„Schulden, ist das einzige, was man ohne Geld machen kann.“
Karl Pisa (*1924), österreichischer Politiker
Geld hat einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Dies wird deutlich wenn man sieht, welche Ausgrenzungen Menschen erfahren, die keines haben. Diese leben nicht nur in Armut, sondern können auch relativ schnell in eine Überschuldung geraten. Erwerbsarbeit als Quelle zur Erlangung monetärer Mittel spielt somit eine herausragende Rolle. Nicht nur die Sicherung des Lebensunterhalts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, sondern ebenso die Bedeutung der beruflichen Stellung für den einzelnen sowie seine gesellschaftliche Position.
Es wird eine Übersicht über die Überschuldungssituation in Deutschland erstellt sowie auf deren Ursachen eingegangen. Ursachen können zum einen unverschuldete Ereignisse wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit sein. Zum anderen können diese aber auch selbstverschuldet oder dem gesellschaftlichen Wandel zuzurechnen sein.
Armut spielt eine nicht minderwichtige Rolle, wenn es um die Überschuldung geht. Die derzeitige Armutslage wird anhand aktueller Zahlen zusammen mit deren Entwicklung dargestellt. Gerade finanziell schlechter gestellte Menschen sind besonders gefährdet in die Überschuldung abzurutschen.
Vor allem Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind maßgebliche Faktoren, welche ein gesichertes Einkommen gefährden. Somit können diese unmittelbare Auslöser einer Überschuldung sein. Aktuelle Daten zur Arbeitslosigkeit sowie prekär Beschäftigter werden anhand von Tabellen ebenso dargestellt wie auch Strukturveränderungen im Arbeitsmarkt.
Armut und Arbeitslosigkeit haben großen Einfluss auf eine mögliche Überschuldung. Allerdings ist dieser Bezug nicht nur einseitig. Die drei Faktoren korrelieren in hohem Maße. Dies wird in dieser Arbeit detailliert herausgearbeitet.
Auch wird auf die aktuelle wirtschaftliche Lage eingegangen um auf Veränderungen sowie steigende Bedarfe im Bereich der Hilfe für Verschuldete aufmerksam zu machen.
Die steigende Eigenverantwortung, welche der Staat den Bürgern immer mehr einräumt (z. B. in der Renten- und Krankenversicherung), führt in manchen Bevölkerungsgruppen zu einer Überforderung. Gerade hier ist es wichtig, durch präventive Angebote die Beurteilungs- und Entscheidungsfähigkeit, in Bezug auf die eigenen Finanzen, zu stärken. Es wird eine Übersicht über bisherige Präventionsangebote gegeben und auf unseriöse Kreditgeber und Schuldenregulierer hingewiesen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Schuldnerberatung
2.2 Ver- und Überschuldung
2.3 Armut
2.4 Verbraucherinsolvenz
3 Entwicklung und sozioökonomische Strukturen von Überschuldung
3.1 Entwicklung der Überschuldung in Deutschland
3.1.1 Relative Daten zur Überschuldung anhand von Indikatoren
3.1.2 Absolute Daten zur Überschuldung auf Basis der Insolvenzstatistik
3.2 Sozioökonomische Strukturen überschuldeter Personen
3.2.1 Schulden nach dem Haushaltstyp
3.2.2 Schulden nach der Einkommensquelle
3.3 Auswirkungen der Überschuldung
4 Ursachen von Verschuldung
4.1 Unverschuldete Ereignisse
4.2 Fehler im Verhalten der Verschuldeten
4.3 Gesellschaftlicher Wandel
5 Armut und deren Entwicklung
5.1 Einkommensungleichheit in Deutschland
5.2 Armut und Niedrigeinkommen
5.3 Betroffene Bevölkerungsgruppen
5.4 Transferleistungen
5.5 Auswirkungen von Armut
6 Arbeitslosigkeit als Hauptursache und Risikomerkmal von Überschuldung
6.1 Empirische Daten zur Arbeitslosigkeit
6.2 Arbeitslosigkeit und prekär Beschäftigte
6.3 Strukturveränderungen im Arbeitsmarkt
6.4 Auswirkungen von Arbeitslosigkeit
7 Korrelationen von Überschuldung, Arbeitslosigkeit und Armut
7.1 Ausgestaltung der Korrelationen
7.2 Universelle Risikogruppen
7.3 Auswirkungen der Korrelations-Faktoren
7.3.1 Gesundheitliche Folgen
7.3.2 Einschränkungen der gesellschaftlichen Teilhabe
7.4 Kausalität der Überschuldung im Kontext mit Armut und Arbeitslosigkeit
7.5 Die Wirtschaftskrise und deren Auswirkung auf Armut und Überschuldung ..
8 Überschuldungsprävention
8.1 Anbieter von Prävention
8.1.1 Schuldnerberatungsstellen
8.1.2 Verbraucherzentralen
8.2 Finanzielle Allgemeinbildung
8.2.1 Bildung generell
8.2.2 Finanzielle Bildung im speziellen
8.2.2.1 Warum ist finanzielle Bildung wichtig?
8.2.2.2 Bildungsansätze und deren Inhalte
8.3 Geschäfte mit der Armut
8.4 Prävention bei Arbeitslosigkeit
9 Fazit / Ausblick
Literaturverzeichnis
Verzeichnis von Internetquellen
Anhang
A) Tabellen und Abbildungen
B) Auswirkung der Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf die Messung der Arbeitslosigkeit
Vorwort / Danksagung
Die nachfolgende Arbeit ist der Abschluss meines Studiums der Sozialen Arbeit an der Hochschule Coburg.
