Analyse des eifersüchtigen Ehemannes in „La Jalousie“ von Alain Robbe Grillet


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Semantischer Dualismus/ Definition des Begriffs: Eifersucht

3. „La Jalousie“
3.1 Die Rekonstruktion der Geschichte
3.2 Der beobachtende Ehemann
3.3 Die Kameraperspektive als Ehemann
3.4 Der eifersüchtige Ehemann in „La Jalousie“/
Die Kameratechnik als Vermittlung des Bewusstseinszustandes Eifersucht

4. Persönlichkeitsanalyse des eifersüchtigen Ehemannes

5. Fazit/ Schlussbemerkung

6. Bibliographie

1. Einleitung

Was verbirgt sich hinter dem Romantitel „La Jalousie“[1] in der Hinsicht seines semantischen Bedeutungsgehaltes? Im Petit Robert findet sich unter dem Eintrag „jalousie“:

1. „Attachement vif et ombrageux. [...] Sentiment hostile qu´on éprouve en voyant un autre jouir d´un avantage qu´on ne possède pas ou qu´on désirerait posséder exclusivement; inquiétude qu´inspire la crainte de partager cet avantage ou de le perdre au profit d´autrui. Þ dépit, envie, ombrage [...] Sentiment douloureux que font naître, chez la personne qui l´ éprouve les exigences d´un amour inquiet, le désir de possession exclusive de la personne aimée, la crainte, le soup V on ou la certitude de son infidélité.“
2. „Treillis de bois ou de métal au travers auquel on peut voir sans être vu. [...] Volet mobile composé de lames orientables. Þ contrevent, persienne, store.“[2]

Auch Langenscheidts Wörterbuch weist die zweifache Verwendung des Begriffes als Bezeichnung eines geistig-seelischen Zustandes auf der einen, und der Objektbezeichnung auf der anderen Seite aus:

1. „Eifersucht, Mißgunst, Neid. [...]“
2. „Jalousie“ mit einem kleinen Symbol für „Baukunst“ verbunden, was auf die Gegenständlichkeit hinweisen soll.[3]

Es ist interessant festzustellen, dass der Titel im Deutschen „La Jalousie oder die Eifersucht“ lautet. Hier wurde die Antwort, ob es sich im Buch um das Gefühl oder die Markise handelt zwar nicht vorweggenommen, er weckt aber das Bewusstsein für das Vorhandensein der begrifflichen Mehrdeutigkeit deutlicher als im Französischen.

Benennt der Titel ein Gefühl, dann wäre ein Buch zu erwarten, das sich mit dem seelischen Zustand der Eifersucht auseinandersetzt. Womöglich würde es Schilderungen menschlicher Beziehungen und ihr Schicksal in Hinsicht auf Leid wegen der Starrheit und Fixiertheit des Bewusstseins, aufgrund von emotionaler Abhängigkeit vom geliebten Menschen enthalten.

Benennt der Titel aber den Gegenstand der Jalousie als Sichtschutz, dann dürfte ein eher sachliches Buch, getragen von objektiven Beschreibungen zu erwarten sein.

Welche „Jalousie“ nun gemeint ist, ist die grundlegende Überlegung, die der Leser anstellt, bevor er auch nur die erste Seite zu lesen anfängt. Hierbei wird nach dem Ausschlussprinzip verfahren. Entweder ist es das Gefühl, oder der Gegenstand.

Von der ersten bis zur letzten Seite behandelt der Roman das Thema der Eifersucht. Es gibt keine Szene, die nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden könnte. Auf der anderen Seite verliert er aber kein Wort über den seelischen Eifersuchtszustand, sondern liest sich, die Beschreibungen der darin vorkommenden Menschen in ihrer äußeren Erscheinung, ihrem Habitus und Verhalten ausgenommen, wie eine reine Baubeschreibung, mit der vom Autor scheinbar selbst verordneten Prämisse nüchterner Objektivität. Es gibt keinen roten Faden der Handlung, der den Leser durch den Roman hindurchführt. Es handelt sich um reine Objektzustandsbeschreibungen. Einer Fotografie gleichsam sind die einzelnen Szenen penibel dargestellt und exakt gefasst, dass bei ihrer Aneinanderreihung das Gefühl evoziert wird, als ob man einen Film betrachten würde. Durch die exakte Beschreibung der Szenerie und der Umgebung, bekommt der Leser ein äußerst präzises Bild der räumlichen Anordnung, der Objekte und Personen. Ein Objekt nach dem anderen wird in farblicher und formtechnischer Ausprägung beschrieben, und mit den anderen in räumlichen Zusammenhang gebracht. Es ist, als ob einzelne Fotos beschrieben würden. Durch ihre Aneinanderreihung in Verbindung mit der Dimension der Zeit entsteht nun der Film vor dem geistigen Auge. Man kennt dieses Phänomen vom „Daumenkino“. Mehrere Fotos, die einander ähneln, weil die abgebildeten Objekte nur geringfügig verändert sind, werden übereinander gelegt. Nun lässt man mit dem Daumen die Fotos „herrunterrauschen“. Durch schnelles Verdecken des aktuellen mit dem jeweils folgenden Bild entsteht der Eindruck, man betrachte einen Film. Die einzelnen Kapitel und Szenen im Roman werden nicht durch Erläuterungen in Zusammenhang gebracht. Es wird kein Einblick in das Denken einzelner gegeben. Szene folgt auf Szene und dies völlig zusammenhanglos. Da man beim Lesen durch diese Bilder wie von einer Kamera geführt wird, werde ich diese Technik im Folgenden auch „Kameratechnik“ nennen. Robbe-Grillet bedient sich beim Schreiben des Romans ausschließlich dieser Kameratechnik. Es wird, für den Leser in relativ unerkennbarem Zusammenhang, von einer Szene zur nächsten übergegangen. Man könnte auch sagen, eine Jalousie verdecke das eine und anschließend das andere darauf folgende Bild. Die Jalousie fungiert wie die Blende der Kamera. Zum Teil ist auch nicht das ganze Vorgehen einer Szene, sondern nur ein Ausschnitt ersichtlich. Der Rest wird ausgeblendet oder verdeckt. Dann hat man das Gefühl, man blicke durch eine Jalousie hindurch in die Szene hinein.

Der Leseeindruck von Monotonie und Eintönigkeit entsteht verhältnismäßig schnell.

Beim Lesen muss sich zwangsläufig Verwirrung einstellen, da nicht klar ist, wer das Geschehen eigentlich beschreibt. Folgt man dem Kameraauge, dann impliziert sich zwangsläufig das Gefühl, man blicke aus den Augen des Ehemannes heraus auf die Szenerie, so dass sich der logische Schluss aufdrängt: der Ehemann ist die Kamera und nimmt die einzelnen Szenen auf. Da man sich mit ihm nun durch die Räume des Hauses und der Plantage bewegt, nimmt man auch an seinen Aktivitäten teil. Die Art seiner Beobachtungen in ihrer Monotonie und die Art und Weise der Betrachtung, vermitteln seinen Bewusstseinszustand. Er ist eifersüchtig.

Durch diese Eifersucht erklären sich sein Zustand der Lähmung und somit auch der Eindruck der Monotonie für den Rezipienten beim Lesen des Romans.

Die Kameratechnik mit der „Jalousie“ als Blende, die die Wahrnehmungen des Ehemanns zeigt, vermittelt ergo den Eindruck der Eifersucht; die „jalousie“ (Kameratechnik) kreiert die „jalousie“ (Eifersucht).

Die Arbeit soll die Verbindung herstellen, den Ehemann zu beleuchten und ihn als Betrachter der Szenerie darzustellen, zugleich aber auch seine Verhaltensweisen aufzudecken und einzuordnen. Es wird erläutert, warum der Ehemann als „abwesendes Ich“ die Erzählinstanz ist, und mit der gedachten Kamera gleichzusetzen ist.

Da die Kameraführung durch den Ehemann realisiert wird, stellt sich die Frage, wie anhand dieser Perspektive die Objektwelt in dem Roman dargestellt wird und wie der Ehemann die Umgebung wahrnimmt. Da die Kameraperspektive und die Kameraführung einen erheblichen Einfluss auf das Wirken des Romans haben, wird erklärt, wie die Kamera die aufgenommenen Eindrücke vermittelt, und wie anhand der Aufnahmen der Bewusstseinzustand „Eifersucht“ präsentiert wird.

Teil der Untersuchungen dieser Hausarbeit wird der Ehemann sein. Es werden seine Verhaltensweisen beleuchtet und interpretiert, sowie die personelle Wahrnehmung seiner Umwelt dargestellt.

