Jüngste Veröffentlichungen zu Bertolt Brechts Werk und dem ihm zugrundeliegenden Ideenkonstrukt bescheinigen diesem ein Maß an Relevanz und Aktualität, welche man bei dem so fest im deutschen Literaturkanon verankerten Autor unter Umständen nicht vermuten würde. So definiert der Brecht-Gelehrte Jan Knopf die Dreigroschenserie als „Erfolgsmarke“ (Knopf 2017), welche mit Musiktheater (Die Dreigroschenoper, 1928), Kino (Der Dreigroschenfilm, 1931) und Literatur (Der Dreigroschenroman, 1934) gleich mehrere Kunstformen abdeckte und zudem im Zuge des „Dreigroschenprozeßes“ als geschichtlichem Ereignis (und als Essay verewigt) ihre eigene kulturpolitische Brisanz als zugleich Ausdruck und Kritik der kapitalistischen Gesellschaftsordnung untermauerte. Der Soziologe Martin Jürgens wiederum zieht Brechts „soziologische Experimente“ (2023) bei seiner Betrachtung der Systemrelevanz künstlerischen Schaffens vor dem Hintergrund der kürzlich stattgefundenen Pandemie hinzu.
Tatsächlich sah bereits der junge Brecht, wie ein Gesprächszitat aus dem Jahr 1929 bezeugt, das wissenschaftliche Feld der Soziologie, der „Lehre von den Beziehungen der Menschen zu den Menschen“ (Brecht 1992), als adäquates Mittel zur Beseitigung der auf Ästhetik ausgerichteten Theaterpraktiken seiner Zeit, welche er „zu liquidieren“ (ebd.) suchte. Die aus diesen Anstrengungen heraus entstandene Stilrichtung des epischen Theaters hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in der Uraufführung der Dreigroschenoper am Berliner Theater am Schiffbauerdamm im Jahr zuvor große Popularität erlangt und sollte in nachfolgenden Bühnenwerken Brechts weitere Ausarbeitung und Vervollkommnung finden. Hauptangriffsziel dieses frühen Exempels der neuen Theaterform ist das bürgerliche Drama und dessen Instrumentalisierung mimetischer Handlung und sentimentaler Weltanschauungen zur simultanen Unterhaltung und Reinwaschung des bourgeoisen Publikums. Thematisch auf- und angegriffen wird hier „eine ästhetische Praxis, die sich von der Produktions- wie von der Rezeptionsseite her von Erlebnisvollzügen nährt. Gegen sie proklamiert [Brecht] den für die Wissenschaftspraxis konstitutiven Bruch mit der Augenvertrautheit unmittelbaren Erlebens“ (Jürgens 2023). Diese Abspaltung vom bürgerlichen Kunstbegriff vollzieht sich innerhalb des Stücks anhand des Einsatzes neuartiger Verfremdungseffekte, welche bereits das erste Werk der Brecht’schen „Erfolgsmarke“ als soziologisches Experiment kennzeichnen.
Inhaltsverzeichnis
- Die Lehre vom Unschönen
- Das Werk als Ausdruck des Zeitgeistes
- Zustand und Haltung im epischen Theater
- Spielgeleitete Interpretation
- Der Verfremdungseffekt als Teil des soziologischen Experiments
- Aktivierung des Publikums im zeigenden Theater
- Erfolg durch Aktivierung
- Didaktische Vorüberlegungen
- Schüler*innenzentrierung
- Bezug zur Lebenswelt
- Stundenplanung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ als ein soziologisches Experiment, das den Verfremdungseffekt als künstlerisches Instrument der Gesellschaftskritik einsetzt. Sie analysiert die theoretischen Grundlagen des epischen Theaters und deren Anwendung in der „Dreigroschenoper“, insbesondere die Kritik am bürgerlichen Drama und die Rolle des Verfremdungseffekts zur Aktivierung des Publikums. Darüber hinaus werden die didaktischen Möglichkeiten der szenischen Interpretation der „Dreigroschenoper“ im Unterricht beleuchtet.
- Das epische Theater als Instrument der Gesellschaftskritik
- Der Verfremdungseffekt als Mittel zur Aktivierung des Publikums
- Die „Dreigroschenoper“ als soziologisches Experiment
- Die szenische Interpretation der „Dreigroschenoper“ im Unterricht
- Die didaktischen Möglichkeiten der „Dreigroschenoper“ als Lerngegenstand
Zusammenfassung der Kapitel
1. Die Lehre vom Unschönen
Dieses Kapitel analysiert den soziologischen Kontext von Brechts „Dreigroschenoper“ und stellt den Verfremdungseffekt als zentrales Element des soziologischen Experiments vor. Es wird die Kritik an der ästhetischen Praxis des bürgerlichen Dramas und die Bedeutung des epischen Theaters für die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung diskutiert.
2. Das Werk als Ausdruck des Zeitgeistes
Dieses Kapitel beleuchtet die historische und gesellschaftliche Situation, in der Brecht die „Dreigroschenoper“ schuf. Es wird die Bedeutung des Werks als Ausdruck des Zeitgeistes und als Kritik an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung dargestellt.
3. Zustand und Haltung im epischen Theater
Dieses Kapitel befasst sich mit den theoretischen Grundlagen des epischen Theaters und den Besonderheiten seiner Inszenierungsform. Es wird die Rolle des Verfremdungseffekts als Instrument der Gesellschaftskritik und der Aktivierung des Publikums erläutert.
4. Spielgeleitete Interpretation
Dieses Kapitel untersucht die praktische Anwendung des epischen Theaters im Rahmen der szenischen Interpretation. Es wird die Rolle des Verfremdungseffekts für die Analyse und Rezeption der „Dreigroschenoper“ beleuchtet.
5. Der Verfremdungseffekt als Teil des soziologischen Experiments
Dieses Kapitel analysiert den Verfremdungseffekt als zentrales Element des soziologischen Experiments in der „Dreigroschenoper“. Es wird die Funktion des Verfremdungseffekts für die Aktivierung des Publikums und die Kritik an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung dargestellt.
6. Aktivierung des Publikums im zeigenden Theater
Dieses Kapitel untersucht die Möglichkeiten der Aktivierung des Publikums im epischen Theater. Es wird die Rolle des Verfremdungseffekts für die Interaktion zwischen Schauspieler und Zuschauer und die Gestaltung eines kritischen Dialogs über die dargestellten gesellschaftlichen Verhältnisse beleuchtet.
7. Erfolg durch Aktivierung
Dieses Kapitel analysiert die Wirkung des Verfremdungseffekts auf das Publikum. Es wird die Bedeutung des Verfremdungseffekts für die Vermittlung von Inhalten und die Förderung des kritischen Denkens beim Publikum dargestellt.
8. Didaktische Vorüberlegungen
Dieses Kapitel beleuchtet die didaktischen Möglichkeiten der szenischen Interpretation der „Dreigroschenoper“ im Unterricht. Es wird die Rolle des Verfremdungseffekts für die Aktivierung von Schüler*innen und die Förderung des kritischen Denkens und der Reflexion über gesellschaftliche Verhältnisse dargestellt.
9. Stundenplanung
Dieses Kapitel bietet einen konkreten Leitfaden für die Planung von Unterrichtseinheiten, die sich mit der „Dreigroschenoper“ und ihren didaktischen Möglichkeiten befassen.
Schlüsselwörter
Bertolt Brecht, „Dreigroschenoper“, episches Theater, Verfremdungseffekt, Gesellschaftskritik, soziologisches Experiment, szenische Interpretation, didaktische Möglichkeiten, Schüler*innenaktivierung, kritisches Denken, Lebenswelt, bürgerliches Drama.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2023, Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" als soziologisches Experiment, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1392374