Ich möchte zunächst darauf eingehen, wie sich meine Themensuche gestaltet hat, warum ich mir genau dieses Thema ausgesucht habe, um eine Hausarbeit darüber zu schreiben, und welche Fragestellungen im Wesentlichen in dieser Arbeit thematisiert werden sollen.
Ich fand es zunächst recht schwierig, ein Thema zu finden, dass sowohl meine Interessen bedienen würde und sich gleichzeitig auch gut innerhalb der beiden Fächer „Erziehungswissenschaft“ und „Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit“ integrieren lassen würde. Ich bin allgemein sehr an geschichtlichen Inhalten interessiert und schaue mir auch gern Entwicklungen innerhalb einer Gesellschaft an, was mich zu der Idee brachte, mir die Geschichte der Erziehung genauer anzuschauen. Um die Thematik etwas einzuschränken, beschloss ich dann, mich im Wesentlichen auf die Erziehung zur Zeit des Nationalsozialismus und die heutige Zeit zu beschränken und diese beiden miteinander zu vergleichen.
Den zweiten Teil meiner Arbeit möchte ich gern der Lebenswelt-Theorie und den Ansichten zum gelingenden Leben widmen. Ich bin persönlich sehr an diesen Theorien interessiert und würde gern für mich persönlich wissen, ob sie einen Ausgangspunkt für mein professionelles Handeln bilden könnten. Zum Schluss meiner Arbeit und auch um eine Verbindung zum ersten Teil der Arbeit herzustellen, würde ich gern die Lebenswelttheorie anhand eines Beispiels aus der Praxis konkretisieren und habe dazu die Schulsozialarbeit ausgewählt.
Ich hoffe, durch die Beschäftigung mit dem Thema ein größeres Verständnis für und einen größeren Überblick über die Jugend und Erziehung von früher, von heute und auch für und über die Lebenswelt-Theorie zu bekommen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erziehung im Nationalsozialismus
2.1 Pädagogische Konzepte im Nationalsozialismus
2.1.1 Adolf Hitler
2.1.2 Ernst Krieck
2.1.3 Alfred Baeumler
2.1.4 Baldur von Schirach
2.2 Die pädagogischen Konzepte in der Umsetzung: Die Praxis der nationalsozialistischen Erziehung
2.2.1 Die Hitlerjugend (HJ)
2.2.2 Der Bund deutscher Mädchen (BDM)
2.2.3 Schule
2.2.4 Die Rolle der Familie in der Erziehung des Nationalsozialismus
3 Erziehung heute
3.1 Erziehungsstile
3.2 Erziehungsziele
3.3 Gewichtung von familiärer und schulischer Erziehung
4 Vergleichendes Zwischenfazit
5 Gelingendes Leben und Lebensweltansatz im Kontext erzieherischen Handelns
5.1 Definition und theoretische Ansätze des Lebenswelt-Konzepts
5.2 Der Begriff des gelingenden Lebens in der Theoriebildung Sozialer Arbeit
5.3 Der Lebensweltansatz als Denk- und Handlungsmaxime in der Sozialen Arbeit am Beispiel der Schulsozialarbeit
6 Anwendungsbezogenes Zwischenfazit
7 Abschließendes Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Ich möchte zunächst darauf eingehen, wie sich meine Themensuche gestaltet hat, warum ich mir genau dieses Thema ausgesucht habe, um eine Hausarbeit darüber zu schreiben, und welche Fragestellungen im Wesentlichen in dieser Arbeit thematisiert werden sollen.
Ich fand es zunächst recht schwierig, ein Thema zu finden, dass sowohl meine Interessen bedienen würde und sich gleichzeitig auch gut innerhalb der beiden Fächer „Erziehungswissenschaft“ und „Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit“ integrieren lassen würde. Ich bin allgemein sehr an geschichtlichen Inhalten interessiert und schaue mir auch gern Entwicklungen innerhalb einer Gesellschaft an, was mich zu der Idee brachte, mir die Geschichte der Erziehung genauer anzuschauen. Um die Thematik etwas einzuschränken, beschloss ich dann, mich im Wesentlichen auf die Erziehung zur Zeit des Nationalsozialismus und die heutige Zeit zu beschränken und diese beiden miteinander zu vergleichen.
