Vertraglicher Dienst?

Die Staatsauffassung Friedrichs II.


Hausarbeit, 2007

31 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Friedrich II.
2.1 Kronprinz Friedrich
2.2 König Friedrich II.
2.3 Friedrich II. als Philosoph und Künstler

3 Der Begriff des Aufgeklärten Absolutismus
3.1 Absolutismus
3.2 Aufklärung
3.3 Aufgeklärter Absolutismus
3.4 Der Aufgeklärte Absolutismus im Preußen Friedrichs II.
3.4.1 Friedrich II. und die Aufklärung
3.4.2 Die Rechtsauffassung Friedrichs II.
3.4.3 Friedrich II. und die Religionsfreiheit

4 Die Staatsauffassung Friedrichs II.
4.1 Die Vertragstheorie
4.2 Friedrichs II. Selbstverständnis als König
4.3 Friedrichs II. Verständnis der Bürgerpflichten

5 Bewertung der Staatsauffassung Friedrichs II. unter Berücksichtigung des Einflusses des Aufgeklärten Absolutismus auf seine Staatsauffassung und sein Handeln

6 Zusammenfassung/Schluss

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Preußenkönig Friedrich II. oder „Friedrich der Große“, wie er auch häufig genannt wird, ist wohl eine der schillerndsten und populärsten Persönlichkeiten in der Geschichte Preußens und wenn man es weiter fassen will, sogar in der Geschichte Deutschlands.

Fast jedem ist der „Alte Fritz“ ein Begriff, fast jeder hat schon einmal eine Anekdote über ihn gehört, er ist beinahe das personifizierte Preußen, sein Schloss Sanssouci in Potsdam gehört zu den einzigartigen Sehenswürdigkeiten der Stadt. So wie man eben dieses Schloss mit Friedrich II. verbindet, so wird er selbst oft genug in einem Atemzug mit der Epoche der Aufklärung und dem Begriff des Aufgeklärten Absolutismus genannt. Aufmerksam geworden durch die Lektüre der Kurseinheit 4168 „Absolutismus“, in der mit dem Kapitel XII „Aufgeklärter Absolutismus oder Reformabsolutismus“ dem Aufgeklärten Absolutismus breiter Raum gegeben wird und Friedrich II. als Anhänger der Aufklärung bezeichnet wird, hat sich bei mir nach weiteren Recherchen das Bild verfestigt, dass Friedrich II. überwiegend als „Prototyp“ eines Herrschers, der die Ideen des Aufgeklärten Absolutismus verwirklichte, gesehen wird. Es wird aber wohl genauso oft die Frage aufgeworfen, ob diese Einschätzung Friedrichs II. und seiner Regierungsweise zutreffend ist und seinem eigentlichen Regierungshandeln gerecht wird. Ebenso taucht genauso häufig die Frage nach dem Aufgeklärten Absolutismus auf, was dieser denn genau ist und ob nicht der Begriff als solcher schon irreführend ist, schließen sich doch eigentlich Aufklärung und Absolutismus gegenseitig aus.

Ich habe mir die Frage gestellt, inwieweit das zutrifft, und dann weitergehend, wenn Friedrich II. ein typischer Vertreter des Aufgeklärten Absolutismus ist, was das für sein Handeln und für seine Staatsauffassung bedeutet. Selbst Zeitgenossen des Preußenkönigs haben die Aufklärung und Friedrich II. in Verbindung gebracht, so bezeichnete Immanuel Kant das Zeitalter der Aufklärung als Zeitalter Friedrichs II..[1]

Die Verbindung „Aufgeklärter Absolutismus – Friedrich II.“ und seine daraus resultierende Staatsauffassung stelle ich in dieser Hausarbeit dar.

