Gibt es eine Grenze, wo die Komik nicht mehr das Recht hat, alles darzustellen, respektive der komische Code aus moralischen Gründen unangebracht ist? Was binnenkulturell eindeutig erscheint, ist interkulturell oft nur schwer durchschau- und
nachvollziehbar. Diese Diskrepanz und das besondere Verhältnis von fremd und komisch, beschreiben aber auch eine grundsätzliche Kommunikations- und Interaktionsstrategie, nämlich über den Weg des Humors. Komik ist relational, jedoch ist prinzipiell alles komisierbar, da es universelle Konstanten des Komischen wohl gibt, diese in ihrer Gradualität und in ihren Inhalten aber wiederum divergent sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Differenzierung von Begrifflichkeiten
3. „fremd“ – „komisch“
4. Transkulturelle Komik
5. Humorstrategien
6. Zusammenfassung und abschliessende Bemerkungen
Bibliographie
Abstract
Gibt es eine Grenze, wo die Komik nicht mehr das Recht hat, alles darzustellen, respektive der komische Code aus moralischen Gründen unangebracht ist? Was binnenkulturell eindeutig erscheint, ist interkulturell oft nur schwer durchschau- und nachvollziehbar. Diese Diskrepanz und das besondere Verhältnis von fremd und komisch, beschreiben aber auch eine grundsätzliche Kommunikations- und Interaktionsstrategie, nämlich über den Weg des Humors. Komik ist relational, jedoch ist prinzipiell alles komisierbar, da es universelle Konstanten des Komischen wohl gibt, diese in ihrer Gradualität und in ihren Inhalten aber wiederum divergent sind.
1. Einleitung
Mit Blick auf die Problematik interkultureller Kommunikation und auf die transkulturellen Missverständnissen, möchte ich im Rahmen dieser Arbeit die Grenzen und Nutzen, Probleme und Möglichkeiten des Komischen im Hinblick auf unterschiedliche Gesellschaften untersuchen. Denn wie Hegel[1] bereits bemerkte, lässt „sich nichts Entgegengesetzteres auffinden, als die Dinge worüber die Menschen lachen.“ Es ist wohl eine Binsenwahrheit, dass Humor über zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg schwer zu verstehen ist und von den Menschen generell intuitiv wahrgenommen wird. Was binnenkulturell eindeutig und selbstverständlich als humoristisch verstanden wird, ist auf interkultureller Ebene meist nicht mehr verstehbar, da die unterschiedlichen Ausformungen und Auffassungen von Humor zwischen ethnischen Gemeinschaften, Kulturen oder Nationalitäten oft einschlägig sind. Die soziokulturellen Systeme spiegeln sich daher mehr oder weniger in ihren humoristischen Praktiken wieder. Sie sind Ausdruck einer Kultur insofern, als dass sie von ihr hervorgebracht und reflektiert werden.
Ich erachte es als sinnvoll, zuerst die zentralen Terme wie Komik und Humor etwas genauer zu erläutern, auseinander zu halten und zu definieren, um allfälligen Missverständnissen vorzugreifen und ein klares Verständnis dieser Begriffe für diese Arbeit festzulegen (Abs. 2). Anschliessend werde ich kurz noch etwas zum Begriff des Lachens sagen, da vornehmlich das Lachen der eigentliche Träger des Humoristischen und des Komischen ist. Das genaue Verhältnis dieser Begrifflichkeiten untereinander und inwieweit sie sich konkurrieren, werde ich in den folgenden Abschnitten jeweils weiter ausführen.
In Anlehnung an meinen Vortrag über Borat werde ich im Laufe dieser Arbeit die unterschiedlichen Humorverständnisse zwischen den entsprechenden Kulturen kritisch reflektieren und allfällige Probleme anschneiden. Es wird sich zeigen, dass Humor und Komik trotz grundlegender Kultur-Diskrepanzen für die transkulturelle Kommunikation von entscheidender Bedeutung sein können. Dieses besondere Verhältnis zwischen den Begrifflichkeiten von fremd und komisch werde ich im dritten Abschnitt genauer reflektieren und anhand verschiedener Beispiele (Transkriptionen) aus dem Film Borat erläutern.