Den zweiten Teil meiner Arbeit möchte ich gern der Lebenswelt-Theorie und den Ansichten zum gelingenden Leben widmen. Ich bin persönlich sehr an diesen Theorien interessiert und würde gern für mich persönlich wissen, ob sie einen Ausgangspunkt für mein professionelles Handeln bilden könnten. Zum Schluss meiner Arbeit und auch um eine Verbindung zum ersten Teil der Arbeit herzustellen, würde ich gern die Lebenswelttheorie anhand eines Beispiels aus der Praxis konkretisieren und habe dazu die Schulsozialarbeit ausgewählt.
Ich hoffe, durch die Beschäftigung mit dem Thema ein größeres Verständnis für und einen größeren Überblick über die Jugend und Erziehung von früher, von heute und auch für und über die Lebenswelt-Theorie zu bekommen.
2 Erziehung im Nationalsozialismus
Auch zur Zeit des Nationalsozialismus gab es natürlich unterschiedliche pädagogische Ansätze. An dieser Stelle beziehen sich meine Ausführungen jedoch nur auf die pädagogischen Vorstellungen von Hitler und seinen Gefolgsleuten (Ernst Krieck, Alfred Baeumler, Baldur von Schirach), da andere Ansätze in der Staatsform, wie sie damals bekanntermaßen praktiziert wurde, sowieso nicht beachtet und umgesetzt wurden. Die Darstellungen fallen in stark gekürzter Form, ohne die Hinzunahme von umfassenden biographischen Hintergründen der jeweils dargestellten Personen statt, da dies den Rahmen der Arbeit überschreiten würde. Wichtig ist mir, bei jeder Darstellung die Fakten herauszustellen, die wichtig für den NS-Staat und seine Organisation von Erziehung als Ganzes waren.
2.1 Pädagogische Konzepte im Nationalsozialismus
2.1.1 Adolf Hitler
„Eine Erziehungstheorie im engen Sinne gibt es bei Adolf Hitler nicht.“[1] Seine Vorstellungen und Ziele von Erziehung lassen sich lediglich aus seinen Reden, aus Interviews oder auch seinen Schriften implizit entnehmen. Eine wichtige Aussage über seine pädagogischen Ansichten lässt sich aus einem aufgezeichneten Gespräch, das er mit Hermann Rauschning führte, entnehmen:
„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muss das alles sein. Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das erste und wichtigste. So merze ich die tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich Neues schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend. Am liebsten ließe ich sie nur das lernen, was sie ihrem Spieltriebe folgend sich freiwillig aneignen. Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht besiegen lernen.“[2]
Dieses Zitat veranschaulicht sehr deutlich, was die Ziele von Hitlers pädagogischen Vorstellungen waren. Und implizit auch, wie er sie erreichen wollte. Häufig macht er deutlich, dass er sich in der Verantwortung sieht, die Jugend zu erziehen und zu formen, so dass sie im Endeffekt seinen Vorstellungen einer nahezu perfekten Jugend entspricht. Dabei spielt Bildung eine eher untergeordnete Rolle, was eventuell auch daran liegen mag, dass mehr Bildung in einer Gesellschaft möglicherweise auch zu mehr Regimegegnern hätte führen können. Auch der Hinweis auf seine „Ordensburgen“ lässt bereits erkennen, dass er als Erziehungsmittel geschlossene Gruppierungen heranzuziehen gedenkt, in denen die Jugend dann erzogen werden kann und soll. In einer Rede im Jahre 1938 beschreibt Hitler sein Erziehungsideal wie folgt:
„Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes, als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn diese Knaben mit zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen und dort oft zum ersten Male überhaupt frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfron, in die SA oder in die SS, in das NSKK usw. Und wen sie dort zwei Jahre oder eineinhalb Jahre sind und noch nicht ganze Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs oder sieben Monate geschliffen, alles mit einem Symbol, dem deutschen Spaten. Und was dann nach sechs oder sieben Monaten noch an Klassenbewusstsein oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf zwei Jahre, und wenn sie nach zwei, drei oder vier Jahren zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS usw., und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben.“[3]
