schlüssige Klärung des Leib-Seele- bzw. Körper-Geist-Problems. Worum es dabei im Kern geht, ist eine ontologische Betrachtung des Bewusstseinsphänomens, also die Untersuchung von dessen Existenzumständen. Ansgar Beckermann schlägt hierbei eine Zuspitzung des Problems auf zwei Fragen vor:

1) Gibt es neben den physischen Dingen auch noch nicht-psychische, immaterielle Entitäten, die die Träger mentaler Eigenschaften sind? Oder sind die Träger mentaler Eigenschaften selbst physische Dinge, z.B. bestimmte Lebewesen?[7]

2) Sind mentale Eigenschaften eigenständig oder können sie auf physische Eigenschaften zurückgeführt werden?[8]

Unter diesen Gesichtspunkten sollen in der Folge die zwei Grundkonzeptionen verglichen werden, welche bei der Beantwortung dieser Fragen die größten Differenzen aufweisen. Dies ist erstens der Dualismus, wie ihn unter anderem René Descartes vertreten hat und als dessen aktuell stärkster Befürworter Saul Kripke gelten kann. Die Hauptthesen dabei sind:

1) Es gibt immaterielle Entitäten neben den physischen, wobei die Träger dieser

Eigenschaften physische Dinge sind.

2) Mentale Eigenschaften - hier die Seele bzw. der Geist – sind eigenständig und können nicht direkt auf physische Eigenschaften zurückgeführt werden.

Im krassen Gegensatz dazu steht die von den Monisten und Funktionalisten vertretene Position. Hier lassen sich die Fragen folgendermaßen beantworten:

1) Es gibt neben den physischen Entitäten grundsätzlich keine metaphysischen Wirkprinzipien.

2) Mentale Eigenschaften sind nur in Verbindung mit dem Körper denkbar. Eine Reduktion auf die physischen Ursprünge ist in vollem Umfang möglich.

Zunächst soll nun aber die dualistische Position am Beispiel des cartesianischen Bewusstseinsmodells erläutert, sowie die von Saul Kripke entwickelten Gedanken zur Stärkung dieses Konzepts vorgestellt werden.

II.1.1 Der Dualismus nach Decartes – Res extensa und res cogitans

Zwar ist das Konzept des Dualismus in der Philosophie keineswegs neu, doch aufgrund der konsequenten Anwendung desselben auf das Leib-Seele-Problem, nimmt Descartes auf diesem Feld eine herausragende Stellung ein. Bereits in dem 1641 veröffentlichten Werk „Meditationes de prima philosophia“ werden die Grundzüge des Cartesianischen Dualismus deutlich. Das Hauptaugenmerk des Verfassers liegt darin neben dem Beweis der Existenz Gottes vor allem in der Untersuchung des Phänomens der menschlichen Wahrnehmung. Die Erwähnung ersterer Tatsache erhält ihre Relevanz dadurch, dass es Descartes zu folge durchaus vorstellbar wäre, dass Gott um eine bewusste Täuschung des Menschen bemüht ist[9]. Diese Erkenntnis zieht der Philosoph unter anderem aus dem in der zweiten Meditation beschriebenen Experiment mit einem Stück Wachs, welches unter Wärmezufuhr seine Gestalt ändert. So wie Descartes in dieser Meditation aus der Fähigkeit zum Denken auf die Existenz eines Denkenden „Ich“ schließt, so erfolgt nun die Anwendung der daraus gewonnenen Erkenntnis auf das Wachs-Experiment. Nicht die Existenz ist der Ausgangspunkt für die anschließende Erkenntnis, sondern zunächst ist nichts weiter mit Sicherheit festzustellen, als das Erfassen des Wachses durch den Geist[10]:

