Die Theodizee nach Gottfried Wilhelm Leibniz

Inwiefern kann man die Theodizee Definition von Leibniz mit heutigen theologischen oder religiösen Ansichten der Theodizee vergleichen?


Essay, 2008

9 Seiten, Note: 2.5


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theodizee nach Gottfried Wilhelm Leibniz
2.1 Die Welt von Leibniz
2.2“Essais de théodicée“
2.3 Nachwirkungen von Leibniz’ Theodizee

3. Theodizee heute
3.1 Definition
3.2 Theologischer und katholischer Umgang mit
der Theodizee

4. Fazit

1. Einleitung

Ich möchte in dieser Einleitung erläutern, wie ich auf meine Fragestellung gekommen bin und wieso ich mich überhaupt mit der heiklen Theodizee Frage auseinander setze.

„Es muss doch mehr als alles geben. Nachdenken über Gott“. Als ich dieses Buch von Dorothee Sölle vor ein paar Jahren gelesen habe, tauchte der Begriff Theodizee zum ersten Mal vor meinen Augen auf. Als ich dann weitere Werke von ihr las, („Gott denken. Einführung in die Theologie“ [1990] und „Gewöhnen will ich mich nicht“ [2006]), war ich restlos überzeugt von den Worten Sölles. Ihre moderne Theologie kam nicht bei Allen gleich gut an, ich vermute in christlich konservativen Kreisen eckte sie ziemlich an. Interessant für mich sind zwei Aspekte. Zum einen die Beifreiungstheologie und zum anderen die Frage nach einem „gerechten“ Gott. Die feministische Theologin Sölle schrieb viel über die Befreiungstheologie und rief immer wieder zum Handeln auf. Jedoch waren es nicht nur Lippenbekenntnisse, sie war selber auch politisch aktiv und war selber vor Ort, wenn es darum ging, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen.

Ein weiteres Thema in Sölles Theologie, ist das Nachdenken über die Allmacht Gottes. Sie ist der Meinung, dass spätestens nach Auschwitz, die Frage nach einem „gütigen“ und „gebenden“ Gott verworfen werden muss. Oder wie sie schreibt: „Ein allmächtiger Gott, der Leiden verhängt, der sich Auschwitz von oben ansieht, muss ein Sadist sein.[1]

Ich könnte nun in diesem Essay auch auf die Frage eingehen, ob es einen gerechten Gott gibt. Das würde aber darauf hinauslaufen, dass ich mich auf Dorothee Sölle beziehen würde um schlussendlich die Frage mit einem nein abzutun. Stattdessen möchte ich auf die Begrifflichkeit eingehen und auf die Prägung dieses Wortes. Und das führt mich nun zum Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, der mit seinem Werk, „Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal“ (1710), wegweisend war in der Theodizee Frage.

Als ich mich dann näher mit Leibniz auseinander setzte, fiel mir auf, dass es schwierig ist seinen Gedanken zu folgen. Oft konnte ich seinem Text und seiner Argumentationsweise nicht folgen. Trotzdem versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen, was seine Versuche in der Theodizee angeht. Seine theologischen Ansichten waren bestimmt auch geprägt von seinem naturwissenschaftlichen Hintergrund und sicher auch von der Zeit in der er lebte.

Nun drängte sich mir die Frage auf, ob diese Theodizee von Leibniz auch mit der heutigen Sichtweise zu vergleichen ist. Mit heutiger Sicht meine ich z.B. den christlich katholischen Standpunkt oder aus Sicht zeitgenössischer Theologie.

Diese Überlegungen führten mich zur Fragestellung:

Inwiefern kann man die Theodizee Definition von Leibniz mit heutigen theologischen oder religiösen Ansichten der Theodizee vergleichen?

Ich werde deshalb auch nicht beginnen mit einer allgemeinen Definition des Begriffes, sondern sinngemäss direkt einsteigen mit Leibniz. Erst in einem späteren Kapitel, indem es darum geht, Vergleiche zu ziehen und den Begriff aus heutiger (theologischer) Sicht zu erläutern, werde ich dann eine allgemeine Definition des Theodizee Begriffes liefern.

2. Theodizee nach Gottfried Wilhelm Leibniz

2.1 Biographischer Abriss

Am 1. Juni 1646 wurde Leibniz als Sohn eines Juraprofessors in Leipzig geboren. Schon im frühsten Kindesalter war er wissenshungrig, so brachte er sich zum Beispiel selber Latein bei in der hauseigenen Bibliothek. 1661 begann Leibniz das Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft. Nebst dem Studium widmete er sich ausgiebig der Physik, Mathematik, Logik und der Alchemie.

Mit gerade mal 21 Jahren promovierte Leibniz in Altdorf bei Nürnberg und es wurde ihm eine Professur angeboten. Diese lehnte er ab, weil ihm beim Unterrichten der Bezug zur Praxis fehlte.[2]

Zunächst war er als diplomatischer Berater tätig und reiste dann auch nach Paris, wo er König Ludwig XIV. einen Plan zur Eroberung Ägyptens vorlegte, (um von Deutschland abzulenken).

Die weiteren beruflichen Tätigkeiten von Leibniz waren: Bibliothekar, juristischer Hofrat, Präsident der Berliner „Societät der Wissenschaften“ und Reichshofrat in Wien. Seine Interessensbereiche bildete er stets aus. Die bekanntesten Forschungsergebnisse gelangen ihm im Bereich der Mathematik, z.B. die Erfindung des Dualsystems und die Begründung des Infinitesimalsystems. Jedoch schrieb er auch bedeutsame Werke in der Philosophie. Die drei grössten Schriften waren: „Neue Versuche über den menschlichen Verstand“ (1703), „Theodizee“ (1710) und „Monadologie“ (1714).

Im Alter von 70 Jahren starb Leibniz in Hannover. Ihm zu Ehren verleiht die deutsche Forschungsgemeinschaft heute die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preise.

2.2 „Essais de théodicée“ (1710)

Obwohl man die Theodizee schon vor Leibniz kannte, war er mit seinem Werk, „Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal“ (1710), der Erste, der die Begrifflichkeit für die Zukunft prägte.[3]

Leibniz geht davon aus, dass das Übel auf dieser Welt teilweise von Gott erschaffen wurde. Gott hat sich dennoch für die bestmögliche Welt entschieden und das ist die, in der wir leben. Gott konnte gar nicht anders als die bestmögliche Welt erschaffen, denn hätte er[4] eine andere Möglichkeit erkennen können, würde das heissen er wäre nicht allwissend. Hätte er sie erkannt, konnte sie aber nicht umsetzen, so wäre er nicht allmächtig. Hätte Gott die Möglichkeit erkannt, und hätte sie auch umsetzen können, wollte es aber nicht, so wäre er kein guter Gott.

Leibniz unterscheidet drei Klassen des Übels: malum morale (das moralische Übel) wie z.B. die Sünden, malum physicum (das physikalische Übel) wie z.B. das Leiden und das malum metaphysicum (das metaphysische Übel). Wobei die ersten zwei Klassen bereits bei Augustinus auftauchten. Das moralische Übel und das physikalische Übel ergeben sich zwangsläufig aus dem metaphysischen Übel, welches auf die Unvollkommenheitsfrage des Menschen abzielt. Der Schöpfer (Gott) ist vollkommen und hat die Welt mit Absicht nicht vollkommen erschaffen. Hätte er das getan, wäre jedes Streben und somit jedes menschliche Handeln überflüssig. Zudem wäre das Schaffen einer Identität, (etwas Vollkommenes schafft etwas Vollkommenes), nicht das Ziel Gottes gewesen. Er wollte etwas völlig Neues schaffen, so Leibniz.

Das moralische Übel haben wir uns selbst zu verdanken. Die Ursache dafür ist nach Leibniz die Freiheit. Wollen die Menschen einen freien Willen besitzen, so müssen sie auch das moralische Übel in Kauf nehmen. So haben wir das Böse (dieses entsteht durch die Freiheit des Menschen) uns selbst zu verdanken und es ist nicht ein Teil des Schöpfungsplans Gottes. Des Weiteren meint Leibniz, dass das Böse hilft uns moralisch weiter zu entwickeln. Indem wir es bekämpfen machen wir (und nicht Gott), die Welt besser.

Zu diesem Werk von Leibniz muss noch hinzugefügt werden, dass er sehr oft den Namen Bayle verwendet und ganze Sätze und Aussagen von Bayle zitiert und auch gründlich kommentiert. Pierre Bayle war ein französischer Philosoph und bekennender Fideist. Er setzte sich vehement für eine Trennung von Kirche und Staat ein. Sein grösstes Werk war wahrscheinlich der „Dictionnaire historique et critique“ (2 Bde. 1695/96, 4 Bde. 1702). Auf eben dieses bezog sich Leibniz unter Anderem in seiner Theodizee.