Hitler möchte die Jugend der deutschen Nation quasi von der Wiege bis zum Tod in die nationalsozialistische Maschinerie eingliedern und sein Ziel ist es, nicht auch nur einen einzigen abtrünnigen (vielleicht noch eigenständig denkenden) Menschen in seinen Reihen zu wissen. Giesecke formuliert in seinem Buch „Hitlers Pädagogen“ Hitlers Erziehungsideal als „ein Aufwachsen als nahezu ausbruchssichere NS-Karriere, gegründet auf ein Erfahrungsmonopol ohne Alternativen.“[4]
2.1.2 Ernst Krieck
„Ernst Krieck wurde 1882 als Sohn eines unselbständigen Maurers und Kleinbauer in Vögisheim in Südbaden geboren. Er besuchte die Realschule, anschließend das Lehrerseminar, war mit 18 Jahren Junglehrer und blieb mit Unterbrechungen bis 1928 als Volksschullehrer tätig.“[5]
Ernst Krieck agierte im nationalsozialistischen Kontext hauptsächlich aus einer politischen Motivation heraus und gilt geradezu als Begründer der politischen Pädagogik. Mit ihm eng verknüpft ist der Begriff des „völkischen Erziehungsstaates“. „Er versuchte, durch eine Aufarbeitung der deutschen Geschichte und Geistesgeschichte die „deutsche Eigenart“ herauszufinden und daraus entsprechende Vorschläge für die Neuformierung von Volk und Staat zu entwickeln.“[6] In seinem pädagogischen Hauptwerk von 1922 mit dem Titel „Philosophie der Erziehung“ stellt er die für die damalige Zeit innovative These auf, dass nicht „das, was einzelne Personen wie Eltern und Lehrer mit Kindern absichtsvoll – also intentional - tun, sei das entscheidende an der Erziehung, sondern die Art und Weise, wie Kinder in den sozialen Gemeinschaften aufwachsen.“[7] Diese Sichtweise von Erziehung liegt natürlich auf einer Linie mit den Erziehungs- und Formungsvorstellungen Hitlers. Auch er sieht als einzig wirksames Instrument, die Jugend gesellschaftskonform zu erziehen eine Erziehung in einer sehr engmaschigen und organisierten Form an. „Sein weitgefaßter Erziehungsbegriff umfasst drei notwendige miteinander verbundene Abstufungen, […]“ Die erste Stufe umfasst den sogenannten einheitlichen Lebensgrund. Damit werden die unbewussten Wirkungen, Bindungen und Beziehungen von Mensch zu Mensch bezeichnet. Diese Stufe der Erziehung bildet die unterste Schicht. Darauf folgend ist die Rede von der zweiten Stufe als Erziehung durch gemeinschaftliche Zusammenschlüsse, die ein bewusstes Ziel hat, jedoch noch nicht als Erziehertätigkeit im engeren Sinne angesehen werden kann. Als die dritte und oberste Schicht ist Unterricht im weitesten Sinne anzusehen, wobei hier auch alle Bildungs- und Kulturformen mit ihrer Entstehung und ihrer Wirkung gemeint sind.
„Krieck unterscheidet vier gleichberechtigte Formen der Erziehung:
1. Die Gemeinschaft erzieht die Glieder.
2. Die Glieder erziehen einander.
3. Die Glieder erziehen die Gemeinschaft.
4. Die Gemeinschaft erzieht die Gemeinschaft.
Diese Formen der „Fremderziehung“ werden ergänzt durch zwei Formen der „Selbsterziehung“.
1. Die Gemeinschaft erzieht sich selbst.
2. Der Einzelne erzieht sich selbst.“[8]
Kriecks wichtigste These bestand also darin, dass Erziehung ein soziales Phänomen ist, immer schon vorhanden, dort, wo Menschen leben. Sie ist keine von außen an die Gemeinschaften herangetragene zusätzliche, künstliche Institution, auch keine kulturelle Erfindung der Menschheit. Lediglich die Formen, in denen die Gemeinschaften die Erziehung organisieren, sind kulturell geprägt, also auch veränderbar.
Krieck geht in späteren Schriften davon aus, dass Massenbewegungen, wie z.B. die Hitlerjugend, die SA oder die SS von großer erzieherischer Bedeutung sind, womit er natürlich absolut konform mit Hitlers Ansichten ist. Auch die Einstellungen bezüglich einer unbedingt notwendigen lebenslangen (regime-zuträglichen) Erziehung teilt Krieck mit Hitler.
