Magie in Weltbild, Heilkunde und Alltag vergangener Jahrhunderte


Hausarbeit, 2001

19 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Analogien in Weltbild und Heilkunde

2. Magie in Gesellschaft und Heilkunde

3. Zauberpflanzen

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Weltbild, Magie und Heilkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hierbei stellt sie den Vernetzungsgedanken von Gegenständlichem sowie Nichtgegenständlichem dar. In dieses Netzwerk gehören demnach auch Dämonen, Geister, der Teufel, die mittels Magie abgewehrt, beeinflusst oder zu Hilfe gerufen werden können.

Im ersten Kapitel wird auf Analogievorstellungen im Weltbild näher eingegangen: Der Zusammenhang, die Beziehungen zwischen Kosmos - Erde - Mensch sollen hier deutlich werden. Beispielhaft werden Parallelen, die zwischen Mikro- und Makrokosmos[1] gezogen wurden, vorgeführt. Der Entsprechungsgedanke taucht unter anderem im Menschen selbst als auch in der Heilkunde auf. Anhand der Signaturenlehre[2] wird versucht, dies darzustellen.

Das zweite Kapitel greift den Aspekt der Macht durch Magie auf und zeigt den Umgang mit dieser innerhalb der Gesellschaft sowie den Standpunkt der Obrigkeit, der weitgehend von den christlichen Glaubensvorstellungen bestimmt wurde und zu Verfolgungen von Zauberern und Hexen führte. Die ersten beiden Kapitel lassen verschiedene Gedanken und Ansichten - hinsichtlich des Weltbildes, der Magie und der Heilkunde - zweier bekannter Persönlichkeiten, nämlich Hildegard von Bingen und Theophrastus Bombastus von Hohenheim, einfließen.[3]

Im Vordergrund des dritten Kapitels stehen Zauberpflanzen. Das Kapitel befasst sich mit den Begriffen Zauber und Zauberei und widmet sich insbesondere Pflanzen, die die geheimnisvolle Kraft besitzen, Schlösser und Türen zu öffnen. Es wählt daher nur einen Gesichtspunkt aus der Vielfalt an möglichen Verwendungszwecken der Zauberpflanzen aus, zu denen diese eingesetzt worden sind.

Um die Ideen und ihre Umsetzungen vergangener Jahrhunderte lebendig erscheinen zu lassen, werden in den jeweiligen Kapiteln Auszüge von Texten der Autoren Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Michael Behaim und Johann Carl August Musäus[4] eingebracht.

1. Analogien in Weltbild und Heilkunde

Die Menschen des beginnenden Mittelalters übernahmen zu einem großen Teil das Weltbild und Wissen der Antike; die Grundstrukturen stimmten überein. Dem ägyptischen Gott der Weisheit Thoth wird das antike Wissen zugeschrieben, denn dieser soll „zahllose Schriften über geheime Wissenschaft (Medizin, Metallscheidekunst und Alchemie usw.) hinterlassen haben.“[5] Thoth wurde auch Hermes genannt und hatte außerdem den Beinamen „der Große“. „Durch Verdreifachung dieser Anrufung entstand `Trismegistos`, der `Dreimal Größte`, und daraus Hermes Trismegistos.“[6] Nur Bruchstücke der hermetischen Schriften sind erhalten geblieben. Die Schriften sind eine Synthese aus Neuplatonismus, ägyptischer, jüdischer und frühchristlicher Spekulation über Heilkunde, Talismane, Astrologie und Alchemie.[7]

Im Laufe der Jahrhunderte fanden immer wieder verschiedene Ausformungen und Verschiebungen des übernommenen Weltbildes statt. Beispielsweise wurden durch Hildegard von Bingen Vorgänge und Abhängigkeiten im Mikrokosmos weiter ausgearbeitet.[8]

Hildegard von Bingen vergleicht alle Dinge - Natur, Zeiten, Mensch - und jegliches Geschehen mit einem Rad. Alles ist auf dem Weg und dreht sich. Alles beeinflusst sich gegenseitig, ist miteinander vernetzt, ergänzt sich, unterliegt einem gewissen Rhythmus und Kreislauf, muss im Gleichgewicht bleiben.[9] Der Mensch hat hierbei eine bestimmte Rolle inne, nämlich die der Verantwortung, da er die Fähigkeit besitzt, zwischen „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden. „Da der Mensch nicht passiv ist, ist er es selbst, der das Rad seiner Erkenntnis dreht“, sei es nun in die Heils- oder Unheilsrichtung.[10] Er steht deshalb in der Verantwortung gegenüber seiner Mitwelt. Im Widerspruch zu Hildegards Verständnis des Menschen, der sich stets zwischen dem Guten und dem Übel befindet, steht die Anwendung magischer Praktiken in Form von Beschwörungsformeln und der Nutzung der Zauberkräfte von Tieren und Pflanzen. Für sie war die magische Kunst ein Laster.[11]

Weil sich alle Elemente[12] der Welt im Menschen wiederfinden, ist er eine Gestalt, die das All in sich geborgen trägt. „Feuer, Luft, Wasser und Erde sind im Menschen, und aus diesen besteht er. Vom Feuer hat er seine Wärme, von der Luft den Atem, vom Wasser das Blut und von der Erde das Fleisch“, schreibt Hildegard in ihrem Werk über Krankheiten.[13] Dies deutet auf die Vorstellung vom Menschen als Mikrokosmos hin. Auch Paracelsus schreibt mehrere Jahrhunderte später in seinen Lehren „Der Mikrokosmos des Menschen ist ein Ebenbild des Makrokosmos. Was mit dem Menschen und in ihm geschieht, entspricht dem Weltgeschehen, den Planetenbahnen.“[14] Ein auf Entsprechungen und Symphatien basierendes Weltbild ging also vom Makrokosmos aus, um die Ordnung des Alls auf den Planeten Erde - mit allem, was dieser hervorbringt - zu übertragen. Während nun die Grundbausteine der Welt (Feuer, Wasser, Luft, Erde) jeweils mit verschiedenen Planeten in Verbindung gebracht wurden, waren diese wiederum Sinnbild für Eigenschaften, die Menschen, Tiere und Pflanzen in sich tragen sollten. Hiernach entspricht dem Feuer die Sonne und der Mars; der Luft der Jupiter und die Venus; dem Wasser der Saturn und der Merkur; der Erde die Fixsterne und der Mond. Eigenschaften wie Farben und Geschmack wurden zugeteilt, z.B. Feuer - rot - bitter; Erde - blau - sauer.[15] Die Zuordnungen führten demnach von den zugrunde liegenden Planeten über die Elemente und Eigenschaften zur Kennzeichnung sowohl von Lebewesen als auch beispielsweise von Metallen oder von Säften im Menschen. So wurde in der Alchemie neben den Elementen den sieben damals bekannten Planeten jeweils ein Metall zugeordnet. „Im Zusammenhang mit Lehren über die Relationen zwischen Mikro- und Makrokosmos hatte man die Metalle mit den sieben Planeten in nähere Beziehungen gerückt und dem Einfluß der Planeten auf die Metallentstehung eine besondere Bedeutung zugemessen.“[16]

Auch die antike Vorstellung von verschiedenen Säften im Menschen fand sich im Mittelalter wieder, wobei die vier Säfte nicht immer gleich benannt wurden. Für Hildegard von Bingen sind zwei von ihnen Phlegma und zwei Schleim, die in einem ganz bestimmten Verhältnis im Körper des Menschen auftreten. Dieser kann nur aus vier Säften und nicht weniger bestehen, da die Welt ebenfalls aus vier Elementen aufgebaut ist und diese sich gegenseitig regeln.[17] Gerät nun das Verhältnis der Säfte aus dem Gleichgewicht, wird der Mensch krank. Ebenso wie Hildegard von Bingen misst Paracelsus dem Ungleichgewicht der Säfte verschiedene Krankheiten zu, knüpft aber nur noch in Ansätzen an die antike Säftelehre an.[18]

Ein weiterer Gedanke, der an die Idee der Entsprechungen knüpft, also nach Analogien sucht, ist die Heilung nach dem Grundsatz Gleiches heilt Gleiches. Das jeweilige Heilmittel wurde weitgehend unter dem Gesichtspunkt der äußeren Ähnlichkeit ausgesucht; es sollte die Heilwirkung anzeigen. Als eigenständiges Gebiet entstand die sogenannte Signaturenlehre mit Paracelsus, wobei jedoch ein umfassender Entwurf dieser Lehre erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Oswald Croll vorliegt.[19] „Die drei Naturreiche, Steine, Pflanzen und Tiere, sind danach [Signaturenlehre] für ihren - meist heilkundlichen - Gebrauch durch Aussehen (Form, Habitus), Farbe, Geruch und Geschmack `signiert`. Grundformen sind urzeitliche Direkt-Analogien aus Animismus und Magie, etwa von Tier zu Mensch, in Organen und Sekreten, die bis in die Neuzeit gewirkt haben.“[20]

So wurde das Leberblümchen wegen seiner Form bei Leberleiden verordnet; das Schöllkraut wegen seiner Farbe bei Gelbsucht angewandt; die Birkenrinde wegen ihrer weißen Flecken gegen Gesichtsflecken im allgemeinen und Sommersprossen im speziellen eingesetzt.[21]

Das gedankliche Fundament „`similia similibus curantur` (Gleiches kann durch Gleiches geheilt werden) lebt in der neuzeitlichen Homöopathie fort.“[22]

In den Erzählungen des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen[23] tritt die Idee des Analogieverständnisses als Nachweis für die Wirksamkeit von Heilmitteln in Erscheinung. Ein Mittel gegen Vergiftungen - Theriak - wird anhand einer angeblich giftigen Kröte erprobt und vorgeführt. Tötet der Theriak die Kröte, hilft er auch bei Vergiftungen. Allerdings hat der Protagonist der Erzählung, Simplicius, betrügerische Absichten, als er sich als Arzt befähigt, denn sein Ziel ist es, schnellstmöglich Geld zu erlangen, da er „nichts mehr im Vorrat hatte als noch einen einzigen güldenen Ring mit einem Demant, der etwa zwanzig Kronen wert war.“[24] Aus Zutaten wie Öl, Kräutern, Salmiak und Kampfer stellt er eine Salbe, ein Pulver und ein Heilwasser her. Um nun die Wirksamkeit all seiner Mittel zu zeigen, setzt Simplicius die angeblich giftige Kröte in ein Glas mit Branntwein, was jedoch von den Umstehenden als Wasser angenommen wird. Die Kröte stirbt nach kurzer Zeit. Der Beweis wird angenommen. „Die Baurn sperrten Maul und Beutel auf, da sie diese so gewisse Prob mit ihren Augen angesehen hatten. Da war in ihrem Sinn kein besserer Theriak in der Welt als der meinige.“[25] Darüber hinaus denkt sich Simplicius noch eine andere Art des Nachweises aus. Er fertigt zwei Gifte an, gibt beide zusammen mit dem Theriak in ein Glas mit Wasser, das -nicht sichtbar - ein sogenanntes Scheidewasser (vielleicht Salpetersäure) enthält und somit unverändert klar bleibt. Der Inhalt des Wasserglases, in das Simplicius allein die beiden Gifte gibt, färbt sich schwarz. „Davon wurde das eine Wasser, so keinen Theriak und also auch kein Aquafort hatte, so schwarz wie eine Tinte; das ander aber bliebe wegen des Scheidwassers, wie es war.“[26] Am Ende dieses Kapitels gibt er selbst den Rat, nicht leichtgläubig auf jeden „Marktschreier“ hereinzufallen, „welche nicht eure Gesundheit, sondern euer Geld suchen.“[27]

[...]


[1] Vgl. S. 3f.

[2] Vgl. S. 5f.

[3] Hildegard von Bingen, die unter anderem Mystikerin, Prophetin und Heilkundlerin war, lebte im Hohen Mittelalter von 1098-1179. Besser bekannt unter dem Namen Paracelsus, lebte der Arzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim von 1493/94 bis 1541.

[4] Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus (Berlin 21988); Michael Behaim, Meistergesang über Zauberglauben (1460) in: Wolfgang Behringer (Hg.), Hexen und Hexenprozesse (München 1988), S. 69-71; Heinrich Pleticha, Vergessene Märchen deutscher Dichter und Erzähler

(Würzburg 1998), S. 11-52.

[5] Hans Biedermann, Handlexikon der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert (Graz 1968), S. 155.

[6] Helmut Gebelein, Alchemie (München 2000), S. 110f.

[7] Vgl. Biedermann, Handlexikon der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, S. 156.

[8] Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, S. 1459.

[9] Vgl. Heinrich Schipperges, Hildegard von Bingen (München 1995), S. 38f., 57f. , 82, 92f. und 112.

[10] Vgl. Elisabeth Gössmann (Hg.), Hildegard von Bingen. Versuch einer Annäherung (=Archiv für Philosophie- und Theologiegeschichtliche Frauenforschung. Sonderband). (München 1995), S. 127.

[11] Vgl. Michaela Diers, Hildegard von Bingen (München 1998), S. 98f.

[12] Die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde galten als die Grundbausteine der Welt. „Der alte Elementbegriff herrschte durch viele Jahrhunderte und wurde erst sehr spät von jenem der Naturwissenschaft abgelöst.“ Siehe Biedermann, Handlexikon der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, S. 106.

[13] Vgl. Hugo Schulz / Ferdinand Sauerbruch (Hg.), Hildegard von Bingen. Ursachen und Behandlung der Krankheiten (Heidelberg 31982), S. 83.

[14] Vgl. Petra Schramm, Die Alchemisten. Gelehrte - Goldmacher - Gaukler. Ein dokumentarischer Bildband (Wiesbaden 1984), S. 78.

[15] Biedermann, Handlexikon der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, S. 107.

[16] Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, S. 337.

[17] Vgl. Schulz / Sauerbruch, Hildegard von Bingen. Ursachen und Behandlung der Krankheiten, S. 94. „Hildegard unterscheidet sich kaum von der antiken Lehre, auch wenn sie neue Bezeichnungen verwendet,“ so Michaela Diers, Hildegard von Bingen (München 1998), S. 93. Die antike Lehre von den vier Säften - Schleim, Blut, schwarze Galle, Galle - geht auf Claudius Galenus (129-199 n. Chr.) zurück. Ihnen werden die Temperamente Phlegmatiker, Sanguiniker, Melancholiker und Choleriker zugeteilt. Vgl. ebd.

[18] Vgl. Benzenhöfer, Paracelsus, S. 52f.

[19] Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, S. 1889 und Benzenhöfer, Paracelsus, S. 101.

[20] Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, S. 1889.

[21] Vgl. ebd., Bd. 6, S. 87 und Hans Schöpf, Zauberkräuter (Graz 1986), S. 45.

[22] Biedermann, Handlexikon der magischen Künste von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, S. 328.

[23] Die Erzählungen wurden nach dem 30-jährigen Krieg geschrieben und beziehen sich auf dessen Zeit.

[24] Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus, S. 390.

[25] Ebd., S. 392.

[26] Ebd., S. 393.

[27] Ebd., S. 394.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Magie in Weltbild, Heilkunde und Alltag vergangener Jahrhunderte
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Neuere deutsche Literatur)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V14071
ISBN (eBook)
9783638195676
ISBN (Buch)
9783638787680
Dateigröße
400 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Seminar, zu dem diese Arbeit entstand, war fächerübergreifend (Literatur / Chemie) und hatte den Titel &quot,Alchimie, Hermetik und Magie in der deutschen Literatur&quot,
Schlagworte
Magie, Weltbild, Heilkunde, Alltag, Jahrhunderte
Arbeit zitieren
MA Angela Exel (Autor:in), 2001, Magie in Weltbild, Heilkunde und Alltag vergangener Jahrhunderte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14071

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