Amerikanische Kriegspropaganda unter George W. Bush

Entsprechen ausgewählte Reden des ehemaligen Präsidenten in Bezug auf den Irak und Iran (Stand: 2007) den zehn klassischen Prinzipien Lord Ponsonbys?


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die zehn Prinzipien der Kriegspropaganda
2.1 Wir wollen keinen Krieg
2.2 Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg
2.3 Der Feind hat dämonische Züge
2.4 Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele
2.5 Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten, unsere Fehler geschehen versehentlich
2.6 Der Feind verwendet unerlaubte Waffen
2.7 Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm
2.8 Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt
2.9 Unsere Mission ist heilig
2.10 Wer uns in Zweifel zieht, ist ein Verräter

3 Iran und Kriegspropaganda

4 Schlussfolgerung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Sei gewahr, dass Krieg zu führen stets auf Täuschung gründet.“[1]

Als der chinesische General Sun Tsu vor über 2500 Jahren diesen Satz auf ein Stück Bambus schrieb, zielte er eigentlich auf den Krieg an sich, also Schlachten, Kommandanten und Strategie ab. Die Aussage ließe sich aber ebenso gut aufs 20. und, wie ich darstellen werde, 21. Jahrhundert anwenden. Wie zuerst Arthur Lord Ponsonby in seinem Buch „Falsehood in Wartime“ zeigte[2], spielte Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle, und es ist anzunehmen, dass dies auch für Konflikte gilt, die weit vor unserer Zeit lagen. Anne Morelli wendete Ponsonbys Prinzipen schließlich auf den Zweiten Weltkrieg an und tangiert in der aktualisierten Ausgabe ihres Buches auch den zweiten Irakkrieg ab 2003. Diesen Ansatz werde ich in meiner Arbeit weiter verfolgen und im letzten Teil nachweisen, dass sich einzelne Elemente bereits in jenen Ansprachen finden, die nicht den Irak, sondern den Iran zum Thema haben. Im Unterschied zu Frau Morelli werde ich mich ausschließlich auf Primärquellen berufen, weil Zeitungsartikel oder Fernsehbeiträge zwar meiner Meinung nach ein gutes Stimmungsbild der Bevölkerung darstellen, höchstwahrscheinlich aber eben selber von den Aussagen der handelnden Personen beeinflusst worden sind. Anders gesagt: Sie generieren von sich aus keiner Propaganda, sondern sind Teil der Propaganda selbst[3].

Meine Arbeit schreibe ich vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Kriegen der Gegenwart in der Regel nicht um einen bewaffneten Konflikt zweier vergleichsweise ebenbürtiger Staaten, sondern um asymmetrische Kriege handelt[4] . Ob dies für den zweiten Irakkrieg gilt, mag eine andere Arbeit klären. Immerhin kämpften damals US-amerikanische Truppen gegen reguläre Streitkräfte des Irak. Spätestens seit Präsident Bush die Mission (nicht den Krieg) offiziell für beendet erklärte, handelt es sich allerdings ohne Zweifel um einen Kampf zweier ungleicher Gegner. „So sind Terroristen fast immer gleichermaßen eine demonstrativ inszenierte Drohung, die der angegriffenen Macht signalisiert, dass die Kosten für eine Weiterführung ihrer Politik kontinuierlich steigen werden, und ein Weckruf für den zu interessierenden Dritten [...].“[5] Die Kosten scheinen der Regierung Bush momentan noch nicht zu hoch zu sein, wie sich an der neuen Irak-Strategie ablesen lässt. Auch die entsprechende Rede werde ich auf Prinzipien der Kriegspropaganda hin untersuchen.