Auf der anderen Seite scheint es gewisse universelle Konstanten des Komischen zu geben, die es erreichen, die transkulturellen Unterschiede des Fremden oder Andersartigen zu überbrücken und überkulturelle Kommunikations-strategien zu bilden. Jedoch bestehen solche Universalien zwar in ihren grundlegenden Zügen interkulturell, sind aber in ihren spezifischen Ausformungen sehr sprach- und kulturgebunden. Ich werde im folgenden vierten Abschnitt 4 solcher Universalien diskutieren und versuchen, ihre Form und Funktionen aufzuzeigen. Dies entspricht wiederum den Grenzen und Nutzen des interkulturellen Transfers von Humor. Inwieweit sich diese Prinzipien allgemeingültig formulieren und halten lassen, müsste anhand konkreter wissenschaftlicher Studien in den Kulturen überprüft werden. Ich halte mich hier lediglich an theoretische Annahmen in Anlehnung an existierende Untersuchungen.
Im folgenden fünften Abschnitt werde ich diese theoretischen Ausformungen auf ihre Funktionalität innerhalb verschiedener Humorstrategien überprüfen und anhand des Filmes Borat mit Beispielen unterlegen. Die unterschiedlichen Humorstrategien sind entsprechend relational auszulegen und zu verstehen, was seinerseits wieder stark verwoben scheint mit den transkulturellen Universalien. Humorstrategien hängen zentral von unterschiedlichen Kriterien ab, wie der Historie, dem gesellschaftlichern Diskurs oder von Normen, wie ich in diesem Abschnitt darlegen werde. Zum Schluss werde ich die Resultate und Einsichten kurz zusammenfassen und im Hinblick auf offene Fragen nochmals einen kurzen Abriss der Theorie geben.
2. Differenzierung von Begrifflichkeiten
Die folgenden Ausführungen basieren auf einer Synthese unterschiedlicher historischer Komik-, Humor- und Lachkonzeptionen wie sie unter anderem im Lexikon „Ästhetische Grundbegriffe“[2] oder dem „Duden“[3] aufgeführt werden. Wie Carl Friedrich Flögel meines Erachtens richtig erkannte, handelt es sich im Bereich des Komischen oft um Differenzierungsprobleme:
„Das Gebiet des Komischen ist so weitläufig [...]; die dahin gehörigen Wörter und Begriffe durchkreuzen sich auf eine verwirrende Art, die Bedeutungen, die man damit verbindet, sind oft gar widersprechend und der Analogie er Sprache nicht angemessen.“[4]
Komik behandelt das geltende Verhältnis von Begriff, Wort und Sache: Die Differenzierung dieses Terms nach innen fand im 18. Jahrhundert in einer intensiven Abhebung vom rein Lächerlichen statt, während die zeitlich vorangegangenen Absetzungen vom Tragischen und dann vom Erhabenen der Differenzierung nach aussen dienten. Ich werde allerdings im Zuge dieser Arbeit nicht weiter als nötig auf diese Begriffe des Lächerlichen, Tragischen oder Erhabenen zu sprechen kommen, da dies den Rahmen dieses Papers sprengen würde. Das Adjektiv komisch („possenhaft, zum Lachen reizend, belustigend, sonderbar, eigenartig“) wurde im 15. Jahrhundert aus dem französischen, explizit künstlerischen Bereich, im Sinne von „zur Komödie gehörig“, in den lebensweltlichen Wahrnehmungsbereich übernommen. Das Lächerliche und die negativ konnotierten Anteile des Lachens (siehe weiter unten) werden im modernen Begriff des komischen also explizit ausgegrenzt. Es ist mir durchaus bewusst, dass diese negativen Anteile in historisch-sozialen Kontexten gleichfalls im Komischen ästhetisch aufgewertet werden können. Insofern lässt sich also auch sagen, dass der Begriff des Komischen dichotomisch zu verstehen ist, nämlich in einer Bewegung des Einfangens sowie des Ausgrenzens (siehe auch Abschnitt 4). Der Bereich des Komischen umfasst folglich ein Moment von Dialogizität zwischen potentieller Mehrdimensionalität, Offenheit, Dynamik und Mehrwertigkeit:
„Das ‚Zwischen’ ist ihm (dem Komischen) zu eigen: Es ist ein Oszillieren zwischen Realem und Irrealem, zwischen Wahrgenommenem und Vorgestelltem, jene Lücke, in die die Energie in der Beziehungssetzung einfliesst, um die ambivalente Relation zum ‚Anderen’ virtuell aufzubauen.“[5]
Humor wird nach Duden definiert, als „die Gabe eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.“[6] Es handelt sich beim Humor also um eine bestimmte Disposition der Menschen, nämlich die Fähigkeit Komik zu verstehen. Die Komik ist demnach im Unterschied hierzu eine spezifische Ausformung des Humoristischen und somit auch Subjektabhängig. Humor besitzt daher auch stets eine ego-und ethnozentrische Komponente, die meistens bei Humor-Absenz zum Vorschein kommt. Humor ist ein Weltbild, das zulässt, sowohl Erfreuliches als auch Unangenehmes gleichermassen heiter hinzunehmen, bis hin zum Galgenhumor:
„Humor hat, wer trotzdem lacht.“
(Charles Baudelaires – um 1855)
Komik ist daher eine Erscheinung, die uns lachen macht, während Humor die dafür notwendige charakterliche Anlage bildet.
Der Begriff des Lachens ist stark mit dem der Komik verwoben und wird im „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ auch unter einem Eintrag abgehandelt. Diese beiden Begriffen sind beinahe untrennbar, denn die phänomenologischen Ursachen des Lachens und die physiologischen Reaktionen darauf werden gleichgesetzt. Es gibt eine klare Reziprozität zwischen dem Lachen wegen seiner Ursache und der Komik mit ihrem Effekt, wenngleich diese beiden Teile auch nicht in kausaler Beziehung zueinander stehen. Es geht hierbei nicht um die wohltuenden physiologischen Eigenschaften des Lachens, sondern um seine soziologischen Aspekte wie der Gruppenzugehörigkeit innerhalb einer Gesellschaft, die sich durch ein integrierendes Lachen versus eines ausgrenzenden Lachens darstellt:
„La joie du rire est un sentiment conforme à nos instincts sociaux les plus fondamentaux ; elle est las satisfaction d’être réunis, la communion dans le groupe.
Mais nous savons qu’à côté de cette joie pure il y a la joie maligne et que le rire la manifeste non moins souvent […] c’est le rire d’exclusion."[7]
Diese Dichotomie des Lachens bezüglich eines allgemein-menschlichen, soziologischen Interesses scheint mir sehr zentral (siehe auch Abschnitt 4). Das Lachen worum es primär in dieser Arbeit geht, hat also Antwortcharakter und wird als eine Reaktion auf die Präsenz von Komik definiert, wobei Sprache und Rezipient als Kommunikationspartner zu verstehen sind, die in ein interaktives Verhältnis treten. Es gibt also keine Komik an sich, ausser ihre Anwesenheit wird von einem Lachen bestätigt, d.h. also, dass das Lachen als ein Element einer Interaktion gesehen werden muss, auf das wiederum der historische und soziokulturelle Kontext einen erheblichen Einfluss ausübt.
[...]
[1] Georg F. W. Hegel, Vorlesungen über Ästhetik, S. 528
[2] siehe Klaus Schwind, Komisch, Bd. 3
[3] siehe Duden, Etymologie, Bd. 7
[4] Karl Friedrich Flögel, Geschichte der komischen Literatur, Bd. 1, S. 3f.
[5] Klaus Schwind, Komisch, Bd. 3, S. 334
[6] Duden, Etymologie: Humor, Bd. 7, S. 295
[7] Eugene Dupréel, Le Problème sociologique du Rire, S. 231
- Arbeit zitieren
- Michael Eugster (Autor:in), 2007, Grenzen & Nutzen des interkulturellen Transfers von Humor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139696