Journalisten auf der ganzen Welt haben vieles gemeinsam. Die markanteste Übereinstimmung liegt in ihrem durchschnittlich sehr jungen Alter. Es reicht von 30 Jahren in Hong Kong und Algerien, bis zu 40 resp. 41 Jahren in Finnland, Kanada und der Schweiz. In kaum einer anderen Berufssparte sind durchschnittlich so junge Arbeitnehmer zu finden.
Empirische Studien belegen, dass Journalisten im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen sehr jung sind. Dies lässt den Schluss zu, dass viele Journalisten ab einem gewissen Alter aus dem Journalismus aussteigen. Diese Arbeit möchte in erster Linie untersuchen, weshalb sich die Journalisten von ihrem ursprünglichen Beruf abgewandt haben.
Ein weit verbreitetes Klischee ist, dass ein Journalist ständig als „rasender Reporter“ unterwegs ist und dabei eigentlich nichts Rechtes macht, ununterbrochen raucht und am Abend locker eine Flasche Whisky leert. Wäre das die Wirklichkeit, könnten vor allem die ruinierte Gesundheit, Langeweile und die unregelmässigen Arbeitszeiten als Ausstiegsmotive angenommen werden. Doch dies ist bloss ein Klischee, wenngleich auch Klischees meistens einen Funken Wahrheit enthalten.
Diese Arbeit will keine Klischees untersuchen. Ihr Ziel ist es, herauszufinden, weshalb die Journalisten aus ihrem Beruf aussteigen. Sind sie zu gestresst, um den Beruf weiterhin auszuüben? Müssen sie tatsächlich die ganze Nacht hindurch auf den Beinen sein und steigen deshalb aus? Leiden sie vielleicht sogar an einem Burnout? Können sie kaum Karriere machen und steigen deshalb aus? Empfinden sie die Boulevardisierung als derart störend, dass sie nicht mehr länger Teil dieses Systems sein wollen? Oder gibt es nicht genügend alternative Arbeitgeber?
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 THEORIE
2.1 BURNOUT-THEORIE
2.1.1 Die Entwicklung des Begriffs Burnout
2.1.2 Die Definition des Begriffs Burnout
2.1.3 Die Basis für ein Burnout
2.1.4 Wer „brennt aus“?
2.1.5 Symptome des Burnout
2.1.6 Zusammenhang zwischen Burnout und Journalisten
2.2 KOMMERZIALISIERUNG DER MEDIEN
2.2.1 Aufgaben der Medien
2.2.2 Was heisst Kommerzialisierung?
2.2.3 Ursachen der Kommerzialisierung
2.2.4 Ebenen und Folgen der Kommerzialisierung
2.3 MEDIENKONZENTRATION
2.3.1 Was ist Medienkonzentration?
2.3.2 Ursachen der Medienkonzentration
2.3.3 Vorteile der Medienkonzentration
2.3.4 Die negativen Folgen der Medienkonzentration
2.4 JOURNALISMUS UND PUBLIC RELATIONS
2.4.1 Allgemeine Beziehung zwischen Public Relations und Journalismus
2.4.2 Public Relations: attraktives Arbeitsgebiet für Journalisten
3 STAND DER FORSCHUNG
3.1 JOURNALISTENENQUETEN
3.1.1 Journalismus als Beruf (Saxer/Schanne 1981)
3.1.2 Journalisten in der Schweiz (Marr et al. 2001)
3.1.3 The Global Journalist (Weaver 1998)
3.2 WOHIN GEHEN DIE JOURNALISTEN?
3.2.1 Arbeitslosigkeit und Berufswechsel (Böckelmann/Mahle 1994)
3.2.2 Angepasste Aussenseiter (Kepplinger 1979)
3.3 JOURNALISMUS UND PUBLIC RELATIONS
3.3.1 Im Auftrag (Wilke/Müller 1979)
3.3.2 PR/ Journalismus (Kohtes Klewes 2000)
3.4 KARRIERE(MÖGLICHKEITEN) IM JOURNALISMUS
3.4.1 Allgemeine Karrierechancen
3.4.2 Frauenspezifische Karrierechancen
3.5 AUSGEBRANNT... (BODIN 2000)
3.6 FAZIT
4 EMPIRIE
4.1 FORSCHUNGSLEITENDE FRAGESTELLUNG
4.2 UNTERSUCHUNGSANLAGE UND METHODE
4.2.1 Erhebungsinstrument und Samplebildung
4.2.2 Datenerhebung, Auswertung und Ergebnisdarstellung
4.3 DIE BEFRAGTEN AUSSTEIGER
4.3.1 Kurzportraits der befragten Aussteiger
4.3.2 Kurzportraits der befragten Aussteiger in der Übersicht
4.4 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE
SELBSTGENANNTE AUSSTIEGSMOTIVE
4.4.1 Burnout und seine Indikatoren als Ausstiegsmotiv
4.4.2 Mangelnde Karrierechancen, keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung und negativer Altersstereotyp als Ausstiegsmotiv
4.4.3 Kommerzialisierung und Medienkonzentration mit ihren Folgen als Ausstiegsmotive
4.4.4 „Etwas Neues machen“, „gutes Jobangebot“ als Ausstiegsmotiv ABGEFRAGTE AUSSTIEGSMOTIVE, NEGATIVE ASPEKTE DES JOURNALISMUS
4.4.5 Burnout und seine Indikatoren als Ausstiegsmotiv
4.4.6 Mangelnde Karrierechancen, keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung als Ausstiegsmotiv
4.4.7 Kommerzialisierung und Medienkonzentration mit ihren Folgen als Ausstiegsmotive
4.4.8 Wer steigt aus und wohin gehen die Journalisten?
5 ZUSAMMENFASSUNG
5.1 FRAGESTELLUNG UND UNTERSUCHUNGSANLAGE
5.2 HAUPTBEFUNDE DER UNTERSUCHUNG
5.3 INTERPRETATION
5.3.1 Burnout als Ausstiegsmotiv
5.3.2 Indikatoren als Ausstiegsmotiv ohne direkten Zusammenhang mit einem Burnout
5.3.3 Mangelnde Karrierechancen als Ausstiegsmotiv
5.3.4 „Schlechte Möglichkeiten zur Weiterentwicklung“ als Ausstiegsmotiv
5.3.5 Negativer Altersstereotyp als Ausstiegsmotiv
5.3.6 Kommerzialisierung/ Boulevardisierung als Ausstiegsmotiv
5.3.7 Zielgruppenorientierung/ Homogenisierung der Medieninhalte als Ausstiegsmotiv
5.3.8 Budgetkürzungen und ihre Folgen als Ausstiegsmotiv
5.3.9 Mangelnde Arbeitsplatzalternativen, resp. Arbeitgeber als Ausstiegsmotiv
5.3.10 „Etwas Neues machen“, „gutes Jobangebot“ als Ausstiegsmotiv
5.3.11 Wer steigt aus und wohin gehen die Journalisten?
5.3.12 Bewertung der eigenen Vorgehensweise
5.4 AUSBLICK
ANHANG I
HYPOTHESEN
ANHANG II
INTERVIEWLEITFADEN
ANHANG III
LITERATUR
TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNG 1: KATEGORIEN DES BURNOUTS MIT DEN MÖGLICHEN EINFLUSSFAKTOREN UND DEM DROPOUT ALS FOLGE
TABELLE 1: „OBJEKTIVE“ VORTEILE DER PR GEGENÜBER DEM JOURNALISMUS
ABBILDUNG 2: MÖGLICHE AUSSTIEGSMOTIVE MIT DEREN URSACHEN UND/ODER FOLGEN
TABELLE 2:1. QUOTIERUNG EHEMALIGER JOURNALISTEN
TABELLE 3: DEFINITIVE QUOTIERUNG NACH ALTER ZUM ZEITPUNKT DES AUSSTIEGS
TABELLE 4: VERTEILUNG DER ALTERSGRUPPEN IN PROZENT NACH MEDIENTYPEN
(NACH MARR ET AL. 2001: 98)
ABBILDUNG 3: NEGATIVER ALTERSSTEREOTYP NACH EBENEN
Weshalb steigen Journalisten aus?
Über das Dropout von Journalisten
1 Einleitung
Journalisten auf der ganzen Welt haben vieles gemeinsam. Die markanteste Übereinstimmung liegt in ihrem durchschnittlich sehr jungen Alter. Es reicht von 30 Jahren in Hong Kong und Algerien, bis zu 40, resp. 41 Jahren in Finnland, Kanada und der Schweiz (vgl. Weaver 1998: 456, vgl. Marr et al. 2001: 95). In kaum einer anderen Berufssparte sind durchschnittlich so junge Arbeitnehmer zu finden.
Empirische Studien belegen also, dass Journalisten im Gegensatz zu anderen Berufs- gruppen sehr jung sind. Dies lässt den Schluss zu, dass viele Journalisten ab einem ge- wissen Alter aus dem Journalismus aussteigen. Diese Arbeit möchte in erster Linie un- tersuchen, weshalb sich die Journalisten von ihrem ursprünglichen Beruf abgewandt haben.
Ein weit verbreitetes Klischee ist, dass ein Journalist ständig als „rasender Reporter“ unterwegs ist und dabei eigentlich nichts Rechtes macht, ununterbrochen raucht und am Abend locker eine Flasche Whisky leert. Wäre das die Wirklichkeit, könnten vor allem die ruinierte Gesundheit, Langeweile und die unregelmässigen Arbeitszeiten als Ausstiegsmotive angenommen werden. Doch dies ist bloss ein Klischee, wenngleich auch Klischees meistens einen Funken Wahrheit enthalten.
Diese Arbeit will keine Klischees untersuchen. Ihr Ziel ist es, herauszufinden, weshalb die Journalisten1 aus ihrem Beruf aussteigen. Sind sie zu gestresst, um den Beruf weiterhin auszuüben? Müssen sie tatsächlich die ganze Nacht hindurch auf den Beinen sein und steigen deshalb aus? Leiden sie vielleicht sogar an einem Burnout? Können sie kaum Karriere machen und steigen deshalb aus? Empfinden sie die Boulevardisierung als derart störend, dass sie nicht mehr länger Teil dieses Systems sein wollen? Oder gibt es nicht genügend alternative Arbeitgeber?
