Mitte der 1870er Jahre kam der Vorschlag auf, im Deutschen Reich ein Arbeiterschutzgesetz
zu schaffen. Die im Parlament vertretenen Fraktionen –besonders das konservative
Lager- brachten nach der „Kaiserlichen Botschaft“ Wilhelms I verschiedene konkrete
Umsetzungsvorschläge ein.
Diese lehnte Bismarck energisch ab, so dass das Gesetz erst 1891 –also nach seiner Entlassung-
zustande kommen konnte.
Welche der geforderten Maßnahmen enthielt es, wo blieben Lücken bestehen?
Diesen Fragen möchte ich in dieser Arbeit nachgehen, vor allem aber interessieren mich
die Beweggründe des Reichskanzler für seine Blockadehaltung. Welche Befürchtungen
sprach er aus, welche mag er insgeheim gehegt haben? Die Verdienste Bismarcks bei der Etablierung des Sozialversicherungssystems sind unbestritten.
Aufgrund der Größe dieses Projektes kommen in der Literatur andere Facetten
der bismarckschen Innenpolitik allerdings gelegentlich zu kurz.
Der Nationalökonom und Bismarckanalytiker Georg Adler geht sogar soweit, zu schreiben
der Eindruck von der Sozialversicherungsgesetzgebung als großem Werk „relativiere
sich bei der Betrachtung der sozialpolitischen Projekte, die durch die Prädominanz der
Arbeiterversicherungspolitik zurückgeworfen wurden.“1
Daher soll in meiner Arbeit eines dieser „anderen sozialpolitischen Projekte“ im Mittelpunkt
stehen, nämlich die 4. Gewerbeordnungsnovelle, besser bekannt als „Arbeiterschutzgesetz“
oder „Lex Berleps“. [...]
1 Vgl.: in Lothar Machan (Hg.) 1994: „Bismarcks Sozialstaat – Beiträge zur Geschichte der Sozialpolitik und
zur sozialpolitischen Geschichtsschreibung“
Gliederung
1. Fragestellung
2. Einleitung
3. Die Entwicklung bis 1881
a) Die Vorläufer des Arbeiterschutzgesetzes bis 1881
b) Die „Kaiserliche Botschaft von 1881“
4. Der erste Machtkampf: Bismarck und das Parlament
a) Die Positionen ab 1881
i) Das Parlament
1. Die Beweggründe des Zentrums
2. Forderungen des Zentrums 1882
ii) Otto von Bismarck
b) Das Ringen der 80er
5. Der zweite Machtkampf: Bismarck und Kaiser Wilhelm II
a) Die Februarerlasse
b) Die Internationale Arbeiterschutzkonferenz
c) Die Gewerbeordnungsnovelle
6. Ergebnis dieser Betrachtungen
7. Literatur
1. Fragestellung
Mitte der 1870er Jahre kam der Vorschlag auf, im Deutschen Reich ein Arbeiterschutzgesetz zu schaffen. Die im Parlament vertretenen Fraktionen –besonders das konservative Lager- brachten nach der „Kaiserlichen Botschaft“ Wilhelms I verschiedene konkrete Umsetzungsvorschläge ein.
Diese lehnte Bismarck energisch ab, so dass das Gesetz erst 1891 –also nach seiner Entlassung- zustande kommen konnte.
Welche der geforderten Maßnahmen enthielt es, wo blieben Lücken bestehen?
Diesen Fragen möchte ich in dieser Arbeit nachgehen, vor allem aber interessieren mich die Beweggründe des Reichskanzler für seine Blockadehaltung. Welche Befürchtungen sprach er aus, welche mag er insgeheim gehegt haben?
2. Einleitung
Die Verdienste Bismarcks bei der Etablierung des Sozialversicherungssystems sind unbestritten. Aufgrund der Größe dieses Projektes kommen in der Literatur andere Facetten der bismarckschen Innenpolitik allerdings gelegentlich zu kurz.
Der Nationalökonom und Bismarckanalytiker Georg Adler geht sogar soweit, zu schreiben der Eindruck von der Sozialversicherungsgesetzgebung als großem Werk „relativiere sich bei der Betrachtung der sozialpolitischen Projekte, die durch die Prädominanz der Arbeiterversicherungspolitik zurückgeworfen wurden.“[1]
Daher soll in meiner Arbeit eines dieser „anderen sozialpolitischen Projekte“ im Mittelpunkt stehen, nämlich die 4. Gewerbeordnungsnovelle, besser bekannt als „Arbeiterschutzgesetz“ oder „Lex Berleps“.
Verglichen mit dem bürokratischen Aufwand, den die Etablierung der Sozialversicherungen mit sich brachte, wäre die Einführung des gesetzlich geregelten Arbeiterschutzes vermutlich ein Leichtes gewesen.
