Der Umgang mit Alkohol und das Trinkverhalten in Kneipen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

24 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Alkohol?

3. Trinkmotive
3.1 Stellenwert alkoholischer Getränke

4. Die Kneipe
4.1 Der Kneipenwirt
4.2 Die Funktionen einer Kneipe

5. Trinkrituale
5.1 Das Niveautrinken
5.2 Das Rundentrinken
5.3 Wechselseitiges Einladen
5.4 Das Zutrinken und Trinken in Gruppen allgemein
5.5 Ex-Trinken
5.6 Trunkenheit

6. Volkskundliche Aspekte

7. Schlussfolgerung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Trinken ist eines der wesentlichen Handlungsbereiche in Kneipen. Der Konsum von Alkohol stellt zwar nicht das wichtigste Motiv für den Kneipenbesuch dar, dennoch kann sich kein Kneipengast auf Dauer dem vorherrschenden Trinkzwang entziehen. "Das Trinken in der Kneipe und die ihn kommunikativ umschließenden Handlungen sind stark formalisiert und institutionalisiert. Wer mit wem und was trinkt, ist alles andere als zufällig. Auch das Trinken trennt oder verbindet die Kneipenbesucher, die sich den dabei geltenden Regeln, Motiven, Werten, Konventionen und der sozialen Kontrolle unterziehen."[1]

Trinken als Form des Sozialverhaltens steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Dabei geht es nicht nur um die Trinkmengen, sondern vor allem um Rituale, die mit der Aufnahme alkoholischer Getränke verbunden sind. Die Frage, warum besonders in Kneipen Alkohol getrunken wird, durchzieht die komplette Arbeit. Der Schwerpunkt liegt hier bei den Trinkmotiven 'normaler' Konsumenten und nicht der der Alkoholiker. Der Alkoholiker kann nicht anders, er braucht Alkohol, weil er sonst nicht vergessen kann. 'Normale' Konsumenten grenzen ihre Motivation gegenüber der der Süchtigen ab, indem sie die Freiwilligkeit, das Nicht-Brauchen besonders hervorheben. Außerdem trinken Millionen Menschen in Kneipen ohne Alkoholiker zu werden, so dass der Kneipe keinen direkten Bezug zum Alkoholismus nachgewiesen werden kann. Dies darf jedoch nicht als Verharmlosung missverstanden werden. Alle Menschen die Alkohol zu sich nehmen, sind unter bestimmten psychischen und sozialen Bedingungen gefährdet, jedoch spielt die Kneipe dabei eine untergeordnete Rolle.

Zuerst wird der Begriff Alkohol selbst umrissen und kurz auf den gegenwärtigen Stand des Alkoholkonsums pro Kopf in Deutschland eingegangen. Im nächsten Kapitel geht es dann vorrangig um die Motivation für das Alkoholtrinken und dessen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Der Hauptteil beginnt mit der Darstellung der Kneipe, dem Kneipenwirt und deren Aufgaben. Da Alkohol ritualisiert in Kneipen genossen wird, bilden verschiedene Trinkrituale den folgenden Schwerpunkt. Am Ende steht der volkskundliche Aspekt mit Vorschlägen zu weiteren Untersuchungen im Milieu Kneipe.

Es muss noch erwähnt werden, dass wenn in dieser Arbeit vom Trinken gesprochen wird, grundsätzlich, falls nicht anders angegeben, vom Trinken alkoholischer Getränke die Rede ist.

2. Was ist Alkohol?

Alkohol ist die allgemeine Bezeichnung für Trinkalkohol (Ethanol, Äthanol, Weingeist, Ethylalkohol). Er entsteht bei der Vergärung von Zucker aus Weinbeeren, anderem Obst, Getreide und Kartoffeln. Man findet ihn "in geringer Konzentration (1 bis15%) in Bier und Wein, in höherer Konzentration (20 bis 60%) in Likören und in höchster Konzentration (bis zu 80%) in Destillaten wie Branntwein oder Rum. Alkohol wirkt desinfizierend und ist in reiner Form Gift für alle Organismen."[2]

Alkohol gelangt nach seiner Aufnahme sehr schnell aus Magen und Darm ins Blut. Der Alkoholabbau erfolgt in der Leber, wobei als Faustregel 0,1‰ pro Stunde gilt. Alkohol gehört zu den am weitesten verbreiteten Genussmitteln. 1g Alkohol enthält 7,1 kcal, aber keine nennenswerten Gehalte an essentiellen Nährstoffen.

