Widerständigkeit ostelbischer Gutsuntertanen im 18. Jahrhundert


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Gründe für Widerständigkeit
2.1 Rechtliche Fixierung der Leibeigenschaft
2.2 Der Gutsherr als Feindbild

3 Formen von Widerständigkeit
3.1 Voraussetzungen für Widerständigkeit
3.2 Gewalttätiger Widerstand
3.3 Juristischer Widerstand

4 Ziele der Widerständigen

5 Reaktionen der Gutsherrschaft auf Widerständigkeit

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die feudale Gesellschaft im Preußen des 18.Jahrhunderts basierte auf einem ausgeprägten Hierarchie-Denken, das sich vielleicht am deutlichsten in der Gutsherrschaft offenbarte. Auf der einen Seite standen der Gutsherr und seine Vertreter, auf der anderen Seite die Untertanen mit ihren vielfältigen Unfreiheiten und Zwängen. Für sie hatte der aufklärerische Freiheitsbegriff und die humanistische Weltanschauung noch keine oder kaum Bedeutung erlangt – im dörflichen Kosmos erreichte sie höchstens die intensivierte Agrarpolitik Brandenburg-Preußens mit zusätzlichen Belastungen.

Erst gegen Ende des Jahrhunderts wurde die Aufhebung der Leibeigenschaft diskutiert und ab 1777 in Preußen durchgesetzt – zum Teil mit erheblichen Nachteilen für die nun „freien“ Bauern.

Die Frage stellt sich, ob das Schicksal der Bauern (zum Guten wie zum Schlechten) allein in der Hand ihrer Herren lag? Die Quellen zeugen von vielen Fällen, in denen die Untertanen selbst versuchten, ihren momentanen Lebensstandart zu verbessern – meistens gegen den Willen ihrer Gutsherren.

Um diese Widerstandsaktionen soll es in der vorliegenden Hausarbeit gehen. Die Gründe für aufkommende Unzufriedenheit werden beleuchtet, nach etwaigen Voraussetzungen für Revolten gesucht und Reaktionen von herrschaftlicher Seite genannt.

Hierbei ergibt sich ein natürliches Quellenproblem: Die meisten Schriftstücke stammen aus der Feder vom Gutsherren selbst oder dessen Vertretern, sind also dementsprechend subjektiv gefärbt. Deshalb ist es um so wichtiger, das damals gezeichnete Bild vom dumpfen und agressiven Bauern jetzt nicht ins Gegenteil zu verkehren und die Widerständigen als eine Art Freiheitskämpfer im marxistischen Sinn darzustellen. Um Sachlichkeit bemüht werde ich die vorliegende Fachliteratur analysieren, Informationen ordnen und spezifische Begrifflichkeiten bezüglich Widerständigkeit erläutern.

2 Gründe für Widerständigkeit

Die Gründe, welche Gutsuntertanen veranlassten, Widerstand zu üben, sind vielfältig: Einerseits ging es ihnen um die Aufhebung oder Veränderung belastender Umstände, wie z.B. dem Dienstzwang oder extraordinairer Dienste. Andererseits galt der Widerstand auch oft speziellen Personen, sowohl dem Gutsherren als auch seinen Vertretern wie z.B. Vögten. Diese Konfliktfelder bedingten sich teilweise gegenseitig – der Vogt wurde erst dadurch zum Feindbild, indem er versuchte, die zu leistenden Dienste zu erzwingen. Auch die Frage, was nun eigentlich zu den Pflichten der Bauern und Knechte gehörte, führte zu Auseinandersetzungen, da nicht alles rechtlich fixiert war, sondern teilweise auch der Willkür des Gutsherren entsprang. Deshalb ist es von Nutzen, sich zugunsten der eigenen Objektivität etwas mit der gesetzlichen Situation Gutsherrlicher Untertanen in Brandenburg-Preußen zu beschäftigen.

