"Framing". Strategie der Manipulation.


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rationales Handeln und Manipulation
2.1. Nutzenmaximierung
2.2. Manipulation

3. Strategien der Manipulation
3.1. Framing
3.1.1. Referenzpunkt
3.1.2. Verlustaversion
3.1.3. Status Quo Bias
3.2. Heuristiken
3.2.1. Verfügbarkeitsheuristik
3.2.2. Optimismus

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es gibt Situationen, in denen wir wichtige Entscheidungen treffen müssen, die für den weiteren Verlauf unseres Lebens bedeutend sind. Deshalb wäre es beruhigend zu wissen, dass menschliche Entscheidungen nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül funktionieren und nicht manipulierbar sind. In dieser Hausarbeit werde ich zeigen, dass es sehr wohl Entscheidungen gibt, die nicht nach Rationalitätskalkülen berechnet werden. Ich gehe der Frage nach, wie es möglich ist, dass Menschen in ihren Entscheidungen, objektiv gesehen, nicht rational sind und werde zeigen, wie ihr Entscheidungsverhalten manipuliert werden kann bzw. welche Strategien es für Manipulierende gibt. Im folgenden Kapitel bestimme ich, was in dieser Arbeit unter rationalem bzw. Nutzen maximierendem Handeln verstanden werden soll und welche Bedeutung der Definition der Situation[1] in diesem Zusammenhang zukommt. Außerdem werde ich erklären, wie eine Manipulation generell funktionieren kann. Im dritten Kapitel werden Strategien der Manipulation vorgestellt. Ziel der Arbeit ist es, die bedeutendste Strategie unter den genannten ausfindig zu machen. Diese Arbeit erhebt keinesfalls den Anspruch in der Darstellung der Strategien vollständig zu sein. Vielmehr wurden die, meiner Meinung nach, wichtigsten Punkte aufgenommen.

2. Rationales Handeln und Manipulation

2.1. Nutzenmaximierung

Die Theorie der Nutzenmaximierung ist eine ökonomische Theorie und "fasst den Menschen als Nutzenmaximierer auf, der sich um Entscheidungen bemüht, die seine Werterwartungen maximieren. Werterwartungen sind dabei das Produkt der Nutzenfolgen des Handelns und der zugeordneten Wahrscheinlichkeiten."[2] Es ist so, dass Menschen nach dieser Theorie verschiedene Handlungsalternativen in einer Entscheidungssituation bewerten. Maßstab für jede einzelne Bewertung sind die Kosten, die der Akteur aufbringen muss, um ein Ziel zu erreichen, der Nutzen, den er aus der Erreichung des Zieles ziehen kann und die Wahrscheinlichkeit, mit der das Ziel erreicht wird. Allerdings erkennen Akteure nicht immer die objektive Wahrscheinlichkeit einer Handlungsalternative. Sie bewerten jede Alternative ganz subjektiv. Die Theorie der Nutzenmaximierung behauptet nicht, dass die subjektiven Bewertungen der Akteure den objektiven in jedem Fall entsprechen müssen.[3] Sie zeigt lediglich, dass Menschen verschiedene Handlungsalternativen bewerten und die Alternative wählen, die nach ihrer subjektiven Einschätzung am günstigsten ist.