Diese Diplomarbeit wurde von Mai bis September 2009 erstellt.
An dieser Stelle danke ich allen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt haben. Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Andreas Aue für die Betreuung dieser Diplomarbeit seitens der Hochschule Coburg.
Vor allem herzlichen Dank an meine Familie für die Unterstützung während meines Studiums.
Im September 2009 Stefanie Retzbach
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anzahl relativ überschuldeter Privathaushalte mit Konsumentenkrediten
Abbildung 2: Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen
Abbildung 3: Einkommensverteilung der beratenen Personen 2007 nach Klassen
Abbildung 4: Zusammensetzung des monatlichen Nettoeinkommens aller Haushaltsmitglieder 2007
Abbildung 5: Beratene Personen 2007 nach dem Hauptauslöser der Überschuldung
Abbildung 6: Reduktion des Armutsrisikos durch Sozialtransfers 2005
Abbildung 7: Anzahl der Arbeitslosen in Deutschland
Abbildung 8: Vergleich der Arbeitssituation der Klienten und Klientinnen von
Schuldnerberatung zu Beratungsbeginn und nach achtmonatiger Beratung
Abbildung 9: Bezieher von monatlichen Nettoeinkommen unter 900 €
Abbildung 10: Dauer der Beschäftigungsverhältnisse in der Zeitarbeit in den Jahren 1998 und 2008
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beratene Personen nach dem Haushaltstyp und im Vergleich zu allen Haushalten 2007
Tabelle 2: Einkommensungleichheit in Deutschland
Tabelle 3: Schichtung der Bevölkerung nach relativen Einkommenspositionen
Tabelle 4: Armut und Niedrigeinkommen
Tabelle 5: Betroffenheit von Armut in Deutschland nach Bildungs- und Beschäftigungsmerkmalen
Tabelle 6: Betroffenheit von Armut in Deutschland nach Haushaltsmerkmalen
1 Einleitung
„Schulden, ist das einzige, was man ohne Geld machen kann.“
Karl Pisa (*1924), österreichischer Politiker
Geld hat einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Dies wird deutlich wenn man sieht, welche Ausgrenzungen Menschen erfahren, die keines haben. Diese leben nicht nur in Armut, sondern können auch relativ schnell in eine Überschuldung geraten. Erwerbsarbeit als Quelle zur Erlangung monetärer Mittel spielt somit eine herausragende Rolle. Nicht nur die Sicherung des Lebensunterhalts ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, sondern ebenso die Bedeutung der beruflichen Stellung für den einzelnen sowie seine gesellschaftliche Position.
Durch meine Praktikumserfahrungen, welche ich in einer Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle sammeln konnte, ist mir aufgefallen, dass viele Menschen, die eine Beratungsstelle aufsuchen, auf Sozialleistungen angewiesen sind. Dies betrifft nicht nur Arbeitslose, sondern auch Geringverdiener, geringfügig Beschäftigte, sowie Personen, die aus sonstigen Gründen derzeit keiner Arbeitstätigkeit nachgehen können. Auch reicht schon eine kurzfristige Arbeitslosigkeit aus um eine Person finanziell aus der Bahn zu werfen und in die Überschuldung zu führen. Zudem wurde deutlich, dass die Finanzkompetenz in Bezug auf Budgetplanung sowie das Allgemeinwissen im Umgang mit Finanzprodukten häufig Lücken aufwiesen. Diese Erfahrungen bilden unter anderem die Grundlage für meine Arbeit.
Es wird eine Übersicht über die Überschuldungssituation in Deutschland erstellt sowie auf deren Ursachen eingegangen. Ursachen können zum einen unverschuldete Ereignisse wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit sein. Zum anderen können diese aber auch selbstverschuldet oder dem gesellschaftlichen Wandel zuzurechnen sein.
Armut spielt eine nicht minderwichtige Rolle, wenn es um die Überschuldung geht. Die derzeitige Armutslage wird anhand aktueller Zahlen zusammen mit deren Entwicklung dargestellt. Gerade finanziell schlechter gestellte Menschen sind besonders gefährdet in die Überschuldung abzurutschen.
Vor allem Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind maßgebliche Faktoren, welche ein gesichertes Einkommen gefährden. Somit können diese unmittelbare Auslöser einer Überschuldung sein. Aktuelle Daten zur Arbeitslosigkeit sowie prekär Beschäftigter werden anhand von Tabellen ebenso dargestellt wie auch Strukturveränderungen im Arbeitsmarkt.
Armut und Arbeitslosigkeit haben großen Einfluss auf eine mögliche Überschuldung. Allerdings ist dieser Bezug nicht nur einseitig. Die drei Faktoren korrelieren in hohem Maße. Dies wird in dieser Arbeit detailliert herausgearbeitet.
Auch wird auf die aktuelle wirtschaftliche Lage eingegangen um auf Veränderungen sowie steigende Bedarfe im Bereich der Hilfe für Verschuldete aufmerksam zu machen. Da sich die wirtschaftlich Lage gegenwärtig in Bewegung befindet werden sich die gravierenden Auswirkungen der Rezession schon sehr bald bemerkbar machen.