„Was ist denn nun dieses Wachs, das man nur im Geiste auffassen kann? Offenbar eben das, was ich sehe, berühre, bildhaft vorstelle; überhaupt dasselbe, das ich von Anfang an für seiend gehalten habe. Aber, wohlgemerkt, die Auffassung desselben besteht nicht in einem Sehen, Berühren, sinnlichen Vorstellen, und bestand überhaupt nie darin, wenn es mir auch früher so vorkam; sie besteht vielmehr in einem bloßen geistigen Einblick, der unvollkommen und verworren sein kann wie vordem, oder klar und deutlich wie jetzt, je nachdem ich mehr oder weniger auf seine Bestandteile achte.“[11]

Weitere Täuschungsmöglichkeiten bieten unter anderem noch die zum Teil äußerst realistischen Träume während des Schlafens, sowie das Verwenden von Wörtern beim Prozess der Gedankenbildung[12]. Nachdem Descartes bereits in der zweiten Meditation aus der Fähigkeit zu Denken zumindest die Existenz eines „denkenden Ichs“, das heißt das Vorhandensein von Bewusstsein gefolgert hat, ist im Gegensatz dazu gerade der Körper, oder wie er es in den „Les Passions de l'âme“ bezeichnet, die „res extensa“, der mit der größten Unsicherheit behaftete Teilbereich innerhalb des dualistischen Gedankengebäudes.[13] Erst durch den Umweg über den Beweis für die Existenz Gottes, kann auch die effektive Untersuchung über das Vorhandensein einer von der rein geistigen Welt verschiedenen Dimension erfolgen. Zentral ist hierbei folgende Erkenntnis, die eher als Postulat bezeichnet werden muss:

„Wenn auch die Fähigkeit zu täuschen ein Zeichen von Scharfsinn oder Macht zu sein scheint, so beweist doch die Absicht zu täuschen ohne Zweifel, Bosheit und Ohnmacht und kann sich darum bei Gott nicht finden.[14]

Den nächsten Schritt beim Beweis der Existenz des Körpers vollzieht Descartes dann, indem er auf die von Gott verursachte Neigung zum „Für-wahr-halten-Wollen“ desselben im Menschen hinweist:

„Wie könnte ich […] [Gott] für wahrhaftig halten, wenn sie einen andern Ursprung hätten, als die körperlichen Dinge! Und folglich gibt es körperliche Dinge.“[15]

Mit Abschluss dieser Beweiskette steht nun für Descartes fest, dass die belebte Welt weder erschöpfend durch die Machina-Konzeption, d.h. alle Lebewesen sind nichts weiter als Automaten, noch durch eine rein metaphysische Anima-Konzeption erklärbar ist.[16] Als einziger Ausweg bleibt folglich ein Zusammenwirken zwischen beiden Kategorien. Zur vollständigen Reife gelangt Descartes’ Konzept schließlich in den „Les Passions de l'âme“ (1649). Die in den Meditationen nur knapp thematisierte Verbindung zwischen Körper und Geist, wird dabei bis auf die Ebene des praktischen Zusammenwirkens beider Teile konkretisiert. Lokal verortet ist dieser Wechselwirkungsprozess seiner Ansicht nach in der Zirbeldrüse im menschlichen Gehirn, in welcher die metaphysische Seele Einfluss auf den stofflichen Körper ausübt.[17]

II.1.2. Der Dualismus nach Saul Kripke

Ein erweitertes dualistisches Bewusstseinskonzept ist in der Nachfolge Descartes schließlich von Saul Kripke entworfen worden. Dabei ist in diesem Zusammenhang das Prinzip der Erweiterung weniger im Sinne einer Ausdehnung der gewonnenen Erkenntnisse aufzufassen, als vielmehr in dem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten im Konzept der Gegner des cartesianischen Modells und einer darauf aufbauenden Neukonzeption des Dualismus. Er kommt zu dem Schluss, dass es prinzipiell unmöglich ist, einen konkreten Bewusstseinszustand mit einem physischen Zustand zu verknüpfen, insofern mit dem Verknüpfungsprozess eine einheitliche Identität beider Phänomene hergestellt werden soll.[18] Kripke veranschaulicht seine Überlegungen dabei an den Mechanismen, welche bei der Empfindung von Schmerzen zum Tragen kommen. Seiner Meinung nach lässt sich an diesem Beispiel deutlich der konzeptionelle Mangel in einem zu sehr nach mechanistischer Manier vereinfachten Modell der Schmerzperzeption erkennen:

