In dieser Hausarbeit habe ich mich mit der moralischen Berwertung von Leidenschaften aus der Sicht des Thomas von Aquin beschäftigt. Als Hauptwerk habe ich dazu die "Summa Theologiae" unter Augenschein genommen und bearbeitet.
I. Begriffserklärung von „Passio“ und „Ratio“ und Übersetzungsvarianten.
Zu Beginn meiner Hausarbeit möchte ich die Begriffe „Passio“ und „Ratio“ näher erläutern, um in der weiteren Arbeit ein besseres Verständnis entwickeln zu können.
Das lateinische Wort „Passio“ hat verschiedene Bedeutungen.
Mögliche Übersetzungsmöglichkeiten sind Krankheit, Leiden, Affekt und im kirchlichen Kontext Leidensgeschichte[1] oder die Passion Jesu Christi.
Das Wort „Passio“ hat somit einen eher negativen Bedeutungscharakter. Im Zusammenhang mit Thomas von Aquin bedeutet das Wort soviel wie Leidenschaft, eine Art Bedeutungsvermischung aus Leiden und Affekt.
„Ratio“ hat einen weit ausgeprägteren Übersetzungsspielraum.
Der Übersicht wegen möchte ich nur eine Auswahl der Bedeutungen treffen.
Zum einen ist das Wort mit Rechnung, Berechnung wiederzugeben.
Im mathematischen Sinn als Summe, weiterhin als Erwägung, Rücksicht oder Lehre.
Für hilfreich empfinde ich die Übersetzungen: Lehre, Verhalten, Denkart und Vernunft[2].
Demnach bildet die Aufgabenstellung meiner Hausarbeit „Passio und Ratio“ die Frage nach Leidenschaft und Vernunft und ihrem Zusammenhang.
Ich werde mich somit mit dem Verhältnis zwischen Emotionen, bzw. Leidenschaften des Menschen in Bezug auf seine Gabe der Vernunft beschäftigen und dies im Verständnis des Thomas von Aquin.
II. Thomas von Aquin in Kürze.
„Es war weniger als ein halbes Jahrhundert, in dem Thomas von Aquin eines der einflussreichsten und eindrucksvollsten Werke der Philosophie- und Theologiegeschichte geschaffen hat.“[3]
Gestorben ist Thomas von Aquin am 7.März 1274 im Alter von etwa 50 Jahren.[4]
Schon in jungen Jahren wurde er von seinen wohlhabenden Eltern in das Benediktinerkloster Monte Cassino in Italien gegeben. Dies war, im Gegensatz zu heute, keine Besonderheit. Die Eltern hofften für ihren Sohn auf eine „Karriere“ bis hin zum Abt. Aus verschiedenen politischen und kirchlich schwierigen Umständen, empfahl der damalige Abt des Klosters, dass Thomas nach Neapel zum Studium gehen solle. Zu dieser Zeit mag Thomas etwa 15 Jahre alt gewesen sein.[5]
1244 trat Thomas in den noch jungen Orden der Dominikaner ein, ein Entschluss, den seine Eltern in keiner Weise billigten. Aber für Thomas muss der noch junge Dominikanerorden eine große Anziehungskraft gehabt haben.
Der Dominikanerorden galt als Bettelorden, was seinem adligen Ursprung, nach Meinung seiner Eltern, nicht gerecht war. Der „Terror“ seiner Familie gegen Thomas war so stark, dass er in ein Kloster nach Paris „flüchten“ musste. Auf dem Weg dorthin entführten ihn seine Brüder und zwingten ihn zu Hausarrest. Eine Dirne wurde bezahlt, die Thomas verführen sollte. Diese wehrte er mit einem Stock ab, den er aus dem Kaminfeuer nahm.[6]
Aus seiner „Gefangenschaft“ entlassen, studierte er bei Albert dem Großen in Köln, dem Gründer der Dominikaner in Deutschland.
Im Alter von 25 Jahren wurde Thomas zum Priester geweiht.
Nach weiteren Vorlesungen in Paris von 1256 bis 1259 lehrte er in Rom, Viterbo und Orvieto.