Manch einen mag es überraschen zu hören, dass Überschuldete oft jahrelang unter der Pfändungsfreigrenze leben und von diesem geringen Einkommen trotzdem noch ihre Schulden tilgen. Auch haben manche einen Anspruch auf Leistungen des SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) oder des SGB XII (Sozialhilfe) doch nutzen diesen nicht. Diesen Überschuldeten soll durch kompetente Beratung sowie durch Präventionsangebote der Schuldnerberatungsstellen und den Verbraucherzentralen geholfen werden.
Die steigende Eigenverantwortung, welche der Staat den Bürgern immer mehr einräumt (z. B. in der Renten- und Krankenversicherung), führt in manchen Bevölkerungsgruppen zu einer Überforderung. Gerade hier ist es wichtig, durch präventive Angebote die Beurteilungs- und Entscheidungsfähigkeit, in Bezug auf die eigenen Finanzen, zu stärken. Es wird eine Übersicht über bisherige Präventionsangebote gegeben und auf unseriöse Kreditgeber und Schuldenregulierer hingewiesen. Viele Klienten der Schuldnerberatung haben schon Erfahrungen gemacht, wie Mark Twain (1835-1910) sie schildert: „Eine Bank ist eine Einrichtung, von der Sie sich Geld leihen können - vorausgesetzt, Sie können nachweisen, dass Sie es nicht brauchen.“
Unter anderem wird Prävention in diesem Zusammenhang mit verstärktem Bezug auf Armut und Arbeitslosigkeit dargestellt. Durch Prävention soll verhindert werden, dass verführerische Angebote, welche nicht dem Budget der Betroffenen entsprechen, deren Haushaltskassen überfordern. Ein Angebot, das für viele sehr verlockend klingt, ist die Abwrackprämie, welche als Teil des Konjunkturprogramms in Deutschland Einzug hielt. Diese verleitete viele Menschen dazu einen Kredit aufzunehmen um diese in Anspruch nehmen zu können. Diese Prämie lag eigentlich außerhalb der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Betroffenen und wurde trotzdem in Anspruch genommen.
Um so etwas zu verhindern und ein Verständnis für die eigenen finanziellen Möglichkeiten hervorzurufen ist eine fundierte finanzielle Allgemeinbildung erforderlich. Diese wird im Rahmen der Überschuldungsprävention mit ihren verschiedenen Ansätzen dargestellt und kritisch betrachtet.
2 Begriffsdefinitionen
Um deutlich zu machen, wie manche Begriffe in Beziehung zu einander stehen, muss man deren Definition kennen. Da sich diese Arbeit mit Themen aus der Schuldnerberatung auseinandersetzt, wird mit dieser begonnen.
2.1 Schuldnerberatung
Die Schuldnerberatung versteht sich als Hilfsangebot für hochverschuldete Familien und Einzelpersonen mit dem Ziel, die verschiedenartigen - gerade sozialen - Folgeprobleme von Überschuldung zu beseitigen oder zu minimieren. Schuldnerberatung in der sozialen Arbeit ist damit Teil umfassender Lebensberatung. Sie ist ebenso Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten und damit persönliche Hilfe. Die Schwerpunkte des Beratungsangebots der Schuldnerberatung in der Sozialen Arbeit liegen - neben finanziellen, rechtlichen und hauswirtschaftlichen Fragen - vornehmlich in der erforderlichen psycho-sozialen Betreuung, in der persönlichen Beratung und in evtl. notwendigen pädagogisch-präventiven Hilfen. Damit ist Schuldnerberatung einem mehrdimensionalen Beratungsansatz verpflichtet. Zugleich versucht sie, methodisch von einem ganzheitlichen Ansatz auszugehen.1
Die Schuldnerberatung hat folgende Zielsetzungen:
- Zum einen sollen die Schuldenprobleme kontrolliert oder, wenn erreichbar, überwunden werden, indem ein Schuldenabbau oder gar die Schuldenfreiheit erreicht wird.
- Zum anderen sollen die sozialen Folgeprobleme der Überschuldung minimiert oder wenn möglich beseitigt werden, um die Teilhabe des Schuldners und seiner Familie am wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und kulturellen Lebensalltag zu ermöglichen.
Dabei haben sich die Finanz- und Budgetberatung, die ökonomische Krisenintervention, die sozialpädagogische Arbeit sowie der Verbraucherschutz als Schwerpunktsetzungen herauskristallisiert.2
Schuldnerberatung kann man heute auch als Wirtschaftssozialarbeit definieren,3 der es darum geht, in einer Kreditgesellschaft auf der Basis eines modernen Dienstleistungsangebots einen Interessenausgleich zwischen überschuldeten Verbrauchern und Gläubigern (Wirtschaftsunternehmen) anzustreben, um so die sozialen und wirtschaftlichen Folgen und Probleme der Überschuldung im Kontext der gesamten sozialen Lebenslage des Klienten bearbeitbar zu machen.4
2.2 Ver- und Überschuldung
Damit stellt sich die Frage, was ist überhaupt Überschuldung?
Das „Schulden machen“ bzw. die Verschuldung ist jede Form des Eingehens von Zahlungsverpflichtungen, die ökonomisch und juristisch geregelt ist. Der Gläubiger sowie der Schuldner erwarten vom jeweils anderen ein rollenkonformes Verhalten, d. h. Kreditgeber und Kreditnehmer erwarten gegenseitig bestimmte Vergabe- und Rückzahlungsmodalitäten, an denen sich beide verbindlich orientieren können. Private Verschuldung soll in der Regel zur Steigerung des Konsums, zu privater Investition und Vermögensbildung und damit zur Erhöhung der Lebensqualität führen. Verschuldung ist zwangsläufig die Voraussetzung für Überschuldung, wobei die Übergänge von der Ver- zur Überschuldung fließend sind und durch kritische Lebensereignisse sowie das Vorhandensein problematischer Lebenssituationen (z. B. Niedrigeinkommen) beeinflusst werden.5
„Von Überschuldung von Personen oder Haushalten im Gegensatz zur »bloßen« Verschuldung wird gesprochen, wenn diese wegen nicht nur vorübergehenden Finanzmangels ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum (3-6 Monate) nicht mehr erfüllen können …“6
Oder anders gesagt, wenn nach Abzug der fixen Lebenshaltungskosten für Miete, Energie, Versicherung, Ernährung etc. der verbleibende Rest des monatlichen Einkommens nicht mehr ausreicht, um Kreditraten zu tilgen.7
Zu unterscheiden sind in diesem Kontext relative und absolute Ansätze der Überschuldung, welche in dieser Arbeit wie folgt definiert sind.8
„Relative Überschuldung besteht, wenn trotz Reduzierung (Einschränkung) des Lebensstils nach Abzug der Lebenshaltungskosten der Einkommensrest nicht zur fristgerechten Schuldentilgung ausreicht.
Absolute Überschuldung (Insolvenz, eidesstattliche Versicherung) liegt vor, wenn Einkommen und Vermögen des Schuldners nicht mehr ausreichen, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.“9
Die Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtungen bzw. die Zahlungsunfähigkeit wird auch in der Insolvenzordnung definiert.
„§17 (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“10
2.3 Armut
Überschuldung führt unter anderem zu einer Eskalation der Armutsprobleme.11 Doch was genau bedeutet Armut?
Eine eindeutige Armutsdefinition ist schwierig, Armut in Deutschland ist in materieller Hinsicht nicht mit der Armut in so genannten Entwicklungsländern zu vergleichen. In die Armutsdefinition fließen ökonomische, rechtliche, politische und soziale Erwägungen und Konventionen ein. Je nach Maßstab kommt man durch unterschiedliche Definitionen auch zu unterschiedlichen Armutszahlen.12
Die im „Datenreport 2008“ der Bundeszentrale für politische Bildung verwendete relative Armutsdefinition, welche sich an der Definition der Europäischen Union orientiert, lautet: „Gemäß den vom Statistischen Amt der EU (Eurostat) empfohlenen Schwellenwerten gilt demnach als arm, wer in einem Haushalt lebt, dessen Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Einkommen in der gesamten Bevölkerung beträgt.“13
Diese relative Armutsgrenze bezeichnet den Abstand zum „üblichen“ Einkommen im jeweiligen Land. Relative Armutsgrenzen stellen im Grunde keine Armutsgrenzen, sondern Maße sozialer Ungleichheit dar.14
Meist wir die Armut anhand des verfügbaren, nach Haushaltsgröße gewichteten, Einkommens ermittelt. Das Einkommen als Maßstab ist allerdings umstritten. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob Einkommensarme ihre Einschränkungen durch Vermögen oder soziale Netze kompensieren, und es wird nichts darüber ausgesagt wie das erzielte Einkommen verwendet wird.15
2.4 Verbraucherinsolvenz
Ein Weg aus der, durch Überschuldung verursachten, Armut bietet die Verbraucherinsolvenz. Mit dem 1999 eingeführten Verbraucherinsolvenz- verfahren wurde die Hoffnung verbunden, überschuldeten Privatpersonen in einem einfachen und die Justiz nicht übermäßig beanspruchenden sowie kostengünstigem Verfahren einen wirtschaftlichen Neuanfang in Aussicht zu stellen.16
Im vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahren wurde festgelegt, dass den „redlichen Schuldnern“ die Möglichkeit gegeben wird, nach der Verwertung und Verteilung des Vermögens und der Verteilung des pfändbaren Anteils aus der Erwerbstätigkeit für die Dauer von in der Regel sechs Jahren eine Restschuldbefreiung zu erhalten. Damit würde der bis dahin nicht getilgte Teil der Schulden wegfallen. Schuldnern, die zahlungsunfähig sind oder bei denen Zahlungsunfähigkeit droht, können nach Durchlaufen des gesamten Verfahrens eine neue wirtschaftliche Perspektive entwickeln.17
3 Entwicklung und sozioökonomische Strukturen von Überschuldung
Die Überschuldungslandschaft in Deutschland ist in Bewegung. Betrachtet man die Entwicklungen so ist zu erkennen, dass diese Schwankungen unterliegt. Auch die derzeitige Wirtschaftskrise wird sich auf die weitere Entwicklung der Überschuldung niederschlagen. Es ist anzunehmen, dass aufgrund vermehrter Arbeitslosigkeit und steigender Armut die Zahl überschuldeter Haushalte ansteigen wird.
Anhand sozioökonomischer Strukturen lassen sich bestimmte Risikogruppen erkennen, welche vermehrt von Überschuldung betroffen sind. Diese sind meist ganz besonders auf professionelle Hilfe angewiesen.