2.1.3 Alfred Baeumler
Alfred Baeumler wurde 1887 im Sudentendeutschen Neustadt an der Tafelfichte geboren, das in jener Zeit zu Österreich gehörte. „Sein Vater war Porzellanmacher und ging 1896 nach Nürnberg. Baeumler legte dort 1908 sein Abitur ab und studierte in München, Bonn und Berlin zunächst Kunstgeschichte, dann Philosophie und Ästhetik. Nach der Promotion 1914 wurde er von 1915 bis 1918 österreichischer Soldat und 1919 deutscher Staatsbürger.“[9]
Der Name Alfred Baeumlers ist eng mit der Bücherverbrennung von 1933 verknüpft. Damals verbrannten die Nazis alle Bücher und Schriften von Autoren, die sie für die Feinde der deutschen Kultur hielten. 1933 war auch das Jahr, in dem Baeumler aus einer politischen Unzufriedenheit heraus in die NSDAP eintrat. Er wollte etwas verändern, etwas bewirken, anstatt nur, wie bis dato passiert, in theoretischen Schriften zu kritisieren.[10] „Baeumlers politische Vision war ein neues deutsches Reich, das auf germanischer Tradition basierte, d.h. darauf, dass es getragen wird von den Wehrbünden der Männer und gegliedert ist durch persönliche Führer-Gefolgschaft-Beziehung in wechselseitiger Treue. Alles, was dieser Vision widerspricht oder entgegenwirkt, verfällt der Kritik.“[11]
Baeumler stellt in seinem Erziehungsideal zwei unterschiedliche Typen Mensch gegenüber. Zum einen den politischen Menschen bzw. Soldaten, den er persönlich als das Erziehungsideal ansieht und zum anderen den theoretischen Menschen vom Typus des Gebildeten. Letzterer ist laut Baeumlers Auffassung nicht besonders volksnah und wird von selbigem zwar mit Respekt, aber mit ebenso viel Misstrauen behandelt. Trotz dieser Unterscheidung und der Ablehnung eines theoretischen Menschen sieht Baeumler die Bildung ansich auch für den Nationalsozialismus als wichtig an.
Der politische Mensch unterscheidet sich vom gelehrten Mensch dadurch, dass er handelt. „Die Inhalte dieser Handlungen werden dabei durch die historische Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Volkstum, einer bestimmten Rasse bestimmt und dürfen eben nicht richtungslos sein.“[12]
In vielen seiner Reden und Schriften zeigen sich “antidemokratische, antiliberale, antifeminine und antibürgerliche Ressentiments“[13]. Baeumler war- ebenso wie auch Krieck, ein klarer Verfechter der deutlichen Unterscheidung von männlicher und weiblicher Daseinsberechtigung. Die Emanzipation ist für ihn „das Symbol jener im Ersten Weltkrieg siegreichen bürgerlichen Kultur, die dem deutschen Wesen nicht gemäß sei. Bei Baeumler nimmt der anti-feminine Affekt skurrile Züge an, wenn er beklagt, dass in der Weimarer Rechtspflege „Weiber“ über Männer zu Gericht sitzen dürfen, oder wenn er die Studentinnen ignorierte und seine Hörer ostentativ mit „Meine Herren!“ anredete.“[14]
Baeumler wollte „die auf Gelderwerb und Genuß beruhende Gesellschaft ablösen durch eine männerbündische Sozialstruktur von „Mannschaften“, in denen Führer und Geführte in gegenseitiger Treue einander verschworen sein sollen.“[15] Als Mittel zur Verwirklichung seines Weltbildes sah er seine Theorie der deutschen Leibesübungen an. Hierdurch unterscheidet sich sein Konzept deutlich von dem Kriecks. „Für Baeumler beginnt die Erziehung (…) beim Leiblichen.“[16] Gymnastik, Spiel und Tanz sieht er jedoch nicht als geeignete Mittel an, um auf die männliche Erziehung Einfluss zu nehmen, sondern möchte diese der Frau vorbehalten. Trotzdem wird der männliche Körper als Gesellschaftsganzes gesehen, das die Pflicht hat, sich körperlich zu schulen und gesund zu sein, um innerhalb der Gemeinschaft seine Pflicht erfüllen zu können. Gleichzeitig ist diese Schulung aber auch nur innerhalb der Gemeinschaft und in Zusammenschlüssen möglich- „als Einpassen in bestehende Ordnungen“[17]. Spaß am Sport und an der Gemeinsamkeit sollten darüber hinweg täuschen, dass die gemeinsame Aktivität Mittel zum Zweck war. Zweck war die Bildung eines Charakters, der vollkommen hinter der Ideologie stand. Die Sportler sollten diesen Charakter quasi ausbilden, ohne es selbst zu merken.
