Die Begriffsgeschichte des Nihilismus in ihren verschiedenen Kontexten. Nietzsches Philosophie des Nihilismus.


Hausarbeit, 2003

19 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Zielsetzung der Untersuchung

2. Die Entstehungsgeschichte des Begriffs
2.1. Das Wort Nihilismus
2.2. Die Vorboten des Nihilismusbegriffs im Mittelalter und in den Anfängen der Neuzeit
2.3. Das Wort in seiner Einführung bei Jacobi
2.4. Die Sehnsucht des „Nichts“ in Kunst und Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts
2.5. Der Nihilismus-Begriff im frühe 19.Jh. in Hegels Philosophie und dessen Nachwirkung
2.6. Nihilismus in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts: Schopenhauer, Turgenjew und
Dostojewski

3.Der Nihilismusbegriff bei Nietzsche
3.1. Nietzsches Unterscheidung der Erscheinungsformen des Nihilismus
3.2.Vollständiger und unvollständiger Nihilismus
3.3.Verwendung des Nihilismusbegriffs nach Nietzsche

4.Zusammenfassende Gedanken

5.Auswahlbibliographie

1. Einführung: Rahmen und Zielsetzung der Untersuchung

Nihilismus, in Wörterbüchern und Lexika der heutigen Zeit wird er als Verneinung aller Werte, Ziele, Glaubensinhalte und oft auch als Verneinung der bestehenden Ordnung definiert. Im engeren Sinne ist mit dem Begriff eine dem Anarchismus nahe stehende russische Revolutionsbewegung gemeint.

Mit meiner Themenwahl habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, das Wort Nihilismus in seinen verschiedenen Kontexten darzustellen. Ein weiteres Ziel soll es sein, eine Verbindung zwischen der Begriffsgeschichte des Nihilismus und der heutigen Definition zu finden, um somit Gemeinsamkeiten oder eventuelle Unterschiede herauszuarbeiten. Dabei möchte ich in einem weniger umfassenden Teil die Vorgeschichte des Begriffs beleuchten und anschließend auf die Begriffeinführung in die Philosophie durch Jakobi eingehen.

Wichtig ist es mir sowohl den philosophischen, literarischen und religiösen Kontext des Nihilismus` zu erörtern. Besondern Wert werde ich aber auf den philosophischen Rahmen legen und so vor allem Nietzsche und dessen Verbindung zum europäischen Nihilismus ausführlich darstellen.

Aus dem heutigen Blickwinkel betrachtet war es nämlich Friedrich Nietzsche, der dem Begriff zu größerer Popularität verhalf. Spricht man heute vom Nihilismus, dann bleibt die Einordnung in den historischen Gesamtkontext hintergründig, die Gedankenverknüpfung zu Nietzsche ist meist die erste und oft auch einzige welche hergestellt werden kann.

Aufgrund dieser Tatsache werde ich mich auch in meiner Arbeit ausführlich mit Nietzsche und seiner nihilistischen Philosophie befassen.

2. Die Entstehungsgeschichte des Begriffs

2.1. Das Wort Nihilismus

Das Wort „Nihilismus“ ist aus dem lateinischen Wort „nihil“ und der Endung „–ismus“ zusammengesetzt. Die Worte „nihil“ oder „nihilum“ haben im Deutschen die Bedeutung von „nicht“ oder „nichts“.[1] „Nicht“ fungiert dabei als Negation des Wortes „etwas“, im gleichen Sinne, wie „niemand“ die Verneinung zu „jemand“ bildet.[2]

Die Endung „–ismus“ an Worte angehängt, bezeichnet nicht-dingliche Substantive.

Oft wird dann ein Glaubenssystem, eine Ideologie oder auch eine geistige Strömung, sei es auf dem Gebiet der Wissenschaft, Geschichte oder Kunst, gekennzeichnet.

Ähnlich ist es auch mit der Endung „–ist“, diese ist für den Anhänger des System oder der Ideologie vorbehalten.[3]

Das Wort „Nihilismus“ entstammt den mittellateinischen Worten „nichilianista“, also der, „der an nichts glaubt“ und dem Begriff „annihilare“, also dem „vernichten“ und „verneinen“.[4]

Die Geschichte des Begriffs erfährt dadurch ihre Kennzeichnung, dass sie in unterschiedliche Entwicklungsphasen zerfällt, welche sich nicht aufeinander beziehen.[5]

Die wichtigsten Phasen folgen.

2.2. Die Vorboten des Nihilismusbegriffs im Mittelalter und in den Anfängen der Neuzeit

Der Terminus Nihilismus ist im Mittelalter noch nicht als solcher bekannt. Jedoch zeigen verschiedene Quellen, dass Gedanken zum „Nichts“ und „Sein“ sehr wohl schon in dieser Zeit, wenn nicht schon früher ihren Anfang fanden.

In der hochmittelalterlichen Scholastik, einer Kirchenphilosophie dieser Zeit, tritt der Begriff „annihilatio“, die „Vernichtung“, bei Albertus Magnus, Thomas von Aquin oder Bonaventura als Vorbote zum späteren Nihilismusbegriff in Erscheinung.[6] Dem Wort „annihilatio“ hängt im kosmisch-theologischen Sinne eine negative Bedeutung an, denn die Vernichtungsfähigkeit oder auch der Vernichtungswille soll allein in der Macht des christlichen Gottes liegen.[7] Vernichtungs- und Zerstörungsgedanken des Menschen sind vor diesem Hintergrund ketzerisch.

