Der Landstrich rechts der Memel (lit. Nemunas) mit dem Zentrum Klaipėda (dt. Memel) und den kleineren Städten Šilutė (dt. Heydekrug) und Pagėgiai (dt. Pogegen) weist, wie es viele Grenzländer tun, eine bewegte Geschichte auf. Besonders die Zwischenkriegszeit ist von großer Dynamik geprägt: Abgetrennt vom deutschen Reich durch den Versailler Vertrag, französisch besetzt und vom Völkerbund verwaltet, 1923/24 von Litauen handstreichartig annektiert, eine unter der Smetona-Regierung unsichere Autonomie genießend und schließlich 1939 nach einem Ultimatum des „Dritten Reichs“ von Deutschland besetzt und wieder in den deutschen Staat eingegliedert.
Man kann diesen Teil der Geschichte und dessen Folgen unter vielerlei Gesichtspunkten beleuchten, etwa durch eine Einordnung in eine breitere Geschichte des Landstrichs und dessen Bevölkerung, unter dem Aspekt der jüdischen Geschichte und der nationalsozialistischen Verfolgungen oder mittels einer Abhandlung der deutsch-litauischen Diplomatiegeschichte.
In dieser Arbeit wird jedoch die Frage gestellt, wie das Memelland in der deutschen wissenschaftlichen Literatur dargestellt wurde. Daran möchte ich das nationalsozialistische Einwirken auf die Wissenschaft und besonders das Umwandeln der auf das östliche Europa fokussierten Kulturwissenschaft in eine ideologielegitimierende „Ostforschung“ an einem geografisch eingegrenzten und doch politisch relevanten Areal nachverfolgen. Als Objekt dieser Studie habe ich die Ausgaben der historischen Fachzeitschrift "Osteuropa" gewählt, welche noch heute erscheint und ein Dreh- und Angelpunkt der deutschen Osteuropaforschung ist. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es liegt etwa eine exzellente Quellenlage und Zugänglichkeit vor, es existieren Schriften der Zeitung über die eigene Geschichte, und die NS-Zeit sorgt in der Osteuropa für eine schon in sich spannende Dynamik.
Methodisch werden hier insbesondere die außenpolitischen Segmente (in den „[Monats-]Übersichten“) der Zeitschrift untersucht und verglichen, wobei hier stets die Namen Otto Hoetzsch und Werner Markert als Autoren der Segmente und Herausgeber der Zeitschrift im Mittelpunkt stehen werden. Die Inhalte dieser Segmente werden zwar betrachtet, sind aber immer durch die zeitgenössischen Entwicklungen geprägt, wodurch vor allem die sich ändernde „äußere Struktur“ (Platzierung, Titel, Wortwahl etc.) Auskünfte über die Entwicklung des Memellandbildes geben kann und hier vorrangig betrachtet werden. Der Zeitrahmen ergibt sich durch die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 und die Einstellung der Osteuropa 1939 fast von selbst, wobei zur besseren Einordnung auch einige Beiträge vor 1933 miteinbezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Otto Hoetzsch und die Osteuropa: Vor der „Machtergreifung“ bis 1935
- Werner Markert und die Nationalsozialisten: 1935 bis 1939
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Memellandes in der deutschen wissenschaftlichen Literatur und beleuchtet dabei den Einfluss des Nationalsozialismus auf die Wissenschaft, insbesondere die Umwandlung der auf Osteuropa fokussierten Kulturwissenschaft in eine ideologielegitimierende „Ostforschung“. Die Analyse erfolgt anhand der Ausgaben der Fachzeitschrift „Osteuropa“, die als Dreh- und Angelpunkt der deutschen Osteuropaforschung gilt.
- Entwicklung des Memellandbildes in der deutschen wissenschaftlichen Literatur
- Einfluss des Nationalsozialismus auf die „Osteuropa“-Zeitschrift
- Veränderung der Berichterstattung über das Memelland unter Otto Hoetzsch und Werner Markert
- Die Rolle der „Monatsübersichten“ in der „Osteuropa“-Zeitschrift
- Analyse der außenpolitischen Segmente der „Osteuropa“-Zeitschrift im Hinblick auf das Memelland
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz des Memellands als Grenzgebiet und Teil des deutschen Selbstverständnisses dar. Sie erläutert die bewegte Geschichte des Landstrichs in der Zwischenkriegszeit und fokussiert auf die Darstellung des Memellandes in der deutschen wissenschaftlichen Literatur. Die Arbeit verfolgt die Entwicklung der „Osteuropa“-Zeitschrift als Objekt der Studie, um den Einfluss des Nationalsozialismus auf die „Ostforschung“ zu analysieren.
- Otto Hoetzsch und die Osteuropa: Vor der „Machtergreifung“ bis 1935: Dieser Abschnitt zeichnet ein Bild von Otto Hoetzsch, dem Gründer und Herausgeber der „Osteuropa“. Es werden seine politischen und wissenschaftlichen Standpunkte sowie sein Verhältnis zum Nationalsozialismus beleuchtet. Die Analyse der „Monatsübersichten“ unter Hoetzschs Leitung zeigt, wie die Berichterstattung über Litauen und das Memelland sich im Laufe der Zeit entwickelte.
Schlüsselwörter
Memelland, Osteuropa, Ostforschung, Nationalsozialismus, „Osteuropa“-Zeitschrift, Otto Hoetzsch, Werner Markert, „Monatsübersichten“, Außenpolitik, Litauen, deutsche wissenschaftliche Literatur, Kulturwissenschaft.
- Arbeit zitieren
- Jonas Berndt (Autor:in), 2023, Das Memelland in der Zeitschrift "Osteuropa" (1933 - 1939), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1402296