Ebenso erörtere ich die Frage, ob Friedrich II. wirklich als ein „Prototyp“ eines aufgeklärten Absolutisten gesehen werden kann. Als Titel der Hausarbeit habe ich "Vertraglicher Dienst? Die Staatsauffassung Friedrichs II." gewählt. Die Fragestellung nach dem vertraglichen Dienst deutet auf eine eventuelle sehr spezielle Sicht Friedrichs II. auf seine Aufgaben als König hin, die in dieser Hausarbeit herausgestellt wird. Um die Fragestellung nach Friedrichs II. Staatsauffassung, und weitergehend, ob er als aufgeklärter Absolutist angesehen werden kann, zu beantworten, ist es notwendig, nicht nur Friedrichs II. Handeln als König allein zu betrachten. Zunächst werde ich jeweils die Begriffe des Absolutismus, der Aufklärung und des Aufgeklärten Absolutismus darstellen, um einen Maßstab zu schaffen, an dem Friedrichs II. Verhältnis zum Aufgeklärten Absolutismus gemessen werden kann. Weiterhin zeige ich in einem eigenen Kapitel die Kindheit und Jugend des Kronprinzen Friedrich auf, war sie doch eine prägende, wenn nicht gar die prägendste Zeit im Leben Friedrichs II.. Ebenso gesondert zeige ich Friedrichs II. Wirken als Künstler und Philosoph, denn in seinen eigenen philosophischen Schriften gibt es weit mehr Spuren seines Denkens über die Aufklärung als in den Zeugnissen seiner Regierung. Friedrichs II. Staatsauffassung stelle ich dann in gesonderten Kapiteln dar, jeweils mit einzelnen Schwerpunkten, wie seiner Rechtsauffassung, seinem Verhältnis zur Religionsfreiheit, seinem eigenen Selbstverständnis als König und der Vorstellung der Pflichten seiner Bürger ihm und dem Staat gegenüber. Um die letzten beiden Bereiche verstehen zu können, ist die Darlegung der Vertragstheorie, die die Staatsauffassung der Aufklärer weitestgehend bestimmte, nötig.

2 Friedrich II.

In diesem Kapitel gebe ich einen kurzen Überblick über das Leben Friedrichs II., was notwendig ist, um sein Handeln als König zu verstehen. Hier spielen besonders seine Jahre als Kronprinz eine Rolle, in denen Friedrich begann, sich mit den Ideen der Aufklärung zu beschäftigen und die für seine späteren Jahre prägend waren. Ebenso stelle ich Friedrichs II. wirken als König und das als Schriftsteller, Philosoph und Künstler dar.

2.1 Kronprinz Friedrich

Am 24. Januar 1712, bekamen der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine Frau Sophie Dorothea ihr viertes Kind, dem sie den Namen Friedrich gaben. Weil dessen beiden älteren Brüder bereits vor ihrem ersten Geburtstag gestorben waren und die ältere Schwester Wilhelmine als Mädchen kein Anrecht auf den Thron hatte, war mit dem Sohn wieder ein Thronerbe geboren.[2]

Schon von klein auf war das Verhältnis zwischen Vater und Sohn nicht ungetrübt. Zwischen den beiden stand zum einen ein Vater-Sohn-Konflikt, aber auch ein Generationenkonflikt und, mit zunehmendem Alter Friedrichs, ein Konflikt über unterschiedliche politische Vorstellungen. Die Erziehung und Ausbildung des Kronprinzen, die seit Erreichen des 7. Lebensjahres durch hohe Militärs durchgeführt wurde, erfolgte nach einem Erziehungsplan, den bereits Friedrich Wilhelms Vater, Friedrich I., für die Erziehung seines Sohnes ausgearbeitet hatte. Für König Friedrich Wilhelm war es besonders wichtig, dass sein Sohn streng pietistisch erzogen wurde, seiner Sicht nach musste größter Wert auf Gottesfürchtigkeit gelegt werden, da ja für einen Kronprinzen ansonsten keine furchteinflößenden Instanzen, als König würde er über allem stehen, vorhanden waren. Diese pietistische Erziehung beinhaltete auch das Verbot für Friedrich, die Oper oder andere „weltliche“ Vergnügungen aufzusuchen.[3]