In diesem Zusammenhang taucht auch die Bezeichnung des „Nihilianismus“ im 12./13. Jahrhundert auf. „Nihilianisten“, in der Bedeutung von „Ketzern“ oder „Andersgläubigen“,

werden alle diejenigen von ihren Gegnern genannt, welche Christus als nicht menschlich

und daraus folgend als ein „Nichts“ bezeichnen.[8]

Im 17. Jahrhundert dann, als die Naturwissenschaft die bisherige Welt der Mystik und des Glaubens zunehmend einnimmt und verdrängt kommt der Weltvernichtungsgedanke erneut auf. Der Vernichtung der „alten Welt“ folgt jedoch keine Weltauflösung, sondern eine Neuschaffung durch die Naturwissenschaft, eine neue Welt der Zahlen und Figuren entsteht.[9]

2.3. Das Wort in seiner Einführung bei Jacobi

Aus heutiger Sicht betrachtet gilt der deutsche Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819) als Begründer des Nihilismus-Begriffs.[10] Er selbst vertrat gegensätzlich zur reinen Vernunftphilosophie Kants eine Gefühls- und Glaubensphilosophie.

Er führte den Nihilismus-Begriff mit der Bedeutung als radikalster Atheismus ein.[11] Es ist jedoch davon auszugehen, dass Jacobi den Ausdruck nicht selbst bildete, sondern ihn von M. Claudius übernahm, als dieser Jacobis philosophische Position selbst als nihilistisch titulierte.[12] Im Brief den Jacobi darauf folgend an den 1762 geborenen, deutschen Philosophen Johann Gottlieb Fichte schrieb, führte er selbst den Nihilismus-Begriff im Jahre 1799 ein. Er verkündete darin seinen „Standpunkt der absoluten Verneinung“.[13] Er beleuchtet in seinem „Sendschreiben“ an Fichte den Idealismus als zum Nihilismus verführend.[14] Ein Philosophieren im idealistischen Sinne sei so nämlich nur dann möglich, wenn alles außer der Vernunft ins „Nichts“ übergeht.[15] Indem der Idealismus das „Denken“ vom „Sein“ löst, verneint er das „Sein“ und bildet somit die Basis für nihilistische Konsequenzen.[16]

Eine Philosophie des Glaubens soll im Sinne Jacobis von der „Entwirklichung des Denkens

und Handelns“ wegführen17 und eine Möglichkeit zur Überwindung des Nihilismus bieten.

Jacobi empfindet eine Abscheu gegenüber dem Nihilismus, weil dieser der Philosophie Herz und Glauben untersagt.18

2.4. Die Sehnsucht des „Nichts“ in Kunst und Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts

Schon die in 1760er Jahren herausgegebenen, angeblich uralten gälischen Gesänge des Ossian enthalten von der Vorstellung einer gottbelebten Natur wegführende Tendenzen.19 Auch Goethes 1774 erschienenen „Leiden des jungen Werthers“ sind von den in der damaligen Zeit mit großer Aufregung aufgenommenen „Gesängen“ beeinflusst, die Hauptfigur Werther liest seiner geliebten Lotte mit Begeisterung daraus vor.20 Stählin beschreibt Werthers Seelenzustand als nihilistisch, der Nihilismus resultierend aus „seelischer Zerrüttung“ und aus dem „Ausbruch der Verzweiflung“.21

Jean Pauls „Siebenkäs“ aus dem Jahr 1796 gilt als Vorbote der in den folgenden Jahren noch intensiver werdenden Philosophie des „Nichts“. In seinem Roman lässt er die Toten, auferstanden aus ihren Gräbern, rufen: „Christus! ist kein Gott?“ und die im Roman gefundene Antwort lautet: „Es ist keiner [...]“. Dann spricht Christus selbst, zu den Menschen und Toten gewandt: „Starres, stummes Nichts! Kalte, ewige Notwendigkeit! Wahnsinniger Zufall! [...] Wann zerschlagt ihr das Gebäude und mich?“.22 Es ist die „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“, wie es Manfred Riedel in seiner „Begriffsgeschichte zum Nihilismus“ umschreibt.23

Der Ausdruck „Nihilismus“ ist im Sprachgebrauch Jean Pauls definiert und wird auch von ihm, wie zuvor schon von Jakobi, in Verbindung mit Begriffen wie Atheismus, Egoismus und Atomismus verwendet.24

Seine Vorahnung, die Zukunft des geistigen Universums betreffend, besteht darin, dass

[...]


[1] Vgl. M. Riedel 1979, S.371.

[2] Ebd.

[3] Ebd., S.372.

[4] Ebd., S.373.

[5] Ebd., S.374.

[6] Ebd., S.375.

[7] Ebd., S.375.

[8] Ebd., S. 376.

[9] Ebd., S. 377.

[10] Vgl. F. Stählin 1984, S.9.

[11] Vgl. M. Riedel 1979, S.380.

[12] Ebd., S. 381.

[13] Vgl. F. Stählin 1984, S.9.

[14] Vgl. W. Weier 1980, S.31.

[15] Ebd.

[16] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Begriffsgeschichte des Nihilismus in ihren verschiedenen Kontexten. Nietzsches Philosophie des Nihilismus.
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Sprachwissenschaft III - Historische Semantik
Note
1,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V14012
ISBN (eBook)
9783638195195
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit über die Begriffsgeschichte und Begriffsentstehung des Wortes "Nihilismus" unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses Friedrich Nietzsches auf die Begriffsgeschichte.
Schlagworte
Begriffsgeschichte, Nihilismus, Kontexten, Nietzsches, Philosophie, Nihilismus, Sprachwissenschaft, Historische, Semantik
Arbeit zitieren
Tina Kretzschmar (Autor:in), 2003, Die Begriffsgeschichte des Nihilismus in ihren verschiedenen Kontexten. Nietzsches Philosophie des Nihilismus., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14012

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