Die von den unterschiedlichen Parteien geforderten Gesetzesänderungen sind nicht allzu umfangreich, aber die vorgestellten Entwürfe enthalten einige entscheidende Punkte, in denen es nicht zum Konsens zwischen Kanzler und Parlament kommen kann. Auf diese werde ich in meiner Arbeit einzeln eingehen. Hierzu beziehe ich mich zunächst auf eine Grundsatzrede des Abgeordneten von Hertling (Zentrumspartei) aus dem Jahre der 1882. Von Hertling führt hierin präzise die Forderungen seiner Partei nach dem Arbeiterschutzgesetz aus.[2]
Im Zenit seiner Macht übt Bismarck jedoch Widerstand gegen alle Entwürfe aus. Die offiziellen Gründe werde ich aus seiner Erwiderung auf Hertlings Rede erarbeiten.
Die Folge des Grundsatzstreites ist ein fast zehnjähriges Ringen, in dem sich der Reichskanzler zunächst wiederholt gegen das Parlament durchsetzt, schließlich aber gegen Wilhelm II unterliegt: Nur wenige Monate nach seiner Entlassung werden die meisten Vorschläge als geltendes Recht verabschiedet. Die Zuspitzungen und Stationen auf dem Weg dahin möchte ich in dieser Arbeit ebenfalls herausstellen. Dazu bediene ich mich verschiedener Beiträge aus der sozialpolitischen Geschichtsschreibung.
Zur besseren Einordnung in den historischen Kontext beginne ich mit einem kurzen Überblick über die Vorläufer des Arbeiterschutzgesetzes.
3. Die Entwicklung bis 1881
a. Die Vorläufer des Arbeiterschutzgesetzes bis 1881
Bereits ab 1810 werden im noch von Frankreich besetzten Rheinland die ersten Kinderschutzgesetze erlassen.
Den Anstoß zum ersten richtigen Vorläufer des Gesetzes von 1891 gibt überraschender Weise das Militär: Der preußische General von Horn mahnt 1828 beim König Friedrich III an, er sehe die Staatssicherheit dadurch beeinträchtigt, dass besonders in Industrieregionen der Rekrutennachwuchs einen erschreckend schlechten Gesundheitszustand aufweise. Auch sei die Sterblichkeitsrate durch Folgen der Kinderarbeit hoch.[3]
Im selben Jahr spricht auch der Minister für Unterricht, Karl von Altenstein, vor und bemängelt die stetig fallenden Schulbesuchsquoten sowie die damit verbundene Gefahr des steigenden Analphabetismus in Preußen.[4]
1839 erlässt Friedrich III ein erstes Regulativ, dem sich 1840 auch Bayern und Baden anschließen. Kinderarbeit für unter Neunjährige wird darin völlig verboten. Bei Kindern bis 15 Jahren begrenzt sich die tägliche Arbeitszeit auf höchstens 10 Stunden. Kindernachtarbeit wird von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr verboten und tägliche Mittags- und Frühstückspausen auf insgesamt 75 Minuten festgeschrieben. Für die Überwachung ist die Ortspolizeibehörde zuständig.[5]
Sechs Jahre später wird die preußische Gewerbeordnung eingeführt, deren Inhalte zum Teil auch von den Vorläufern der Gewerkschaften beeinflusst worden sind. Kinderarbeit ist ein zentraler Punkt, da 1850 bereits vier von zehn Industriearbeitern Kinder sind. Ebenso enthält sie einen Katalog der gefährlichen Maschinen (z.B. Dampfkessel, Sprengstoffanlagen etc.).[6]
1853 und 1855 treten die preußischen Fabrikgesetze in Kraft, 1865 das „Preußische Allgemeine Berggesetz“. Inhaltlich sind sie ein kleiner Fortschritt im Kampf gegen die Kinderarbeit. De facto ändert sich wiederum wenig, da zwar an die Stelle der meist überforderten Polizei nun qualifizierte Fabrikinspektoren zur Sicherheitsüberprüfung der Arbeitsplätze treten sollen, diesen jedoch praktisch keinerlei Kompetenzen zuwiesen werden. Im Ergebnis bleibt wirksame Kontrolle somit weiterhin unmöglich.[7]
[...]
[1] Vgl.: in Lothar Machan (Hg.) 1994: „Bismarcks Sozialstaat – Beiträge zur Geschichte der Sozialpolitik und zur sozialpolitischen Geschichtsschreibung“
[2] Vgl. U. Sellier: Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jhd., S.117
[3] Vgl. Albin Gladen, „Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland“, S. 16
[4] Vgl. ebd. S. 14
[5] Vgl. H.-J. v. Berlepsch, „Konsensfähige Alternativen zu Bismarcks Modell Sozialpolitischer Gestaltung“ in L. Machtan (Hg.) „Bismarcks Sozialstaat“, Campus 1994, S. 63 ff.
Siehe auch: A. Mertens, „Der Arbeitsschutz und seine Entwicklung“, S. 6f.
[6] Vgl. H.-J. v. Berlepsch, „Konsensfähige Alternativen zu Bismarcks Modell“, S. 63 ff.
[7] Vgl. ebd.
- Arbeit zitieren
- Kai Zahrte (Autor:in), 2003, Blockaden durch den Reformer - Bismarck und das Arbeiterschutzgesetz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13906
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