Die Lerninhalte der schulischen Ausbildung waren für Friedrich Wilhelm hingegen eher unwichtig. Kenntnisse in Französisch, Verwaltungsgrundlagen, Exerzieren, Mathematik, Geographie, Artilleriekunde und Ökonomie hielt er für die wichtigen Inhalte. In Geschichte und Staatskunde wurde der zukünftige König hingegen kaum unterrichtet. Genauso hielt der König Kenntnisse in Latein, das er selber nicht beherrschte, für unnütz. Als der Kronprinz einmal beim heimlichen Lateinstudium erwischt wurde, wurden er und sein Lehrer auf Geheiß des Königs mit der Prügelstrafe belegt. Ein anderer Lehrer, der Friedrich heimlich und gegen den Willen des Vaters mit philosophischen Schriften konfrontierte, wurde, als dies bekannt wurde, vom Hof verbannt.[4]

Dennoch wurde in dem jungen Kronprinzen der Drang zu lesen größer. Seit seinem neunten Lebensjahr interessierte er sich für Literatur, als Jugendlicher wuchs trotz des Verbotes des Vaters sein Interesse an der Philosophie, während die Religion für ihn immer unbedeutender wurde. Symbolisch für seinen Wissensdrang nach Dingen, die nicht auf dem väterlichen Lehrplan standen, war die Bibliothek, die er heimlich mit Hilfe seines Lehrers in einem dem Schloss nahe gelegenen Haus nach und nach zusammenstellte. Inwieweit Friedrich wirklich geistig und mit vollem Herzen an seiner Erziehung und Ausbildung teilnahm und sich seinen Anforderungen als Kronprinz stellte, lässt sich schwer sagen. Nach außen folgte er jedenfalls stets seinen Lehrern.

Mit zunehmendem Alter des Kronprinzen spitze sich der Konflikt zwischen Friedrich und seinem Vater zu, bis Friedrich nur noch in einer Flucht ins Ausland weg vom strengen Vater und von der Enge des Hofes einen Ausweg für sich sah. Die Flucht, die er am 5. August 1730 von Steinfurt bei Sinsheim aus, wohin ihn eine Reise geführt hatte, Richtung Frankreich antreten wollte, endete jedoch, noch bevor sie begonnen hatte. Als er heimlich das Lager verlassen wollte, war dieses bereits umstellt und Friedrich wurde verhaftet. Nach dem missglückten Fluchtversuch wurde er wegen Desertation vor einem Militärgericht angeklagt, da eine Verhandlung gegen den Kronprinzen vor einem anderen Gericht Probleme bereitet hätte.[5]

Katte, Friedrichs Freund und sein Helfer bei der Vorbereitung der Flucht, wurde von dem gleichen Gericht zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Bei Friedrich sträubten sich die Richter jedoch, ein Urteil zu fällen, weil es ihnen widerstrebte, ein Mitglied der königlichen Familie zu verurteilen, und überließen es stattdessen dem König, ein Urteil gegen seinen Sohn zu sprechen. Dieser hob zunächst das Urteil gegen Katte trotz Einspruchs des Gerichts auf und wandelte es in die Todesstrafe um, womit er vor allem auch Friedrich treffen wollte, der der Hinrichtung seines Freundes in dem Glauben zusehen musste, dass ihm das gleiche Schicksal bevorstehe. Statt einer Verurteilung Friedrichs folgte für diesen jedoch eine Art „Resozialisierung“, die sich hauptsächlich in andauernden religiösen Unterweisungen erschöpfte. Wahrscheinlich war der König durch den Tod Kattes etwas beschwichtigt, außerdem musste ihm klar sein, dass die Hinrichtung Friedrichs Probleme in der Erbfolge mit sich gebracht hätte.[6]

Bei Friedrich wirkte dieses Vorgehen seines Vaters jedoch eher kontraproduktiv. Die vielen religiösen Unterweisungen, die ihn zu einem guten Christen machen sollten, machten ihm den Glauben nur noch fremder, als er ihm sowieso schon war, durch die ewigen Versuche, ihn in das „biedere protestantische Hof- und Familienleben“ zu pressen, wuchs nur sein Interesse für die Gedanken der Aufklärung, die aus Frankreich nach Preußen kamen.[7]

Nach außen hin begann sich Friedrich, der noch vergeblich den Verzicht auf den Thron angeboten hatte, um seinen Freund damit zu retten, nach der Hinrichtung Kattes zu wandeln und folgsamer zu werden. Letztendlich war das Verhältnis zu seinem Vater jedoch nur noch von Hass bestimmt. Schon bald wurden seine Haftbedingungen gelockert und er durfte sich in der ganzen Stadt Küstrin, in der er einsaß, frei bewegen. Am 26. Februar 1732 durfte er dann Küstrin in Richtung Ruppin, wo sein Regiment stationiert war, verlassen, nachdem er widerwillig der Verlobung mit der Prinzessin von Bevern zugestimmt hatte. Am 12. Juni1733 heiratete er dann Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, die ihn liebte, was jedoch nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Friedrich „verbannte“ sie in späteren Jahren tatsächlich aus seiner Gegenwart, wie er es bereits vor der Verlobung angekündigt hatte. 1736 zog Friedrich mit seiner Frau nach Rheinsberg, wo er als Kronprinz nun einen eigenen Hof bekam[8]

Der Hof in Rheinsberg war für ihn aber weniger ein Hof im klassischen Sinn, als vielmehr ein „Musenhof“, wo er sich seinen Interessen in Musik, Literatur und Philosophie widmen konnte und er Personen aus den entsprechenden Bereichen um sich scharte.[9] Am 31. Mai 1740 starb König Friedrich Wilhelm im Alter von 51 Jahren und Friedrich war nun neuer König.[10]

2.2 König Friedrich II.

Friedrich II. begann seine Regierungszeit vielversprechend, er schaffte die Folter ab, beendete die Zensur, half armen Städten und förderte die Wissenschaft. Andererseits förderte und vergrößerte er aber auch vom ersten Tag an die preußische Armee.

Am 16. Dezember 1740 marschierte Friedrich II dann in Schlesien ein, mit dem Gedanken, einen europäischen Krieg zu entfachen, um dann in dem gesamteuropäischen Trubel Schlesien für sich als Gewinn herausschlagen zu können. Friedrich II. war dabei natürlich bewusst, dass er keinerlei Ansprüche auf Schlesien hatte. Es war schlicht ein „Überfall“, der den Zorn aller europäischen Staaten hervorrief und das vorher so positiv gestimmte Bild Friedrichs II. mit einem Mal vernichtete. Diesem war es schlichtweg egal, dass er gegen die allgemeine Linie der europäischen Mächte, seit dem spanischen Erbfolgekrieg Krieg zu vermeiden, verstieß. Neben dem Ziel, Schlesien zu gewinnen, schien Krieg für Friedrich II. auch eine willkommene Abwechslung von der ihn langweilenden Tagespolitik zu sein.[11]

Nach weiteren Feldzügen kehrte er dann 1745 in die Heimat zurück, allerdings nicht nach Rheinsberg, sondern nach Berlin. 1745-47 wurde in Potsdam Schloss Sanssouci gebaut, das von nun an sein bevorzugtes Domizil wurde.[12]

Am 26. August 1756 griff Friedrich II. ohne Kriegserklärung Sachsen an, das nach diesem Angriff von Österreich unterstützt wurde. Aus diesem Angriff entwickelte sich der Siebenjährige Krieg. Als Grund für diesen Überall führte Friedrich II. die sich gegen Preußen bildende Koalition an, letztendlich hatte er jedoch die Bildung dieser selber herbeigeführt, und beschleunigte den Vorgang mit dem Angriff noch mehr.[13]

So sehr Friedrich II. als Feldherr die Außenpolitik beeinflusste, so sehr war ihm doch die diplomatische Außenpolitik fremd.