Des weiteren soll geklärt werden, welche Merkmale die ausgestiegenen Journalisten kennzeichnen. Haben sie ein abgeschlossenes Studium? Genossen sie eine journalisti- sche Ausbildung? In welcher Art von Medien arbeiteten sie hauptsächlich? Welche Funktion hatten sie während ihrer journalistischen Tätigkeit inne? Waren sie Redakto- ren, Ressortleiter, Chefredaktoren oder hatten sie andere spezifische Aufgabengebiete?
Als dritter Punkt wird untersucht, wohin die Journalisten wechseln. Stimmen die Ge- rüchte, dass die meisten Journalisten in die Public Relations wechseln? Oder haben sie nach ihrem Ausstieg genug von dieser Branche und arbeiten als Koch, als Tierpfleger als Krankenschwester, als Managerin oder Geschäftsleiter? Gehen die Journalisten in ihren nichtjournalistischen, gelernten Beruf zurück, wenn sie aussteigen? Solche und ähnliche Fragen empirisch, mit Hilfe theoretischer Hintergründe zu klären, ist das Ziel dieser Arbeit.
Erste Probleme bereitete der Theorieteil. Ziel war es, den theoretischen Hintergrund für die Ausstiegsmotive aufzuzeigen. Dies ist auch weitgehend gelungen, ausser im Bereich der Karrierechancen. Trotz intensiver Suche konnten keine theoretischen Arbeiten über die Karrieremöglichkeiten im Journalismus gefunden werden. Diese werden deshalb nur anhand von empirischen Studien genauer betrachtet.
Des weiteren bereitete die anhand der ersten Quotierung angestrebte Verteilung der Journalisten Probleme, weshalb eine zweite Quotierung ausgearbeitet werden musste. Da aber die forschungsleitenden Vermutungen von Anfang an sehr generell gehalten waren, mussten dort keine Veränderungen vorgenommen werden. Spezifischer werden die Hypothesen erst im Ausblick ausgearbeitet und im Anhang I dargestellt.
Auch wenn es zahlreiche Journalistenenqueten gibt, die das junge Alter der Medienschaffenden beweisen, hat bisher noch niemand die Ausstiegsmotive der Journalisten untersucht. Deshalb erschien es hier als sinnvoll, eine explorative Studie durchzuführen, die für allfällige, spätere quantitative Untersuchungen eine Basis bilden kann.
Für die empirische Studie wurden 20 Interviews mit ehemaligen Journalisten aus den Kantonen Basel, Bern und Zürich in einem Zeitraum von zwei Monaten durchgeführt. Erfragt wurden vier grundlegende Themengebiete: der Werdegang, die journalistische Tätigkeit, die Ausstiegsmotive und die aktuelle Tätigkeit. Es entstand ein transkribierter Rohtext von über 200 Seiten, der anschliessend verdichtet und für die Auswertung vor- bereitet wurde.
Die Arbeit ist in vier Hauptteile aufgeteilt: In Theorie, Stand der Forschung sowie Em- pirie und Zusammenfassung. Im Theorieteil werden Ansätze vorgestellt, die für die he- rauszufindenden Ausstiegsmotive von Bedeutung sein können. So wird als erstes auf die Burnout-Theorie eingegangen. Die Kommerzialisierung der Medien, mit ihren Ursachen und Folgen, bildet den zweiten Teil. Der dritte Block beschäftigt sich mit Ursachen, Formen und Folgen der Medienkonzentration. Ein vierter Punkt soll das Verhältnis von Public Relations und Journalismus kurz erläutern.
Beim Stand der Forschung werden als erstes Journalistenenqueten vorgestellt, deren Autoren aufgrund des jungen Alters der Journalisten ein Dropout angenommen haben oder deren Resultate zumindest darauf schliessen lassen. Es folgen Untersuchungen, die sich damit beschäftigen, wohin die Journalisten gehen. Als dritter Punkt werden empirische Befunde zum Verhältnis zwischen Public Relations und Journalisten aufgezeigt. Anschliessend werden Studien vorgestellt, welche die Karrierechancen unter die Lupe genommen haben. Zuletzt werden die empirischen Befunde der Untersuchung von Michael Bodin über das Burnout bei Journalisten kurz aufgezeigt.
Im empirischen Teil werden zuerst die forschungsleitenden Fragestellungen beschrieben. Es folgt die Untersuchungsanlage und Methode, die sowohl das Erhebungsinstrument und die Samplebildung als auch die Datenerhebung, Auswertung und Ergebnisdarstellung beinhaltet. Schliesslich reiht sich die Darstellung der Ergebnisse anhand einzelner Ausstiegsmotive an.
Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung. Zuerst werden nochmals kurz die Fragestellung und Untersuchungsanlage aufgegriffen. Es folgt eine Zusammenfassung der Hauptbefunde der Untersuchung mit anschliessender Interpretation. Eine Bewertung der eigenen Vorgehensweise sowie der Ausblick bilden den Schluss der Arbeit.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei den Journalisten bedanken, die sich für meine Untersuchung zur Verfügung gestellt haben. Alle waren äusserst kooperativ und gaben sich Mühe, die gestellten Fragen bestmöglich zu beantworten.
2 Theorie
Spezifische Theorien zum Thema Dropout gibt es nicht. Im Folgenden werden deshalb theoretische Ansätze vorgestellt, die mögliche Gründe für das Dropout bei Journalisten sein können. Zudem wird das Verhältnis von Public Relations (PR) und Journalismus aufgezeigt. Dieses ist dahingehend von Interesse, als ein häufiger Wechsel von Journalisten in die PR vermutet werden kann.
Zuerst wird die Burnout-Theorie besprochen. Als zweites folgt die Kommerzialisierung der Medien und ihre Folgen. Der dritte Theorieteil beschäftigt sich mit der Medienkon- zentration und ihren Folgen. Als letztes wird auf das Verhältnis von PR und Journalis- mus eingegangen.
2.1 Burnout-Theorie
2.1.1 Die Entwicklung des Begriffs Burnout
Der Begriff Burnout tauchte erstmals Anfang der 70er Jahre auf. Herbert J. Freudenber- ger war einer der ersten, der diesen Begriff an die Öffentlichkeit brachte. Bei ihm be- zeichnete Burnout „den physischen und psychischen Abbau der meist ehrenamtlichen Mitarbeiter ‚alternativer’ Hilfsorganisationen“ (Burisch 1994: 4). Herbert Freudenber- ger, Christina Maslach und Ayala Pines beschäftigten sich intensiv mit diesem Thema. Sie beschrieben das Phänomen bei anderen sozialen Berufsgruppen und schlossen auch das Privatleben mit ein (vgl. Burisch 1994: 4f.). Doch zu Beginn blieb das Burnout- Syndrom ein Tabuthema. Es wurde nicht als „normales“ Symptom, sondern vielmehr als „Mangel“ eines kleinen Kreises von Menschen mit mentalen Problemen angesehen (vgl. Maslach 1993: 19). Mit Hilfe insbesondere der drei oben erwähnten Personen konnte sich aber sowohl der Begriff wie auch das Symptom selbst etablieren. Heute ist es zum Forschungsgegenstand vieler angesehener Wissenschaftler geworden.
Nachdem in diesem ersten Kapitel die Entwicklung des Begriffs aufgezeigt wurde, wird im nächsten dessen Definition formuliert.
2.1.2 Die Definition des Begriffs Burnout
Der Begriff Burnout scheint nicht allzu zutreffend für den Zustand, in dem sich die von den Symptomen betroffenen Personen befinden. Denn Burnout bedeutet soviel wie „Durchbrennen“ oder „Ausbrennen“ was bildlich gesehen eher einer durchgebrannten Stromleitung oder einem ausgebranntem Feuer entspricht. Doch ein ausgebranntes Feu- er kann mit ein wenig Stroh und einem Funken wieder entfacht werden, was bei einem ausgebrannten Menschen meist nicht so einfach ist (vgl. Burisch 1994: 6). Was psycho- logisch-methaphorisch mit einem Burnout gemeint ist, „ist eine langdauernde zu hohe Energieabgabe für zu geringe Wirkung bei ungenügendem Energieschub“ (Burisch 1994: 6). Trotz diesem eigentlich ungenauen Begriff des Burnout wird in der Folge die Bezeichnung so belassen.
Im folgenden Kapitel werden die Nährböden für ein Burnout geschildert.
2.1.3 Die Basis fürein Burnout
Burnout nimmt heutzutage ein enormes Ausmass an. Dies liegt vor allem an den fun- damentalen Veränderungen der Arbeitsplätze sowie an der Art der Arbeit selbst. Psy- chologisch als auch wirtschaftlich ist das Klima in vielen Firmen kalt, abweisend und fordernd. Die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freunden verlangt zeitweise schier Übernatürliches von den Mitarbeitern. Dadurch wird der Enthusiasmus gebremst und die Begeisterung und Einsatzbereitschaft bei der Arbeit schwindet (vgl. Maslach/Leiter 2001: 1). Vor allem der wirtschaftliche Druck und die unsicheren Zeiten tragen zum Burnout bei. Aber auch die „Diskrepanz zwischen den Merkmalen des Berufes und der Person, die ihn ausführt“ (Maslach/Leiter 2001: 10) bilden die Basis für immer mehr vom Burnout betroffenen Personen. Maslach und Leiter eruieren in ihrem Buch sechs Basisprobleme, die Nährboden für ein Burnout sein können. Sie werden im Folgenden vorgestellt (vgl. Maslach/Leiter 2001: 11ff.).
Ein erstes grosses Problem bei der Untersuchung der Ursachen für das Burnout ist die Arbeits ü berbelastung. Das Problem ist hierbei nicht die Anstrengung selbst, sondern die Überlastung der menschlichen Leistungsfähigkeit. Wenn es einem Unternehmen finan- ziell nicht besonders gut geht, heisst das nicht, dass die Mitarbeiter nichts mehr zu tun haben, sondern, dass einige entlassen werden und die verbleibenden deren Arbeit zu- sätzlich übernehmen müssen.
Ein zweiter Punkt ist der Mangel an Kontrolle über die eigene Arbeit. Das heisst, dass allzu strenge Richtlinien und Massstäbe die Eigenverantwortung teilweise völlig unterdrücken. Aber „jeder will die Gelegenheit haben, eine Auswahl oder eine Entscheidung treffen zu können, die Fähigkeit einzusetzen, zu denken und Probleme zu lösen, und auch an der Erreichung von Zielen teilhaben zu können, für deren Ergebnis man dann auch verantwortlich ist“ (Maslach/Leiter 2001: 12). Durch solche Kontrollen wird vor allem verhindert, dass die Belegschaft innovativ sein oder Verbesserungen vornehmen kann. Den Mitarbeitern wird also das Recht abgesprochen, selber denken und handeln zu können und ihre Meinung wird nicht ernst genommen.