Anhand der Persönlichkeitsanalyse des Ehemannes erhält man die benötigten Informationen, den Roman richtig einzuordnen und den Inhaltsgehalt interpretieren zu können. Anhand der intensiven Auseinandersetzung mit den Verhaltensweisen des eifersüchtigen Ehemannes soll gezeigt werden, wie der Buchtitel im Roman personalisiert wird und mittels des Agonisten vermittelt wird.

2. Semantischer Dualismus/ Definition des Begriffs: Eifersucht

Das Wort „Eifersucht“ setzt sich aus den beiden eigenständigen Wörtern „Eifer“ und „Such t“ zusammen. Dem Wort Eifer wird also ein kranker Begriff der Psychopathologie an die Seite gestellt, da „Sucht“ sich von „Siechtum“ ableitet, was so viel wie „Krankheit“ bedeutet.[4] Im Französischen ist der Begriff hingegen wertneutral. Eifersucht wird erst ab dem Grad krankhaft, wo hemmende Faktoren des Verhaltens fehlen und eine derartige Gefühlsstärke entfaltet wird, dass sie in „ständige grundlose Eifersucht[5] umschlägt und das Verhältnis zum Vertrauen, was sie eigentlich in einem normalen Maße halten sollte, gestört ist. Sind Neid und Eifersucht doch eng miteinander durch das Empfinden der Schmälerung im Selbstwertgefühl verbunden, müssen sie jedoch voneinander abgegrenzt werden.

Im Prinzip ist also der Impuls des Neides auf ein materielles Gut wie z.B. der Nahrung oder relativer Vergleichbarkeit der Fähigkeitsausprägungen gerichtet. Ist ein Artgenosse mit diesem Gut oder der Fähigkeit verhältnismäßig besser ausgestattet, so spricht man von Neid. Handelt es sich jedoch um kein materielles Gut, um das konkurriert wird, sondern um die Gunst und emotionale Zuwendung eines Mitmenschen, dann ist von Eifersucht die Rede.

Um den Bezug zum Roman herzustellen und den Begriff „Jalousie“ näher zu definieren, muss man feststellen, dass zum Erhalt einer Partnerschaft Treue notwendig ist. Beim Treuebruch wäre die Existenz der Partnerschaft und möglicherweise des gesamten Familienverbandes gefährdet. Die Eifersucht dient also aus soziologischer Sicht dem Abwenden des Treuebruchs und dem langfristigen Erhalt der Partnerschaft.

Dabei geht das Gefühl von Eifersucht eng einher mit einer Kränkung des Selbstwertgefühles. Es ist ein sich wechselseitiges Bedingen. In dem Maße, wie das Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigene Person abnimmt, steigt auch die Anfälligkeit für Eifersuchtsgefühle. Dies liegt darin begründet, dass sich der Beurteilungsmaßstab von Wert und Fähigkeit der eigenen Person im Vergleich mit einem Konkurrenten zu eigenen Ungunsten verschiebt. Der Konkurrent wird so als besser beurteilt, als er tatsächlich ist, da seine objektiv ermessene Attraktivität zwar gleich bleibt, durch das selbst empfundene Abnehmen der eigenen Attraktivität aber zusätzlich aufgewertet wird. Auf der anderen Seite wird das Selbstwertgefühl umso lädierter, je mehr tatsächliche Gründe sich für Eifersucht auftun.

Um das Verhalten des Ehemannes als typisch eifersüchtig einzuordnen und in seiner Typologie zu erfassen, muss erklärt werden, was unter Eifersucht heute verstanden wird, wie sie empfunden wird und sich im Verhalten des Eifersüchtigen niederschlägt. Der Eifersüchtige ist zunächst jemand, der das ihn umgebende soziale Umfeld äußerst genau beobachtet, um Missstände feststellen zu können. Die Missstände für ihn, treten in der Form des Privilegiertseins eines anderen auf. Durch eigene Geringschätzung kommt es häufig zur Überbewertung der Stellung des anderen Dritten in Hinsicht auf die geliebte Person. Es tritt ein Empfinden von Verdruss und Ärger auf.