Verhandlungen mit anderen Ländern überließ er seinen Diplomaten, wohl auch aus einer gewissen Unsicherheit im Umgang mit anderen Staatsoberhäuptern heraus.[14]

Friedrich II. selber war schon früh klar, dass er keinen Thronerben würde zeugen können, was ihn stark belastete. Die Gründe dafür wurden nie genannt, aber auch zu Friedrichs II. Zeit gab es schon Gerüchte über dessen Homosexualität, die auch durch Voltaire genährt wurden. Wahrscheinlicher ist aber, dass Friedrich II. schlicht zeugungsunfähig war. Bevor er am 30. Juni 1744 in den 2. Schlesischen Krieg zog, verfügte er, dass sein ältester Bruder August Wilhelm den Titel Prinz von Preußen, was der Ernennung zum Kronprinzen gleichkam, tragen sollte. In seinem Testament vom 11.Januar 1752 verfügte er nochmals schriftlich, dass sein Bruder August Wilhelm, oder im Falle dessen Todes sein ältester lebender Sohn, natürlicher und gesetzlicher Thronfolger sein soll. Bereits 1758 starb August Wilhelm und so ging die Thronfolge auf dessen Sohn Friedrich Wilhelm über, den Friedrich II. allerdings als Kronprinz für ungeeignet hielt. Wäre Friedrich II. im siebenjährigen Krieg gefallen, so wäre der Thron an seinen 14jährigen Neffen gegangen und die Armee auf diesen vereidigt worden. Um das zu verhindern, ernannte Friedrich II. 1758 seinen Bruder Heinrich zum Vormund Friedrich Wilhelms. Zum eigentlichen Thronfolger machte er ihn jedoch nicht, da für Friedrich II. das Erstgeborenenrecht bindend war und so nur sein ältester Bruder und dessen Familie ein Anrecht darauf hatten.[15] 1752 verfasste Friedrich II. sein privates und sein politisches Testament.[16]

In seinem ersten Testament äußerte sich Friedrich II. auch über den Krieg: „Welchen Gewinn wir uns aber auch von einem Krieg versprechen mögen, mein jetziges System beruht darauf, den Frieden zu verlängern, solange es möglich ist, ohne die Majestät des Staates zu verletzen.“ Daran kann man also sehen, dass Friedrich II. der Frieden zwar wichtig war, er ihn aber nicht so hoch ansetzte, dass er ihn über die Interessen seines Staates stellte.[17] 1786 verschlechterte sich die Gesundheit Friedrichs II.. Im Angesicht des nahenden Todes verlängerte er seinen Arbeitstag, so begann im Sommer die Arbeit für Kabinettsräte bereits um 4 Uhr. Friedrich II. starb schließlich am 17. August von Gicht und Atemnot geplagt. Beigesetzt wurde er in der Potsdamer Garnisonskirche.[18]

2.3 Friedrich II. als Philosoph und Künstler

Friedrich II. verstand sich selbst immer nicht nur als „Konsument" philosophischer und aufgeklärter Schriften, sondern auch als Verfasser solcher. Er war dabei nicht frei von den Ideen anderer, sondern er wurde natürlich auch durch das, was er selber las, beeinflusst. In seinen Werken spiegeln sich seine Gedanken zu den Ideen der Aufklärung wieder. Als herausragendes Beispiel ist sein „Antimachiavelli“ zu nennen, den er bereits als Kronprinz verfasste. Künstlerisch betätigte sich Friedrich II. außerdem als Schriftsteller, Musiker und Komponist.

Wie in Kapitel 2.1 dargestellt, begann Friedrich schon früh, sich für Literatur und Kunst zu interessieren.

Schon als jugendlichem Kronprinz nutzte er die Beschäftigung mit Kultur und Philosophie zur Entspannung.[19] Wirklich Gelegenheit, sich Philosophie, Literatur und auch der Musik zu widmen, bekam er aber erst, nachdem er auf Schloss Rheinsberg seinen eigenen Hof führte. Hier holte Friedrich seine Ausbildung nach, die der Vater nach der Konfirmation 1727 beendet hatte, hier konnte er sich offen den Gedanken der Aufklärung widmen, selber komponieren und Gedichte verfassen. In der Rheinsberger Zeit begann auch der Kontakt und letztendlich die Freundschaft zu Voltaire, dem großen Vertreter der Aufklärung.[20] Sein Leben lang behielt er die in Rheinsberg begonnene Tradition bei, an seiner abendlichen Tafel Intellektuelle um sich zu scharen.[21] Seit dieser Zeit stand er, der sich auch selber seit seiner Jugend als Philosoph bezeichnete, wie kein anderer europäischer Monarch seiner Zeit in regem Austausch mit Philosophen und Gelehrten. „Schöngeistiges“ war für ihn aber immer Selbstzweck und stand nicht im Dienst seines Regierungshandelns. Das Lesen philosophischer Werke diente ihm auch zur Schulung seines Denkvermögens.[22]

