Die Sozialarbeit fußt auf demokratischen und humanistischen Idealen und leistet einen erheblichen Beitrag zum Erhalt der Demokratie. Dennoch fehlt es ihr an Anerkennung innerhalb unserer Gesellschaft.Was bedeutet uns die Sozialarbeit und weshalb hat sie unter den akademisierten Berufsgruppen keinen höheren Stellenwert?
Von der Wertschätzung der Sozialarbeit
innerhalb der Gesellschaft
Der deutsche Berufsverband für Sozialarbeit definiert diese Profession als eine Arbeit, die auf humanitären und demokratischen Idealen fußt, welche sich wiederum aus dem Respekt vor Menschenwürde und Gleichheit ableiten. Somit kommt der Sozialarbeit dem Grunde nach eine wichtige Aufgabe zu, da sie zur Durchsetzung und Erhaltung unseres demokratischen Gesellschaftsystems einen erheblichen Beitrag leistet. Man sollte meinen, dass es der Sozialen Arbeit nicht an Anerkennung und Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft mangelt. Leider ist dies jedoch oft nicht der Fall, und als Studentin der Sozialarbeit höre ich von überall die Klagen über schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen, Kürzung bzw. Streichung von Projektgeldern und Sparmaßnahmen der Träger. An dieser Stelle ist die mangelnde Anerkennung zu beobachten, die sich auf der finanziellen Seite in Form von knappem Geldfluss zeigt. Diese Seite des Mangels stört mich persönlich nicht besonders-kann doch niemand, der im sozialen Bereich arbeitet, erwarten, mit dieser Arbeit reich zu werden. Und das sollte auch nicht die Motivation für einen Berufsweg in diesem Bereich sein. Wesentlich fragwürdiger ist für mich jene Seite der mangelnden Wertschätzung, die sich in den Gedanken der Menschen widerspiegelt. Dies zeigt sich meiner Meinung nach vor allem in der oft gestellten Frage: Was tut ein Sozialarbeiter überhaupt so Besonderes? Brauchen wir Sozialarbeiter wirklich, und warum muss man das Fach überhaupt studieren? Sicherlich gibt es diesen Mangel an Anerkennung gegenüber vielen anderen Berufsgruppen im sozialen Bereich ebenso, wie z.B. gegenüber Erziehern, Ergotherapeuten, Lehrern, Krankenschwestern usw. Gegenstand meiner Untersuchung soll jedoch lediglich die Profession der Sozialarbeit/Sozialpädagogik sein. Zum einen befasse ich mich mit der Fragestellung, warum die Sozialarbeit als akademisierte Profession immer wieder mit z.B. Erziehern gleichgestellt wird. So hörte ich oft schon die Behauptung: „Dafür brauchen wir keine Sozialarbeiter!“ Zum anderen möchte ich beleuchten, warum die Sozialarbeit anscheinend nicht ihren Platz an der Seite der anderen akademisierten Berufsgruppen findet und ihr nicht die gleiche Wichtigkeit zugeordnet wird wie z.B. der Medizin, Psychologie oder Jura. Leistet die SA nicht genug, oder handelt es sich hier um eine Grundeinstellung innerhalb unserer Gesellschaft? Am deutlichsten ergab sich für mich diese Fragestellung während meines Praktikums in einer psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle. Innerhalb dieser KBS wird in einem multiprofessionellen Team gearbeitet, wo alle Mitarbeiter im Prinzip die gleiche Arbeit leisten, aber jeder seinen eigenen Schwerpunkt hat. Das war für mich ein sehr angenehmes Arbeiten, weil jedes Teammitglied dem anderen gegenüber gleichberechtigt ist. Umso mehr wunderte ich mich, warum in der angrenzenden Tagesstätte für psychisch Kranke ausschließlich Ergotherapeuten beschäftigt sind. Natürlich liegt der Schwerpunkt dieser Tagesstätte auf der ergotherapeutischen Schulung vor allem kreativer Fertigkeiten, dennoch wäre meiner Meinung nach bei der täglichen stundenlangen Beschäftigung mit psychisch Kranken zumindest ein einzelner Sozialarbeiter notwendig. Auf meine Frage, warum die Tagesstätte denn keinen Sozialarbeiter beschäftigt, erhielt ich eine Antwort, die ungefähr folgendermaßen lautete: „ In der Tagesstätte geht es ja hauptsächlich um Beschäftigung der Menschen. Das bisschen Schreibkram, das kriegen wir auch noch alleine hin. Dafür brauchen wir keine Sozialarbeiter.