Das Augenmerk dieser Hausarbeit liegt auf den Situationen, in denen Entscheidungen getroffen werden. Hartmut Esser hat in seinen Abhandlungen zur Definition der Situation festgehalten: "Eine der Grundlagen der soziologischen Handlungstheorie ist die Annahme einer besonderen ‚Definition’ der Situation, von der her sich erst die spezielle Logik des Handelns ergebe."[4] Das heißt, die Entscheidungssituation muss betrachtet werden, um die subjektive Handlungsbewertung der Akteure und um letztlich ihre Wahl einer bestimmten Handlungsalternative zu verstehen. Natürlich ist es schwer, die Kognitionen der Akteure zu rekonstruieren. Erstens aus dem Grund, da Kognitionen nicht sichtbar sind, und zweitens aus dem Grund, weil die eigenen Kognitionen den Akteuren unbewusst bleiben können.[5] Auf dieses Problem soll hier nicht näher eingegangen werden. Theoretisch ist es möglich, den Kontext, also die objektiven Bedingungen der Situation, zu bestimmen und anhand dieser die subjektive Entscheidung zu verstehen. Der Begriff "Definition der Situation" bezeichnet aber nicht die objektiven Bedingungen, sondern die Selektion einer ‚conception’, die der Akteur selbst in der Situation entwickelt unddannzur Leitlinie seines Tuns macht. Sie ist die Grundlage eines jeden einigermaßen sinnhaften Tuns: Ein Handeln findet erst statt, wenn der Akteur aufgrund der gegebenen externenwieder internen Bedingungen der Situation zu einer eigenen, selektiven und systematisierenden, dann subjektiv das Geschehen vollkommen beherrschendenDefinitionder Situation kommt."[6]

Der objektive Kontext ist vorhanden und wird demnach von den Akteuren zu ihrem subjektiven Gesamtbild der Situation generiert. Die subjektive Definition der Situation bedeutet eine "Rahmung" der Situation untereinemleitenden Gesichtspunkt, untereinem Imperativ, untereinemals dominant vorgestellten "Modell" des weiteren Ablaufs. Erst von dem so aktualisierten und alles andere dominierenden Rahmen her erfolgt dann die Selektion des eigentlichen Handelns."[7] Die Definition der Situation erfolgt also auf Grundlage des objektiven Kontextes der Situation und bestimmt welche Handlungsalternativen in den Vergleich des Akteurs einbezogen werden, um eine Entscheidung zu fällen.

2.2. Manipulation

Wenn Handlungen aus einer subjektiven Definition der Situation entstehen, ist es möglich, dass das Ergebnis der Handlung, objektiv gesehen, für den Akteur nicht Nutzen maximierend ist. Der Grund dafür ist, dass subjektive und objektive Bewertungen der Handlungsalternativen verschieden sein können.[8] Es ist also möglich, dass der Kontext einer Situation, in der ein Akteur eine Entscheidung fällen muss, manipuliert werden kann, so dass der Akteur keinen oder nur einen geringen Nutzen aus seiner Entscheidung zieht. Manipulation ist ein "bewusster und gezielter Einfluss auf Menschen ohne deren Wissen und oft gegen deren Willen."[9] Es gibt Strategien, durch die Entscheidungen von Akteuren verzerrt werden können und die ihr Handeln so beeinflussen, dass der Manipulierende einen Nutzen aus dem Handeln des Akteurs ziehen kann. Diese Strategien beruhen auf menschlichen Eigenschaften.

Sunstein und Thaler haben in ihrem Buch "Nudge" verschiedene Strategien vorgestellt. Ihr Ziel ist es die "systematic biases in the way we think"[10] aufzuzeigen, also darzustellen, welche systematischen Fehler Menschen in Entscheidungen machen. Zunächst führen sie in die zwei Systeme des menschlichen Denkens ein.[11] Das erste nennen sie „Automatic System“. Es beinhaltet automatische und intuitive Kognitionen und arbeitet schnell, unkontrolliert und assoziativ. Es fühlt instinktiv, die Kognitionen in diesem System laufen unbewusst ab und "it does not involve what we usually associate with the word thinking."[12] Das zweite Denksystem nennen sie „Reflective System“. Die Kognitionen in ihm sind reflexiv und rational. Es arbeitet langsamer, aber dafür kontrollierter. "The Reflective System is more deliberate and self-conscious."[13] Thaler und Sunstein gehen davon aus, dass Menschen systematisch Fehler machen, weil sie zu oft ihr intuitives und automatisches System "anschalten", anstatt rational und reflexiv über eine Entscheidung zu denken.[14] Die zu manipulierende Person, im Folgenden vereinfacht Akteur genannt, darf also nicht rational und reflexiv über ihre Entscheidung nachdenken. Erst dann ist nämlich die Wahrscheinlichkeit für eine gelungene Manipulation, das heißt die Beeinflussung seiner Entscheidung durch einen Manipulierenden, sehr hoch.