Interessant ist, dass Baeumler sich nach 1945 von diesem, dann von ihm als Germanismus bezeichneten und von ihm selbst konstruierten Weltbild deutlich distanzierte.
2.1.4 Baldur von Schirach
Baldur von Schirach war einer von Hitlers treusten Gefolgsleuten. „Er wurde am 9.5.1907 als jüngstes von vier Geschwistern in Berlin geboren. Ein Jahr später übernahm sein Vater Carl die Leitung des Großherzoglichen Hoftheaters in Weimar, nachdem er zuvor im Königlich Preußischen Garde-Kürassier-Regiment gedient hatte, das er als Rittmeister verließ. Baldurs Mutter war Amerikanerin, die zeitlebens die deutsche Sprache mehr schlecht als recht beherrschte und deshalb Englisch zur Muttersprache ihrer Kinder machte, so dass Baldur noch mit 6 Jahren kaum deutsch konnte. […] Prägend wurden für ihn aber zwei Schicksalschläge innerhalb der Familie. Nach dem Krieg wurde sein Vater aus dem Amt des Intendanten entlassen, und im Oktober 1919 erschoß sich sein älterer Bruder Karl, an dem er sehr gehangen hatte und der ihm in vieler Hinsicht Vorbild gewesen war. Als Grund für seinen Selbstmord gab der Bruder das „Unglück Deutschlands“ an, das ihn persönlich insofern betraf, als ihm durch den Versailler Vertrag die ersehnte Offizierslaufbahn verschlossen war. Beide Ereignisse haben wohl Schirachs Republikfeindschaft wesentlich mitbestimmt. Das kulturelle Leben Weimars war damals stark antisemitisch gestimmt, und als 17-jähriger las Schirach die entsprechende Literatur. Vor allem Hitlers „Mein Kampf“ - 1925 erschienen - verschlang er in einem Zuge. Hitler selbst lernte er ebenfalls im Jahre 1925 in Weimar kennen, er war von ihm fasziniert, wurde von nun an sein kritikloser Gefolgsmann und trat im selben Jahr in die NSDAP ein.“[18]
Der Titel seiner Biographie „Ich glaubte an Hitler“ veranschaulicht, wie sehr er Hitlers Lehren verfallen war. Er hatte im Gegensatz zu einigen anderen Pädagogen kein wirkliches eigenes pädagogisches Konzept, sondern übernahm in großen Teilen die Gedanken, die Hitler zu Erziehungsfragen geäußert hatte. „Schirachs Ziele, […] lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:
1. Die Jugend auf die Person Hitlers zu verpflichten.
2. Eine die ganze deutsche Jugend umfassende Organisation aufzubauen.
3. Das Prinzip der Selbst-Führung durchzusetzen („Jugend muss von Jugend geführt werden“).
4. Verbesserung der sozialen Lage der Jugend.
5. Musische und kulturelle Differenzierung.“[19]
Sein Konzept war somit nicht nur rein pädagogisch, sondern auch zu nicht unwesentlichen Teilen politisch motiviert.