Dennoch muss nicht jeder Arme zwangsläufig überschuldet sein. Eine Überschuldung kann allerdings zu Armut führen. Überschuldete Haushalte tauchen in der Statistik der einkommensarmen Haushalte dann nicht auf, wenn Einkommen erzielt wird, welches über der Armutsrisikoschwelle liegt. Bei dem Versuch, Schulden zu tilgen, kann das tatsächlich verfügbare Einkommen aber unter die Armutsrisikoschwelle sinken.18 Dies bedeutet, dass betroffene überschuldete Haushalte nach Bezahlung ihrer laufenden Tilgungsraten unter die Armutsrisikoschwelle rutschen und somit als arm gelten müssten. Daraus ist zu schließen, dass es letztlich viele Faktoren gibt, welche es bei der Auswertung von Erhebungen zu berücksichtigen gilt. Statistisch ist dies aber leider nicht immer möglich.
3.1 Entwicklung der Überschuldung in Deutschland
Es gibt keine genauen Angaben über die Zahl der Ver- und Überschuldeten Haushalte in Deutschland. Die Expertisen zur Anzahl der absolut oder relativ überschuldeten Haushalte schwanken, laut Datenreport 2008, je nach Definition und Interessenlage zwischen knapp unter 3 Millionen bis weit über 3 Millionen.19
Auch der Schuldenreport 2009 konstatiert, je nach Definition und Wahl der Bestimmungsmethode von Überschuldung, derzeit eine Anzahl überschuldeter Haushalte von knapp 3 bis zu 4 Millionen.20 Da stellt sich die Frage, wie die Anzahl überschuldeter Haushalte in Deutschland bestimmt wird. Dies geschieht bei der relativen Anzahl Überschuldeter Haushalte anhand von Indikatoren und bei der absoluten Anzahl anhand von feststehenden statistisch belegten Daten, wie z. B. der Insolvenzstatistik.
3.1.1 Relative Daten zur Überschuldung anhand von Indikatoren
Die Anzahl der überschuldeten Haushalte wird mit Hilfe von Indikatorensystemen ermittelt, welche individuell festgelegt werden.
Die Überschuldungsindikatoren der GP Forschungsgruppe, zur Bestimmung der Überschuldung, in der 2004-Studie waren: Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung, Miet- und Energieschulden der Privathaushalte, Lohn- und Gehaltspfändung sowie die Kontopfändung.21
Im 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird eine Studie herangezogen, welche ausschließlich die Überschuldung privater Haushalte mit Kreditverbindlichkeiten berücksichtigt. Andere Verschuldungsarten bzw. Indikatoren wie zum Beispiel Mietschulden, Schulden bei der öffentlichen Hand, bei privaten Gläubigern, bei Energiekonzernen oder bei Versandhäusern fließen in diese nicht mit ein. Ebenso wenig wurden die Daten von 1,3 Millionen überschuldeter Haushalte mit Hypothekarkrediten mit einbezogen.22 Die in dieser Studie ausgewiesenen Zahlen können somit die tatsächliche Überschuldungssituation der privaten Haushalte nicht ausreichend wiedergeben.
Dies zeigt, dass eine einheitliche Festlegung von aussagekräftigen und zweckmäßigen Indikatoren sehr wichtig ist für die Genauigkeit einer Erhebung. Mit ungenauen Zahlen, welche die tatsächliche Situation der Menschen nicht wiederspiegeln, können keine adäquaten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der ganze Umfang einer Problematik sollte erkannt und bei der Auswertung mit einbezogen werden.
Trotz dieser Ungenauigkeiten wird diese Studie kurz erläutert, da sie die Entwicklung der überschuldeten Haushalte darstellt und somit die jährlichen Veränderungen sichtbar werden. Es wird darauf hingewiesen, dass die angegebene Anzahl der überschuldeten Haushalte in Abbildung 1 zu niedrig ist und in Wahrheit mehr Haushalte von Überschuldung betroffen sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl relativ überschuldeter Privathaushalte mit Konsumentenkrediten Quelle: Zimmermann (2007), S. 20, eigene Darstellung.
Berücksichtigt werden muss hier die Festlegung des Existenzminimums als Lebensunterhalt nach Sozialhilfe / ALG II (Sozialgeld).
Der Entwicklungsverlauf der Anzahl relativ überschuldeter Haushalte wird deutlicher, sobald ein längerer Beobachtungszeitraum betrachtet wird. Dies ist unter Verwendung des hier festgelegten Existenzminimums möglich.23 Betrachtet man die bundesweite Entwicklung der Anzahl überschuldeter Privathaushalte mit Konsumentenkrediten so zeigt sich, dass die Überschuldungslandschaft in Bewegung ist.24 Sie reagiert auf Veränderungen der Umwelt und ist keinesfalls statisch.
Nach starken Zuwächsen, der Anzahl relativ überschuldeter Privathaushalte in den Jahren 2003 und 2004 ging die Anzahl in den Jahren 2005 und 2006 wieder auf das durchschnittliche Niveau der Jahre 1999 bis 2002 zurück, wie in Abbildung 1 zu sehen ist.25 Dies ist auf die damalige solide ökonomische Situation zurückzuführen. Allerdings wird dieser niedrige Stand nicht von Dauer sein. Wie Eingangs bereits erwähnt, befindet sich die Wirtschaft aktuell in einem Zustand welcher vermuten lässt, dass die Anzahl der überschuldeten Haushalte stark ansteigen wird.