“ Nun möchte ich nicht in Abrede stellen, dass es sich um eine gute Einrichtung handelt, in der im Sinne der psychisch kranken Menschen auch gute Arbeit geleistet wird. Aber in dieser Antwort spiegelt sich meines Erachtens genau die oben von mir beschriebenen Problematik wieder, dass die Sozialarbeit nicht als eigenständige Profession anerkannt wird und das Bild vorherrscht, ein Sozialarbeiter sei ja nur für ein bisschen Schreibkram zuständig. Selbst als Studentin der Sozialarbeit fällt es mir schwer zu sagen, was das Studium eigentlich an ureigensten sozialarbeiterischen Bestandteilen innehat. Die Sozialarbeit scheint nur eine aus ihren Bezugsdisziplinen, wie Pädagogik, Soziologie, Psychologie usw. zusammengesetzte Profession zu sein, ohne selbst einen eigenen Kern oder Charakter zu besitzen. Auch Wolf Rainer Wendt, Vorsitzender der Gesellschaft für Soziale Arbeit, hat versucht, die Stellung der SA innerhalb ihrer Bezugsdisziplinen genauer zu erkunden und kam zunächst zu dem-später revidierten- Schluss, dass die SA ein intellektuell eher anspruchsloses, ja gar ein eigenschaftsloses Handwerk sei, dem man streng genommen gar keine eigene Wissenschaftlichkeit zuerkennen könne. Die Dozenten an den Hochschulen für Sozialarbeit, die in der Regel aus anderen Fachbereichen kommen, seien der Ansicht , dass ihnen allein die wissenschaftliche Deutungsmacht zufiele, da die Sozialarbeit die Theorie nur von ihnen entliehen habe. (Wendt 2006) Was ist denn nun der Kern der Sozialen Arbeit im Gegensatz zu ihren Bezugsdisziplinen?
Nach meiner Ansicht ist einer der Grundpfeiler der Sozialarbeit der Systemische Ansatz: Das heißt, der Sozialarbeiter sieht das Individuum und seine Problematik immer innerhalb der Kontexte, in der sich das Individuum bewegt und geht von einem dynamischen Modell aus, in dem verschiedene Faktoren sich wechselseitig beeinflussen. Die Sozialarbeit sieht also nicht nur das Individuum, sondern richtet ihren Blick auch außerhalb des Individuums auf die verschiedenen Subsysteme, in der sich der Einzelne bewegt. Somit ist die SA die Wissenschaft, die den umfassendsten Blick auf die Probleme des Klienten einnimmt. Gerade auch deshalb, weil der Sozialarbeiter auch in den anderen wissenschaftlichen Disziplinen Grundlagen besitzt. Er hat also quasi einen Rundumblick, wobei er logischerweise in den jeweiligen Fächern nicht die gleiche Wissenstiefe besitzen kann wie etwa ein Psychologe oder ein Soziologe. Hier bestünde die Gefahr, dass mit einer stark spezialisierten Wissenstiefe die Wissensbreite übersehen, Problemlagen zu einseitig betrachtet werden und dabei wesentliche Ansatzmöglichkeiten verloren gehen. Diese Einseitigkeit kann man der SA jedenfalls nicht vorwerfen. Die Sozialarbeit kann also die Schnittstellen der einzelnen Bezugsdisziplinen erkennen, die Zusammenhänge der verschiedenen Systeme, in denen sich ein Individuum bewegt, ausmachen und von dieser Metaebene aus eine bedarfsgerechte Intervention planen und ausführen. Um es mit den Worten von Rainer Wendt zu sagen: „ … Die wissenschaftliche Erörterung der Problemlagen verquickt die Ebenen individueller Lebensführung, der Lebensbedingungen von Personengruppen und die Ebene der Verhältnisse im Gemeinwesen und in der Gesellschaft horizontal und vertikal. Der Topos des Sozialraums bezeichnet einen derartigen konkreten Zusammenhang, der praktisch wie wissenschaftlich zu behandeln ist. Diese mehrdimensionale Verquickung unterscheidet die Sozialarbeitswissenschaft von anderen humanberuflich involvierten Disziplinen.“(Wendt, 2006)
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- Arbeit zitieren
- Sabine Mazouz (Autor:in), 2009, Von der Wertschätzung der Sozialarbeit innerhalb der Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140337