2 Die zehn Prinzipien der Kriegspropaganda

2.1 Wir wollen keinen Krieg

Krieg kann aus seinem ganzen Wesen heraus schwerlich sehr beliebt sein. Selbst wenn, wie Clausewitz schreibt, „die Leidenschaften, welche im Kriege entbrennen sollen, [...] schon in den Völkern vorhanden“[6] sind, erlahmen diese doch spätestens, wenn sich die Verluste der eigenen Partei häufen. „Da Krieg und seine grauenhaften Begleiterscheinungen nur selten populär sind, können Regierungen gar nicht umhin, sich vorab als Friedensfürsten darzustellen“[7], schreibt Morelli. Dies habe im Zweiten Weltkrieg nicht nur für die Alliierten, sondern auch für die Achsenmächte gegolten. So betonte Hitler laut Morelli, dass er keinen Konflikt mit Polen wünsche und im Gegenteil alles dafür tun werde, in einem friedlichen Verhältnis mit dem Nachbarland zu leben. Solche und ähnliche Aussagen sind indes keinesfalls nur auf die internationale Staatengemeinschaft gerichtet. Im Gegenteil ist häufig die Gesellschaft des eigenen Landes das Ziel, denn: „The psychological factor in war is just as important as the military factor. The morale of civilians, as well as of soldiers, must be kept up to the mark.“[8] Dass dies umso mehr in unserer modernen (Medien-)Landschaft gilt, zumal in einem demokratischen Land wie den Vereinigten Staaten, liegt auf der Hand.

In seiner Rede vom 28. Januar 2003 weist Bush denn auch darauf hin, dass seine Regierung Terroristen verfolgen und überhaupt alles für die Verteidigung des Landes tun werde. „This government is taking unprecedented measures to protect our people and defend our homeland.“[9] Damit rechtfertigte er vor allem die Maßnahmen zur schärferen Überwachung des Landes. Anschließend erklärte er, dass die USA eine Koalition zur Entwaffnung Saddam Husseins anführen würden, sofern dieser nicht freiwillig abrüste. Amerikaner in den Kampf zu schicken, sei eine der härtesten Entscheidungen, die ein Präsident treffen könne. Allein, es müsse sein, für den Frieden und die Freiheit der Welt: „For the brave Americans who bear the risk, no victory is free from sorrow. [...] We seek peace. We strive for peace. And sometimes peace must be defended.“[10] Zwei Monate später kündigte Bush den Beginn des Krieges an und verwies erneut darauf, dass die USA keine Ambitionen im Irak hätten, „außer die Bedrohung zu beseitigen und die Kontrolle der Bevölkerung über ihr eigenes Land wiederherzustellen“[11]. In einem Interview mit dem Stern rechtfertigte David Frum, ehemaliger Redenschreiber Bushs und Erfinder des Begriffs „Achse des Bösen“, ebenfalls den Präventivkrieg als notwendiges Übel: „Die Dinge werden durch Zögern eher schlechter als besser. Warten ist gefährlich.“[12]

2.2 Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg

Wie bereits oben gezeigt, insistierte der US-Präsident darauf, dass die amerikanischen Truppen für den Frieden und gegen den weltweit vernetzten Terrorismus kämpften. Eine Aussage, die auch zum zweiten Prinzip passt. „Alle Regierungen betonen immer wieder lauthals, dass manchmal Krieg geführt werden müsse, um dem Krieg ein für allemal ein Ende zu bereiten. Dieses sei nun der letzte Krieg, weil mit ihm sämtliche Konfliktursachen beseitigt würden“[13], wobei zu beachten ist, dass der zweite Teil dieses Zitates – leider? – eben gerade nicht auf die Regierung Bush zutrifft. So wird der Begriff Schurkenstaaten in aller Regel im Plural verwendet. Morelli zeigt, dass im Zweiten Weltkrieg der jeweilige Gegner als Aggressor dargestellt wurde. Tatsächlich aber gingen Kriege von der Nation aus, die dank neuester Waffen sicher sei, schnell zu siegen (was im Falle der USA, die den irakischen Truppen zweifellos turmhoch überlegen waren, ja auch stimmte – bis zu dem Moment, als der Konflikt asymmetrisch wurde). „The accusation of sole responsibility for the war is common form in every nation and in every war“[14], schrieb auch schon Ponsonby.

