Auf dem "Platz der drei Kulturen" in Mexiko-Stadt stehen ein zerstörter Aztekentempel, ein ehemaliges spanisches Kloster und moderne, mehrstöckige Zweckbauten des 20. Jahrhunderts dicht beieinander. Wenn hier die militärische Niederlage der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan als schmerzhafte Geburt eines gegenwärtigen mestizischen Mexikos interpretiert wird, so drückt sich eine Haltung aus, die man immer wieder im mexikanischen Alltag beobachten kann: das Andenken und die archäologischen Überbleibsel der prähispanischen Hochkulturen werden gepflegt und in Ehren gehalten; das Christentum und die modernere Kultur der europäischen Eroberer haben die früheren Kulturen überlagert und bestimmen die Schicksale des Landes bis heute.
Die Gedanktafel auf dem Platz verschweigt jedoch, dass auch in der Gegenwart nicht alle Mexikaner Mestizen sind, so werden zwischen 8-12% der Bevölkerung einer indianischen Ethnie zugerechnet. Doch diesen bleibt nur eine Existenz am Rande der sich als modern verstehenden mexikanischen Gesellschaft. Für das moderne Mexiko sind sie ein Dorn im Auge, gerne spielt man ihre Anzahl herunter oder blickt -nicht ohne Scham- von oben auf sie herab.
Ausgehend von dieser Beobachtung im mexikanischen Alltag, die sich auch in einigen literarischen oder essayistischen Schriften widerspiegelt, geht es mir in der vorliegenden Arbeit darum, zu überprüfen, inwieweit die beschriebene Haltung durch mexikanische Schulbücher vermittelt wird. Da auch Wissenschaftler und Schulbuchschreiber niemals ganz von ihrer Erziehung und ihren persönlichen Werten absehen können, ist anzunehmen, dass sie in irgendeiner Form in die Schulbücher eingeflossen ist, und sich auf diese Weise in den Köpfen der nachfolgenden Generationen fortsetzen wird. Im folgenden werde ich mich allerdings nur auf einen Teil dieses doppelseiten Bildes der indianischen Völker beschränken: Ich beabsichtige, die Darstellung der prähispanischen Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern zu verfolgen, und dabei vor allem auf die Gewichtung dieses Themenkomplexes innerhalb des schulichen Curriculums, Schwerpunkte und Auslassungen, sowie wertende Stellungnahmen zu achten. Zusätzlich wird mich die Frage beschäftigen, ob die Geschichtsbücher Aussagen bezüglich der ethnischen Identität der heutigen Mexikaner enthalten, die mit den prähispanischen Kulturen in Zusammenhang stehen. Als Hintergrund und Vergleichsgrundlage dienen wissenschaftliche Schriften zur Geschichte und Kulturgeschichte Mexikos.
Inhaltsverzeichnis
- Schulbücher als Spiegel und Schöpfer von Alltagsmeinungen über Ethnien?
- Schulsystem und Schulbücher in Mexiko
- Darstellung der prähispanischen Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern
- Umfang der Darstellung der prähispanischen Kulturen im Gesamtcurriculum des obligatorischen Geschichtsunterrichts
- "Wichtige" und "unwichtige" Kulturen
- Quellenangaben und Forschungsstand
- Wertende Aussagen
- Ethnisches und nationales Selbstverständnis der heutigen Mexikaner aus der Sicht der Schulgeschichtsbücher
- Zusammenfassung der Beobachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, wie mexikanische Schulgeschichtsbücher die prähispanischen Kulturen darstellen und wie diese Darstellung das ethnische und nationale Selbstverständnis der heutigen Mexikaner beeinflusst. Es wird analysiert, welche Gewichtung diesem Thema im Curriculum zukommt, welche Kulturen hervorgehoben oder ausgelassen werden und ob wertende Aussagen getroffen werden. Der Vergleich mit wissenschaftlichen Schriften dient als Grundlage.