Ab 1269 war er als Studienpräfekt seines Ordens in Neapel tätig, wo er 1272 eine Dominikanerschule aufbaute.[7]
Thomas starb am 7. März 1274 auf der Reise zum Zweiten Konzil von Lyon im Kloster Fossanova.
Für meine Arbeit von besonderem Interesse ist seine Schrift: Summa Theologiae. Dieses Werk ist das „unumstrittene Hauptwerk, durch das Thomas auf Generationen hinaus theologisch prägend gewirkt hat.“[8]
III. Der Begriff der Leidenschaften bei Thomas von Aquin
Was meint Thomas mit dem Begriff der Leidenschaften? Das ist eine wichtige Frage, wenn man sich mit ihrer moralischen Bewertung auseinander setzen möchte. Sind Leidenschaften das, was einen bei einem Fußballspiel zum Mitjubeln anregt? Ist eine Leidenschaft das Selbe, wie eine Emotion? Eine Definition des Wortes Leidenschaft lautet:
„Leidenschaft ist eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion. Sie umfasst Formen der Liebe und des Hasses, wird aber auch für religiösen, moralischen oder politischen Enthusiasmus benutzt und beschreibt die intensive Verfolgung von Zielen…. Im ursprünglichen Sinn schwingt immer der Beilaut von etwas Zerstörerischem mit. Im heutigen Alltagssprachgebrauch wird das Leiden Schaffende jedoch oft verdrängt. Mittlerweile hat Leidenschaft eher eine positive Konnotation.“[9]
Im Schülerduden der Philosophie heißt es knapp: „übermäßiges, meist auf ein bestimmtes Objekt gerichtetes Begehren“.[10]
Nach diesen Definitionen haben Leidenschaften zwar mit Emotionen miteinander zu tun, sind aber nicht identisch.
„Die Stoiker bezeichneten jede vernünftige und zielgerichtete Handlung als „Willen“. Mit Leidenschaft bezeichneten sie eine Handlung, die die Grenzen der Vernunft übersteigt. Daher meinte Cicero, ihrer Ansicht folgend, alle Leidenschaften seien „Krankheiten der Seele.“
Die Aristoteliker dagegen nennen alles, was an Handlungen aus den sinnlichen Bedürfnissen entspringt, „Leidenschaft“. Sie werden dann für gut befunden, wenn die Vernunft sie in ihrem Maß hält.“[11]
Für Thomas entspringen alle Leidenschaften schließlich aus einer einzigen, aus der Liebe.[12] So schreibt Thomas in „De veritate“: „Die Liebe ist die erste Leidenschaft.“ Woher sie kommen, könnte man in etwa so beschreiben: „Leidenschaft entsteht dadurch, dass das Strebevermögen
von einer Wirklichkeit berührt wird“[13]
[...]
[1] Pertsch, Erich: Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch (Berlin13 1999) S.858
[2] Pertsch, Erich: Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch (Berlin13 1999) S.1006
[3] Leppin, Volker: Thomas von Aquin, (Münster 2009) S.7
[4] Leppin, Volker: Thomas von Aquin, (Münster 2009) S.7
[5] Kenny, Anthony: Thomas von Aquin, (Freiburg u.a.) S.13
[6] Kenny, Anthony: Thomas von Aquin, (Freiburg u.a.) S.13
[7] Kenny, Anthony: Thomas von Aquin, (Freiburg u.a.) S.14
[8] Leppin, Volker: Thomas von Aquin, (Münster 2009) S.101
[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Leidenschaft(1.11.09)
[10] Schülerduden „Die Philosophie“ , Redaktion für Philosophie des Bibliographischen Instituts; Artikel: Leidenschaft, (Mannheim 1985) S.246
[11] Blankertz, Stefan: Thomas von Aquin: Lust auf Leben, (Köln 2001) S.71
[12] Thomas von Aquin: De veritate, Frage 26, Artikel 5
[13] http://egora.uni-muenster.de/fb2/ila/leidenschaft-3a.pdf (26.10.09)
- Arbeit zitieren
- Dominic Gilbert (Autor:in), 2009, Passio et ratio - Zur sittlichen Bewertung der menschlichen Leidenschaften nach Thomas von Aquin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139795