Schuldzuweisungen in Richtung Irak beziehungsweise Saddam Hussein finden sich in den Reden Bushs reichlich. Der Auftritt von Außenminister Collin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat ist aus heutiger Sicht wohl ein denkwürdiges Beispiel dafür, wie mit Hilfe von inzwischen nachweislich falschen Informationen der Gegner als verantwortlich für den Konflikt dargestellt wird. „Our enemies have declared this very intention, and have been caught seeking these terrible weapons. They want the capability to blackmail us, or to harm us, or to harm our friends”[15], sagte Bush im Juni 2002, noch ohne einen bestimmten Gegner zu nennen. Schließlich wiederholte er diese Sätze nahezu wörtlich im Frühjahr 2003, diesmal aber im Hinblick auf den Irak. „It is up to Iraq to show exactly where it is hiding its banned weapons, lay those weapons out for the world to see, and destroy them as directed. Nothing like this has happened.”[16] Und also sei das Land beziehungsweise Saddam Hussein allein verantwortlich für den drohenden Krieg. Bush gab auch eine Antwort darauf, warum der Diktator dies getan habe: „The only possible explanation, the only possible use he could have for those weapons, is to dominate, intimidate, attack.“[17]

2.3 Der Feind hat dämonische Züge

Ponsonby weist nach, dass der ursprünglich als Freund titulierte deutsche Kaiser mit Beginn des Ersten Weltkrieges dämonisiert wurde. Weil eine Nation aus vielen Millionen Einwohnern bestehe, mit denen sich die eigenen Soldaten oder die eigene Öffentlichkeit identifizieren könnten, sei es nötig, alles Böse auf einen Schurken, einen geistesgestörten, grausamen Feind zu projizieren. „Damit besteht das Ziel des Krieges darin, dieses Monster gefangen zu nehmen, was wiederum die sofortige Rückkehr von Moral und Zivilisation nach sich ziehen würde“[18], schreibt Morelli. Sie vermutet, dass Menschen eine klare Unterteilung in Gut und Böse brauchten und sich dabei auch nicht daran störten, dass der Feind früher einmal ein gern gesehener, im Falle Husseins sogar unterstützter Gast gewesen sei.

Es ist offensichtlich, dass genau diese Strategie auch im Falle des Irakkrieges verfolgt wurde. Zwar muss einschränkend gesagt werden, dass dies in diesem Zusammenhang angebrachter gewesen zu sein scheint, als es beispielsweise bei einer demokratisch gewählten Regierung der Fall gewesen wäre. Nichtsdestotrotz ist die Verkürzung der von Saddam Hussein geführten Staatsspitze auf den Diktator selbst eines der zentralen Merkmale der Reden Bushs, die den Irak zum Thema haben. So wird sein Name allein in der Rede vom 28. Januar 2003 annähernd 20 mal genannt, damals übrigens noch vollständig und nicht, wie später üblich, schlagwortartig als „Saddam“. Diesem Mann jedenfalls, erklärte der US-Präsident, müsse Einhalt geboten werden: „A brutal dictator, with a history of reckless aggression, with ties to terrorism, with a great potential wealth, will not be permitted to dominate a vital region and threaten the United States.”[19] Von der bildreichen Demontage der Saddam-Statuen nach dem Einzug in Bagdad bis zum Slogan „We got him“ – der Krieg gegen den Irak war vor allem in der Öffentlichkeit in erster Linie ein Krieg gegen den irakischen Diktator. Dieser schrecke auch nicht davor zurück, sein Volk kalt für eigene Zwecke zu benutzen, behauptete Bush zu Beginn des Krieges. „Saddam Hussein hat irakische Truppen und Ausrüstung in zivile Gebiete gebracht, um unschuldige Männer, Frauen und Kinder als Schutzschild für sein Militär zu benutzen, eine letzte Grausamkeit gegen sein Volk [Hervorhebung durch den Autor].“[20] Auch Osama bin Ladin wurde und wird als grausames Gesicht einer anonymen Vereinigung von Selbstmordattentätern dargestellt. In beiden Fällen hatte und hat die „verhasste Fratze des gegnerischen Führers“[21] mit Sicherheit ihre Berechtigung. Den Konflikt nur auf diese Personen zu reduzieren, war aber auch im Falle der USA im Irakkrieg ein wahrscheinlich höchst effizientes Mittel und Prinzip der Kriegspropaganda. Den Feind als nicht zurechnungsfähig darzustellen, hat den Effekt sicher verstärkt: „Trusting in the sanity and restraint of Saddam Hussein is not a strategy, and it is not an option.“[22] Eine Aussage, mit der Bush übrigens den Präventivschlag begründen wollte.