Der Mangel an Belohnung wird als ein weiterer Grund für ein Burnout beschrieben. Belohnungen, meist auf der Basis von Zuschüssen und Boni, wären eigentlich sehr ein- fach auszuhändigen. Doch in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage ist das Geld knapp und die Belohungen bleiben für den „normalen“ Arbeiter aus. Dieser nimmt den Lohn- stopp in Kauf. Der Manager aber, der meist nicht von den Lohnstopps betroffen ist, muss sich aufgrund von Umstrukturierungen um noch mehr Leute kümmern, was auf- grund von Zeitmangel quasi unmöglich ist. Als das Schlimmste stufen Maslach und Leiter aber den Verlust der inneren Belohung ein, „die aufkommt, wenn jemand stolz darauf ist, eine für andere wichtige und wertvolle Arbeit zu leisten und diese Arbeit gut zu erledigen“ (Maslach/Leiter 2001: 14).
Das Gefühl der Gemeinschaft am Arbeitsort ist für ein gutes Arbeitsklima und die Zu- friedenheit der Mitarbeiter von grosser Bedeutung. Gerade dieses Gemeinschaftsgefühl aber leidet in letzter Zeit enorm. Probleme, Lob, Trost, Zufriedenheit und Humor kön- nen nicht mehr mit den anderen geteilt werden. Dies, weil die Mitarbeiter physisch von einander getrennt sind. Das heisst, sie sitzen den ganzen Tag vor ihren Computern oder haben durch das enorme Arbeitsvolumen keine Zeit mehr, sich zu treffen. Persönliche Kontakte am Arbeitsort verringern sich massiv. Noch mehr Bedeutung kommt aber der Tatsache zu, dass Konflikte nicht gelöst, sondern beiseite geschoben werden. Sie zerstö- ren die sozialen Geflechte und machen es unwahrscheinlicher, dass man sich gegensei- tig hilft.
Fairness am Arbeitsplatz bedeutet, dass man sich gegenseitig respektiert und mithilft, das Selbstwertgefühl zu steigern. Unfairness wird zum einen bei Beförderungen und Evaluierungsprozessen deutlich. Zum anderen, wenn Leute für Dinge verantwortlich gemacht werden, die sie nicht getan haben. Aber auch Lügen oder Regelveränderungen für einen Karrieresprung sind unfaire Mittel, die zu Unstimmigkeiten oder Arbeitsstrei- tigkeiten führen können. Allgemein gesagt heisst das: Wenn ein Unternehmen dem Geld mehr Bedeutung zukommen lässt als seinen Mitarbeitern, werden gegenseitiger Respekt und die gemeinsamen Werte zerstört.
Wenn das Verhältnis zwischen den eigenen Prinzipien und den Anforderungen der Ar- beit nicht mehr stimmt, wird von einem Wertekonflikt gesprochen. Dieser kann dazu führen, dass Menschen Dinge machen müssen, die unethisch sind. So muss sich der Mitarbeiter z.B. mit einer Lüge behelfen, um etwas zu verkaufen. Aber auch eine Dis- krepanz zwischen verschiedenen, nur für die Mitarbeiter ersichtlichen Unternehmens- zielen kann zu einem Wertekonflikt führen. Eine Demoralisierung ist die Folge.
Es ist also nachvollziehbar, dass Burnout nicht ein Problem von einzelnen Menschen ist, sondern durch das soziale Umfeld entsteht. Berücksichtigt das Arbeitsumfeld die menschliche Seite nicht, steigt das Risiko eines Burnouts und die betroffenen Personen müssen dafür einen hohen Preis bezahlen (vgl. Maslach/Leiter 2001: 20).
Die verschiedenen Ursachen für ein Burnout wurden nun erläutert. Als nächstes soll aufgezeigt werden, wer „ausbrennt“.
2.1.4 Wer „ brennt aus “ ?
Vom Burnout bedroht sind nur Leute, die mit einer enormen Motivation in die Arbeit eingestiegen sind. Sie haben sich hohe Ziele gesteckt und möchten diese auf jeden Fall erreichen (vgl. Freudenberger/Richelson 1980: 40, vgl. Pines 1993: 41). Herausforderungen können für die einen Menschen anstachelnd sein, für andere aber rasch zu einer Überforderung werden (vgl. Pines 1993: 43ff.). Pines geht davon aus, dass Ziele und Erwartungen die Basis für das Arbeiten sind. Ist das Umfeld unterstützend und bleibt das auch so, ist die Gefahr des „Ausbrennens“ quasi bei Null. Gibt es aber ein gestresstes Umfeld, können die Folgen verheerend sein. Negative Erlebnisse sind an der Tagesordnung, positive bleiben aus. Die Ziele und Erwartungen können nicht erreicht werden. Ein Misserfolg tritt ein, der zu einem Burnout führen kann (vgl. Pines 1993: 42). Dieser Ansatz von Pines ist also auf alle Berufssparten anwendbar.
Weshalb die Forscher zu Beginn davon ausgingen, dass vor allem Leute in „Helfer- Berufen“2 „auszubrennen“ drohen, wird folgendermassen erklärt: Viele Personen ergrei- fen einen von Burnout besonders bedrohten Beruf mit dem Ziel, anderen Personen zu helfen und Unterstützung zu geben (vgl. Aronson/Pines/Kafry 1983: 13). Nach einiger Zeit wird klar, dass diese Hilfe entweder betriebsintern oder -extern nicht genügend geschätzt wird. Gleichzeitig tritt eine emotionale Erschöpfung ein, die den Verlust posi- tiver Empfindungen hervorruft. Das heisst, dass die Sympathien oder die Achtung vor den Klienten oder Patienten beim professionellen Helfer verloren gehen (vgl. Burisch 1994: 13). Dass nun aber das Burnout von helfenden Personen als schlimmer gewertet wurde als bei anderen Berufen, beruht auf der Tatsache, dass es „die jeweils schwäche- ren Partner in der Rollenbeziehung trifft“ (Burisch 1994: 13). Das heisst, die Personen, denen geholfen wird, sind von den „Ausgebrannten“ abhängig. Erleidet aber z.B. ein Coiffeur oder ein Wirt ein Burnout, kann sich der Kunde an einen anderen Anbieter wenden. Trotzdem sind die Phänomene dieselben und die Aufteilung in „wichtigere“ und „weniger wichtigere“ Burnouts scheint nicht gerechtfertigt (vgl. Burisch 1994:13). Die oben aufgezeigten Basisprobleme nach Maslach und Leiter sowie die Darstellung von Pines zeigen, dass heutzutage nicht nur „Helfer-Berufe“ vom Burnout bedroht sind, sondern auch zahlreiche andere.
Die Symptome des Burnout werden im folgenden Kapitel dargestellt, nachdem geklärt wurde, wer überhaupt „ausbrennt“.
2.1.5 Symptome des Burnout
Burisch beschreibt in seinem Buch sieben Kategorien bzw. Symptome des Burnouts, die im Folgenden dargestellt und allfällig durch Erkenntnisse anderer Autoren ergänzt werden. Zudem wurde eine achte Kategorie, das Dropout herausgearbeitet. Es ist aber nicht zwingend, dass alle Kategorien nacheinander oder überhaupt durchlaufen werden müssen (vgl. Burisch 1994: 16ff.).
Kategorie 1: Warnsymptome der Anfangsphase: Wie schon im vorigen Abschnitt be- schrieben, können vom Burnout nur Leute betroffen sein, die zuvor eine enorme Moti- vation in ihre Arbeit legten (vgl. Pines 1993: 41ff.). Die „ausgebrannten“ Personen müssen dementsprechend vorher einmal „gebrannt“ haben. Bleibt das Verhältnis von Anstrengung und Belohnung, Positivem und Negativem etc. mehr oder weniger in ei- nem Gleichgewicht, kann dieser Enthusiasmus unter Umständen jahrelang anhalten. Die Grenze zwischen gutem Verhältnis und Missverhältnis ist aber schwierig zu definieren und kann kaum einmal genau festgelegt werden. Die hochgesteckten Ziele werden mit vermehrtem Einsatz zu erreichen versucht (vgl. Burisch 1994: 19f.). Aber das Ziel kann aufgrund von persönlichen oder äusseren Umständen nicht erreicht werden, oder das Erreichte wird von aussen nicht genügend honoriert (vgl. Hallsten 1993: 107). Der Ein- stieg in den Teufelskreis ist erfolgt.
Kategorie 2: Reduziertes Engagement: Kippt das in Kategorie 1 dargestellte Verhältnis zu einem Missverhältnis, ist reduziertes Engagement die Folge. Energie wird zu Er- schöpfung, Einsatzbereitschaft wird zu Zynismus und Leistungsfähigkeit zu Leistungs- versagen (vgl. Maslach/Leiter 2001: 26). Ein Rückzug in allen Bereichen (emotional, kognitiv und verhaltensmässig) erfolgt zuerst von den Klienten und Patienten, dann von anderen wie Freunden, Bekannten, Kollegen und schliesslich auch von der Arbeit sel- ber. Erhöhte Ansprüche sind die Folge. Man möchte am liebsten nur noch „nehmen“ und wenn das nirgendwo möglich ist, dann nimmt man es bei sich selber weg (vgl. Bu- risch 1994: 20). Bei den „Helfer-Berufen“ wird das so gelöst, dass die Patienten auf ihre Zimmernummer reduziert oder Sozialgeldbezüger selber für ihre Lage verantwortlich gemacht werden. Personen in „Nicht-Helfer-Berufen“ haben es da etwas schwieriger. Da für sie eine Entpersonalisierung nur schlecht möglich ist, beginnen sie, sich von der Familie abzukapseln. Sie interessieren sich nicht mehr für die Belange zu Hause. Gleichzeitig wird ein enormer Überdruss an der Arbeit festgestellt. Jeder Gang zur Ar- beit wird zur Tortur und das Wochenende ist mit den schlechten Gedanken an den Mon- tag überschattet. Dies scheint auf den ersten Blick nicht allzu besonders, aber es muss in Erinnerung gebracht werden, dass all diese Leute ihren Beruf freiwillig gewählt und einmal geliebt haben. Am Ende dieser Kategorie steht ein veränderter Lebensstil. Es wird nicht mehr gelebt, um zu arbeiten, sondern allenfalls noch gearbeitet, um zu leben (vgl. Burisch 1994: 21). Insbesondere in Grossunternehmen gibt es Mitarbeiter, von denen niemand so genau weiss, was sie eigentlich tun. In Amerika werden solche Mit- arbeiter „totes Holz“ genannt (vgl. Aronson/Pines/Kafry 1983: 27f.), hier spricht man auch von der „inneren Kündigung“, „Selbstbeurlaubung“ und ähnlichem (vgl. von Mas- senbach 2000: 7). Diese Personen kompensieren ihren tristen Arbeitsalltag mit ausser- ordentlich vielen Freizeitaktivitäten. Insbesondere in den „Helfer-Berufen“ kann dieser Rückzug schwerwiegende Folgen haben, da er wiederum Reaktionen hervorruft, die diesen rechtfertigen. Laut Burisch soll dieser Teufelskreis bei allen Personen möglich sein, die in ihrem beruflichen Alltag „Publikumskontakt“ haben (vgl. Burisch 1994: 21f.).
