Friedrich Schiller: 'Das Lied von der Glocke'

Textkanon und kommunikative Prozesse – Literatur um 1800


Seminararbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Friedrich Schillers klassische Lyrik

2. Entstehung und Erstdruck der Glocke

3. Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke
3.1. Metrische und sprachliche Besonderheiten
3.2. Die Glocke als ›redende Figur‹

4. Forschungsansichten

5. Gesellschaftstypus als thematisch-strukturelle Konstituente von Literatur

Schlussbetrachtung

Literaturangaben

Primärliteratur

Sekundärliteratur

Einleitung

»...Jetzo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glock’ mir aus der Gruft,
Daß sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft.
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt,
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sey ihr erst Geläute. «

An diesen Vers aus Schillers Lied von der Glocke werden viele, der mehr als 100.000 Menschen in Dresden gedacht haben, als die sieben Glocken der Frauenkirche zum Pfingstfest 2003 in einer Prozession zum Schlossplatz gebracht wurden. Nachdem der Landesbischof die Glocken geweiht hatte, wurde das vollständige Geläut in den Dienst der Frauenkirche gestellt und am Pfingstsonntag 2003 ertönten sie erstmals in ihren Glockenstühlen. Das Geläut der Frauenkirche bilden acht Glocken. Eine Glocke des Geläuts, Maria, stand bereits zwischen den Jahren 1734 und 1925 im Dienste der früheren Dresdner Frauenkirche. Sie kam 1998 wieder zurück nach Dresden. Jede Glocke trägt nach alter Tradition einen Namen, einen Bibelvers und eine Glockenzier. Name, Vers und Zier orientieren sich an der gottesdienstlichen Aufgabe sowie an der Geschichte und Bedeutung der Frauenkirche. Als Gedächtnisglocke vervollständigt Maria (328 kg) das Geläut.

Sieben Glocken wurden neu gegossen: die Friedensglocke Jesaja (1750 kg), die Verkündigungsglocke Johannes (1228 kg), die Stadtglocke Jeremia (900 kg), die Trauglocke Josua (645 kg), die Gebetsglocke David (475 kg), die Taufglocke Philippus (392 kg) und die Dankglocke Hanna (291 kg).

Der Nachguss von fünf Glocken für die Frauenkirche fand in der Karlsruher Gießerei Bachert statt, nachdem die im Dezember 2002 in Bad Friedrichshall gegossenen Glocken nicht den Qualitätsansprüchen entsprachen, da im mittleren Teil des Mantels der Glocken ein Teilton zweimal auftrat, was durch die starken Inschriften und Reliefs bedingt war.

Am 20.12.2002 traditionell zur Todesstunde Christi um 15.30 Uhr, begleitet vom Segen der Geistlichen und Gebeten der Gläubigen wurden die Glocken für die Frauenkirche in Dresden und eine für die Basilika von Vézelay, einem Wallfahrtsort in Burgund, aus Bronze gegossen.

Anfang Januar 2003 zeigte sich beim Leeren der Gießgruben, dass der Guss gelungen war. Der Brauch des Glockengießens, dem Friedrich Schiller in seinem berühmten, erstmals 1800 erschienen Lied von der Glocke ein literarisches Denkmal setzte, hat sich seither wenig geändert. Obwohl Schillers Lied von der Glocke eines der populärsten deutschen Gedichte ist, lässt sich Wulf Segebrecht Worten kaum widersprechen, dass es in der gegenwärtigen Zeit selten jemand genauer kennt oder gar auswendig herzusagen weiß.[1] Aber auch jene, denen das Gedicht völlig unbekannt ist, gehen im alltäglichen Sprachgebrauch mit ihm um, beispielsweise dadurch, dass sie – unbewusst oder bewusst – Formulierungen zitieren: „Von der Stirne heiß / Rinnen muß der Schweiß, / Soll das Werk den Meister loben, / Doch der Segen kommt von oben“, „Wenn gute Reden sie begleiten, / Dann fließt die Arbeit munter fort“, „Erröthend folgt er Ihren Spuren“, „Drum prüfe, wer sich ewig bindet,/ Ob sich das Herz zum Herzen findet“, „Wohlthätig ist des Feuers Macht, / Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht“, „Alles rennet, rettet, flüchtet“, „Er zählt die Häupter seiner Lieben“[2]. Dennoch brachten schon Schillers Zeitgenossen dem Lied von der Glocke nicht nur Bewunderung entgegen, d.h. nicht erst unsere heutige Zeit betrachtet derartige Kernaussagen mit ironischen oder kritischen Abstand. „Lob und Tadel, kecker Widerspruch und ehrerbietige Würdigung haben Schillers hochambitioniertes Gedicht von Anfang an bis heute begleitet: Einerseits ist es zum hehren Bildungsgut geworden, das sich - früher - ganze Schüler-Generationen durch Auswendiglernen immer aufs neue erwerben mußten, um es zu besitzen; andererseits hat man sich von dem idealistischen, aber auch ideologischen Gehalt des Gedichtes durch Kritik, Persiflage und Trivialisierung zu entlasten versucht, beispielsweise mit der praktischen Kurzfassung des langen Gedichts, direkt aus dem frechen Volksmund: »Loch in Erde / Bronze rin / Glocke fertig / Bim bim bim«.“[3]

