1. Vergessene Geschichte
Touristen, die die lettische Hafenstadt Ventspils (Windau) besuchen, werden vom rot leuchtenden Neonschild des Warenhauses ‚Tobago’ begrüßt’. Der Name geht auf die Insel ‚Tobago’ zurück. Doch das Eiland in der Karibik liegt weit entfernt von Lettland. Wie wurde es zum Namenspaten? Hat die Letten eine Art Piratenromantik erfasst? Die Antwort auf diese Frage ist simpel: Ventspils und sein Warenhaus haben mit Tobago ein Stück Geschichte gemein.
Auf einem Teilgebiet des heutigen Lettlands entstand Mitte des 16. Jahrhunderts das Herzogtum Kurland. Jakob Kettler, einer der Herzöge Kurlands, reformierte im 17. Jahrhundert die Wirtschaft des Landes. Zeitgleich regte er die Gründung von überseeischen Kolonien an. Die Kurländer übernahmen 1651 Gambia in Afrika und ließen sich 1654 auf Tobago in der Karibik nieder.
Sucht man in Ventspils nach Informationen zur Verbindung des Ortes mit Gambia und Tobago, wird man enttäuscht. Im Turm des Schlossmuseums finden sich nur einige alte Schautafeln. Der kolonialen Vergangenheit von Ventspils werden sie nicht gerecht.
Dieser Trend setzt sich in der wissenschaftlichen Literatur in Lettland, Europa und Amerika fort. Ein großer Teil der Publikationen über Kurland und seine Kolonien wurde vor 1945 verfasst. Häufig finden sich darin starke lokalpatriotische und völkisch-nationale Motive . Hinzu kommt eine Handvoll neuerer Veröffentlichungen, die aber kaum über die Ergebnisse der älteren Forschung hinausgehen. Eine seltene Ausnahme sind Edgar Andersons „The ancient Couronians in America (…)“ und „The Couronians and the West Indies“ . Beide Schriften geben sich aktuell, sind jedoch ausschließlich in ausgewählten Bibliotheken zu finden. Im Folgenden können sie daher nur in Aus-schnitten herangezogen werden.
Die koloniale Vergangenheit Lettlands, d.h.: Die kolonialen Bestrebungen Kur-lands, scheinen heute auf geringes historisches Interesse zu stoßen. Sie bieten jedoch Raum für eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die in der Lage wären Phänomene und Entwicklungen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts aus neuen, faszinie-renden Perspektiven zu beleuchten.
Die vorliegende Arbeit soll deshalb aufzeigen inwieweit die Kolonialbestre-bungen Kurlands ein Phänomen ihrer Zeit waren, inwieweit sie aber auch Kurlands eigene Geschichte widerspiegeln.
2. Kurland und sein Herzog
Kurland gehörte bis zum 16. Jahrhundert zum Deutschritterorden. Mit dem Livländi-schen Krieg fiel es der polnischen Krone zu.
Inhaltsverzeichnis
- Vergessene Geschichte
- Kurland und sein Herzog
- Tobago, die Insel der Verzweiflung
- Der Vorstoß in die Karibik
- Aufbau & Entwicklung der Kolonie
- Das Schicksal der Kolonie
- Spuren der Kolonialgeschichte
- Kurland und die Wissenschaft
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die kolonialen Bestrebungen Kurlands im 17. und 18. Jahrhundert, insbesondere den Versuch der Gründung einer Kolonie auf Tobago. Sie beleuchtet die Hintergründe dieser Unternehmungen im Kontext der kurländischen Geschichte und der europäischen Politik der Zeit. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit die kolonialen Aktivitäten Kurlands ein typisches Phänomen ihrer Zeit waren und inwieweit sie die spezifische Geschichte Kurlands widerspiegeln.
- Die vergessene koloniale Vergangenheit Kurlands
- Herzog Jakob Kettler und seine Wirtschaftspolitik
- Die Gründung und Entwicklung der Kolonie Tobago
- Die Bedeutung des Merkantilismus für Kurlands Kolonialpolitik
- Das Schicksal der Kolonie und ihr historisches Erbe
Zusammenfassung der Kapitel
Vergessene Geschichte: Der einführende Abschnitt thematisiert die weitgehend unbekannte koloniale Vergangenheit Kurlands und die unzureichende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. Er betont den Mangel an umfassenden historischen Studien und die Notwendigkeit einer neuen Perspektive auf die kurländischen Kolonialbestrebungen, die weit über lokalpatriotische und nationalistische Sichtweisen hinausgeht. Die Verbindung des Namens "Tobago" mit der lettischen Stadt Ventspils dient als Ausgangspunkt, um die Forschungslücke zu verdeutlichen und die Relevanz des Themas zu unterstreichen.