Auch Kahnemann und Thaler gehen in ihrem Aufsatz "Utility Maximization and Experienced Utility" davon aus, dass systematische Verzerrungen im Bewerten einer Handlungsalternative auf einem fehlenden gründlichen und rationalen Nachdenken gründen: "Most hedonic forecasting is done intuitively rather than carefully considered."[15] Außerdem führen sie eine weitere Prämisse ein, unter der die Entscheidung für eine Handlungsalternative wahrscheinlich nicht den Nutzen des Akteurs maximiert. Sie unterscheiden den Zeitpunkt der Entscheidung t0 und den Zeitpunkt der Eintretung des Zieles t1, welches mit einer bestimmten Handlung erreicht werden sollte.[16] Mit anderen Worten, die Entscheidungssituation kann anders sein als die Situation nach der Handlung. "[People] are likely to err most severely when the temporal gap is long and when the agent's state and circumstances vary between t1 and t0."[17] Das heißt, Menschen bewerten ihre Handlungsalternativen in einer Entscheidungssituation subjektiv nach ihren Erwartungen, wie die Zukunft verlaufen wird. Da kein Mensch eindeutig wissen kann, was in der Zukunft passiert, kann es sein, dass, wenn zwischen der Entscheidungssituation und dem Ergebnis der Entscheidung längere Zeit vergeht, sich die Umstände und der Status des Akteurs verändern, und zwar auf eine Art und Weise, die der Akteur nicht voraus geahnt hat. Deshalb kann es passieren, dass der Akteur sich für eine Handlungsalternative entscheidet, die für ihn in der zukünftigen Situation, wenn er die Handlungsergebnisse erfährt, nicht rational bzw. nicht nutzenmaximierend ist. Folglich kann eine Entscheidungssituation so manipuliert werden, dass der Akteur eine veränderte Zukunftserwartung oder für seine zukünftigen Handlungen andere Präferenzen hat und das Ergebnis der Entscheidung für den Manipulierenden Nutzen maximierender als für den Akteur ist.

3. Strategien der Manipulation

Im Folgenden werden Strategien vorgestellt, mit deren Hilfe Menschen in ihren Entscheidungen manipuliert werden können. Außerdem wird hier ein Versuch der Systematisierung unternommen. Als erstes stelle ich die Strategie des Framing vor, mit deren Hilfe die Präferenzstruktur des Akteurs in der Entscheidungssituation verändert werden kann. Zur Anwendung dieser Strategie ist es nicht notwendig, dass der Akteur intuitiv und emotional entscheidet. Diese Strategie funktioniert, indem der Kontext der Situation so verändert wird, dass der Akteur zu einer subjektiven Definition der Situation kommt, von der aus er, objektiv gesehen, nicht rational handelt, sondern den Nutzen des Manipulierenden maximiert. Ich zeige außerdem ähnliche Strategien, die mit dem Framing in engem Zusammenhang stehen. Im zweiten Teil wird eine Strategie vorgestellt, die ohne ein intuitives und emotionales Entscheiden des Akteurs nicht funktionieren würde. Diese Strategie nutzt die menschliche Tendenz, in Entscheidungen Heuristiken anzuwenden, um die Informationssuche nicht bis zur Irrationalität auszuweiten.[18] In diesem Kapitel wird die, meiner Meinung nach, bedeutsamste Heuristik, die Verfügbarkeitsheuristik, vorgestellt. Außerdem behandele ich eine mögliche Anwendung dieser Heuristik.