„Das Problem ist, dass der Identitätstheoretiker nicht die These vertritt, daß der physische Zustand den mentalen Zustand nur hervorbringt; er möchte vielmehr, daß die beiden Zustände identisch sind und daß sie damit a fortriori notwendigerweise zusammen vorkommen.“[19]

Dass eine solche Vorstellung problematisch ist, wird deutlich, wenn man sich der daraus entstehenden Folgen gewahr wird. Will man nämlich beweisen, dass ein Reiz einen ganz bestimmten Gehirnzustand bedingt, so muss man belegen, dass dieser Gehirnzustand unabhängig von dem angenommenen Schlüsselreiz nicht existieren kann.[20] Kripke zweifelt jedoch an der grundsätzlichen Durchführbarkeit eines derartigen Ausschließlichkeitsbeweises. Was das „Sich-Bewusstwerden“ bzw. das Empfinden des Schmerzes von anderen physikalischen Phänomenen unterscheidet, ist die Differenz in der Kontingenz, d.h. in dem Charakter, den die Bindungen aufweisen.[21]

Herkömmliche naturgesetzliche Wirkmechanismen, wie das der Molekularbewegung und der daraus abgeleiteten Temperatur lassen sich in ihrer Verknüpfung grundsätzlich rein auf ein Ursache-Wirkung Verhältnis reduzieren, „[…]aber was tatsächlich eine wichtige Aufgabe für die Gottheit ist, ist die Aufgabe, die Molekularbewegung zu etwas zu machen, was als Wärme empfunden wird.“[22]

[...]


[1] http://www.philosophie.uni-mainz.de/metzinger/publikationen/1995e.html, 23.03.09, 13.37 Uhr

[2] vgl.: Hans W. Ingensiep, S. 137 f.

[3] vgl.: Patricia Smith Churchland, S. 464

[4] Patricia Smith Churchland, S. 478

[5] vgl.: Christof Koch, S. 12 f.

[6] vgl.: Michael Pauen, S. 20 f.

[7] Ansgar Beckermann, S. 7

[8] ebda.

[9] vgl.: René Descarte, Med., S. 103

[10] vgl.: René Descarte, Med., S. 93

[11] René Descarte, Med., S. 93

[12] vgl.: René Descarte, Med., S. 65 f. und 93

[13] vgl.: René Descarte, S. 83 u. Johannes Hirschberger, S. 114

[14] René Descarte, S. 141

[15] René Descarte., S. 193

[16] vgl.: Hans W. Ingensiep, S. 151

[17] vgl.: Johannes Hirschberger, S. 115

[18] vgl.: Saul Kripke, S. 173

[19] Saul Kripke, S. 173

[20] vgl.: Saul Kripke, S. 171

[21] vgl.: Saul Kripke, S. 173

[22] vgl.: Saul Kripke, S. 175

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Menschliche Bewusstsein in Philosophie und Neurowissenschaft
Untertitel
Wieso das Thema „Bewusstsein“ auch heut noch nicht seine Aktualität verloren hat
Hochschule
Universität Regensburg  (Theoretische Philosophie)
Veranstaltung
Proseminar: Maschine, Programm, Geist
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V138568
ISBN (eBook)
9783640471331
ISBN (Buch)
9783640470983
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dualismus, Monismus, Descartes, Neurowissenschaft, Saul Kripke, Gedächtnis, Funktionalismus, Bewusstsein, Geist, künstlich, künstliche Intelligenz
Arbeit zitieren
Johannes Stockerl (Autor:in), 2009, Das Menschliche Bewusstsein in Philosophie und Neurowissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138568

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