Kurland und sein Herzog: Dieses Kapitel porträtiert Herzog Jakob Kettler und die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Kurlands im 17. Jahrhundert. Es beschreibt seine Jugend, seine Ausbildung und seine Erfahrungen im Dreißigjährigen Krieg, die ihn zu außenpolitischen und wirtschaftlichen Reformen in Kurland motivierten. Jakobs Auseinandersetzung mit dem Merkantilismus und seinen Kontakt zu Kaufleuten, die von Kolonialunternehmen berichteten, werden als entscheidende Faktoren für seine Kolonialpolitik dargestellt. Der instabile politische Status Kurlands unter der polnischen Krone und der Widerstand des Adels werden ebenfalls erläutert. Die wirtschaftliche Schwäche Kurlands und der Wunsch nach Stärkung der Außenbeziehungen werden als Haupttreiber für Jakobs Kolonialbestrebungen herausgestellt.
Häufig gestellte Fragen: Kurlands vergessene Kolonialgeschichte
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Die Arbeit befasst sich mit den kolonialen Aktivitäten Kurlands im 17. und 18. Jahrhundert, insbesondere mit dem Versuch der Gründung einer Kolonie auf Tobago. Sie untersucht die Hintergründe dieser Unternehmungen im Kontext der kurländischen Geschichte und der europäischen Politik, analysiert die Rolle Herzog Jakobs Kettlers und beleuchtet die Bedeutung des Merkantilismus. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage, ob diese kolonialen Aktivitäten typisch für die Zeit waren und inwieweit sie die spezifische Geschichte Kurlands widerspiegeln.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Die vergessene koloniale Vergangenheit Kurlands; Herzog Jakob Kettler und seine Wirtschaftspolitik; die Gründung und Entwicklung der Kolonie Tobago; die Bedeutung des Merkantilismus für Kurlands Kolonialpolitik; das Schicksal der Kolonie und ihr historisches Erbe; die politische und wirtschaftliche Situation Kurlands im 17. Jahrhundert; und die unzureichende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der kurländischen Kolonialgeschichte.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit beinhaltet Kapitel zu folgenden Themen: "Vergessene Geschichte", "Kurland und sein Herzog", "Tobago, die Insel der Verzweiflung", "Der Vorstoß in die Karibik", "Aufbau & Entwicklung der Kolonie", "Das Schicksal der Kolonie", "Spuren der Kolonialgeschichte" und "Kurland und die Wissenschaft".
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die weitgehend unbekannte koloniale Vergangenheit Kurlands zu untersuchen und die kolonialen Bestrebungen Kurlands im Kontext der kurländischen und europäischen Geschichte zu analysieren. Sie möchte die Forschungslücke zu diesem Thema schließen und eine umfassende historische Studie zu diesem Aspekt der kurländischen Geschichte liefern, die über lokalpatriotische und nationalistische Perspektiven hinausgeht.
Wer war Herzog Jakob Kettler und welche Rolle spielte er?
Herzog Jakob Kettler wird als zentrale Figur dargestellt, dessen politische und wirtschaftliche Entscheidungen die kolonialen Bestrebungen Kurlands maßgeblich beeinflussten. Seine Jugend, Ausbildung, Erfahrungen im Dreißigjährigen Krieg, seine Auseinandersetzung mit dem Merkantilismus und seine Kontakte zu Kaufleuten werden als entscheidende Faktoren für seine Kolonialpolitik beschrieben.
Welche Bedeutung hatte der Merkantilismus für Kurlands Kolonialpolitik?
Der Merkantilismus wird als wichtiger Faktor für Kurlands Kolonialpolitik dargestellt. Die Arbeit untersucht, wie die Prinzipien des Merkantilismus Jakobs Kettlers Entscheidungen und die kolonialen Bestrebungen Kurlands beeinflussten.
Wie wird das Schicksal der Kolonie Tobago beschrieben?
Das Kapitel "Das Schicksal der Kolonie" und weitere Abschnitte befassen sich mit dem Verlauf und dem letztendlichen Scheitern des Kolonialprojekts auf Tobago, sowie mit den langfristigen Auswirkungen und dem historischen Erbe dieser Unternehmung.
Warum ist diese Arbeit wichtig?
Die Arbeit ist wichtig, weil sie ein weitgehend unbekanntes Kapitel der kurländischen und europäischen Geschichte beleuchtet. Sie trägt dazu bei, die Forschungslücke zu schließen und ein umfassenderes Verständnis der kurländischen Geschichte zu ermöglichen. Sie bietet eine neue Perspektive auf die kolonialen Bestrebungen Kurlands, die über rein lokalpatriotische oder nationalistische Sichtweisen hinausgeht.
- Quote paper
- Stefan Noack (Author), 2009, Der Traum des Herzogs - Kurlands Kolonie auf Tobago, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138725