Eines seiner wichtigsten Werke entstand auch in der Rheinsberger Zeit. Im Juni 1740 erschien in Den Haag eine anonym auf Französisch verfasste und von Voltaire herausgegebene Schrift, die in Europa für Aufsehen sorgte. Es blieb jedoch nicht lange geheim, dass der gerade auf den Thron gelangte preußische König Friedrich II. das Werk 1739 noch als Kronprinz verfasst hatte. Diese Herkunft und sein Inhalt machten das Werk nochmals populärer. Es handelte sich dabei um die Schrift „Antimachiavel ou Essai de critique sur `Le prince` de Machiavel publié par François Marie Voltaire“ oder kurz um Friedrichs II. berühmten Antimachiavell. Die Schrift war ein Gegenentwurf zu den Schriften Machiavellis, die, rund 200 Jahre vorher verfasst, skrupellose Machtpolitik propagierten. Der Antimachiavell beinhaltete hingegen ein den Menschen zugewandtes, neues, aufgeklärtes Programm für einen Herrscher, was in Europa einer Sensation gleichkam: Aus Preußen kam nun plötzlich eine von den Gedanken der Aufklärung inspirierte Schrift von einem Kronprinz verfasst, der nun König war. Im Antimachiavell beschreibt Friedrich den idealen König als ersten Diener seines Volkes und zeigt auf, dass sich der Fürst als erstes um sein Volk und dessen Wohlergehen kümmern müsse, was im Gegensatz zu den Theorien Machiavellis steht. Diese fortschrittlichen Ideen und Gedanken warfen zunächst unter den europäischen Aufklärern ein gutes Licht auf Friedrich II., erhoffte man sich doch ein an seine Ideen angelehntes Regierungshandeln.[23]

Dennoch war Friedrich II. nicht nur der bekennende Antimachiavellist, wie man nach der Lektüre seines Buches hätte vermuten könnten. Der Historiker Friedrich Meinecke sah in Friedrich II. auch einen Machiavellisten, auch wenn beide Charaktere nicht gleichwertig waren, der Antimachiavellismus in Friedrich II. nur eine angelesene, durch die Ideen der neuen Zeit beeinflusste Richtung war, während sein Machiavellismus eine Naturkraft war. So gab es auch in Friedrichs II. Antimachiavell genügend Sonderfälle, die einen Rückzug zu machiavellistischem Verhalten ermöglichten, auch wenn er vordergründig Machiavellis Gedanken als verbrecherisch und verderblich zurückwies. Friedrich wollte der Öffentlichkeit das „wahre“ Bild der Politik nahe bringen, die nur Weisheit des Monarchen sei und nicht wie so oft angenommen überwiegend aus ungerechtem Handeln und schlechtem Tun bestand. Die Herrscher müssten Verträge ohne Hintergedanken abschließen und Recht und untadeliges Handeln unterstützen. Die „wahre“ Politik müsse also quasi durch den aufgeklärten Herrscher erst wieder geschaffen werden.

Auch deswegen stellte es für Friedrich II. keinen Widerspruch zu seiner antimachiavellistischen Haltung dar, dass ein Herrscher in seinem Staat alle Fäden in seiner Hand haben sollte, was ihn dann doch wieder zum bei Machiavelli angemahnten Alleinherrscher oder gar zum Despoten machte. Auch Vertragsbruch war etwas, was Friedrich bei Machiavelli als furchtbares Vergehen ankreidete, sogleich aber dann einen Schritt zurück machte, indem er zugab, dass es Situationen gäbe, in denen ein Herrscher nicht anders könne. Er sollte es dann nur mit Anstand tun. Als König hat Friedrich II. später selber dann Verträge geschlossen und gebrochen, wie es ihm gerade nützlich erschien.