2.3 Nachwirkungen von Leibniz’ Theodizee

Es ist ziemlich schwer die direkten Auswirkungen von Leibniz zu deklarieren, denn wichtige Schriften erschienen erst Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte später. Ein weiterer Punkt sind die Briefe von Leibniz, es herrschte ein reger Briefkontakt zwischen ihm und den Denkern dieser Zeit (so z.B. gibt es viele Briefe zwischen Bayle und Leibniz)[6]. Das grosse Problem bei diesen Briefen von Leibniz ist, dass er sich der Sprache und Begrifflichkeit seiner Briefpartner anpasste.[5]

Zusammenfassend lässt sich ganz kurz und knapp sagen, dass durch das Theodizee Werk von Leibniz der Theodizee Begriff erstmals grundlegend behandelt wurde. (Natürlich wurde die Problematik eines „gerechten Gottes“ schon vorher diskutiert. In der Bibel, vor Allem im Buch Hiob im Alten Testament, wird das Problem ausführlich behandelt. Im Rahmen dieser Arbeit muss ich aber selektionieren und werde deshalb nicht darauf eingehen.) Weiter lässt sich sagen, dass viele grosse Philosophen und Theologen auf die Werke von Leibniz aufbauten und somit eigentlich sein Denken weiter getragen wurde. Ein Beispiel dafür ist Christian Wolff. Er hat durch die Metaphysik Leibnizens das aufklärerische Denken nach Deutschland und Osteuropa gebracht.

3. Theodizee heute

3.1 Definition

Eine allgemein gültige Definition des Begriffes zu geben ist sehr gefährlich, da die Theodizee, je nach Betrachtungsweise (philosophisch, jüdisch usw.) anders ausgelegt und verschieden damit umgegangen wird. In der TRE[7] wird der Begriff unter folgenden Hauptgesichtspunkten definiert:

- Religionswissenschaftlich
- Altes Testament
- Judentum
- Dogmatisch
- Praktisch-theologisch
- Philosophisch

Und selbst in diesen Gebieten gibt es noch eine Fülle von Unterkapiteln. Auf der Suche nach einer möglichst knappen Definition bin ich dann auf das Theologische Fach- und Fremdwörterbuch gestossen. Die Theodizee wird wie folgt definiert:

Rechtfertigung Gottes angesichts der wahrnehmbaren Übel (Hiob) durch eine vernunftgeleitete oder natürliche Theologie.“[8]

[...]


[1] Sölle, Dorothee: Es muss doch mehr als alles geben. Nachdenken über Gott, Hamburg 1992, 80.

[2] Vgl. WHO’S WHO. The people Lexicon, Produkt des rasscass Medien Content Verlages: Gottfried Wilhelm Leibniz. Biografie. URL: http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=688&RID=1 (20.11.08).

[3] Bordat, Josef: Wo ist Gott im Leid? Zur Theodizee-Frage in Geschichte und Gegenwart. URL: http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2006-5/Bor_Th.htm (20.11.08).

Vgl. Geyer, Carl-Friedrich: Die Theodizee. Diskurs, Dokumentation, Transformation, Stuttgart 1992, 57-80.

[5] Müller, Gerhard (Hg.). Leibniz. 3. Nachwirkung. In: TRE 20 (1990) 664.

[6] Sämtliche Briefe können gegen eine Einverständniserklärung eingesehen werden auf: http://www.leibniz-edition.de/Baende/ReiheII.htm (23.11.08).

[7] Müller, Gerhard (Hg.). Theodizee. In: TRE 33 (2002) 210-236.

[8] Hauck, Friedrich/Schwinge, Gerhard. Theodizee. In: Theologisches Fach- und Fremdwörterbuch10 1 (2005) 195.

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Die Theodizee nach Gottfried Wilhelm Leibniz
Untertitel
Inwiefern kann man die Theodizee Definition von Leibniz mit heutigen theologischen oder religiösen Ansichten der Theodizee vergleichen?
Hochschule
Universität Bern  (Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Einführung in das Studium
Note
2.5
Autor
Jahr
2008
Seiten
9
Katalognummer
V139786
ISBN (eBook)
9783640499748
ISBN (Buch)
9783640499939
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Entspricht der Note 4.5 (Schweiz)
Schlagworte
Theodizee, Gottfried, Wilhelm, Leibniz, Inwiefern, Theodizee, Definition, Leibniz, Ansichten, Theodizee
Arbeit zitieren
Tobias Hoenger (Autor:in), 2008, Die Theodizee nach Gottfried Wilhelm Leibniz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139786

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