Neutestamentliche Exegese - Tempelreinigung Mt. 21, 12-17


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 2+

Anika Dehnbostel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorbesinnung

1. Übersetzungsvergleich

2. Kontext und Abgrenzung

3. Gliederung

4. Formkritik und mündliche Überlieferung

5. Literarkritik
5.1 Synoptischer Vergleich
5.2 Redaktionsgeschichte

6. Traditionsgeschichte

7. Begriffserklärungen

8. Religionsgeschichtliche Reflexion

9. Einzelexegese

10. Skopus

11. Verkündigungsansatz

Literaturverzeichnis

0. Vorbesinnung

Beim Lesen des Textabschnittes über die Tempelreinigung musste ich sofort an die Verfilmung des Rock-Musikals „Jesus Christ Superstar“ denken. Keine Szene ist mir so präsent, wie die der Tempelreinigung. Laute Musik untermalt das temperamentvolle Handeln Jesu und zeigt wie Jesus Postkartenständer vor dem Tempel umwirft. Damals war ich beim Schauen des Films sehr überrascht über diese cholerische Ader, die Jesus dazu bewegte „mal gründlich aufzuräumen“.

Auch in der gegenwärtigen Zeit erscheint mir diese so lange zurückliegende Begebenheit mehr als aktuell. Im Dezember letzten Jahres stand ich in der Kathedrale „Notre- Dame“ in Paris und habe ansatzweise nachfühlen können, was Jesus damals durch den Kopf gegangen sein muss. Überall waren Souvenirs zu erhalten, es gab Postkarten, Münzdruckautomaten, Kerzen für die Heiligen und alles für sehr hohe Preise. Eintritt musste man nicht bezahlen, aber solche Kirchen gibt es inzwischen auch schon. Es wird nur allzusehr deutlich, dass die Menschen die Ehrfurcht vor den Gotteshäusern verloren haben.

Besonders auffallend an der Perikope aus Mätthaus 21 ist die Begegnung zwischen Jesus und den Hohenpriestern und Schriftgelehrten. Er konfrontiert sie mit Zitaten der Heiligen Schrift, während die Hohenpriester und Schriftgelehrten über Jesu Auftreten zunehmend ärgerlich werden.

Interessant an dem Text ist auch das Lob des Sohnes Davids aus dem Munde der Kinder. Wieder sind es die Kinder, die anscheinend verstanden haben, was wirklich wichtig ist. Dieser kindliche Glaube wird von Jesus auch an anderer Stelle zum Vorbild für uns Menschen gemacht.

Im Folgenden möchte ich klären, was es konkret mit den Zitaten der alttestamentlichen Verse auf sich hat und welche Bedeutung Jesu Tempelreinigung für die damalige Zeit hatte. Es stellt sich mir die Frage, ob wirklich niemand damit gerechnet hat, dass Gott dieser Tempelentweihung entgegentreten würde, schon gar nicht in Form des inkarnierten Christus.

1. Übersetzungsvergleich

Zum Vergleich der Textstellen möchte ich folgende Bibelübersetzungen heranziehen: die revidierte Lutherbibel von 1984 (LU), die MacArthur Studienbibel – Schlachter Version 2000 (MAS) und die Interlinearübersetzung von Ernst Dietzfelbinger.

Trotz der unterschiedlichen Übersetzungen lassen sich überraschenderweise nur kleine Abweichungen beim Gebrauch einzelner Worte finden. Für das Textverständnis haben diese Worte keine größere Bedeutung, dennoch sollen hier einige genannt werden. In Vers 12 ist bei Luther die Rede von den „Ständen“ der Taubenhändler, in der MAS sind es „Stühle“ und in der Interlinearübs. wird das Wort „Sitze“ verwendet. Durch den Begriff „Stände“, den Luther anführt, entsteht ein größeres inneres Bild von den Taubenhändlern und deren „Warenangebot“.

Die MAS schreibt im selben Vers als Einzige Tempel „Gottes“, was noch einmal darauf hinweist, dass sich Jesus in Jerusalem befindet, da dort der Tempel Gottes, das zentrale Heiligtum der Juden, steht.