Ebenfalls im Einklang mit Machiavelli war er bei seiner Einschätzung über die Frage, wie der Monarch seine Tätigkeit als oberster Kriegsherr ausüben sollte. Zu seiner Zeit war es nicht mehr selbstverständlich, dass ein Monarch, wenn auch formell, in der Praxis Oberbefehlshaber war. Friedrich verlangte aber von dem von ihm beschriebenen Monarchen Anwesenheit bei der Truppe und sogar deren Führung in der Schlacht. Eine Forderung, die nicht mal der „Prototyp“ eines absolutistischen Herrschers, Ludwig XIV., erfüllte.[24] Friedrich II. hielt sich jedoch später als König an seine Ideale und führte seine Truppen im Krieg an vorderster Front an, so bewies er zum Beispiel während des Siebenjährigen Krieges immer wieder großen Kampfesmut in der Schlacht.[25]

In seinem Antimachiavelli äußerte sich Friedrich auch über die Zulässigkeit von Kriegen. Ein Verteidigungskrieg war für ihn die gerechteste Form des Krieges, weniger legitimiert war ein Krieg in dem um Dinge gestritten wurde, der Krieg also als „Streit der Herrscher“. Noch weniger legitimiert waren für Friedrich Angriffskriege. Sie stellten jedoch kein Tabu dar, wenn sie vorbeugend unternommen wurden, um einem gegnerischen Angriff zuvor zukommen. Der am wenigsten legitimierte Krieg für Friedrich war der, in den man als Bündnispartner geriet. Alle seine Thesen über die Rechtmäßigkeit von Kriegen begründete Friedrich nicht mit völkerrechtlichen Gedanken, sondern mit realen Beispielen. Um sich dann letztendlich nochmal von Machiavelli abzuheben und auch seine eigenen aufgeklärten Ideen zu äußern, erinnerte Friedrich daran, dass die Kriegsführenden stets an die leidende Zivilbevölkerung denken müssten. Letztendlich konnte sich Friedrich II. selber aber nur sehr schwer an seinen eigenen Maßstäben messen. Sein Angriffskrieg von 1740 beruhte weder auf legitimen Ansprüchen, noch auf der Aufrechterhaltung von Rechten.

[...]


[1] Schieder, Theodor 1983: Friedrich der Große - Ein Königtum der Widersprüche: 284

[2] ebd.: 7

[3] ebd.: 19 ff

[4] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: Friedrich der Grosse - Größe und Grenzen des Preußenkönigs: 33 f.

[5] Schieder, Theodor 1983: 27 f.

[6] ebd.: 39 ff

[7] ebd.: 45

[8] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 37 ff

[9] Schieder, Theodor 1983: 48

[10] Gaxotte, Pierre 1986: Friedrich der Grosse :204 f.

[11] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 9 ff

[12] ebd.: 68

[13] ebd.: 74

[14] Schieder, Theodor 1983: 402

[15] ebd.: 56 f.

[16] Bosbach, Erika 1960: Die „Rêveries Politiques“ in Friedrichs des Grossen Politischem Testament von 1752 - Historisch-politische Erläuterung: 35

[17] ebd.: 63 ff

[18] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 148

[19] Hauser, Oswald (Hrsg.) 1987: Friedrich der Große in seiner Zeit: 33 f.

[20] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 40

[21] Schieder, Theodor 1983: 57

[22] Birtsch, Günter (Hrsg.) 1987: Der Idealtyp des aufgeklärten Herrschers: 21 f.

[23] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 8 f.

[24] Schieder, Theodor 1983: 104 ff

[25] Aretin, Karl Otmar Freiherr von (Hrsg.) 1985: 78

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Vertraglicher Dienst?
Untertitel
Die Staatsauffassung Friedrichs II.
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Historisches Institut)
Note
3,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
31
Katalognummer
V140013
ISBN (eBook)
9783640502103
ISBN (Buch)
9783640501885
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich II., Absolutismus
Arbeit zitieren
Sebastian Brüninghaus (Autor:in), 2007, Vertraglicher Dienst? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140013

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