Ein intensives Befassen und Auseinandersetzen mit Schillers Glocke birgt eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Wirkungsgeschichte in sich, die zugleich Auskunft über Schillers Bewunderer wie Verächter gibt. Es ist eine Begegnung, die von ernsthaften Interpretationen bis zu pornographischen Verballhornungen des Gedichtes reicht. Nach Segebrechts Publikation Was Schillers Glocke geschlagen hat lassen sich über 100 Parodien nachweisen, die das Gedicht unter anderem auf die verschiedenartigsten Berufsstände, Fertigungsprozesse, historische Ereignisse oder Lebenssituationen anwenden.[4]

Bevor das Hauptaugenmerk Schillers Lied von der Glocke zur Thematik und Diskussion steht, befasst sich der erste Teil der vorliegenden Arbeit zunächst mit Schillers klassischer Lyrik. Im vierten Teil stehen einige "Forschungsstimmen" zu Schillers Glocke im Vordergrund und am Beispiel des Liedes von der Glocke wird als fünfter Aspekt der Gesellschaftstypus als thematisch-strukturelle Konstituente von Literatur herausgearbeitet.

1. Friedrich Schillers klassische Lyrik

Die klassischen Gedichte Schillers entstanden vor allem in der Zeit von 1795 - 1799, obwohl eine ganze Reihe von Gedichten auch noch später publiziert wurden, wie beispielsweise: Sehnsucht (1801), Der Antritt des neuen Jahrhunderts (1801), Kassandra ( 1802), Der Graf von Habsburg (1803). Der Höhepunkt Schillers lyrischen Produktivität war den Gedichten nach das Jahr 1799, die vor allem im Musen-Almanach für das Jahr 1799 veröffentlicht worden waren, u.a. Das Glück, Poesie des Lebens, Die Bürgschaft, Des Mädchens Klage oder Der Kampf mit dem Drachen. Helmut Koopmann vertritt die Ansicht, dass „...die in den Jahren 1801-1804 entstandenen, von Schiller selbst so genannten »Parabeln und Rätseln« nicht unbedingt dem Kernbestand von Schillers klassischer Lyrik [zuzurechnen sind].“[5] Gemessen an Schillers dramatischer Produktion trat das Lyrische nach 1799 doch sichtbar in den Hintergrund. Die klassische Lyrik Schillers verrät jedoch nicht weniger „...Spannung zwischen Reflexion und Empfindung, zwischen Spekulation und Anschauung, zwischen Abstraktion und Einbildungskraft als die Lyrik der vorklassischen Zeit. An allem Vorgestellten interessiert ihn das Generische mehr als das Individuelle, das Genotypische mehr als das Phänotypische, das Lehrhafte mehr als das einmalig-unverwechselbar zu beschreibende Phänomen.“[6] Beispielsweise möchte Schiller mit seinem Lied von der Glocke bestimmte Einsichten und Erkenntnisse vermitteln, die eine grundsätzliche Geltung beanspruchen, wie die Zeilenanalyse des Gedichtes im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit zeigen wird. In diesem Sinne trägt Schillers klassische Lyrik nicht selten parabolische Dichtung im weitesten Verständnis des Wortes in sich. Es geht ihm nicht um die Einzigartigkeit eines besonderen Vorganges – Die Kraniche des Ibykus zeigen dies in paradigmatischer Weise – und dessen, der Eigentümlichkeit seiner lyrischen Dichtung war Schillers sich auch durchaus bewusst. Am 25. Mai 1792 beschrieb Schiller seinen dichterischen Schaffensprozess selbst als Symbiose von kritischer Reflexion und dichterischer Imaginationskraft mit den folgenden Worten an Körner: »Ich sehe mich jetzt erschaffen und bilden, ich beobachte das Spiel mit Begeisterung, und meine Einbildungskraft beträgt sich mit minder dieser Freiheit, seitdem sie sich nicht mehr ohne Zeugen weiß«.[7] Auch Goethe teilte er nach einer Begegnung mit diesem jene Gedanken mit: »Mein Verstand wirkt eigentlich mehr symbolisierend, und so schwebe ich als eine ZwitterArt, zwischen dem Begriff und der Anschauung, zwischen der Regel und der Empfindung, zwischen dem technischen Kopf und dem Genie...«.[8]

[...]


[1] Vgl. Segebrecht 2005, S. 9.

[2] Ebd., S. 9.

[3] Ebd., S. 10.

[4] Vgl. ebd. S. 11.

[5] Koopmann 1977, S. 30; Auslassung und Einfügung: M. B.

[6] Ebd., S. 30; Auslassung: M. B.

[7] Friedrich Schiller an Christian Gottfried Körner, am 25. Mai 1792. Zitiert nach: Koopmann 1977, S. 30.

[8] Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe, ohne Jahresangabe. Zitiert nach: Koopmann 1977, S. 31.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Friedrich Schiller: 'Das Lied von der Glocke'
Untertitel
Textkanon und kommunikative Prozesse – Literatur um 1800
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Textkanon und kommunikative Prozesse – Literatur um 1800
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V140692
ISBN (eBook)
9783640488384
ISBN (Buch)
9783640488544
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich, Schiller, Lied, Glocke, Textkanon, Prozesse, Literatur
Arbeit zitieren
Magistra Artium Marta Cornelia Broll (Autor:in), 2009, Friedrich Schiller: 'Das Lied von der Glocke', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140692

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Friedrich Schiller: 'Das Lied von der Glocke'



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden