Während seiner Zeit in Paris beschäftigte sich Italo Calvino intensiv mit den neuen Strömungen der französischen Literatur, vor allem mit der Arbeit der Gruppe OuLiPo ("Ouvroir de Littérature Potentielle"). Es handelt sich hierbei um ein Forum für experimentelle – oder genauer: potenzielle Literatur, das Schriftstellern neue Methoden der Literaturproduktion bieten möchte. Am 8. November 1972 nahm Calvino zum ersten Mal an einem Treffen dieser Gruppe teil und wurde kurz darauf offizielles Mitglied.
Sein 1979 entstandener Roman Se una notte d'inverno un viaggiatore ist kein rein oulipistischer Roman. Konzeptionell enthält er jedoch viele oulipistische Merkmale, von denen eines in dieser Arbeit genauer untersucht werden soll: die Verwendung der zweiten Person Singular als "contrainte", also als eine bei der Literaturproduktion selbst auferlegte Regel.
Die Verwendung der zweiten Person für die Hauptfigur eines Romans wirkt bei der Rezeption zunächst sehr ungewöhnlich und ist aufgrund der daraus entstehenden Ambiguitäten verwirrend für den Leser. Doch anders als eine etwa lipogrammatische contrainte ist die Verwendung der zweiten Person anstelle der ersten oder dritten Person sehr viel weniger restriktiv, vielmehr werden die sprachlichen Möglichkeiten hierdurch sogar noch erweitert. Betrachtet man den Roman in seiner gesamten Konstruktion, so machen gerade die Ambiguitäten einen ganz beträchtlichen Reiz der Lektüre aus, da sie die Interpretationsmöglichkeiten erheblich erweitern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- OuLiPo
- Der Arbeitskreis
- Die Methoden
- Die "contrainte"
- Die Einbeziehung des Lesers
- Oulipistische Merkmale in "Se una notte d'inverno un viaggiatore"
- Die zweite Person Singular
- Der Leser
- Der reale Leser
- Der fiktive Leser als Hauptfigur
- Die zweite Person Singular als contrainte
- Sprachliche Besonderheiten
- Rede vs. Anrede
- Indikativ vs. Imperativ
- Fragen an den Angesprochenen
- Wechsel des Angesprochenen
- Ambiguitäten der zweiten Person
- Realer und fiktiver Leser
- Der Leser der Romanfragmente
- "Lettore" und "Lettrice"
- Sprachliche Besonderheiten
- Zusammenfassung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Verwendung der zweiten Person Singular als oulipistisches Merkmal in Italo Calvinos Roman "Se una notte d'inverno un viaggiatore". Ziel ist es, die Rolle dieser grammatischen Form im Kontext der OuLiPo-Bewegung zu analysieren und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung des Romans zu beleuchten.
- Die OuLiPo-Bewegung und ihre Methoden
- Die "contrainte" als wesentliches Element der OuLiPo-Literatur
- Die zweite Person Singular als "contrainte" in "Se una notte d'inverno un viaggiatore"
- Die Interaktion zwischen realem und fiktivem Leser
- Die sprachlichen Besonderheiten der zweiten Person Singular im Roman
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt den Zusammenhang zwischen Italo Calvino und der OuLiPo-Bewegung dar. Kapitel 2 bietet einen Überblick über die OuLiPo-Bewegung, ihre Methoden und die Bedeutung der "contrainte" für die Literaturproduktion. Kapitel 3 analysiert die Verwendung der zweiten Person Singular in "Se una notte d'inverno un viaggiatore" und untersucht die verschiedenen Auswirkungen dieser grammatischen Form auf die Gestaltung des Romans. Die Zusammenfassung fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die OuLiPo-Bewegung, die "contrainte", die zweite Person Singular, Italo Calvino, "Se una notte d'inverno un viaggiatore", Leserinteraktion, sprachliche Besonderheiten, Romanstruktur und Literaturproduktion.
- Quote paper
- Petra Jecker (Author), 2005, Die zweite Person Singular als oulipistisches Merkmal in Italo Calvinos Roman "Se una notte d'inverno un viaggiatore", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140610