Kategorie 3: Emotionale Reaktion: Schuldzuweisung. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Schuld für die schlechte persönliche Lage zu verteilen. Man kann sich selber dafür ver- antwortlich machen oder aber der Umwelt die Schuld an der Misere geben. Man kann also grundsätzlich von zwei verschiedenen Dauergemütszuständen sprechen. Zum ers- ten gibt es das eher „depressiv-ängstliche“ (Burisch 1994: 23) Verhalten. Wer sich so fühlt, wird die Ursachen für sein Versagen bei sich selber suchen. Hilflosigkeit und ein Verlust des Selbstwertgefühls sind Symptome für dieses Verhalten (vgl. Hallsten 1993: 109). Zudem verliert die Person für sich selber die Existenzberechtigung (vgl. Burisch 1994: 23f.). Das andere Verhalten wird als „aggressiv-gereizt-paranoid“ (Burisch 1994: 23) bezeichnet. Das Einhergehen von Zorn und Frustration sind die Vorläufer dieses Zustandes. Andere werden als Sündenböcke gesucht, der Umwelt und dem Job wird mit allzu viel Zynismus begegnet (vgl. Maslach/Leiter 2001: 29, vgl. Freudenber- ger/Richelson 1980: 83f.).
Kategorie 4: Abbau: Es wird nichts mehr in die Arbeit investiert. Keine Überstunden mehr, Flüchtigkeitsfehler schleichen sich ein, das Unternehmen wird gegen aussen nicht mehr verteidigt, Dienst nach Vorschrift. Auch die Denkweisen vereinfachen sich stark in Richtung schwarz-weiss Malerei, und Teamarbeit ist nicht mehr möglich. Neue Vorschläge werden von vornherein abgeblockt, die Mitarbeiter mit Sarkasmus überhäuft (vgl. Maslach/Leiter 2001: 31f., vgl. Burisch 1994: 25).
Kategorie 5: Verflachung: Diese Kategorie geht einher mit Kategorie 4. Eine generelle Verflachung des emotionalen, sozialen und geistigen Lebens tritt ein. Den Freunden und Kollegen wird keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt, Desillusion und Desinteresse prägen den Alltag. Die Folgen sind absehbar. Der Betroffene wird immer einsamer, falls er das überhaupt noch registriert, und der Teufelskreis schliesst sich (vgl. Mas- lach/Leiter 2001: 32).
Kategorie 6: Psychosomatische Reaktionen: Die körperlichen Beschwerden müssen nicht erst in dieser Phase auftreten. Sie können durchaus auch schon in der Anfangsphase eine Rolle spielen. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Verspannungen, Verdauungsbeschwerden, veränderte Essgewohnheiten und ein stark erhöhter Konsum von Nikotin, Alkohol und sonstigen Drogen können solche Reaktionen sein. Teilweise führen diese Beschwerden bis zu Magengeschwüren und Herzinfarkten (vgl. Freudenberger/Richelson 1980: 86).
Kategorie 7: Verzweiflung: Die Hilflosigkeit hat sich zu einer chronischen Hoffnungs- losigkeit gewandelt. Das Leben hat seinen Sinn verloren. Selbstmordgedanken tauchen auf.
Kategorie 8: Dropout3: Der Ausstieg muss nicht erst nach der siebten Kategorie erfol- gen. Ähnlich wie die psychosomatischen Reaktionen kann auch dieser in praktisch jeder Phase eintreten. Ein Arbeitnehmer, der bei sich gewisse Symptome eines Burnouts er- kennt und noch nicht eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber seinem eigenen (Arbeits-) leben aufweist, wird den Ausstieg als mögliche Lösung seiner Probleme schon relativ früh in Betracht ziehen. Werden die Symptome nicht erkannt, können sie unterbewusst trotzdem zu einem Ausstieg führen. Andererseits können Burnout-Symptome vorhan- den sein, es erfolgt jedoch kein Ausstieg.
Es ist also anzunehmen, dass Personen, die sich in einer der beschriebenen Kategorien eines Burnouts befinden, in bezug auf einen Ausstieg nicht immer gleich reagieren. Gewisse werden schon nach der ersten Phase aussteigen, vielleicht in Verbindung mit anderen Motiven, andere steigen vielleicht nie aus, auch wenn sie schon in der siebten Kategorie angelangt sind.
Abbildung 1 stellt die Abfolge der einzelnen Kategorien mit den möglichen Einflussfaktoren und dem Dropout als Folge dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kategorien des Burnouts mit den möglichen Einflussfaktoren und dem Dropout als Folge
Das nächste Kapitel soll den Zusammenhang zwischen Burnout und Journalisten, wie er von Michael Bodin ausgearbeitet wurde, aufzeigen.
2.1.6 Zusammenhang zwischen Burnout und Journalisten
Die meisten Burnout-Untersuchungen 4erfolgten bei sozialen Berufen. Michael Bodin hat versucht, die Burnout-Theorie auch auf den Journalismus anzuwenden.5 Grund zur Annahme, dass auch bei Journalisten ein Burnout durchaus vorhanden ist, fand er im Vergleich der Merkmale von den „Helfer-Berufen“ und dem Journalismus. Journalisten arbeiten unregelmässig, es gibt häufig Alkoholismus und die jungen Medienschaffenden gehen meist mit einem grossen Idealismus an die Arbeit. Zudem sind sie „mit hohen professionellen Ansprüchen - sowohl eigenen als auch fremden - konfrontiert“ (Bodin 2000: 28). Ebenso stimmen im Journalismus die ursprünglichen Idealvorstellungen oft nicht mit der Wirklichkeit überein.
Bodin zieht im theoretischen Teil seiner Studie Schlüsse über den Zusammenhang von journalistischer Arbeit und Burnout. Als erstes geht er auf die Arbeitsunzufriedenheit ein. Diese ist ein dem Burnout verwandtes Konzept. Trotz zahlreichen Parallelen darf es dem Burnout aber nicht gleichgesetzt werden. Burnout ist ein Prozess und Arbeitsun- zufriedenheit kann in diesen Prozess hineinspielen, da sie häufig einen Stressfaktor bil- det und somit wesentlich zu einem Burnout beitragen kann. Auch wenn also in den Journalistenenqueten, die auf der ganzen Welt durchgeführt wurden, eine relativ hohe Arbeitszufriedenheit bei den Journalisten festgestellt wurde, so dürfen doch gewisse Äusserungen nicht ausser Acht gelassen werden. Die Befragten waren relativ häufig unzufrieden mit ihrer Entlöhnung. Die Vorstellung über die Abgeltung ihrer Arbeit und der tatsächlichen Entlöhnung stimmen nicht überein. Die Unzufriedenheit mit dem Zeitbudget in den Redaktionen, die Unerträglichkeit der Arbeitsbelastung und die zu niedrige Entlöhnung, sind laut Bodin ein Indiz für ein Burnout. Ebenso deutet er die Unzufriedenheit mit dem Zeitbudget als Nichterreichen des persönlichen Ziels, das auch als Basis für ein Burnout bezeichnet wird (vgl. Bodin 2000: 34ff.).
Der zweite Zusammenhang sieht er in den Stressfaktoren des Journalismus. Das allge- mein verbreitete Bild vom Journalisten ist der „rasende Reporter“, der die ganze Zeit raucht und nach Feierabend zur Whisky-Flasche greift. Journalismus und Stress schei- nen also unabdingbar miteinander verbunden. Bodin beklagt, dass bisher noch keine systematischen Untersuchungen bezüglich der Stressfaktoren im Journalismus betrieben worden sind. Er stellt jedoch die Vermutung an, dass „umfangreiche und ungeregelte Arbeitszeiten, Zeitdruck, qualitative Überforderung durch fehlendes Wissen (mangelnde Recherchezeit, Ausbildungsdefizite, fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten) sowie so- ziale Stressoren (vor allem im Verhältnis zum Vorgesetzten)“ (Bodin 2000: 44) durch- aus zu einem Burnout führen können.
Ebenfalls einen Zusammenhang sieht Bodin im Rollenselbstverständnis der Journalis- ten. Die meisten Journalisten verstehen sich als „neutrale Berichterstatter“. Als „Päda- goge“ und „Erzieher“ sehen sich zwar nur wenige, ebendiese sind aber von einem Bur- nout bedroht. Denn insbesondere pädagogische und erzieherische Berufe sind für ein Burnout prädestiniert. Zudem lässt sich der erzieherische Erfolg im Journalismus fast nicht messen. Es kann ein Burnout aus der Enttäuschung der gestellten Ansprüche ent- stehen. Sehr viele Journalisten sehen sich als „Kritiker von Missständen“. Aufgrund der fehlenden Zeit für Recherche, stuft Bodin die Realisierungschancen für dieses Anliegen aber als sehr gering ein. Auch hier kann ein Burnout durch die enttäuschten Ansprüche vermutet werden (vgl. Bodin 2000: 45ff.).
Einen dritten Zusammenhang sieht Bodin beim Zynismus im Journalismus. Dass der Journalist ein Zyniker sei, ist zwar ein weit verbreitetes Klischee, scheint aber durchaus einen wahren Kern zu haben. Denn viele Journalisten bezeichnen ihre Kollegen und Kolleginnen als Zyniker, selten aber sich selber. „Zynismus lässt Journalisten Informa- tionen als tote Dinge behandeln“ (Bröer 1994: 47). Diese Tatsache lässt Bodin schlies- sen, dass die in Kapitel 2.1.5 beschriebene Entpersonalisierung im Journalismus durch Zynismus anstatt mit Gefühlsauslebungen ausgedrückt wird. Dieser Zynismus wird von Sloterdijk dadurch erklärt, dass der Journalist durch die zusammenhangslose Aneinan- derreihung verschiedener Ereignisse (Sterben der Kinder in der Dritten Welt, neben einem Bericht über ein Pop-Konzert) zwangsläufig notwendig ist (vgl. Sloterdijk 1983: 564). Bröer bezeichnet drei Krankheits-Symptome des Journalismus: Orientierung am Informationsjournalismus, zeit-räumliche Aktualität sowie die Periodizität der Medien (vgl. Bröer 1994: 25ff.). Die Journalisten nehmen die tatsächlichen Tatsachen wie 10’000 Verkehrstote, 30 Kriege pro Jahr usw. nicht mehr richtig wahr. Das heisst „der Journalismus fungiert als Abwehr- und Verdrängungssystem“ (Bodin 2000: 50). Doch dieses Abwehrsystem funktioniert nur so lange, bis der ganze Mensch und die ganze Gesellschaft kollabiert (vgl. Bröer 1994: 46). „Burnout lässt sich durchaus auch als ein Kollaps in diesem Kontext verstehen. Ein Ausweg findet sich kaum, da die Hauptursa- chen im Mediensystem und damit letztlich im Gesellschaftssystem zu suchen sind“ (Bodin 2000:50).
In diesem Kapitel wurde das Burnout-Syndrom näher vorgestellt. Wie hat sich der Beg- riff entwickelt? Was heisst Burnout überhaupt? Was ist Basis für ein Burnout? Wer „brennt aus“? Was sind die Symptome eines Burnouts? Und zum Schluss wurde noch der von Bodin hergeleitete Zusammenhang zwischen Journalisten und dem Burnout aufgezeigt.
Das nächste Theoriekapitel beschäftigt sich mit der Kommerzialisierung und ihren Fol- gen.
2.2 Kommerzialisierung der Medien
In den letzten Jahren hat in der Medienlandschaft eine grosse Veränderung stattgefun- den, sowohl in der Schweiz als auch in der restlichen Welt. Die ökonomischen Aspekte wurden immer wichtiger, meist auf Kosten der publizistischen Aufgaben der Medien. In diesem Kapitel soll deshalb die Kommerzialisierung der Medien aufgezeigt werden. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen wird zuerst auf die Aufgabe der Medien eingegangen. Das zweite Kapitel beinhaltet eine Definition der Kommerzialisierung. Als drittes werden die Ursachen und als viertes die Formen und Folgen der Kommerzia- lisierung aufgezeigt.
2.2.1 Aufgaben der Medien
Von den Medien wird erwartet, dass sie einen öffentlichen Dienst wahrnehmen. Er be- steht darin, dass sie „als Forum für verschiedenste Meinungen offen stehen, den politi- schen Meinungsbildungsprozess durch eigene Beiträge fördern und im öffentlichen In- teresse eine einigermassen ausreichende publizistische Versorgung aller Landesteile garantieren“ (Rathgeb 1996: 155). Aufgrund dieser weitreichenden Aufgaben und Tat- sachen werden sie oft als „vierte Gewalt“ bezeichnet. In der Medienlandschaft eines Staates, zumindest eines demokratischen, sollte ein publizistischer sowie ein wirtschaft- licher Wettbewerb unter den einzelnen Medienanbietern herrschen (vgl. Weber 1995: 71). Die Konkurrenz der wirtschaftlichen Unternehmen, der Medienträger, beinhaltet den wirtschaftlichen Wettbewerb. Diese Unternehmen betreiben die Medienversorgung als solche sowie Teilmärkte wie Werbe-, Programmangebots- und Arbeitsmarkt. Der wirtschaftliche Wettbewerb sorgt dafür, dass Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht sind, die Angebote auf die Wünsche des Publikums ausgerichtet sind und einzelne Un- ternehmen keine Wucherpreise verlangen können (vgl. Beck 2002: 60f.). Publizistischer Wettbewerb bedeutet, dass Kommunikatoren, die vergleichbare Kommunikationsinhalte anbieten, in Konkurrenz zueinander stehen. Es soll also eine Vielfalt vergleichbarer und damit konkurrierender publizistischer Angebote und Inhalte geben. Zudem sollen die Medien sowohl den wirtschaftlichen als auch den politischen Wettbewerb transparent machen und die unterschiedlichen Meinungen und Ereignisse darstellen (vgl. Trap- pel/Meier 2002: 58). Neben dem publizistischen Wettbewerb wird auch immer wieder von Pluralismus gesprochen. Doch der Begriff „Pluralismus“ scheint nicht eindeutig festgelegt (vgl. Weber 1995: 7f.). Er wird aber oft im Zusammenhang mit der freien Meinungsäusserung gebraucht. Gemeint sein kann damit sowohl die „Vielfalt der In- formationsquellen als auch die Diversifikation der Meinungsverbreitungsträger“ (Weber 1995: 8). Es gibt zwei wesentliche Merkmale des Begriffs „Pluralismus“ (vgl. Bohl 1999: 232f.):
- Das Pluralismus-Konzept soll dafür sorgen, dass das Prinzip der Meinungsfrei- heit mit Hilfe von Diversifikationsvorgaben in seiner Tragweite eingeschränkt wird.
- Eine möglichst optimale Informationsvielfalt für die Öffentlichkeit ist das Ziel dieser Beschränkung. Zudem soll verhindert werden, dass die einzelnen Medien in Abhängigkeit einzelner gesellschaftlicher Gruppen geraten.
Pluralismus und publizistischer Wettbewerb dürfen nicht gleichgesetzt werden. Die Medien sollten also einerseits wirtschaftlich rentierten und andererseits diversifizierte und nicht von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen beeinflusste Inhalte der Medienbei- träge garantieren.
Nachdem hier die Aufgaben der Medien wieder in Erinnerung gerufen worden sind, wird im nächsten Kapitel erläutert, was Kommerzialisierung überhaupt heisst.
2.2.2 Was heisst Kommerzialisierung?
Unter „Kommerzialisierung“ versteht man den zunehmenden Einfluss von ökonomi- schen Handlungskriterien auf das Mediensystem. Konkret bedeutet das, dass „wirt- schaftliches Handeln [...] auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und dabei auch Wer- te, Dinge und Lebensbereiche einschliesst, die nicht zum Kernbereich der Wirtschaft gehören“ (Meier/Jarren 2001: 145). Auch wenn profitorientiertes Denken und Handeln heutzutage grundsätzlich akzeptiert wird, so verliert es doch an Billigung, wenn der klassische wirtschaftliche Sektor verlassen wird. Auch der Mediensektor gehört nicht zu diesem klassischen Bereich. Insbesondere, weil er nicht nur als privates Geschäft, „son- dern auch als gesellschaftliche Institution betrachtet wird, die meritorische Leistungen für andere Institutionen erbringt bzw. erbringen sollte“ (Meier/Jarren 2001: 145). Da aber noch immer keine vollständige Einigkeit über den Begriff Kommerzialisierung herrscht, soll im Folgenden die Definition von Saxer als Basis genommen werden: „ Als ‚Kommerzialisierung von Medien’ wird die Verstärkung ökonomischer Einflüsse, in erster Linie desjenigen der Werbewirtschaft, auf die Strukturen und Funktionen von Mediensystemen und deren Konsequenzen für die Medienproduktion, die Medienmitar- beiter, die Prozesse von Medienkommunikation und deren Rezipienten sowie allgemein in kultureller, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Hinsicht bezeichnet“ (Saxer 1998: 10).
Kommerzialisierung im Medienbereich heisst also, dass die ökonomischen den publizis- tischen Zielen vorangesetzt werden. Profit, Kosten-Nutzen-Analysen, effizientes Wirt- schaften und andere ökonomische Ziele werden über die Inhalte und die eigentliche Aufgabe der Medien, nämlich die Gemeinwohlorientierung, gestellt (vgl. Wyss 1997: 15).
Auch wenn die Gleichsetzung von Ökonomisierung und Kommerzialisierung teils be- fürwortet, teils abgelehnt wird, werden die beiden Begriffe in dieser Arbeit gleichge- stellt.
Die Kommerzialisierung hat sich also im Mediensektor durchgesetzt. Dies hat zahlrei- che Folgen. Zuerst sollen aber die Ursachen der Kommerzialisierung aufgezeigt werden.
2.2.3 Ursachen der Kommerzialisierung
Die Ursachen der Kommerzialisierung sind in drei verschiedenen Gebieten zu suchen: in der Gesamtgesellschaft, in der Medienindustrie und in den Unternehmen (vgl. Meier/Jarren 2001: 152).
Ursachen in der Gesamtgesellschaft: Der Wandel der gesamten Gesellschaft zu einer praktisch nur noch profitorientiert denkenden, ist eine der Hauptursachen der Kommer- zialisierung. Aber auch die Vernetzung und Digitalisierung sowie die globale Markt- ordnung hat die Information zum kommerziell wichtigsten Gut gemacht. Der Markt ist zum dominanten Steuerelement geworden (vgl. Meier/Jarren 2001: 152). Ursachen in der Medienindustrie: Durch die deregulierten Medienmärkte sind die Un- ternehmen gezwungen, gewinnmaximierend zu denken und zu handeln. Eine Folge die- ser Gewinnmaximierung ist die Medienkonzentration, die aber ihrerseits die Kommerzi- alisierung weiter vorantreibt (vgl. Meier/Jarren 2001: 152). Die Digitalisierung von Text, Bild und der Information allgemein, vermindert die Distanzüberwindungskosten und öffnet somit den Markt für andere Teilnehmer (vgl. Heinrich 2001: 161). Der Wett- bewerb wird demnach verschärft, indem branchenfremde Investoren in den Markt ein- treten (vgl. Rager 1999: 140ff.).
Ursachen in den Unternehmen: „Der elektronische Handel stellt ein neues Businessmodell dar“ (Meier/Jarren 2001: 152). Mit Hilfe von Online-Medien können ohne grossartigen Mehraufwand bestimmte Zielgruppen direkt angesprochen werden. Zudem haben die Unternehmen die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen auszubauen, indem sie beispielsweise einen Online-Shop betreiben (vgl. Rager 1999: 141).
Nachdem hier die Ursachen erläutert wurden, werden im nächsten Kapitel die Ebenen und Folgen dargestellt.
2.2.4 Ebenen und Folgen der Kommerzialisierung
Die Ökonomisierung manifestiert sich auf verschiedenen Ebenen. Auf der des Individuums/ Journalisten, des Unternehmens und des Marktes (vgl. Heinrich 2001: 161). Die einzelnen Ebenen sollen hier aufgezeigt werden.
Die Ebene des Individuums/ Journalisten (Mirkoebene): Kommerzialisierung auf der Ebene des Individuums bedeutet, dass sich der einzelne Journalist durch ein Kosten- Nutzen-Denken auszeichnet. Damit einher geht der Rückgang von ethischem Denken. Die alte journalistische Ethik verlangt von den Journalisten ein Handeln, ausgerichtet auf die Gemeinwohlorientierung und auf die Stellungnahme zu und Kritik an Sachver- halten. Sie sind also wesentlich an der Meinungsbildung der gesamten Bevölkerung beteiligt (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 198). Diese ethische Aufgabe lässt sich aber kaum mehr mit den ökonomischen Vorgaben vereinbaren. Es entsteht eine andere Berufs- norm, basierend auf einer egoistischen Nutzenmaximierung, die weitreichende Folgen für die Medienprodukte haben kann (vgl. Heinrich 2001: 162). Auch wenn eine solche Entwicklung bei einzelnen Journalisten vermutet werden kann, werden diese kostenori- entierten Rollenselbstbilder von den Journalisten selber nicht unbedingt bestätigt (vgl. Marr et al. 2001: 123ff.). Trotzdem kann von einer Ökonomisierung der Journalisten gesprochen werden. Auch wenn sich die Journalisten in der Rolle der Aufklärer sehen, müssen sie dennoch ökonomisch denken, egal ob freier Journalist oder festangestellter Redaktor. Während nämlich beim Aufklärungsjournalismus die Kosten steigen und gleichzeitig die Bezahlung abnimmt, ist es beim Unterhaltungsjournalismus genau um- gekehrt (vgl. Heinrich 2001: 162). Die Folge der Kommerzialisierung auf individueller Ebene ist also „der Trend zu einem Unterhaltungs-, Nutzwert-, Werbeumfeld-, Grenz- gewinn-, Kauf-, Konzern- und Kaskadenjournalismus“ (Heinrich 2001:165).
Die Ebene des Unternehmens (Mesoebene): Auf der Ebene des Unternehmens wird die Ökonomisierung am konsequentesten umgesetzt. Die Unternehmen werden ökonomi- siert, was so viel heisst wie in einer Wechselwirkung zwischen Markt und Wettbewerb zu stehen (vgl. Altmeppen 2001: 195). Die Unternehmen stellen aber den ökonomischen über den publizistischen Wettbewerb. Sie richten sich primär nach der Maximierung des Shareholder-Values. Das heisst, sie wollen einen für ihre Anlieger optimalen Gewinn erzielen. Alle anderen Ansprüche werden diesem Ziel untergeordnet, so auch diejenigen der Stakeholder. „Als Stakeholder einer Unternehmung bezeichnet man jene Gruppen der Gesellschaft, die die Unternehmung beeinflussen und/ oder von ihr beeinflusst wer- den, also z.B. Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer, Kreditgeber oder der Staat als Sub- ventionszahler und Steuerempfänger“ (Heinrich 2001: 162).
Zwei Bereiche spielen im Ökonomisierungsprozess von Unternehmen eine wesentliche Rolle. Einerseits wird die allokative Effizienz gesteigert. Das heisst, „durch Produktin- novationen die Produktqualität immer mehr den Konsumentenpräferenzen anzupassen und/oder durch Werbung die Konsumentenpräferenzen zu beeinflussen“ (Heinrich 2001: 162). Dies ist ein Marketinginstrument und kann auch als Qualitätswettbewerb bezeichnet werden. Andererseits wird die Produktivität mit Hilfe von Prozessinnovatio- nen und betrieblicher Reorganisation gesteigert. Auch dies ist ein Marketinginstrument und wird als Kostenwettbewerb bezeichnet (vgl. Heinrich 2001: 162).
Die allokative Produktionsweise zielt also vor allem darauf ab, die Produkte an die Konsumenten- und Werbekundenwünsche anzupassen. Mit Hilfe von Rezipientenfor- schung wird versucht, den Kundenwünschen bestmöglichst zu entsprechen (vgl. Saxer 1998: 11). Die Rezipienten verlangen einen Informations- und Unterhaltungsnutzen, was eine vermehrte Ausrichtung der Medieninhalte Richtung Unterhaltung auf Kosten des Aufklärungsjournalismus zur Folge hat. Es findet also eine Entpolitisierung der Me- dieninhalte statt (vgl. Blöbaum 2000: 139f.). Die Ausrichtung auf die Wünsche der Werbekunden bedeutet, eine möglichst grosse Reichweite, resp. Einschaltquote und einen Zielgruppenbezug zu erreichen. Diese Zielgruppenorientierung hat damit eine Segmentierung des Marktes zur Folge (vgl. Wyss 1997: 15). Die Medienprodukte wer- den also auf ein für die Werbekunden möglichst attraktives Zielpublikum ausgerichtet. Dies ist besonders gefährlich, weil sich die Inhalte insbesondere bei Massenmedien an- gleichen - also eine Homogenisierung die Folge ist - und ein objektiver Journalismus zugunsten eines Werbeumfeldjournalismus verdrängt werden kann und wird (vgl. Hein- rich 2001: 163).
Die produktive Effizienz kann durch zahlreiche ökonomische Massnahmen erreicht werden (vgl. Heinrich 2001: 163f.):
- Als erstes werden die Prozesskosten überwacht. Das heisst, jede einzelne Mass- nahme wird dahingehend überprüft, ob damit ein zusätzlicher Gewinn erzielt werden kann. Solche Massnahmen können einen Billigjournalismus zur Folge haben, was einerseits die Qualität in Frage stellt und andererseits den Einfluss von PR-Aktionen (vgl. Kapitel 2.4.1) aufgrund fehlender Zeit erhöht.
- Ein Outsourcing der Produktion steht ebenfalls als Instrument zur Verfügung. Dies macht Sinn, weil der Markt normalerweise billiger produziert als das eige- ne Unternehmen. Es führt jedoch zu einem Kaufjournalismus, dessen Qualität schwer überprüfbar ist und die publizistische Vielfalt verringert.
- Als letztes probates Mittel wird der Aufbau von Verwertungsketten gesehen. Dies erlaubt eine mehrfache Verwertung von Informationsinhalten, was aber ei- nerseits zu einer vermehrten Verbreitung gleicher Inhalte und andererseits zu ei- ner Verflachung der behandelten Themen führt.
Die Ökonomisierung auf Unternehmensebene hat also weitreichende Folgen. Sie führt dazu, dass die Unternehmen einerseits ihre Inhalte auf die Werbekunden ausrichten und andererseits die Produktionsweise dahingehend verändert wird, dass billig produziert werden kann. Am meisten leidet die meritorische Aufgabe der Medien unter dieser Entwicklung. Es kann also eine Verflachung und Vereinheitlichung der Medieninhalte festgestellt werden.
Die Ebene der Politik/ des Marktes (Makroebene): Auf dieser Ebene bedeutet Kommer- zialisierung den Prozess der Deregulierung und Liberalisierung des Medienmarktes (vgl. Altmeppen 2001: 195). Das heisst also eine Öffnung des Marktes für theoretisch jedermann, auch wenn in der Schweiz auf dem Rundfunkmarkt Lizenzen vergeben wer- den, damit keine völlige Deregulierung eintrifft. Aber auf jedem Markt gibt es private Anbieter, die wirtschaftlich handeln müssen. Dies führt nun dazu, dass diejenigen, die die ökonomischen Richtlinien am schnellsten und konsequentesten durchsetzten kön- nen, überleben werden.
Eine Folge der Kommerzialisierung ist die Medienkonzentration, die im nächsten Kapitel besprochen wird. Kommerzialisierung und Medienkonzentration hängen stark zusammen. Erst die Kommerzialisierung führte vermehrt zu Medienkonzentrationen. Diese wiederum haben eine erneute Kommerzialisierung zur Folge. Im nächsten Kapitel wird deshalb auch immer wieder von Kommerzialisierung die Rede sein.
2.3 Medienkonzentration
Seit 1992 herrscht in der Schweiz ein rechtlich verankertes duales Rundfunksystem. Dies schaffte die Basis für private Radio- und Fernsehanbieter, eine Konzession für die Verbreitung ihrer Programme zu erhalten. Der Pressemarkt hat aus historischen Grün- den praktisch keine Einschränkungen (vgl. Rathgeb 1996: 156). Doch von allen Me- dienunternehmen wird ein Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Wahrnehmung des öffentlichen Dienstes erwartet. Viele kleinere Zeitungen konnten sich aber in den 90er Jahren finanziell nicht mehr über Wasser halten (vgl. Bundesamt für Statistik 2001: 7). Kleine Reichweiten und enorm hohe Fixkosten waren für zahlreiche Unternehmen der Todesstoss. Entweder fusionierten mehrere kleine Zeitungen oder aber sie wurden von den Grösseren aufgekauft. Die Konzentrationsprozesse im Mediensektor nahmen ihren Lauf.
Im Kapitel Kommerzialisierung wurden die Aufgaben der Medien kurz besprochen. Zum besseren Verständnis, weshalb die Medienkonzentration für die publizistischen Produkte und schlussendlich auch für die Journalisten ein Problem ist, sollten die Aufgaben der Medien präsent sein. Hier folgt als erstes ein Überblick über die verschiedenen Ebenen der Konzentration. Darauf werden die Ursachen untersucht, zum Schluss die positiven und negativen Folgen der Medienkonzentration dargestellt.
2.3.1 Was ist Medienkonzentration?
Es gibt grundsätzlich vier Formen von Medienkonzentration. Die Fusion, den Konzern, das Gemeinschaftsunternehmen sowie kooperatives Marktverhalten.6 All diese Verbindlichkeiten handeln ex ante und reduzieren somit den Entscheidungs- und Handlungsspielraum aller Beteiligten, also im Prinzip die Freiheit des Wettbewerbs. Neben den vier Formen gibt es drei Ebenen von Konzentration im Mediensektor. Die horizontale, die vertikale und die diagonale (vgl. Heinrich 1999: 200).