- Darstellung prähispanischer Kulturen in mexikanischen Schulbüchern
- Gewichtung des Themas im Schulcurriculum
- Schwerpunkte und Auslassungen in der Darstellung
- Wertende Aussagen über prähispanische Kulturen
- Zusammenhang zwischen der Darstellung und dem ethnischen Selbstverständnis der Mexikaner
Zusammenfassung der Kapitel
Schulbücher als Spiegel und Schöpfer von Alltagsmeinungen über Ethnien?: Dieses Kapitel beginnt mit einer Beobachtung am "Platz der drei Kulturen" in Mexiko-Stadt, wo die Überlagerung von aztekischer, spanischer und moderner Architektur die komplexe Beziehung Mexikos zu seiner prähispanischen Vergangenheit symbolisiert. Es wird die widersprüchliche Haltung vieler Mexikaner angesprochen: die Verherrlichung der prähispanischen Hochkulturen im Gegensatz zur Marginalisierung der heutigen indigenen Bevölkerung. Der Anthropologe Guillermo Bonfil Batalla wird zitiert, um diese Diskrepanz zu beleuchten, wobei er die Präsentation der indigenen Kultur als "toten" Teil der Geschichte kritisiert. Das Kapitel legt den Grundstein für die Untersuchung der Darstellung prähispanischer Kulturen in Schulbüchern und deren mögliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung der indigenen Bevölkerung.
Schulsystem und Schulbücher in Mexiko: Dieses Kapitel beschreibt das mexikanische Schulsystem, das im Gegensatz zum deutschen System eine Einheitsschule darstellt, mit einer sechsjährigen Grundschule (Primaria) und einer dreijährigen Sekundarschule (Secundaria). Es wird darauf hingewiesen, dass die Schulpflicht bis zum Ende der Sekundarschule besteht, die tatsächliche Teilnahme jedoch geringer ist. Das Kapitel bietet einen wichtigen Kontext für die Analyse der Schulbücher, indem es die Struktur des Bildungssystems aufzeigt und den Rahmen für die Verbreitung von Wissen über die Geschichte Mexikos und seine prähispanischen Kulturen beleuchtet. Die Angaben zu den Abschlussquoten verdeutlichen die sozialen Ungleichheiten im Zugang zu Bildung.
Darstellung der prähispanischen Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern: Dieses Kapitel, das den Kern der Arbeit bildet, untersucht detailliert, wie die prähispanischen Kulturen in den mexikanischen Schulbüchern dargestellt werden. Es wird der Umfang der Darstellung im Lehrplan analysiert, welche Kulturen als "wichtig" und welche als "unwichtig" präsentiert werden, welche Quellen verwendet werden und welche wertende Sprache eingesetzt wird. Es wird also untersucht, ob und wie die Schulbücher die komplexe Geschichte Mexikos vermitteln und wie die prähispanischen Kulturen in diesem Kontext dargestellt werden. Die Analyse der Quellenangaben und der verwendeten Sprache ist essentiell für das Verständnis der zugrundeliegenden Perspektiven und möglichen Verzerrungen.
Ethnisches und nationales Selbstverständnis der heutigen Mexikaner aus der Sicht der Schulgeschichtsbücher: Dieses Kapitel untersucht, wie die Schulbücher das ethnische und nationale Selbstverständnis der heutigen Mexikaner im Kontext der prähispanischen Kulturen darstellen. Es wird analysiert, welche Narrative konstruiert werden und wie die Beziehung zwischen der prähispanischen Vergangenheit und der gegenwärtigen mexikanischen Identität konstruiert wird. Das Kapitel beleuchtet, wie die Darstellung der Vergangenheit die Identitätsbildung der Schüler beeinflusst und ob es Widersprüche zwischen dem glorifizierten Bild der prähispanischen Kulturen und der aktuellen Situation der indigenen Bevölkerung gibt.