„Eifersucht meint [...] einen Gefühlszustand aus dem heraus wir ärgerlich, misstrauisch oder unzufrieden beobachten und uns einbilden, dass jemand in den Besitz von etwas kommt, das eigentlich uns selber zustünde oder gehöre“.[6]

Jedoch sind einheitliche Verhaltensmuster für die Gruppe der Eifersüchtigen schwer auszumachen. Der innere Zustand subjektiven Empfindens ist zwar häufig gleich, das Verhalten kann aber von Mensch zu Mensch variieren und ist selbst beim Einzelnen nicht konstant.

Aus allen pathologisch feststellbaren Fällen der Eifersucht tritt ein Charakteristikum jedoch klar hervor. Es ist das voyeuristische Züge annehmende Kontrollieren und Observieren der geliebten Person. In seinem extremen Auswuchs kann sich das Verhalten des Eifersüchtigen zu totaler Lethargie hin ohne eigenen Antrieb entwickeln. Eigene Interessen, freundschaftliche und andere soziale Beziehungen werden dann völlig aufgegeben. Die Kontrolle des zu beobachtenden Objekts wird dann primär.

3. „La Jalousie“

3.1 Die Rekonstruktion der Geschichte

Thematisch verhandelt der Roman eine klassische Dreieckskonstellation. Eifersucht ist das dominierende Gefühl eines kolonialen Plantagenbesitzers,

dessen Frau A... scheinbar mit Franck eine Affäre hat. Handlungsort ist die in tropischem Klima situierte Bananenplantage von A... und ihrem Mann. Franck, ebenfalls Plantagenbesitzer und Nachbar, besucht das Ehepaar häufig zum Essen. Seine Frau Christiane muss ihn früher zu diesen Treffen begleitet haben, aus gesundheitlichen Gründen (auch wegen des kleinen Kindes) bleibt sie nun den im Roman beschriebenen Gesellschaften fern. Auch erfahren wir, dass Christiane A...’s Kleidungsstil für zu extravagant gehalten hat. In den Terrassen- und Tischgesprächen haben A... und Franck viele gemeinsame Themen, unter anderem einen Roman. Als Franck bekannt gibt, in die entfernte Stadt zu fahren (ein nicht alltägliches Ereignis im durch Regelmäßigkeit der Arbeit bestimmten Alltag auf der Plantage), entschließt sich A... scheinbar spontan, ihn zu begleiten. Auch sie hätte Besorgungen zu machen. Ihr Ehemann wartet vergeblich an jenem Tag auf die noch für denselben Abend angekündigte Rückkehr. Franck und A... treffen erst am nächsten Morgen ein. Die sich mit der Verspätung befassenden Gespräche zwischen A... und Franck (Grund war eine angebliche Autopanne) kann der Ehemann nur noch als Täuschungsmanöver empfinden.

[...]


[1] Robbe-Grillet, Alain, La Jalousie, Paris: Les Éditions de Minuit, 1957, 218 S.

Zitate werden im Folgenden mit „LJ“ und der jeweiligen Seitenzahl gekennzeichnet.

[2] Robert, Paul, Le Nouveau Petit Robert, Hrsg. Josette Rey-Debove & Alain Rey, Paris: Dictionnaires Le Robert, 2001, 2841 S.

[3] Erwin Lange-Kowal, Dr.Ernst, Langenscheidts Großes Schulwörterbuch FRANZÖSISCH-DEUTSCH, Berlin: Langenscheidt KG, 1986.

[4] Alff, S.: Eifersucht – empirische Untersuchung zur Erfassung von Intensität und Bewältigungsstrategien, Diplom-Arbeit, Universität Mainz, 1985.

[5] Tellenbach, H. , Zur Phänomenologie der Eifersucht, Nervenarzt 38, S.333-336.

[6] Örtl., Titine: Rivalität und Eifersucht – Der Wandel im Verständnis des Ödipuskomplexes von Freud bis zur Gegenwart, Stuttgart, Verlag Paul Haupt, 1990, S. 11.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Analyse des eifersüchtigen Ehemannes in „La Jalousie“ von Alain Robbe Grillet
Hochschule
Technische Universität Berlin
Note
1,3
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V140712
ISBN (eBook)
9783640493265
ISBN (Buch)
9783640492961
Dateigröße
572 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Analyse, Ehemannes, Jalousie“, Alain, Robbe, Grillet
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Analyse des eifersüchtigen Ehemannes in „La Jalousie“ von Alain Robbe Grillet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140712

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