In Vers 15 preisen „paidaj“ den Sohn Davids. In allen drei Übersetzungen wird das Wort „Kinder“ verwendet, obwohl das Wort auch mit „Knaben“ wiedergegeben werden kann und damit wahrscheinlich auch passender wäre, da sich während des Passahfestes viele 12-jährige Jungen in Jerusalem versammelten, um sich auf ihr Bar Mizwah vorzubereiten.[1]

Eine letzte Abweichung findet sich ebenfalls in Vers 15 bei dem in der LU und MAS verwendeten Wort „entrüsten“. In der Interlinarübs. wird das Wort mit „unwillig werden“ übersetzt. Mit den Worten „unwillig werden“ wird noch mehr verdeutlicht, dass sich die Hohenpriester und Schriftgelehrten nicht nur entsetzt haben, sondern sich vielmehr verweigert haben gegen Jesu Äußerungen und nicht willig waren, diese in irgendeiner Form zu akzeptieren.

Während dieser Arbeit werde ich mich an der Lutherübersetzung orientieren, da sie sich nah am griechischen Urtext hält und mir vertraut ist.

2. Kontext und Abgrenzung

Da ich mich bei meiner Exegese für die Lutherübersetzung entschieden habe, werde ich die Abgrenzung des Textes auch an dieser verdeutlichen. Das Kapitel 21 beginnt mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. In den Versen 10-11 zieht Jesus in Jerusalem ein und erregt Aufsehen in der Stadt. Eine Menge, die Jesus nachfolgt, bekennt Ihn als Propheten aus Nazareth.

Vers 12 wird in der Lutherbibel mit einer neuen Überschrift eingeleitet, bevor es mit den Worten „Und Jesus ging in den Tempel hinein…“ weitergeht. Jesu erstes Handeln nach seinem Einzug in Jerusalem ist also das Aufsuchen des Tempels. Welche Bedeutung dieser direkte Weg in den Tempel hat, soll später erläutert werden. Vers 17 beschreibt, wie Jesus nach der Auseinandersetzung mit den Hohenpriestern und Schriftgelehrten den Tempel und die Stadt verlässt, um die Nacht in Betanien zu verbringen. Vers 18 wird wieder mit einer neuen Überschrift eingeleitet und es wird berichtet, wie Jesus erneut nach Jerusalem geht und dort einen Feigenbaum verflucht, um den Jüngern eine Lektion zu erteilen.

Die Tempelreinigung lässt sich also sehr gut als eigenständiger Abschnitt von den anderen Versen des Kapitels 21 trennen. Zu betonen ist dennoch, dass in Kapitel 20, 17-19 die letzte Leidensankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung erzählt wird. Der Einzug in Jerusalem und die Tempelreinigung stehen also unter einem besonderen Vorzeichen und Jesu Handeln verfolgt einen bestimmten Zweck, es ist also teleologisch zu verstehen.

3. Gliederung

1. Jesus kommt in den Tempel (szenischer Rahmen) V.12a
2. Aktion Jesu im Tempelvorhof V.12b
3. Lehre Jesu in direkter Rede mit Zitieren eines atl.Verses V.13
4. Jesus heilt Blinde und Lahme V.14
5. Reaktion der Gegner und Anhänger (hier: Kinder) Jesu V. 15
6. Dialog Jesu mit den Gegnern unter Einbezug eines weiteren atl. Verses V.16
7. Verlassen des Tempels und der Stadt (szenischer Rahmen) V.17[2]

Das Betreten und Verlassen des Tempels bildet einen szenischen Rahmen für die Erzählung der Tempelreinigung. Innerhalb dieses Rahmens kommt es zur Auseinandersetzung mit den Hohenpriestern und Schriftgelehrten. Die oben aufgeführte Gliederung soll das Geschehen im Tempel verdeutlichen mit besonderer Betonung der Verse 13 und 16, welche von einer direkten Konfrontation mit den Hohenpriestern und Schriftgelehrten berichten, in der

Jesus die Heilige Schrift zitiert.

4. Formkritik und mündliche Überlieferung

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine symbolische Handlung bzw. prophetische Zeichenhandlung Jesu. Die Erzählung beinhaltet aber ebenso Elemente eines Streitgespräches: Jesus provoziert durch seine „Säuberungsaktion“ und das Heilen der Lahmen und Blinden im Tempel. Nach dieser Heilung richten die Hohenpriester und Schriftgelehrten, aufgrund des Lobes des Sohnes Davids aus dem Munde der Kinder, eine kritische Frage an Jesus. Jesus antwortet mit einer Gegenfrage und anstatt mit einem Schlusswort zu enden, lässt er die Fragenden einfach stehen.

Obwohl auch hier von einer Heilung berichtet wird, liegt keine typische Heilungserzählung vor, da der Vers 14 keine Details über die Situation der Kranken liefert. Zudem ist der zentrale Punkt nicht die Heilung, obwohl es die letzte erwähnte Heilung vor Jesu Tod war und diese Erwähnung dem Verfasser des Matthäusevangeliums wichtig gewesen zu sein scheint.

Als Verfasser des Evangeliums wird Matthäus genannt, was auf den Zöllner von Kafarnaum verweisen könnte, den Jesus nach Mt. 9,9 und 10,3 in den Kreis der Zwölf berief[3]. Allerdings geht man heute von einem nicht näher bekannten judenchristlichen Lehrer als Verfasser aus, der noch Schüler der Apostel war.

Das Evangelium setzt den Untergang Jerusalems (70 n. Chr.) voraus. Es ist vermutlich zwischen 80 und 95 n.Chr. in Syrien entstanden. Es wendet sich an Judenchristen genauso wie an Heidenchristen.[4]

Die Erzählung der Tempelreinigung verbreitete sich wahrscheinlich nicht nur unter den Gelehrten, die sich mit diesem Streitgespräch auseinandersetzen (als Bestandteil der vormarkinischen Passionsgeschichte ist sie die Hauptursache der Feindschaft der Hohenpriester gegen Jesus[5] ), sondern auch unter der Menge, die dem verheißenen Messias bis nach Jerusalem und weiter folgte, bis hin zu den Armen und Kranken die durch Jesus nun die Legitimation hatten an

der Tempelgemeinschaft teilzunehmen, was der Gemeinde von Qumran ein

Dorn im Auge gewesen sein muss.[6]

Die Kritik Jesu an der Tempelentweihung hat sicherlich auch Einfluss auf das

Glaubensleben der damaligen Juden genommen und wurde in der Gemeinschaft thematisiert. Die sogn. kleinen Hausgemeinschaften im alten Israel lieferten mit der Bewahrung lokaler Erinnerungen an Jesus wichtige Berichte für die Evangelien. In Betanien muss es auch eine kleine Gemeinde von Jüngern gegeben haben, wo Jesus übernachtet haben wird.[7]

Möglicherweise ist die Erzählung der Tempelreinigung auch erst später in die mündliche Überlieferung der Verse 10f. /14-17 eingefügt worden, da weder die Kinder noch die Schriftgelehrten irgendeine Reaktion auf die Tempelreinigung zeigten und die Tempelreinigung bei Markus auch erst am darauffolgenden

Tag stattgefunden hat.[8]

5. Literarkritik

5.1 Synoptischer Vergleich

Die Tempelreinigung wird in allen vier kanonischen Evangelien berichtet. Da das Johannesevangelium für den synoptischen Vergleich nicht relevant ist, soll hier nur in einem Satz Bezug auf seinem Bericht über die Tempelreinigung gekommen werden.

Bei Johannes steht sie am Anfang des Wirkens Jesu (2,13-22). Laut Maier will Johannes keine konkrete Zeitfolge angeben, sondern die Tempelreinigung und die Tempelworte als eine Art Vorzeichen für das Evangelium verwenden.[9]

Aber auch bei Matthäus und Markus liegt eine unterschiedliche zeitliche Abfolge vor. Nach Markus (11, 11-19) hat die Tempelreinigung erst nach einer Nacht in Betanien stattgefunden. Vor der Tempelreinigung steht die Erzählung von der Verfluchung des Feigenbaumes, welche bei Mätthaus erst am Morgen nach der Tempelreinigung passiert. Schweizer vermutet, dass Matthäus damit eine logischere Abfolge zeichnen wollte. Der Zeitraum vom Einzug bis zur Vollmachtsfrage umfasse so nur noch zwei Tage, statt drei, wie es bei Markus der Fall ist.[10] Gemeinsam haben die ersten drei Evangelien (bei Lk. 19, 45f.), dass die Ereignisse der Verfluchung des Feigenbaumes und die Tempelreinigung in der Zeit direkt nach dem Einzug in Jerusalem geschehen. Im Lukasevangelium umfasst die Erzählung der Tempelreinigung nur zwei Verse. Möglicherweise sieht Lukas in der Tempelreinigung keine so große Bedeutung, wie Markus das getan hat. Da Lukas sein Evangelium auch besonders an damalige „Randgruppen“ gerichtet hat, hätte er sicherlich die Heilung im Tempel durch Jesus erwähnt, wenn er davon gewusst hätte. Da Markus diese Heilung aber nicht erwähnt, gehe ich davon aus, dass Matthäus Zugriff auf ihm verfügbares Sondergut hatte.