Schlüsselwörter
Mexiko, Schulgeschichtsbücher, prähispanische Kulturen, indigene Bevölkerung, ethnische Identität, nationales Selbstverständnis, Curriculum, Geschichtsdidaktik, Mestizaje, Kolonialismus, Guillermo Bonfil Batalla.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Darstellung prähispanischer Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung prähispanischer Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern und untersucht deren Einfluss auf das ethnische und nationale Selbstverständnis heutiger Mexikaner. Es werden die Gewichtung des Themas im Curriculum, die Auswahl und Auslassung bestimmter Kulturen sowie die Verwendung werbender Sprache untersucht.
Welche Aspekte des mexikanischen Schulsystems werden betrachtet?
Die Arbeit beschreibt das mexikanische Schulsystem, bestehend aus sechsjähriger Grundschule (Primaria) und dreijähriger Sekundarschule (Secundaria), und beleuchtet die tatsächliche Teilnahme im Vergleich zur Schulpflicht. Der Fokus liegt auf der Struktur des Bildungssystems und wie es Wissen über die Geschichte Mexikos und seine prähispanischen Kulturen vermittelt.
Wie werden prähispanische Kulturen in den Schulbüchern dargestellt?
Die Arbeit analysiert den Umfang der Darstellung prähispanischer Kulturen im Lehrplan, welche Kulturen als "wichtig" oder "unwichtig" präsentiert werden, die verwendeten Quellen und die wertende Sprache. Es wird untersucht, ob und wie die Schulbücher die komplexe Geschichte Mexikos und die prähispanischen Kulturen darin vermitteln.
Welche Rolle spielen die Schulbücher für das ethnische und nationale Selbstverständnis der Mexikaner?
Die Arbeit untersucht, wie die Schulbücher das ethnische und nationale Selbstverständnis der heutigen Mexikaner im Kontext der prähispanischen Kulturen darstellen. Es wird analysiert, welche Narrative konstruiert werden und wie die Beziehung zwischen der prähispanischen Vergangenheit und der gegenwärtigen mexikanischen Identität dargestellt wird. Dabei wird auch der mögliche Widerspruch zwischen dem glorifizierten Bild der prähispanischen Kulturen und der aktuellen Situation der indigenen Bevölkerung beleuchtet.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Analyse mexikanischer Schulgeschichtsbücher. Ein Vergleich mit wissenschaftlichen Schriften dient als Grundlage für die Bewertung der Darstellung in den Schulbüchern.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Mexiko, Schulgeschichtsbücher, prähispanische Kulturen, indigene Bevölkerung, ethnische Identität, nationales Selbstverständnis, Curriculum, Geschichtsdidaktik, Mestizaje, Kolonialismus, Guillermo Bonfil Batalla.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in die Kapitel: Schulbücher als Spiegel und Schöpfer von Alltagsmeinungen über Ethnien?; Schulsystem und Schulbücher in Mexiko; Darstellung der prähispanischen Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern; Ethnisches und nationales Selbstverständnis der heutigen Mexikaner aus der Sicht der Schulgeschichtsbücher; Zusammenfassung der Beobachtungen.
Wie wird der Widerspruch zwischen der Verherrlichung prähispanischer Kulturen und der Marginalisierung indigener Bevölkerung behandelt?
Die Arbeit thematisiert den Widerspruch zwischen der Verherrlichung prähispanischer Hochkulturen in der öffentlichen Wahrnehmung und der Marginalisierung der heutigen indigenen Bevölkerung. Sie untersucht, wie dieser Widerspruch in den Schulbüchern reflektiert wird und welche Rolle die Darstellung in den Büchern für die Aufrechterhaltung oder Überwindung dieses Widerspruchs spielt.
Welche methodischen Ansätze werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit verwendet eine qualitative Inhaltsanalyse der mexikanischen Schulgeschichtsbücher. Dabei werden die Darstellung prähispanischer Kulturen, die Auswahl der behandelten Kulturen, die verwendeten Quellen und die sprachliche Gestaltung analysiert. Ein Vergleich mit wissenschaftlichen Publikationen ermöglicht die Einordnung der gefundenen Darstellungen.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Dorit Heike Gruhn (Autor:in), 2001, Prähispanische Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern. Glorreiche Vergangenheit einer Nation?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14001