3.1. Framing

Die normative Theorie der Rationalen Wahl geht von einem rational handelnden Akteur aus, dessen "preference between options should be independent of their description".[19] Die Unabhängigkeit der Präferenzen von der Form innerhalb einer Entscheidung, wie die Entscheidungsalternativen dargestellt sind, nennt man Invarianz. Kahnemann und Tversky gehen davon aus, dass eine normative Theorie der Rationalen Wahl keine adäquate Beschreibung von rationalem Handeln erbringen kann.[20] Einer ihrer Gründe ist die Unterlaufung des Prinzips der Invarianz.[21] An Beispielen zeigen sie, dass die Darstellungsweise des Entscheidungsproblems und der Entscheidungsalternativen das Prinzip der Invarianz systematisch untergraben.[22] Akteure handeln also, mit anderen Worten, nicht konsequent in jeder Entscheidung nach den gleichen Präferenzen, sondern orientieren sich immer am Kontext der Situation, in der die Entscheidung getroffen wird. Die Strategie, die Darstellung der Situation zu verändern, nennt man Framing.[23] Das Entscheidungsproblem und die Handlungsalternativen bekommen also einen Rahmen, der vom Akteur erkannt wird und als Grundlage für seine Entscheidung genommen wird.[24] Das Prinzip der Invarianz hätte nach Kahnemann und Tversky eine Chance zu bestehen, wenn es Strategien gäbe, die das Framing untergraben. Solche Strategien werden von ihnen erläutert, unter anderem das Transformieren der verschiedenen Frames in einen einheitlichen Frame, also das gedankliche Umformulieren der Darstellungsweise.[25] In ihren Experimenten zeigen sie das Scheitern der Invarianz und damit, dass Akteure nicht von allein die verschiedenen Darstellungsweisen in einen einheitlichen Rahmen transformieren.[26]

[...]


[1] vgl. Esser, Hartmut (1996): Die Definition der Situation.

[2] Weede, Erich (1992): Mensch und Gesellschaft. S. 97.

[3] vgl. ebd. S. 97.

[4] Esser, Hartmut (1996): Die Definition der Situation, S. 1.

[5] vgl. Weede, Erich (1992): Mensch und Gesellschaft. S. 97.

[6] Esser, Hartmut (1996): Die Definition der Situation. S. 5.

[7] ebd. S. 5.

[8] vgl. Weede, Erich (1992): Mensch und Gesellschaft. S. 97.

[9] Wermke, Dr. Matthias (2005): Der Duden in zwölf Bänden. Band 5. Fremdwörterbuch. S. 630. Spalte 3.

[10] Thaler, Richard & Cass R. Sunstein (2008): Nudge. S. 19.

[11] vgl. ebd. S. 19.

[12] ebd. S. 19.

[13] ebd. S. 20.

[14] vgl. ebd. S. 21.

[15] Kahnemann, Daniel & Richard H. Thaler (2006): Anomalies. S. 222.

[16] vgl. ebd. S. 223.

[17] ebd. S. 223.

[18] vgl. Weede, Erich (1992): Mensch und Gesellschaft. S. 103.

[19] Tversky, Amos & Daniel Kahnemann (1986): Rational Choice and Framing of Decisions. S. 253.

[20] vgl. ebd. S. 254.

[21] vgl. ebd. S. 255.

[22] vgl. ebd. S. 255 f

[23] vgl. ebd. S. 255 f

[24] vgl. Esser, Hartmut (1996): Die Definition der Situation, S. 5.

[25] vgl. Tversky, Amos & Daniel Kahnemann (1986): Rational Choice and Framing of Decisions. S. 256.

[26] vgl. ebd. S. 256.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
"Framing". Strategie der Manipulation.
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Rational Choice
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V139150
ISBN (eBook)
9783640489039
ISBN (Buch)
9783640489206
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Manipulation, Scheitern, Entscheidungen
Arbeit zitieren
Stefanie Ender (Autor:in), 2009, "Framing". Strategie der Manipulation., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139150

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