Fernand Braudel beschreibt in dem Werk „Die Welt des Mittelmeeres. Zur Geschichte und Geographie kultureller Lebensformen“ den Mittelmeerraum als "eine aus Ungleichartigem zusammengesetzte Welt, die erst in unserer Vorstellung zu einem zusammenhängenden Bild sich fügt". Seit Jahrhunderten sind die Länder des Mittelmeerraumes durch Schifffahrt, Handel und kulturellen Austausch miteinander verbunden. Der Mittelmeerraum erstreckt sich nach Braudel vom ersten Ölbaum bis zum ersten dichten Palmenhain und ist vor allem durch das Klima bestimmt. Dennoch können Begriffe wie ‚mediterran’ oder ‚Mittelmeerraum’ kein einheitliches Kulturgebiet bezeichnen, denn die mediterranen Gesellschaften sind so vielfältig und unterschiedlich wie Gesellschaften überall sonst auf der Welt. Julian A. Pitt-Rivers plädierte deshalb dafür die Begriffe vielmehr als Arbeitshypothese der ethnographischen Analyse und des Kulturvergleichs anzusehen. Die Mittelmeergesellschaften bilden also keine homogene Einheit, jedoch gibt es gewisse kulturelle Grundzüge, die zum Vergleichen einladen. So ist der Ehre-Scham-Komplex seit Ende der 50er Jahre ein beliebtes Forschungsobjekt von Anthropologen und Ethnologen.
Anthropologen wie Peristiany, Pitt-Rivers, Gilmore oder Herzfeld gehen von der Annahme aus, dass im Mittelmeerraum eine Anhäufung von Ehre und Scham Gesellschaften zu finden sei. Aufgrund dieser Annahme könnte man davon ausgehen, dass der Mittelmeerraum im Hinblick auf den Ehre-Scham-Komplex im Großen und Ganzen homogen ist. Allerdings stellt sich die Frage, ob solch eine Generalisierung möglich ist. Dies versucht diese Arbeit anhand unterschiedlicher Studien zu Spanien zu klären.
Die Klärung der Begriffe Ehre und Scham und ihre mediterrane Determinierung bilden den Anfang der Arbeit. Darauf aufbauend werden im Hauptteil drei Studien zum Ehre-Scham-Komplex in Spanien vorgestellt, die jeweils andere Schwerpunkte in ihrer Annäherung setzten. Die Vorstellung der dazugehörigen Feldforscher (David D. Gilmore, Stanley Brandes, Mariko Asano-Tamanoi) ist den Arbeiten vorangestellt. Inwieweit eine Generalisierung des mediterranen Komplexes der Ehre und Scham möglich ist, wird am Ende erörtert.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- EHRE UND SCHAM BESTIMMUNGEN
- Ehre
- Mediterrane Ehrvorstellung
- Scham
- Mediterrane Schamvorstellung
- VORSTELLUNG EINIGER ANTHROPOLOGEN
- Julian A. Pitt-Rivers
- David D. Gilmore
- Stanley Brandes
- Mariko Asano-Tamanoi
- FELDSTUDIEN ZU SPANIEN
- Ehre und Scham in David D. Gilmores Studie zu Andalusien
- Die Rahmenbedingungen der Studie
- Ehre im Sinne der Fuenmayoreños
- Ehre in Männerfreundschaften
- Männlichkeit und Weiblichkeit
- Wirtschaftlicher Erfolg
- Folgerung
- Stanley Brandes Studie zu Becedas & Monteros
- Die Studie
- Folgerung
- Mariko Asano-Tamanoi: Katalonien
- Die Studie
- Folgerung
- Ehre und Scham in David D. Gilmores Studie zu Andalusien
- BILANZ DER STUDIEN
- SCHLUSSBETRACHTUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem mediterranen Komplex der Ehre und Scham am Beispiel Spaniens. Sie untersucht, inwiefern der Ehre-Scham-Komplex in den Studien zu Spanien generalisiert werden kann und welche Rolle diese beiden Konzepte in der spanischen Gesellschaft spielen.
- Definition und kulturelle Bedeutung von Ehre und Scham im Mittelmeerraum
- Analyse von Feldstudien zu Ehre und Scham in Spanien
- Untersuchung der verschiedenen Perspektiven auf Ehre und Scham in den Studien
- Kritik an der Generalisierung des mediterranen Ehre-Scham-Komplexes
- Diskussion der Rolle von Ehre und Scham in der spanischen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Frage nach der Homogenität des Mittelmeerraumes im Hinblick auf den Ehre-Scham-Komplex und die Notwendigkeit der Untersuchung anhand von Studien zu Spanien. Das zweite Kapitel erläutert die kulturellen Deutungen, Wertungen und Institutionen von Ehre und Scham, wobei sowohl allgemeine als auch spezifisch mediterrane Aspekte betrachtet werden. Im dritten Kapitel werden die Feldforscher und ihre Studien zum Ehre-Scham-Komplex in Spanien vorgestellt, wobei die einzelnen Studien im vierten Kapitel detaillierter dargestellt werden. Das fünfte Kapitel bietet eine Bilanz der Studien und diskutiert die Möglichkeit einer Generalisierung des mediterranen Ehre-Scham-Komplexes. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung.
Schlüsselwörter
Ehre, Scham, Mittelmeerraum, Spanien, Feldforschung, Anthropologie, Ethnologie, Kulturvergleich, Sozialstruktur, Identität, Reputation, Männlichkeit, Weiblichkeit, Wettbewerb, Kontrolle, Fassade, Maske.
- Arbeit zitieren
- M.A. Silke Mohr (Autor:in), 2006, Der mediterrane Komplex der Ehre und Scham am Beispiel Spaniens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140547