2.2 Die pädagogischen Konzepte in der Umsetzung: Die Praxis der nationalsozialistischen Erziehung
2.2.1 Die Hitlerjugend (HJ)
Die Hitlerjugend war nach verschiedenen Altersstufen untergliedert. Zum einen gab es das Deutsche Jungvolk (DJ), dass die 10 bis 14jährigen Jungen umfasste. Die eigentliche HJ sollte die 14 bis18-jährigen Jungen ansprechen. „Mehr noch als die Schule sollte die HJ die neue Form einer NS-Erziehung verkörpern. Dafür standen ihre Chancen 1933 insofern gut, als sie im Unterschied zur Schule kaum an Traditionen und administrative Vorgaben gebunden war, sondern ihr erzieherisches Konzept im Rahmen eines verhältnismäßig großen Handlungsspielraumes entwickeln konnte. Dabei war von vornherein keineswegs klar, dass sie zu dem werden würde, was sie dann geworden ist, nämlich zu einem monopolistischen Jugendverband, zu einem Jugend-Staat, der sich- anders als die Schule- dem Zugriff anderer Parteiorgane und Parteiführer weitgehend entziehen konnte. So, wie die HJ sich entwickelte, war sie das Ergebnis der bereist erwähnten Tat-Philosophie, Resultat entschiedener Handlungen, wie Hitler es liebte.“[20] Mit der Entstehung und Organisation der HJ ist der Name Baldur von Schirachs unweigerlich verknüpft, auch wenn er selbst sie wohl nur weiter entwickelt hat, da sie bereits einige Jahre vor seiner Ernennung zum Reichsjugendführer der NSDAP im Jahre 1931 existierte. Für ihn bedeutete die Übernahme der HJ ein Jahr später die Erfüllung eines Lebenstraums. Schirach war es, der die HJ zu dem machte, was sie schlussendlich war. Jedoch muss man dazu sagen, dass die HJ in den Anfängen, d.h. vor der Machtergreifung Hitlers einzig und allein den Sinn hatte, die Jugend überhaupt auf die Seite der nationalsozialistischen Bewegung zu ziehen. Pädagogische Ziele oder Konzepte kann man vor der Zeit der Machtergreifung keine finden. 1936 wurde die HJ kraft Gesetzes als eigenständige Erziehungsinstanz etabliert. Dennoch wurde die HJ zu diesem Zeitpunkt nicht zur Staatsjugend, sondern blieb weiterhin eine Gliederung der Partei. Die HJ stand auf zwei Säulen. Als oberste Reichsbehörde war sie eingebunden in den Staatsapparat und konnte in diesem Rahmen tätig werden. Als Gliederung innerhalb der Partei blieb sie Parteijugend und finanziell abhängig vom Schatzmeister der NSDAP.
Die HJ bekam den Auftrag, der deutschen Jugend die völkische Weltanschauung bis ins kleinste zu vermitteln. Hierbei ist noch zu erwähnen, dass sich die HJ zunächst ausschließlich um den männlichen Teil der deutschen Jugend kümmerte. Für den weiblichen Teil der Jugend wurde später der Bund Deutscher Mädel (BDM) eingeführt, auf den an anderer Stelle noch gesondert eingegangen werden wird. Durch die enge Bindung an die NSDAP wurde die HJ nicht nur besonders gefördert, sondern es wurde vor allem eine große Kontrolle über die in der HJ vermittelten Inhalte ausgeübt. Man kann die HJ also durchaus als staatliche Jugendorganisation ansehen. Der staatliche Auftrag sicherte der HJ die Monopolstellung auf dem Gebiet der Jugendarbeit im Dritten Reich: Der Totalitätsanspruch der Hitler-Jugend, der sich vor allem auf die Erfassung aller Jugendlichen bezog, wurde gesetzlich anerkannt und durchgesetzt. Alle konkurrierenden Jugendorganisationen wurden aufgelöst. Es wurde ein Zwang zur Mitgliedschaft für alle Jugendlichen vom zehnten bis zum achtzehnten Lebensjahr eingeführt. Grundbegriffe der völkischen Weltanschauung wurden in der HJ durch die weltanschauliche Schulung gelehrt und in bestimmten Organisationsformen, die auf diese Grundbegriffe zurückgeführt wurden erlebt.
Auch die körperliche Ertüchtigung nahm einen großen Teil in der HJ-Arbeit ein. Auch sie wurde weltanschaulich motiviert: Sie war zum einen Teil der rassenpflegerischen Maßnahmen des völkischen Staates, zum anderen bildete sie eine Vorbereitung auf den Kampf nach außen. Das Führer- und Gefolgschaftsprinzip des Dritten Reiches fand im starren, streng hierarchischen Aufbau der Hitler-Jugend ihren Niederschlag. Er ermöglichte eine einheitliche Durchführung der gesamten Schulung in der HJ. Besonders ausgeprägt war in der HJ ein Führer-Kult um Adolf Hitler, dem Schöpfer der völkischen Weltanschauung und dem Begründer des Dritten Reiches. Die Gefolgschaftstreue ihm gegenüber sollte jeder durch bedingungsloses Sich-Einfügen in die völkische Gemeinschaft beweisen. Die Mannschaftsschulung wurde in der HJ nach peinlich genauen, zentral ausgegebenen Anweisungen reichsübergreifend durchgeführt. Ein perfektes System von Befehlsempfang und Befehlsweitergabe sollte die Einheitlichkeit der Schulung sichern. Durch das Gebundensein an von oben gegebenen Anweisungen bestand in keiner Einheit der HJ die Möglichkeit, die HJ selbst mitzugestalten. Die dauernd praktizierte Einfügung in den Befehlsmechanismus dürfte bei den Jugendlichen die letzten Ansätze zu selbständigem Handeln verschüttet und ihre potentielle Lenkbarkeit durch von außen aufgezwungene Führer erhöht haben.