Die horizontale Konzentration: Horizontale Konzentration heisst vermehrter Zusam- menschluss, Übernahmen oder Betriebseinstellung in einem spezifischen Mediensektor. Besonders betroffen waren in den letzten Jahren die Printmedien. In der Schweiz ist die Zahl der Pressetitel von 1980 bis 1999 um ein Viertel geschrumpft. Vor allem die Blät- ter mit geringeren Auflagen von bis zu 10'000 Exemplaren waren von diesen Fusionen und Einstellungen betroffen. Es ist also anzunehmen, dass vor allem im lokalen und regionalen Zeitungsmarkt ein starker Einbruch erfolgte (vgl. Bundesamt für Statistik 2001: 7). Horizontale Konzentration bedeutet, dass es immer weniger unterschiedliche Pressetitel gibt, die sich gegenseitig substituieren können. Eine Folge der horizontalen Konzentration ist der schrumpfende wirtschaftliche, insbesondere aber publizistische Wettbewerb sowie eine (quasi) Monopolstellung und damit eine Marktmacht einzelner Medienunternehmen, meist auf regionaler Ebene (vgl. Weber 1995: 13ff., vgl. Seufert 1997: 261).
Im Rundfunkmarkt ist eine horizontale Konzentration nur schwer möglich. Einerseits bedingt durch das „Drei-Ebenen-Modell“, das die einzelnen Veranstalter auf „ihre“ Ebene gesetzlich beschränkt. (Das heisst z.B.: Lokal- oder Regionalradios dürfen nicht in einer anderen Region auf Sendung gehen.) Andererseits ist die Aktienübernahme eines Rundfunkanbieters von in der selben Region agierenden Radio- und Fernsehsen- dern konzenssionsrechtlich nicht erlaubt, was eine horizontale Konzentration fast un- möglich macht. Auf sprachregionaler und nationaler Ebene hat die Schweizerische Ra- dio- und Fernsehgesellschaft (SRG) (wieder) praktisch eine Monopolstellung. Die Ge- fährdung eines horizontalen Konzentrationsprozesses erledigt sich von selbst (vgl. We- ber 1995: 18f.).
Die vertikale Konzentration: Unter vertikaler Konzentration wird die Expansion von Medienunternehmen in vor- oder nachgelagerte Märkte verstanden (vgl. Seufert 1997: 258). Solche vertikalen Konzentrationen können unterschiedliche Formen annehmen. Vorgelagerte Märkte sind z.B. Nachrichtenagenturen. Die grösste schweizerische Nach- richtenagentur ist die Schweizerische Depeschen Agentur (SDA), die von Zeitungsver- legern und der SRG kontrolliert wird. Sie ist also, wenn auch in mehreren gleichzeitig, in die Unternehmen integriert. Zudem besitzt die SDA für inländische Nachrichten eine Monopolstellung. Für ausländische Nachrichten steht sie in Konkurrenz mit ausländi- schen Nachrichtenagenturen insbesondere mit der Associated Press (AP) (vgl. Weber 1995: 108ff). Zu den nachgelagerten Märkten zählen im Pressewesen hauptsächlich integrierte Druckerein und eigene Zustelldienste (vgl. Seufert 1997: 263).
Bei die elektronischen Märkten versteht man unter vertikaler Konzentration „die Verei- nigung der aufeinanderfolgenden Produktions- und Handelsstufen von der Programm- produktion über den Besitz von Fernsehsendern bis hin zum Betrieb von Videotheken- ketten“ (Vollbrecht 2002: 7, vgl. Meier 1994: 22). Diese vertikale Integration ist aber in der Schweiz noch nicht so weit entwickelt. Dies hat insbesondere damit zu tun, dass es für kleinstaatliche Mediensysteme wie wir sie in der Schweiz haben, aufgrund von fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen beinahe unmöglich ist, eine leistungsfähige audiovisuelle Industrie aufzubauen (vgl. Rathgeb 1996: 15).
Das Problem der vertikalen Integration besteht insbesondere darin, dass sich die Me- dienunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber weniger integrierten Unter- nehmen verschaffen können und damit den Wettbewerb verzerren oder völlig aufheben. Die diagonale Konzentration: Wenn sich Medienunternehmen verschiedener Produkte zusammenschliessen, wird von diagonaler Konzentration gesprochen. Das heisst, dass sich z.B. ein Verleger an einem Rundfunkunternehmen beteiligt oder umgekehrt. Durch solche Verflechtungen entstehen kleinere, mittlere oder riesige Multimediaunterneh- men. Die Folgen dieser Integration sind „merkliche Auswirkungen auf das publizisti- scher Wirkungspotential des Unternehmens“ (Tschon 2002:86), das heisst, sie erhalten eine enorme Macht in bezug auf die Beeinflussung der Rezipienten sowie gegenüber Politik und Wirtschaft.
Alle drei Arten der Konzentration haben schwerwiegende Folgen für zahlreiche Bereiche unserer Gesellschaft, auf einzelne wird später eingegangen. Zuerst werden die Ursachen für die Medienkonzentration aufgezeigt.
2.3.2 Ursachen der Medienkonzentration
Die Ursachen für Medienkonzentrationen sind meist auch zugleich die Folgen. Um das trennen zu können, werden als Ursachen die wirtschaftlichen Vorteile der einzelnen Unternehmen aufgezeigt. Neben allgemeinen wirtschaftlichen Faktoren wie Grössen- vorteile gibt es mehrere medienspezifische, die in Betracht kommen (vgl. Heinrich 1999: 201).
Grundsätzlich gibt es drei allgemeinere Entwicklungen, welche den „Aufstieg“ der Medien als Institution beeinflussen (vgl. Trappel et al. 2002: 1).
Ökonomisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen: Der Grundstein für die Presseund spätere Medienkonzentration wurde im 19. Jahrhundert mit der Einführung der Pressefreiheit gelegt. „Die Hauptursache für die Entstehung von Medienkonzentration liegt demnach in der spezifischen Form der Institutionalisierung der Presse und der in der Folge in grossem Masse vollzogenen Privatisierung und Kommerzialisierung der gesamten Medienindustrie“ (Trappel et al. 2002: 3).
Globalisierung und Hegemoniestreben: Schon seit Jahrezehnten wird der Einfluss von „Konsumgütern, Medienprodukten, Lebensstilen und Werthaltungen auf andere Länder, Kontinente und Kulturen“ (Trappel et al. 2002: 3) debattiert. In den 70er Jahren wurde der nordamerikanischen Kulturindustrie vorgeworfen, hegemoniale Interessen durch den Eintritt in ausländische Märkte zu verfolgen. Im darauffolgenden Jahrzehnt wurde versucht, diese Vorwürfe zu widerlegen. Die 90er Jahre schliesslich, brachten die Glo- balisierungsdebatte hervor, die zwar die alten Vorwürfe nicht entkräften konnte, aber zumindest eine neue Betrachtungsweise lieferte. Verfechter der Globalisierung bekräf- tigten immer wieder, dass ebendiese keine kulturelle Vereinheitlichung verursache. Demgegenüber argumentierten die Gegner, dass die Globalisierung zu einer Standardi- sierung von Produkten führe und damit Erfahrung, Geschmacks- und Lebensstil von Generationen und Klassen präge (vgl. Kiefer 2001: 23f.). Eine kulturelle Verarmung der Medienleistung und ein Verlust kultureller Identität seien die Folgen der Globalisierung (vgl. Trappel et al. 2002: 3f.).
Beschleunigung und Digitalisierung: In fast allen Lebensbereichen ist der Fortschritt der Digitaltechnik spürbar. Insbesondere wurden aber der internationale Finanz- und Kapitalverkehr, die Produktion digitaler Güter und die Medienindustrie beschleunigt. „Die Digitalisierung ist auch Grundvoraussetzung für die zunehmende Integration der Informations-, Kommunikations-, und Medienmärkte“ (Trappel et al. 2002: 4). Neue Möglichkeiten, aber auch Zwänge für die Inhalt- und Dienstintegration eröffnen sich durch die einheitliche Verwendung von digitalen Technologien (vgl. Kiefer 2001: 27f.). Externe Wachstumsprozesse von Medienunternehmen werden dadurch stimuliert und neue Formen der Medienkonzentration ermöglicht. Immer mehr entstehen temporäre Monopole, die umso besser ausgeschöpft werden können. Insbesondere mit Hilfe einer höheren Reichweite. Die vertikalen und diagonalen Konzentrationsanreize nehmen zu (vgl. Trappel et al. 2002: 4).
Des weiteren gibt es konkrete Anhaltspunkte, meist Folgen der gesamten Kommerziali- sierung, die für eine Vergrösserung der Medienunternehmen sprechen. Fixkosten: Die Medien haben extrem hohe Fixkosten, egal wie viel von einer Einheit hergestellt wird. Demgegenüber sind die variablen Kosten eher gering. Je mehr also produziert wird, desto kleiner sind die Kosten pro hergestellte Einheit (vgl. Beck 2002: 128f.). Es müssen demnach optimale Betriebs-, Serien- und Absatzgrössen gefunden werden. Es ist somit nachvollziehbar, dass es am billigsten ist, wenn ein Produkt von einem Monopolisten hergestellt wird (vgl. Trappel/Meier 2002: 57). Publikum und Werbemarkt: Auch die Anzeigen-Auflagen-Spirale kann als eine Ursache für Medienkonzentrationen gesehen werden. Je höher die Auflage, desto attraktiver wird die Werbefläche, umso grösser werden die Mehreinnahmen aus Werbung und Verkauf. Diese Erlöse werden wiederum in die Attraktivität des Blattes investiert, womit die Auf- lage erneut erhöht werden kann und der Prozess von vorne beginnt (vgl. Beck 2002: 131f.). Für den Rundfunk gilt das selbe.
Risikoverteilung: In diagonal verflochtenen Medienunternehmen können die Risiken für die einzelnen Produkte gestreut werden. Das heisst, ein defizitäres Produkt muss nicht gleich eingestellt werden, sondern kann quersubventioniert und somit - meist aus Marktabschottungsgründen - am Leben erhalten werden (vgl. Tschon 2002: 64). Verbundvorteile: Dieser Vorteil kommt vor allem Multimediakonzernen zu gute. Sie profitieren von dieser „economie of scopes“. Einmal produzierte Inhalte können inner- halb des Medienbetriebes mehrfach verwendet und verkauft werden. Die Herstellung mehrerer Produkte führt in einem solchen Fall zu niedrigeren Gesamtkosten als wenn unterschiedliche Unternehmen die Produkte hergestellt hätten (vgl. Trappel/Meier 2002: 57, vgl. Heinrich 1999: 204).
Cross-Promotion: Unter Cross-Promotion wird verstanden, dass ein Multimediakonzern in der Lage ist, seine eigenen Produkte und Dienstleistungen in den anderen Produkten zu bewerben und deren Bekanntheit durch Thematisierung zu begünstigen7 (vgl. Seufert 1997: 270, vgl. Tschon 2002: 64).
