Entwicklung von Sprichwörtern


Term Paper, 2007

19 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Kurzes Vorwort

I.Kennzeichen von Sprichwörtern
I.I. Bildhaftigkeit
I.II. Stil und Formelhaftigkeit
I.III. Struktur und Variabilität

II. Alter, Herkunft und Überlieferung

III Die großen Fische fressen die kleinen- Entwicklung des Sprichworts: Vom Spätmittelalter und der Renaissance/des Humanismus bis zur Gegenwart -
III.I. Spätmittelalter, Renaissance, Humanismus
III.II. Beispiele aus der Neuzeit ab ca

IV Fazit

Quellenangabe

Kurzes Vorwort

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1]

Die Zeichnung oder besser Karikatur, die an dieser Stelle als Einstieg dient, zeigt nur allzu deutlich, was wir uns unter dem bereits genannten Sprichwort „Die großen Fische fressen die Kleinen“ vorstellen können: das Gesetz des Stärkeren, dass hiermit immer wieder zum Tragen kommt und sich stets auf gesellschaftliche Umstände beziehen lässt.

Umstände wie, dass die Reichen immer auf die Kosten der Ärmeren leben werden oder dass in unserer Zeit kleine Konzerne von größeren geschluckt werden.

Das jedoch sind nur zwei allgemeine Beispiele, ein Sprichwort wie das oben genannte lässt sich auf viel mehr anwenden und wir merken manchmal nicht einmal, dass wir erneut eines gebrauchen. Sie sind so stark in unseren Sprachgebrauch übergegangen, dass uns es schon lange nicht mehr bewusst ist, wann wir Sprichwörter anwenden und wann nicht. Völlig unbedacht können sie einem über die Lippen rutschen oder sie sind mit voller Berechnung eingesetzt, um Geschehnisse übertrieben zu verdeutlichen.

Warum passen Sprichwörter meist so gut? Welche Eigenschaften sind es, die sie so beliebt machen? Was sind sie? Wo kommen sie her? Welche Funktion haben sie?

I.Kennzeichen von Sprichwörtern

I.I. Bildhaftigkeit

Zunächst einmal ist ein wichtiges und hervorstechendes Zeichen von Sprichwörtern ihre Bildhaftigkeit, die meist metaphorisch eine didaktische Funktion aufweist.

Nach Friedrich Seiler sind Sprichwörter „im Volksmund umlaufende, in sich geschlossene Sprüche von lehrhafter Tendenz und gehobener Form“[2], was soviel heißt,

dass abstrakte Begriffe wie Streit, Zorn, Verleumdung, Glück u.ä., die mit der volkstümlichen Ausdrucksweise nur schwer umschreibbar wären, metaphorisch auszudrücken sind.

So dient für Streit das Sprichwort „In der Küche gibt’s zerbrochene Töpfe“, für Schwatzhaftigkeit „Leere Schachteln klappern am lautesten“ oder für Zorn z.B. „Wenn die Kanne voll ist läuft sie über“.[3] Dieses sprichwörtliche Bild ist viel kräftiger, sprechender und einprägsamer und macht eine vollständige Aussage und stellt kurz wie prägnant einen bestimmten doch allgemeinen Gedanken, eine Beobachtung oder Erfahrung am konkreten Einzelfall dar.

Eine altbekannte Beobachtung wird durch das Sprichwort veranschaulicht, z.B, das Kinder in ihrer Art meist nach ihren Eltern schlagen drückt „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ aus.[4] Wir sehen allerdings, dass das Sprichwort aufgrund der Metaphorik meist etwas anderes ausdrückt wie sein eigentlicher Wortlaut:

„Lügen haben kurze Beine.“ dafür, dass man nicht lügen soll,

oder auch „Stille Wasser sind tief“, das hinter einem ruhigen und introvertierten Menschen einiges an Fähigkeiten und Geheimnissen stecken kann.

Doch die bildhafte Einkleidung des abstrakten Gedankens ist zwar gewissermaßen anschaulich, kann jedoch auch doppeldeutig gesehen werden – einmal in einem wörtlichem, realen Geltungsbereich und ein anderes Mal in einem Übertragenen.

„Man kann auf einem Bein nicht stehen“ ist ein Sprichwort, in dem sich beide Geltungsbereiche finden lassen, da es sich zum einen um eine Tatsache handelt und zum anderen diese Aussage eine übertragene Bedeutung mit sich trägt und zwar, dass man seinem Gast nach einem Schnaps auch noch ein weiteren anbietet.

Um den Aspekt der Bildhaftigkeit noch etwas weiter zu vertiefen, ist zu erwähnen, dass im Sprichwort die Personifizierung und das Beseelen von Dingen beliebte Methoden sind, um etwas Abstraktes bildhaft auszudrücken wie „Morgenstund’ hat Gold im Mund“, „Hunger ist der beste Koch“ oder „Alte Liebe rostet nicht.“[5] Diese Bildhaftigkeit neigt zudem ebenso zu grotesken Übertreibungen wie auch Euphemismen, um Dinge oder Vorgänge zu verhüllen, die man vielleicht nicht gern benennen möchte.

Für den Begriff sterben z.B. gibt es unzählige Umschreibungen, wobei „Er ist nach

Holzhausen gegangen“ und „Er guckt sich die Radieschen von unten an“ nur zwei von ihnen sind.[6] Selbst an Ortsnamen bedient man sich, um Eigenschaften, Zustände und Handlungen gewisse konkrete Anschaulichkeit zu verleihen „Wer zu oft nach Weinheim fährt, der kommt leicht vom Wagen auf die Karre“.

Sprichwort bleibt aber nicht immer zwangsläufig Sprichwort, es kann sich mit der Zeit genauso gut zu einem Phraseologismus entwickeln, d.h., aus „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ wird „jemandem eine Grube graben“.[7]

An dieser Stelle ist auch wichtig zu erwähnen, dass das Sprichwort demzufolge ausgeprägt historisch fixiert ist, im Gegenzug zum Phraseologismus, von denen ständig neue erscheinen und damit gleichzeitig gesagt wird, dass in unserer heutigen Zeit kaum noch Sprichwörter entstehen.[8] Doch erscheint diese Aussage eher thesenhaft, da hier vergessen wird, dass selbst Werbeslogans zu modernen Sprichwörtern für den täglichen Gebrauch umgewandelt werden – unsere erziehende Ader, von der behauptet wird, sie sei uns abhanden gekommen, scheint noch nicht ganz verschwunden zu sein.

I.II. Stil und Formelhaftigkeit

Ein weiteres Merkmal ist die schlagfertige Kürze und die geschliffene Prägnanz, die nicht selten durch die Art von einem Telegrammstil erreicht wird, d.h., es werden im Sprichwort häufig Artikel, Verb und Relativpronomen ausgelassen wie z.B. in „Ende gut - alles gut“, „Ein Mann – ein Wort“ oder „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“.[9]

Die Syntaktische Struktur somit durch die Bevorzugung von Substantiven, Verben und Adjektiven gekennzeichnet.

Ferner spielen Reimverhältnisse, Rhythmus und entsprechende Wortbildungen, die nur in Sprichwörtern vorkommen eine wichtige Rolle.

Reimverhältnisse wären dabei Schlagreim „Jeden Tierchen sein Pläsierchen“, Pausenreim „Not kennt kein Gebot“ oder Schüttelreim „Unter der schönsten Steppdecken kann der blödste Depp stecken“, Stab- und Endreim können hierbei in Kombination auftreten „Glück und Glas, wie leicht bricht das!“.[10]

Weitere häufig genutzte Stilmittel sind die Alliteration „Gleich und gleich gesellt sich gern“

oder Zwillingsformeln wie bei „Mit Mann und Maus“.

All diese Mittel dienen dazu, die Formulierung dem Gedächtnis einzuprägen und ihr Dauer zu verleihen, denn es ist allseits bekannt, dass melodisch klingende Sätze eher im Gedächtnis hängen bleiben als welche, die es nicht sind.

Ebenso beliebt scheinen Wortspiele zu sein wie in „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft“ oder sie machen sich den Gleichklang von Wörtern verschiedener Bedeutung zunutze „Alter macht weiß, aber nicht weis“.[11]

Dabei arbeiten fast alle Formen mit Gegensatztechniken, die sich in der Wahl von Wortkontrasten und Gegensatzpaaren äußern:

groß – klein; alt – neu; gut – schlecht; wenig – viel; kurz – lang; jung – alt z.B. in „Heute mir, morgen dir“ und „Iß viel, sprich wenig“.

Überhaupt werden gern Übertreibungen eingesetzt, reine Ironie oder scheinbare Unlogik und Paradoxie sind ebenfalls keine unbeliebten Mittel.