Bei Matthäus und Markus lassen sich meines Erachtens die meisten Übereinstimmungen finden. Markus schreibt von einem Verbot Jesu, dass das Tragen eines Gefäßes durch den Tempel untersagt (Mk.11, 16), welches bei Matthäus nicht zu finden ist. Dafür fügt Matthäus die Heilung im Tempel und die lobenden Kinder, die die Schriftgelehrten und Hohenpriester zum Dialog mit Jesus führen, hinzu (Mt. 21, 14-16).

Ich gehe von einer Markuspriorität aus, da die Tempelreinigung auch bei Matthäus wie Mk und Lk in die Zeit nach Jesu Einzug in Jerusalem gesetzt ist und Matthäus der einzige Evangelist ist, der über eine Heilung im Tempel in Jerusalem schreibt und ein, für Matthäus typisches, folgendes Streitgespräch einfügt.

5.2 Redaktionsgeschichte

Nun stellt sich die Frage, woher die bei Matthäus hinzugefügten Verse 14-16 stammen und was der Verfasser damit zum Ausdruck bringen wollte. Wie schon unter Punkt 4 erwähnt, sind die Verse 14-16 möglicherweise unabhängig von der Tempelreinigung mündlich überliefert worden. Dieses sog. Mt- Sondergut[11] hat der Verfasser des Matthäusevangeliums wahrscheinlich mit der Erzählung der Tempelreinigung des Markusevangeliums kombiniert. Die Herkunft des Mt-Sondergutes ist unklar, aber es wird vermutet, dass eine Reihe der Texte zu Q gehören.[12] Ob die Verse 14-16 nun aus Q stammen, oder aus der dem Evangelisten zugänglichen mündlichen Tradition, kann nicht eindeutig bestimmt werden. Auf jeden Fall würde dies für die Zwei-Quellen-Theorie sprechen, auch wenn die zweite Quelle evtl. eine mündliche ist.

[...]


[1] vgl. MacArthur Studienbibel, Anmerkungen S.1343

[2] vgl. Dschulnigg, Peter – Das Markusevangelium, S. 298

[3] vgl. Westermann, Claus – Calwer Bibelkunde, S. 242

[4] vgl. Westermann, Claus – Calwer Bibelkunde, S. 242

[5] vgl. Dschulnigg, Peter – Das Markusevangelium, S.298

[6] vgl. Schweizer, Eduard – Das Evangelium nach Matthäus, NTD 2, S.266

[7] vgl. Maier, Gerhard, Dr. – Matthäus-Evangelium 2.Teil, S.166

[8] vgl. Schweizer, Eduard – Das Evangelium nach Matthäus, NTD 2, S.265-266

[9] vgl. Maier, Gerhard, Dr. – Matthäus-Evangelium 2.Teil, S.159

[10] vgl. Schweizer, Eduard – Das Evangelium nach Matthäus, NTD 2, S. 265

[11] vgl. Schnelle, Udo – Einführung in die neutestamentliche Exegese, S.88

[12] vgl. Schnelle, Udo – Einführung in die neutestamentliche Exegese, S.89-90

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Neutestamentliche Exegese - Tempelreinigung Mt. 21, 12-17
Hochschule
CVJM-Kolleg Kassel
Note
2+
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V139509
ISBN (eBook)
9783640487868
ISBN (Buch)
9783640488049
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neutestamentliche, Exegese, Tempelreinigung
Arbeit zitieren
Anika Dehnbostel (Autor:in), 2008, Neutestamentliche Exegese - Tempelreinigung Mt. 21, 12-17, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139509

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