Economies of multiformity: Insbesondere multimedial verflochtene Unternehmen profitieren von diesen Vorteilen. Vorhandene Infrastruktur kann in benachbarten Industrien nutzbar gemacht werden. So z.B. ein Fernsehkabelnetzbetreiber, der in das Fernsehgeschäft eintritt. Multiformity kann aber auch bedeuten, dass z.B. ein Künstler auf mehreren Ebenen vermarktet werden kann8 (vgl. Trappel/Meier 2002: 57). Marktabschottung durch vertikale Integration: Ein vertikal gut integriertes (Monopol-) Unternehmen macht es anderen Wettbewerbern beinahe unmöglich, in den Markt einzusteigen. Durch die Kontrolle von der Produktion bis zur Verteilung wird eine Abhängigkeit von anderen Unternehmen verhindert. Gleichzeitig können allfällige Wettbewerber besser kontrolliert werden (vgl. Seufert 1997: 270).
Der letzte grosse Umbruch in der Medienlandschaft Schweiz (Abbau bei SF DRS, Schluss für die beiden privaten TV’s, diverse Sparszenarien, Zusammenschluss von Zeitungen usw.) liegt laut Blum insbesondere in der Konjunktur begründet (Blum o.J.:
1). Es ist nachvollziehbar, dass eine schlechte Wirtschaftslage einen Einbruch in dem für die Medien überlebenswichtigen Werbemarkt bedeutet. Die Folgen sind Einsparun- gen. Um überleben zu können, gruppieren sich die Medien in der Schweiz so, dass sie dem Publikum konkurrenzfähige Angebote bieten und auf diesen kleinen Märkten be- stehen können. Konkret heisst das, dass sich die grossen Medienunternehmen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und dort ihr Angebot ausbauen wollen und z.B. neue Sonn- tags-Zeitungen, neue Wochen-Medien oder veränderte Angebote im Radio- und TV- Bereich anbieten. Die kleineren Medien haben nur eine Chance, wenn sie sich zusam- menschliessen. Ansonsten verschwinden sie (vgl. Blum o.J.: 1). Es scheint also eine logische Folge, dass gerade in einer wirtschaftlich schlechten Zeit solche Konzentrati- onsprozesse stattfinden. Zudem hat diese Entwicklung eine enorme Sogwirkung. Je mehr grosse Multimediaunternehmen es gibt, desto schlechter stehen die Chancen für kleinere Unternehmen.
Die Folgen solcher Prozesse sind vielseitig. Zuerst sollen hier die positiven Aspekte kurz vorgestellt werden.
2.3.3 Vorteile der Medienkonzentration
Die Vorteile der Medienkonzentration sind rein ökonomischer Natur und meist nur für die Unternehmen selber vorteilhaft, nicht aber für ihre Umwelt. Durch eine Vergrösse- rung des Unternehmens kann in der Regel die wirtschaftliche Effizienz verbessert wer- den. Viele der ökonomischen Vorteile entsprechen eigentlich den bei den Ursachen auf- gezeigten Anreizen zur Medienkonzentration. Es können Fixkosten gesenkt, Werbeein- nahmen erhöht, das Risiko verteilt, Verbundvorteile und Cross-Promotionen ausgenutzt werden. Zudem ist ein solches Unternehmen fähig, die „Multiformity“ gewinnbringend zu betreiben sowie auch den Markt gegenüber anderen Wettbewerbern abzuschotten. Primär sind es also Grössenvorteile in verschiedenen ökonomischen Bereichen (vgl. Tschon 2002: 61ff.).
Es ist aber auch möglich, dass ein Zusammenschluss von kleineren Medienunternehmen zu einem grösseren - also eine horizontale Konzentration - die einzige Möglichkeit ist, einen Wettbewerb aufrechtzuerhalten oder überhaupt bestreiten zu können. Von diesem Gesichtspunkt aus kann also eine Fusion oder ein Zusammenschluss die Monopolsitua- tion eines anderen Unternehmens gefährden (vgl. Heinrich 1999: 205). Doch meist re- sultiert aus einem solchen Zusammenschluss eine Duo- oder allenfalls Oligopolsituati- on. Das heisst, die Marktmacht ist nicht mehr nur auf ein Medienunternehmen be- schränkt, sondern eben auf zwei oder wenige mehr. Solche Duo- oder Oligopolsituatio- nen sind aber wettbewerbstechnisch gesehen nicht weniger gefährlich als Monopolsitua- tionen. Denn die Gefahr besteht, dass sich die Teilhaber solcher Mächte über Preise absprechen, was zwar eigentlich gesetzlich verboten ist, jedoch nicht immer nachgewie- sen werden kann (vgl. Seufert 1997: 261ff.).
Die vertikale Konzentration ist für die Unternehmen von enormem Vorteil. Sie können durch eine Abschöpfung der Wertschöpfungskette ihre Risiken, Gewinne und somit Wettbewerbsvorteile optimieren. Von besonderem Nutzen sind die Mehrfachverwen- dungen publizistischer Inhalte über verschiedene Vertriebskanäle. Der grösste Vorteil ist also wie schon bei den Ursachen beschrieben die Abschottung des Marktes gegenüber Konkurrenten (vgl. Tschon 2992: 66f.).
Die diagonale Konzentration hat vor allem operative Vorteile für das Unternehmen. Es kann Quersubventionierungen vornehmen, Cross-Promotion betreiben und Werbeflächen als Gesamtpaket zu besseren Konditionen anbieten. Zudem erhält das Medienunternehmen die Macht, auf die Inhalte der Produkte Einfluss zu nehmen (vgl. Tschon 2002: 65f., vgl. Seufert 1997: 269f.).
Für die Medienschaffenden scheint die vertikale und horizontale Konzentration, neben den negativen Folgen, die später besprochen werden, auch positive zu haben. So ermög- licht sie laut Meier „vielfach auch neue interessante Arbeitsplätze, bessere Aus- und Weiterbildung, grössere Arbeitsplatzsicherung und höhere Löhne“ (Meier 1994: 23). Für die Unternehmen sind also Konzentrationen von enormen ökonomischen und wett- bewerblichen Vorteilen, für die Medienschaffenden können sie durchaus auch positiv sein. Zudem können die Medienunternehmen gegenüber ausländischen Anbietern kon- kurrenzfähiger werden (vgl. Meier 1996: 145). Insgesamt sind aber die negativen Fol- gen der Medienkonzentration viel schwerwiegender. Sie werden im nächsten Kapitel genauer untersucht.
2.3.4 Die negativen Folgen der Medienkonzentration
Die Medienkonzentration bringt eine starke Kommerzialisierung mit sich, die aber wiederum mitverantwortlich für Medienkonzentrationen ist. Gleichzeitig erhalten die einzelnen Medienunternehmen mehr Macht. Diese beiden Faktoren haben folgenreiche Einflüsse auf viele verschiedene Bereiche unserer Gesellschaft. Dieses Kapitel widmet sich den negativen Folgen auf die Inhalte der Medienprodukte sowie den Auswirkungen auf die Journalisten und ihre Arbeitsplätze.
Allgemeine negative Folgen auf die Medieninhalte
Kommerzialisierung: Ausschlag für die vorwiegend negativen Folgen der Medienkon- zentration ist die Ausrichtung der Medienbetriebe nach vorrangig ökonomischen und nicht journalistisch-redaktionellen Richtlinien. Der Medienbetrieb muss sich inhaltlich so ausrichten, dass möglichst profitabel gewirtschaftet werden kann. Wirtschaften heisst im Mediensektor, möglichst viel Werbefläche zu den optimalsten Konditionen zu ver- kaufen. Die Medien versuchen sich so einzurichten, dass sie ein für die Werbekunden möglichst attraktives also allgemeines Publikum erreichen. Extrem ausgedrückt diktiert also die Ökonomie, besser gesagt die Werbekundschaft, die Inhalte der Medien. „Aktua- lität“, „Exklusivität“ und „Sensationalität“ werden Diktatoren der Medieninhalte (vgl.
[...]
1 Der Einfachheit wegen wird in der gesamten Arbeit grundsätzlich in männlicher Form geschrieben, wobei die Frauen selbstverständlich miteingeschlossen sind.
2 Unter „Helfer-Berufen“ werden primär verstanden: Ärzte, Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Lehrer usw. (vgl. Burisch 1994: 14f.).
3 Diese Kategorie basiert nicht auf Burischs Ausführungen. Sie ist eine eigene Schlussfolgerung.
4 Grundsätzlich ganzes Kapitel vgl. Bodin 2000: 15ff.
5 Michael Bodin untersucht in seiner Studie empirisch das Burnout bei Journalisten. Vorgelagert ist dieser Untersuchung ein theoretischer Teil, der das Burnout in Verbindung mit Journalisten bringt. Dieser theoretische Teil ist die Basis für den hier vorgestellten Zusammenhang zwischen Journalisten und Burnout. Genauere Angaben zum empirischen Teil der Arbeit von Bodin folgen in Kapitel 3.5.
6 Für eine nähere Beschreibung der verschiedenen Formen der Konzentration vgl. Heinrich 1999: 200.
7 Aktuelles Beispiel dazu: „Deutschland sucht den Superstar“. Die Show wird auf RTL gezeigt, auf den anderen konzerneigenen Sendern und Medienprodukten beworben. Gleichzeitig wird aber auch auf Konkurrenzsendern „unfreiwillig“ Werbung für die Show gemacht.
8 Hier kann wiederum „Deutschland sucht den Superstar“ als aktuelles Beispiel genannt werden. Die Show läuft auf RTL, ein Hintergrundmagazin auf VOX, diverse Links, Chats usw. sind auf der der RTL-Homepage angehängten Superstar-Homepage zu finden. Nebenbei wird vom konzerneigenen Musiklabel BMG (Bertelsmann Music Group) eine CD produziert. Gleichzeitig gibt der dazugehörige Verlag eine wöchentliche Zeitschrift mit Hintergrundinformationen rund um die Show heraus. Dazu kommen zahlreiche Fanartikel wie Sammelkarten, T-shirts, Klingeltöne, DVD’s usw. Zudem gehen die Finalisten auf Tour, weshalb die Tourtickets auf der Homepage bestellt werden können (vgl. http://deutschlandsuchtdensuperstar.rtl.de/default.htm).
- Arbeit zitieren
- lic. phil. Viviane Gutzwiller (Autor:in), 2003, Weshalb steigen Journalisten aus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139458