Durch die ebenfalls in der HJ stattfindende Führerschulung sollten schlussendlich die besten Kräfte des Volkes für wichtige Aufgaben in Partei, Staat und Wirtschaft herausgefiltert werden.
2.2.2 Der Bund deutscher Mädchen (BDM)
„Der Bund Deutscher Mädchen in der Hitler-Jugend (BDM) fasste die Mädchen im Alter von 14 bis 21 Jahren zusammen. Der normale BDM-Dienst erstreckte sich bis auf das siebzehnte Lebensjahr, auf freiwilliger Basis konnte die Zugehörigkeit der HJ um vier Jahre durch den Eintritt in das BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ verlängert werden.“[21] Vor dem vierzehnten Lebensjahr waren die Jungmädel (JM) der Anlaufpunkt für die 10 bis 14-jährigen im Dritten Reich.
Der BDM wurde im Juni 1930 gegründet und war eine Untergliederung der HJ. Da diese jedoch rein männlich ausgerichtet war, sah man den Bedarf, ein speziell für Mädchen konstruiertes Netzwerk zu schaffen. „Nachdem es in der Anfangsphase besonders mit der NS-Frauenschaft (NSF) parteiinterne Streitigkeiten um die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung gab, wurde der BDM als Teilorganisation der HJ am 7. Juni 1932 zur einzigen parteiamtlichen Mädchenorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) erklärt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 stieg die Zahl der im BDM organisierten Mädchen kontinuierlich an. Betrug der Anteil weiblicher Mitglieder der Hitlerjugend 1933 nur 25 Prozent, so waren 1939 die Hälfte aller Mitglieder Mädchen.“[22] Ihre Motivation, dem BDM beizutreten, war bei allen Mädchen eine unterschiedliche: Viele wollten die attraktiven Freizeitmöglichkeiten, die durch den BDM angeboten wurden nutzen, andere wurden in der bereits oben beschriebenen Gleichschaltung aus anderen Jugendverbänden übernommen. Darüber hinaus wurde von Seiten des Staats auf Beamte und Angestellte Druck ausgeübt, ihre Töchter dem BDM beitreten zu lassen. Besonders ältere Mädchen versprachen sich aber auch Vorteile für ihr eigenes berufliches Fortkommen. Zudem wurde der BDM gerade von Töchtern bürgerlicher Familien als eine Möglichkeit wahrgenommen, sich den starren Konventionen des Elternhauses zu entziehen.“[23]
[...]
[1] Offermanns, Alexandra; Die wußten, was uns gefällt, S.110.
[2] Rauschning, Hermann; Gespräche mit Hitler, S. 237.
[3] Fest, Joachim C.; Das Gesicht des Dritten Reiches, S.311f.
[4] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 17.
[5] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 31.
[6] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 34.
[7] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 35.
[8] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 37.
[9] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 77.
[10] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 78f.
[11] Giesecke, Hermann, Hitlers Pädagogen, S. 80
[12] Offermanns, Alexandra; Die wußten, was uns gefällt, S. 122f.
[13] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 84.
[14] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 84.
[15] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 87.
[16] Offermanns, Alexandra; Die wußten, was wir wollten, S. 126.
[17] Offermanns, Alexandra; Die wußten, was wir wollten, S. 127.
[18] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 163f.
[19] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S. 172.
[20] Giesecke, Hermann; Hitlers Pädagogen, S.163.
[21] Oelschläger, Günther; Weltanschauliche Schulung in der Hitler-Jugend, S. 25.
[22] http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/bdm/index.html, Stand: 10.06.2009.
[23] http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/bdm/index.html, Stand: 10.06.2009
- Arbeit zitieren
- Kathrin Renczikowski (Autor:in), 2009, Erziehung im Nationalsozialismus und heute in Verbindung mit einer Darstellung von Theorie und Praxis des sozialarbeiterischen Lebensweltkonzeptes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140798
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