2.4 Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele

Nicht nur unter Verschwörungstheoretikern wurde heftig diskutiert, welche Ziele die Vereinigten Staaten im Irak wirklich verfolgten[23]. „Triebfeder des Krieges ist in der Regel der Wille zur geopolitischen Vorherrschaft verbunden mit ökonomischen Interessen. Für die öffentliche Meinung darf das jedoch nicht transparent gemacht werden.“[24] Folgt man der Autorin, so ist dies in der heutigen Zeit umso wichtiger, weil Kriege zumindest in demokratischen Staaten nur mit Zustimmung des Parlaments geführt werden können. Diese sei aber leichter zu erlangen, wenn Grundwerte wie Freiheit oder Demokratie offiziell auf dem Spiel stünden. „The fog [of falsehood] arises from fear and is fed by panic“[25], schreibt Ponsonby. Darüberhinaus seien Soldaten (und ihre Angehörigen) eher bereit, großes Leid auf sich zu nehmen, wenn „dem Krieg [der] Stempel eines modernen Kreuzzugs“[26] aufgedrückt werden könne. Im Ersten Weltkrieg hätten die Alliierten in der Öffentlichkeit unter anderem das Ziel ausgegeben, die Demokratie in der Welt durchzusetzen.

[...]


[1] Sun Tsu: „Über die Kriegskunst“, Marix Verlag, Wiesbaden 2005, Seite 22.

[2] Vgl. Morelli, Anne: „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“, zu Klampen Verlag, Springe 2004, Seite 7-9.

[3] Vgl. ebd., Seite 132.

[4] Vgl. Münkler, Herfried: „Die neuen Kriege“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2004.

[5] Ebd., Seite 181.

[6] Clausewitz, Carl von: „Vom Kriege“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2005, Seite 23.

[7] Morelli, Anne: „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“, zu Klampen Verlag, Springe 2004, Seite 11 (im Folgenden zitiert als : Morelli 2004).

[8] Ponsonby, Arthur Lord: „Falsehood in War-Time“, George Allen & Unwin Ltd., London 1928, Seite 14 (im Folgenden zitiert als: Ponsonby 1928).

[9] The White House (Hrsg.): Rede von Präsident George W. Bush vom 28. Januar 2003, im Internet abrufbar unter www.whitehouse.gov/news/releases/2003/01/20030128-19.html, Stand: März 2007 (im Folgenden zitiert als: Bush, 28. Januar 2003).

[10] Ebd.

[11] Rede von US-Präsident George W. Bush vom 19. März 2003, im Internet abrufbar unter www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,241106,00.html, Stand: März 2007 (im Folgenden zitiert als: Bush, 19. März 2003).

[12] Streck, Michael und Wichemann, Jan Christoph: Interview mit David Frum im Stern, online abrufbar unter www.stern.de/politik/ausland/510772.html?p=2&nv=ct_cb&eid=527009, Stand: März 2007.

[13] Morelli 2004, Seite 17.

[14] Ponsonby 1928, Seite 57.

[15] The White House (Hrsg.): „The National Security of the United States of America“, Seite 13, im Internet abrufbar unter www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf, Stand: März 2007 (im Folgenden zitiert als: White House: Security 2002).

[16] Bush, 28. Januar 2003.

[17] Ebd.

[18] Morelli 2004, Seite 36.

[19] Bush, 28. Januar 2003.

[20] Bush, 19. März 2003.

[21] Morelli 2004, Seite 35.

[22] Bush, 28. Januar 2003.

[23] Vgl. z. B. http://www.politikforum.de/forum/showthread.php?t=122638&page=20, Stand: März 2007.

[24] Morelli 2004, Seite 45.

[25] Ponsonby 1928, Seite 26.

[26] Morelli 2004, Seite 46.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Amerikanische Kriegspropaganda unter George W. Bush
Untertitel
Entsprechen ausgewählte Reden des ehemaligen Präsidenten in Bezug auf den Irak und Iran (Stand: 2007) den zehn klassischen Prinzipien Lord Ponsonbys?
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft )
Veranstaltung
"Medien und Krieg"
Note
1.0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V139613
ISBN (eBook)
9783640494453
ISBN (Buch)
9783640494521
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Irak, Iran, USA, Propaganda, Irakkrieg, Bush, Amerika, Krieg, Ponsonby
Arbeit zitieren
Peter Seiffert (Autor:in), 2007, Amerikanische Kriegspropaganda unter George W. Bush, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139613

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