3.1.2 Absolute Daten zur Überschuldung auf Basis der Insolvenzstatistik
„Verlässliche Daten zur absoluten Überschuldung von Privatpersonen, nicht Haushalten, liefern die Gerichte. Bei diesen Personen sind die Zahlungsrückstände so gravierend, dass als letzter Ausweg nur die Privatinsolvenz bleibt.“26
Der Auslöser für die Insolvenz muss dabei nicht in der Gegenwart liegen, er kann auch viele Jahre zurückreichen. Viele Personen können erst jetzt von den Schuldnerberatungsstellen auf die Position der gerichtlichen Schuldenregulierung aufmerksam gemacht werden.27
Dies führt dazu, dass diese Personenkreise jahrelang unter der Armutsgrenze leben und nur die Zinsen ihrer Kredite bezahlen und nicht die eigentliche Hauptforderung. In solchen Fällen ist eine Abzahlung der Schulden ohne professionelle Hilfe nahezu unmöglich. Sehr viel wahrscheinlich ist hier ein weiteres Abrutschen in die Überschuldung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 19, eigene Darstellung.
Seit der Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Jahre 1999 ist die Zahl der Insolvenzanmeldungen kontinuierlich angestiegen (siehe Abbildung 2). Dies zeigt, dass eine Nachfrage in diesem Bereich besteht. Die Statistik ist somit ein Nachweis für die Daseinsberechtigung der Insolvenzberatungsstellen.
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist im Jahr 2008 erstmals zurückgegangen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die anwaltlichen Beratungen, aufgrund der immer selteneren Bewilligung der Beratungshilfe, zurückgegangen sind. Anwälte mussten aus diesem Grund ihre Mandanten auffordern die Kosten selbst zu tragen, was für viele nicht möglich war.28
Auch die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vermutet dass die Abnahme der Anzahl an Verbraucherinsolvenzen weniger an einem Rückgang überschuldeter Haushalte liege, sondern an den „massiven und unverantwortlichen Kürzungen“ bei der Finanzierung von Schuldnerberatungsstellen durch einige Bundesländer.29
Eine Überschuldung ist nicht erst vorhanden wenn die Insolvenz beantragt wird. Vielen bleibt der Weg in die Insolvenz verschlossen. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen aus Unkenntnis und mangelnder Unterstützung aber auch weil sie die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Zum anderen verschweigt ein Teil der Betroffenen die Überschuldung auch aus Scham.30
Als Ergebnis kann man festhalten, dass der tatsächliche Bedarf an Insolvenzverfahren, sowie die Beratung durch die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, als höher angesehen werden kann als die Zahl der angemeldeten Verfahren 2008 vermuten lässt. In diesem Bereich ist ein Ausbau möglich und nötig.
3.2 Sozioökonomische Strukturen überschuldeter Personen
Es gibt Personenkreise, die auf Grund ihrer Lebenslage oder wenn sich deren Lebensumstände ändern, häufiger von einer Notsituation betroffen sind als andere. Diese Personen sind vielfach nicht im Stande ihre Probleme eigenständig und ohne fremde Hilfe zu bewältigen.31 Betrachtet man die sozioökonomischen Merkmale überschuldeter Personen, lassen sich bestimmte Risikogruppen erkennen, welche besonders Überschuldungsgefährdet sind. Neben dem Haushaltstyp spielt auch die Einkommenssituation der Betroffenen eine herausragende Rolle.
Die Ergebnisse der nachfolgenden Statistiken beruhen auf Angaben von Personen, welche eine Schuldnerberatungsstelle aufgesucht haben. Diese sind dem Schuldenreport 2009 der führenden Wohlfahrtsverbände entnommen.
3.2.1 Schulden nach dem Haushaltstyp
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Beratene Personen nach dem Haushaltstyp und im Vergleich zu allen Haushalten 2007 Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 29, eigene Darstellung.
Tabelle 1 zeigt, dass das größte Risiko für eine Überschuldung, geht man vom Haushaltstyp aus, alleine zu leben ist. Im Jahr 2007 lag die Zahl der beratenen überschuldeten Personen, welche alleinlebend sind, bei 44,2 %.
Es handelt sich hier um Singlehaushalte, welche nicht direkt in eine Familie eingebunden sind. Allerdings waren mehr alleinlebende Männer als alleinlebende Frauen nicht in der Lage, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Betrachtet man noch den Anteil der alleinlebenden Männern (27,3%) im Verhältnis zu deren Anteil an der Gesamtbevölkerung (17,4%), lässt sich feststellen, dass diese überproportional von Überschuldung betroffen sind.32 Gründe für das hohe Risiko von alleinlebenden sind nicht nur die fehlende soziale Einbindung in eine Familie, sondern auch der finanzielle Schutz den diese bietet. Wird in einer Partnerschaft einer von beiden arbeitslos, sind die Auswirkungen weniger gravierend als bei alleinlebenden, da der Partner die finanziellen Probleme mit auffängt.
Besonders deutlich wird die Überschuldungsgefährdung auch bei Alleinerziehenden Haushalten. Obwohl Alleinerziehende nur 6,7 % aller Haushalte in der Bevölkerung ausmachen, sind es 15,5 % der beratenen Personen. Dies liegt unter anderem an der häufigen Einkommensarmut dieser Personen, welche auf eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung zurückzuführen ist. Diese Problemstellung wird im Kapitel 5.3 näher behandelt.
Besonders häufig sind auch Kinder von der finanziellen Krise mit betroffen. Ein Fünftel aller beratenen überschuldeten Personen lebte in einer Paarbeziehung mit Kindern. Rechnet man hier noch den Anteil der Alleinerziehenden hinzu, so liegt die Betroffenheit von Kindern bei 37 %.33 Dies zeigt in eindeutiger Weise, dass eine Überschuldung nicht nur Auswirkungen auf den Betroffenen selbst, sondern sein ganzes Umfeld hat. Die Überschuldung hat somit einen weitreichenden Einfluss auf das Leben sowie die Teilhabe- und Verwirklichungschancen von einem beachtlichen Anteil von Kindern in Deutschland.