Das Sprichwort ist also voll gepackt von sprachlichen Bildern, die die Bildhaftigkeit, die bereits besprochen wurde, zu unterstützen und die Aussagen einprägsam zu machen.

I.III. Struktur und Variabilität

Aber nicht nur aus diesem Grund sind Sprichwörter in unserem Wissen fest verankert, auch ihre Struktur trägt dazu bei, die sich nach drei Aspekten in Gruppen unterteilen lässt: 1. nach der Idee, 2. nach der Struktur und 3. nach dem Baukern eines Sprichworts, wobei hier nur auf die Bauformen eingegangen werden soll, da sie der wichtigste und unterstützendste Aspekt der Verständlichkeit und Anschaulichkeit.

Bei den Bauformen werden zunächst Zweiwort- und Dreiwort-Figuren unterschieden wie in „Eigenlob stinkt“ sowie „Rost frisst Eisen“.[12] Genauso oft wie diese kurzen Formen tritt die Imperativistische auf „Verliebe dich oft, verlobe dich selten, heirate nie!“, welche ihren moralischen Gehalt eben aus diesem Befehlston heraus nimmt.

Immer wieder wiederholen sich in Sprichwörtern Strukturmodelle und Satzmuster, in die jedes Mal neue Inhalte gegossen werden. An dieser Stelle soll nur eine Auswahl von diesen Mustern tabellarisch gegeben werden[13]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Doch neben der Oberflächenstruktur findet sich auch eine Tiefenstruktur, man nehme nur das Beispiel „Die Wand hat Ohren“ und schreibe die Form A hat Ohren.

Hier lässt sich nun jedes Wort für A einsetzen, wie „Nacht“, „Busch“ oder gar „Mauern“ und mit jeder x-beliebigen Formulierung bleibt der Sinn stets erhalten: Vorsicht, jemand könnte deinem Geheimnis auf die Schliche kommen!

Selbst in ein und derselben Struktur besteht eine mögliche Variationsbreite:

„Auf einem Bein kann man nicht stehen.“

„Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

„Man kann nicht mit einem Arsch auf zwei Hochzeiten tanzen.“

Es handelt sich immer darum, dass es sich stets um eine Situation handelt, in der es immer um zwei Dinge geht, entweder man löst zwei Problem mit einem Schlag, man muss sich zwischen zwei Dingen entscheiden oder man muss noch etwas zweites tun, damit die ganze Geschichte abgerundet wird.

Damit haben wir auch schon die wichtigsten Merkmale benannt und schauen nun auf die Herkunft der Sprichwörter.

[...]


[1] Seite120 aus: Mieder, Wolfgang: Deutsche Redensarten, Sprichwörter und Zitate. Studien zu ihrer Herkunft, Überlieferung und Verwendung. Wien: Ed. Praesens, 1995.

[2] Schmidt, Dr. Wilhelm: Deutsche Sprachkunde. Ein Handbuch für Lehrer und Studierende. 2.Auflage. Philipp Reclam jun, Leipzig: Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin, 1960

[3] Seite 52 (Zeile 20f.)in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[4] Seite 52 (Zeile 3) in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[5] Seite 55 (Zeile 1-12) in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[6] Seite 55 in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[7] Seite 81 in: Fleischer, Wolfgang: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 1 Auflage. Leipzig: VEB Bibliografisches Institut Leipzig, 1982

[8] Seite 81 in: Fleischer, Wolfgang: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 1 Auflage. Leipzig: VEB Bibliografisches Institut Leipzig, 1982

[9] Seite 57 (ab Zeile 1f.) in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[10] Seite 57 in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[11] Seite 57 in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[12] Seite 60, 2.Abschnitt in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

[13] Seite 61 in: Mieder, Wolfgang; Röhrich, Lutz: Sprichwort. Sammlung Metzler ; 154 : Realien zur Literatur, Abt. E, Poetik. 1.Auflage. Stuttgart : Metzler, 1977

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Entwicklung von Sprichwörtern
College
Otto-von-Guericke-University Magdeburg
Course
Sprachgeschichte im Überblick
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
19
Catalog Number
V139752
ISBN (eBook)
9783640611492
ISBN (Book)
9783640611768
File size
1948 KB
Language
German
Keywords
Entwicklung, Sprichwörtern
Quote paper
Mandy Paul (Author), 2007, Entwicklung von Sprichwörtern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139752

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