Alkohol wirkt unmittelbar toxisch (giftig) und sedativ (beruhigend). Er übt schon in geringen Mengen teils erregende, teils dämpfende Effekte auf das Zentralnervensystem und die Psyche aus. In größeren Mengen führt Alkohol zu Schädigungen von Leber und Gehirn. Beispielsweise zu unterschiedlichen Störungen des Verdauungstraktes, etwa Magengeschwüren, Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Leberzirrhose. Zentrales und peripheres Nervensystem können dauerhafte Schäden davontragen. Bewusstseinslücken, Halluzinationen und extremes Zittern können vorkommen. Dann spricht man von Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholismus.[3]

"Jede Gesellschaft hat die Genuss- und Rauschmittel, die sie verdient, die sie braucht und die sie verträgt. Für die abendländische Kultur ist seit der Antike der Alkohol das Rauschmittel. In welcher Form er auch genossen wird - als Wein, Bier oder Branntwein, er ist so fester Bestandteil unserer Kultur geworden, dass wir sie uns ohne ihn nicht mehr vorstellen können. Es hat zwar immer wieder Versuche gegeben, die alkoholischen Getränke aus dem Verkehr zu ziehen. Aber sie erwiesen sich, wie zuletzt die amerikanische Prohibition der 20er Jahre als donquichotteske Episode."[4]

In Deutschland betrug der Alkoholkonsum pro Kopf in den letzten Jahren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(aus: Jahrbuch Sucht 2006, S. 7.)

Der Gesamtverbrauch an reinem Alkohol verringerte sich 2004 um 1,2% auf 10,1 Liter, was 145,5 Liter alkoholischer Fertigware entspricht. Der größte Anteil wird in Form von Bier (56%), gefolgt von Wein (21%), Spirituosen (19%) und Schaumwein (4%) konsumiert. Aus der Tabelle ist eine weitgehende Stagnation des Alkoholkonsums auf sehr hohem Niveau festzustellen. Risikoarmer Konsum wird mit 20g Reinalkohol pro Tag bei Frauen und weniger als 30g bei Männern angesetzt.[5] Umgerechnet auf das Jahr wären das für die Frau 9,25 Liter und für den Mann weniger als 13,88 Liter.[6] Da davon ausgegangen werden kann, dass Deutschland Ende 2004 82,5 Millionen Einwohner hatte, so beträgt der Jahresgesamtkonsum 833,25 Millionen Liter Reinalkohol. Verteilt man diesen Gesamtkonsum auf die Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren (= 55,2 Millionen Alkoholhauptkonsumenten), so beträgt der pro Kopf Anteil schon 15,1 Liter Reinalkohol im Jahr, was 217,5 Liter Fertigware entspricht.[7] Hier kann also nicht mehr von risikoarmen Konsum gesprochen werden.

Übermäßiger Alkoholkonsum kann beim Menschen zahlreiche Folgereaktionen auslösen. Die häufigsten Schäden treten an Gehirn und Leber auf. Darüber hinaus ist Alkoholkonsum ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Verkehrsunfällen, häuslichen und beruflichen Unfällen, Kriminalität, materieller Not und damit verbundenem sozialen Abstieg. Alkohol ist ein Suchtmittel, das Abhängigkeiten schaffen kann.

Für den Staat bilden Alkoholika allerdings auch eine wichtige Einnahmequelle. So erhielt der Staat 2004 787 Millionen € alkoholbezogene Steuern aus Bier, 436 Millionen € aus Sekt und 2,222 Millionen € aus Branntwein.[8]

Jeder Mensch in unserer Gesellschaft weiß von den Gefahren die Alkohol birgt. Deshalb stellt sich im nächsten Kapitel die Frage nach der Motivation des Alkoholgenusses, wo er doch eigentlich schädlich ist.

3. Trinkmotive

"Alkohol ist ein konstitutiver [wesentlicher] Bestandteil sehr divergenter [unterschiedlicher] sozialer Situationen; er gehört zu problematischen Situationen, ist vielfach, wenn auch nicht Garant, so doch Vorraussetzung für Geselligkeit, Stifter von Gemeinsamkeit, Begleiter der Einsamen und Traurigen, verdienter Preis des Siegers und Trostpflaster des Verlierers und sowohl zu Hause, in der Schule, im Betrieb, im Büro, nahezu in allen gesellschaftlichen Domänen zu finden."[9]

Die Bedeutung des Trinkens geht weit über den bloßen Akt der Nährstoffanlieferung hinaus und ist ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Lebensfreude. "Dass der Genuss stark zuckerhaltiger Obstarten nach der Vergärung in besonderem Maße Lustgewinn bereitet, ist der Menschheit sicher schon seit frühester Zeit bekannt."[10] Trinken ist somit mehr als reines Durst löschen. Der Genuss von alkoholischen Getränken dient nicht nur dem Abbau psychischer Spannungen, sondern ist ebenso kulturell überlagert. Wie das Essen nicht nur als Reaktion auf ein Hungergefühl gesehen werden kann, steht dem Trinken als Durstlöscher auch die Befriedigung des gesamten kulturellen Systems gegenüber. Dies äußert sich in einer Vielzahl von Symbolen und Ritualen, die gerade beim Trinken von Alkoholika eine Dimension erhalten, die weit über die Bedürfnisbefriedigung hinausgehen. "Wann, wo, wie und vor allem mit wem getrunken wird, hat Zeichencharakter, steht in symbolischen, wenn auch zum Teil heute nicht mehr bewussten Zusammenhängen."[11]

Mit "adäquatem und normalem" Alkoholkonsum werden eher positive als negative Eigenschaften verbunden. Deshalb werden die Trinkmotive hier in ihrer positiven Form verstanden und auch dargestellt.

In einer Kneipe wird aus unterschiedlichsten Gründen heraus Alkohol konsumiert. Alkohol bewirkt, dass man sich in Gesellschaft eher wohl fühlt, da wenn man mittrinkt, man sich der Trinkgruppe verbunden fühlt. Zudem erleichtert er den Kontakt zu anderen Kneipenbesuchern, baut Selbstvertrauen auf und ermöglicht so eine 'einfachere' Annährung zum anderen Geschlecht. Alkohol ist ebenso eine Möglichkeit sich zu entspannen.[12]

Beim gemeinsamen Trinken wird der Zusammenhalt der Gruppe bestärkt und Zwistigkeit und Streitereien werden beigelegt. In dem man miteinander trinkt, ist man miteinander. Die Verhaltensformen beim Trinken sind somit nicht isolierbar. Sie sind ein Ausschnitt aus dem Ganzen der gesellschaftlich gezüchteten Verhaltensformen. Ihr Standart entspricht einer ganz bestimmten Gesellschaftsstruktur. Der Gebrauch eines bestimmten Getränkes vereinigt diejenigen, die es gemeinsam trinken und trennt sie von denen, die es nicht trinken.[13]

Dabei stellt sich die Frage, welche Position der Alkoholgenuss im Bewusstsein der Menschen besitzt?

[...]


[1] Ueli Gyr: Kneipen als städtische Soziotope. Zur Bedeutung und Erforschung von Kneipenkulturen, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 94 (1991), S. 101-102.

[2] Bibliographisches Institut: Das Große Duden-Lexikon in acht Bänden. 2. Aufl. Mannheim: Lexikonverlag 1969.

[3] "Alkohol", Microsoft® Encarta® 99 Enzyklopädie. © 1993-1998 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

[4] Wolfgang Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genussmittel, Frankfurt/Main 1990, S. 215.

[5] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen E.V. (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2006, Geesthacht 2006, S. 26f.

[6] Liter pro Jahr = (Gramm Alkohol pro Tag x 365) / (0,789 x 1000)

[7] www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab5.php vom 05.03.06

[8] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen E.V. (Hrsg.): Jahrbuch Sucht 2006, S. 8.

[9] Rheinhold Schmitt: "Ich weeß net, wieviel daß gutgschriwwe sin". Das Doornkaat-Bezahl-System als organisierte Legitimation des Alkoholkonsums, in: Hessische Vereinigung für Volkskunde (Hrsg.): Alkohol im Volksleben (= Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Neue Folge 20), Marburg 1987, S. 93.

[10] Roland Bitsch: Trinken, Getränke, Trunkenheit, in: Bitsch, Irmgard / Ehlert, Trude / von Ertzdorff, Xenja (Hrsg.): Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit. Vorträge eines interdisziplinären Symposions vom 10.-13. Juni an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Sigmaringen ²1990, S. 207.

[11] Max Matter: "Im Wein liegt Wahrheit". Zur symbolischen Bedeutung gemeinsamen Trinkens, in: Hessische Vereinigung für Volkskunde (Hrsg.): Alkohol im Volksleben (= Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung, Neue Folge 20), Marburg 1987, S. 38.

[12] Otti Stein: Trinkgewohnheiten. Eine empirische Untersuchung über Trinkverhalten und Alkoholismus in Saarbrücken, Phil. Diss. Stuttgart 1985, S.153.

[13] Max Matter: "Im Wein liegt Wahrheit" (1987), S. 38-40.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Umgang mit Alkohol und das Trinkverhalten in Kneipen
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Kulturthema Essen: Kulinaristik als Forschungsfeld der europäischen Ethnologie
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V140620
ISBN (eBook)
9783640499151
ISBN (Buch)
9783640499274
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alkohol, Trinkverhalten, Trinkmotive, Trinkgewohnheiten, Trinkrituale, Kneipe, Gaststätte, Restaurant
Arbeit zitieren
M.A. Silke Mohr (Autor:in), 2005, Der Umgang mit Alkohol und das Trinkverhalten in Kneipen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140620

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