Der Anteil der beratenen Ausländer ist gemessen an der Gesamtbevölkerung eher gering.34 Dies könnte aber auch mit einer erhöhten Sprachbarriere verbunden sein, welche die Betroffenen hemmt eine Schuldnerberatungsstelle aufzusuchen. Auch ältere Menschen sind gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung eher selten betroffen.
3.2.2 Schulden nach der Einkommensquelle
Arbeitslosigkeit und ein geringer Verdienst beeinflussen das Einkommen der überschuldeten Personen in starkem Maße (siehe Tabelle 5 im Anhang). Dies wirkt sich auch auf den finanziellen Spielraum der betroffenen Haushalte aus.
Bei über der Hälfte der beratenen überschuldeten Personen liegt das monatliche Nettoeinkommen unter 900 Euro (siehe Abbildung 3). Bei diesem geringen Einkommen ist es nicht überraschend, das diese Personen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Ein Einkommen von 900 Euro bis 1300
Euro haben ca. ein viertel der Überschuldeten. Zusammen sind das fast drei Viertel der Gesamtzahl. Der Schwerpunkt liegt somit eindeutig auf einkommensschwachen Haushalten, welche vermehrt in Zahlungsschwierigkeiten kommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Einkommensverteilung der beratenen Personen 2007 nach Klassen
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 41, eigene Darstellung.
Besonders häufig sind es Alleinlebende oder Alleinerziehende Personen sowie Paare mit Kindern, welche mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 900 Euro auskommen müssen (siehe Abbildung 9 im Anhang).
Das Erwerbseinkommen ist mit einem Anteil von einem Drittel die wichtigste Einkommensquelle bei den beratenen überschuldeten Personen. Jeder fünfte davon ging allerdings nur einer geringfügig entlohnten Beschäftigung (400- Euro-Job) nach. Bei jeder sechsten Erwerbstätigen Person reichte das Erwerbseinkommen nicht aus. Es musste zusätzlich durch Arbeitslosengeld II aufgestockt werden. Die zweitwichtigste Einkommensquelle mit 28% war das Arbeitslosengeld II. Dies wird durch Abbildung 4 illustriert. Damit haben 46% der beratenen Personen ALG II bezogen, auch wenn es nicht zwangsläufig die Haupteinkommensquelle war.35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Zusammensetzung des monatlichen Nettoeinkommens aller Haushaltsmitglieder 2007 Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 44, eigene Darstellung.
Ein geringes Einkommen führt dazu, dass Konsumgüter welche zum allgemeinen Lebensstandard gehören, wie Wohnungseinrichtung, Kühlschrank oder Waschmaschine, auf Grund der Einkommenslage nur durch einen Einkommensvorgriff, einen sogenannten Konsumentenkredit angeschafft werden können. Reduziert sich das Einkommen der Kreditnehmer dann durch Arbeitslosigkeit ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Finanzgebilde des Schuldners zusammenbricht.36 Arbeitslosigkeit birgt nicht nur generell ein überragendes Überschuldungsrisiko in sich, sondern stellt auch einen wesentlichen Auslöser von Überschuldung dar.37
3.3 Auswirkungen der Überschuldung
Die Folgen von Überschuldung sind weitreichend, auch ohne auf die direkten rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten (Mahn- Vollstreckungsbescheid, Pfändungen usw.) der Gläubiger oder Einforderung der Schuld durch Inkassounternehmen einzugehen. Die Auswirkungen von Überschuldung zeigen sich nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern auch bei deren Familien. Eine finanzielle Misslage beeinflusst das gesellschaftliche Leben der Überschuldeten im Ganzen.
Laut einer Studie zum Verhältnis von Armut, Schulden und Gesundheit führt eine Überschuldung zu schwierigen Lebens- und Gesundheitslagen. Auswirkungen sind gesundheitliche Defizite wobei hier psychische Erkrankungen am häufigsten auftreten. Freunde und Familie ziehen sich auf Grund der finanziellen Misslage zurück. Oft werden vom Arzt verschriebene Medikamente von den Betroffenen wegen Geldmangel nicht gekauft oder der Arztbesuch wird ganz unterlassen. Auch der Arbeitsplatz kann durch eine Schuldenproblematik bedroht sein. Ebenso ist es für Überschuldete schwieriger, bei einer bestehenden Schuldenproblematik, einen Arbeitsplatz zu finden.38
Die Ver- und Überschuldung fördern oftmals ein suchthaftes Verhalten. Sind die finanziellen Probleme so groß, dass Betroffene keinen Ausweg mehr sehen, können Kompensations- und Verdrängungsverhalten in einer Sucht münden. Schulden können schlaflose Nächte bereiten, in Verbindung mit Arbeitslosigkeit sogar in die Isolation führen. Durch Briefe vom Gericht sowie Drohschreiben von Inkassobüros können sogar Angstzustände bei den Betroffenen ausgelöst werden. Das Kompensationsverhalten der Betroffenen zeigt sich in der Einnahme von Medikamenten, z. B. bei Schlaflosigkeit, im Alkoholkonsum sowie der Verwendung von Opiaten, mit dem Ziel der Betäubung der Angstzustände.39 Für Überschuldete besteht allgemein ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko.40
Die Kosten, welche durch eine schlechtere psychosoziale Befindlichkeit, aufgrund der Verschuldung ausgelöst werden, sind nicht genau beziffert. Diese dürften jedoch allein im Gesundheitssystem erheblich sein. Zusätzlich zu den unmittelbar betroffenen Überschuldeten kann ein erheblicher Anteil von Kindern dazugerechnet werden, welche von der finanziellen Lage mit betroffen sind.
Diese leben dadurch zwangsläufig nicht nur in Armut, sondern deren Chancen sind mittelbar deutlich eingeschränkt. Überschuldung zu bekämpfen ist daher eine bedeutsame gesellschaftliche Pflicht und Notwendigkeit.41
Kann die Überschuldung nicht bewältigt werden, führt das zu Verarmung. Diese kann Existenzgefährdende Auswirkungen annehmen, z. B. wenn die Obdachlosigkeit droht weil die Miete längere Zeit nicht bezahlt werden konnte. Schuldnerberatungsstellen arbeiten hier sehr effektiv, in dem sie sofort Gegenmaßnahmen einleiten um die Obdachlosigkeit zu vermeiden. Armut und Existenzängste beeinflussen die Betroffenen negativ in ihrer Lebensgestaltung. Auch die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen kann infolgedessen in weitreichendem Maße eingeschränkt sein. Für ein befriedigendes gesellschaftliches Leben der Bevölkerung in Deutschland ist jedoch eine ökonomische Teilhabechance von Nöten.
4 Ursachen von Verschuldung
Überschuldung entsteht regelmäßig durch eine Verbindung unterschiedlicher Lebensereignisse.42 Solche Ereignisse können unverschuldet eintreten wie bei einer Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung, bei einem Unfall oder bei einer Krankheit. Überschuldung kann aber auch ein Ergebnis unwirtschaftlicher Haushaltsführung, und somit selbst verschuldet sein. Ebenso hat der gesellschaftliche Wandel einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf diese Thematik. Dieser hat es einer großen Anzahl der Bevölkerung ermöglicht, mit geringem Aufwand einen Kredit zu erhalten oder eine Ratenzahlung in Anspruch zu nehmen, selbst für Gegenstände des täglichen Gebrauchs.
Ver- und Überschuldung sind somit nicht als monokausal verursacht anzusehen sondern als ein Ergebnis komplexer, sich gegenseitig beeinflussender Ereignisse oder Gegebenheiten.
Abbildung 5 zeigt die Hauptursachen von Überschuldung, ermittelt durch das Statistische Bundesamt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Beratene Personen 2007 nach dem Hauptauslöser der Überschuldung
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 34, eigene Darstellung.
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1 Vgl. Schruth / Kuntz / Müller / Stammler / Westerath (2003), S. 21.
2 Vgl. Sanio / Groth / Schulz-Rackoll / AG SBV (2006), S. 229.
3 Vgl. Groth / Schulz / Schulz-Rackoll (1994), S. 27.
4 Vgl. Groth / Schulz-Rackoll (2002), S. 301.
5 Vgl. Bundesministeriums für Familie und Senioren (Hrsg.) (1992), S. XXI.
6 Vgl. Otto / Thiersch (Hrsg.) (2005), S. 1527.
7 Vgl. Zimmermann (2000), S. 7.
8 In Anlehnung an Zimmermann (2007), S. 6.
9 Zimmermann (2007), S. 6.
10 Stascheit (2007), S. 1181.
11 Vgl. Ansen (2006), S. 59.
12 Vgl. Ansen (2006), S. 49.
13 Vgl. Destatis, GESIS-ZUMA, BZW (Hrsg.) (2008), S. 165.
14 Vgl. Hradil (2006), S. 222.
15 Vgl. Ansen (2006), S. 49.
16 Vgl. Springeneer (2006d), S. 121.
17 Vgl. Schruth / Kuntz / Müller / Stammler / Westerath (2003), S 286.
18 Vgl. Destatis, GESIS-ZUMA, BZW (Hrsg.) (2008), S. 49.
19 Vgl. Destatis, GESIS-ZUMA, BZW (Hrsg.) (2008), S. 145.
20 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 8.
21 Vgl. Springeneer (2006b), S. 18.
22 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 8-9.
23 Vgl. Zimmermann (2007), S. 20.
24 Vgl. Zimmermann (2007), S. 21.
25 Vgl. Zimmermann (2007), S. 21.
26 Destatis, GESIS-ZUMA, BZW (Hrsg.) (2008), S. 159.
27 Vgl. Destatis, GESIS-ZUMA, BZW (Hrsg.) (2008), S. 159.
28 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 19.
29 Jahn (2009), S. 23.
30 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 20.
31 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 29.
32 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 29.
33 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 29.
34 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (Hrsg.) (2008), Teil B, S. 52.
35 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 44.
36 Vgl. Schruth / Kuntz / Müller / Stammler / Westerath (2003), S. 35.
37 Vgl. Schruth / Kuntz / Müller / Stammler / Westerath (2003), S. 36.
38 Vgl. Münster / Letzel (2007), S. 7.
39 Vgl. Schruth / Kuntz / Müller / Stammler / Westerath (2003), S. 60.
40 Vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband u. a. (Hrsg.) (2009), S. 9.
41 Vgl. Kuhlemann / Walbrühl (2007), S. 7.
42 Vgl. Otto / Thiersch (Hrsg.) (2005), S. 1529.
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