2.1 Rechtliche Fixierung der Leibeigenschaft

Die Expansion und zunehmende Machtfülle Preußens im 18. Jahrhundert

stärkte auch die Bedeutung der Gutsherrschaft; Dank dieser Institution konnte die ländliche Bevölkerung gleichermaßen militärisch und sozial organisiert und gelenkt werden. Zudem führte eine zeitweilige Konjunktur der Agrarwirtschaft zu steigenden Belastungen der Bauern: Dienste wurden erhöht und die Bediensteten maximal ausgenutzt; Historiker sprechen von dieser Phase als „zweite Leibeigenschaft“[1].

Leibeigenschaft bedeutete für die Untertanen zunächst einmal persönliche Unfreiheit, die sich in verschiedenen Punkten zeigte: Schollenpflichtigkeit existierte ebenso wie ein Verbot der Freizügigkeit, d.h. weder Beruf noch Ehepartner durften ohne Erlaubnis der Herrschaft gewählt werden. Durch einen erzwungenen Eid waren die Untertanen zum Gehorsam verpflichtet und wurden bei Flucht wie Meineidige bestraft. Ihr Gutsherr oder dessen Vertreter war Patrimonialrichter und somit Kläger und Richter in einer Person.

Er legte auch fest, wie oft in der Woche die Bauern ihr Gesinde, ihre Pferde und Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen mussten; meistens beliefen sich die Hofdienste auf zwei Tage in der Woche. Weil die Bauern ökonomisch nicht darauf angewiesen waren, die herrschaftlichen Hufen zu bewirtschaften (sie hatten ja ihre eigenen Wiesen und Äcker), musste der Gutsherr sie dazu zwingen.

Körperliche Züchtigung war noch 1794 gemäß dem allgemeinen Landrecht Preußens rechtens und stand jedem Hausherren – dazu zählte auch ein Gutsherr – zu. Der Dienstzwang (auch in der Gesindeordnung aufgeführt)[2] berechtigte den Gutsherren, ungehorsame Untertanen nach seinem Ermessen ohne richterliche Verfügung zu strafen. Das Strafmaß war rechtlich nicht festgelegt, nur vage formuliert wie z.B. dass sich jeder Gutsherr an „landesüblichen“ Vorgehensweisen orientieren solle und sich „gegen seine Bauren und Leute (...) dermaßen christlich und rechtmäßig verhalte, damit sie zur Flucht oder Austreten nicht gedrungen und wir propter eiusmodi saevitiam die gebührliche Strafe ergehen zu lassen nicht genötigt werden möchten.“[3]

Um körperliche Strafen ausführen zu können, war es für den Gutsherren wichtig, die Kontrolle bzw. ein Monopol über Gewalt zu haben. Private Fehde war deshalb ebenso verboten wie die Bildung konspirativer Gruppierungen. Gegengewalt sollte unter anderem dadurch vermieden werden, dass den Bauern der Zugriff auf Informations- und Kommunikationsmittel verweigert und somit Aufklärung verwehrt wurde; öffentliche Orte (z.B. Märkte und Wirtshäuser) wurden einzeln überwacht und politische Rituale und Symbole wie der Schwureid für sich beansprucht.[4]

Auch in der Frage der Besitzrechte gab es immer wieder Unklarheiten: Bauern waren meistens nicht Besitzer ihrer Hufen, sondern „Wirt auf Weiteres“, konnten also jederzeit ihres Ackerlands entzogen werden. Die Erbfolge vom Vater zum Sohn war zwar Normalfall, jedoch nicht gesetzlich festgelegt. Doch 1749 erließ Friedrich II. ein Edikt zum Schutz des bäuerlichen Besitzes: kein Herr soll aus Privatinteresse oder Gewinnsucht bäuerliches Land an sich nehmen.[5] Damit wirkte er dem Bauernlegen entgegen, bei dem Bauernstellen durch Aufkaufen oder Vertreibung in Gutsherrschaftliche Besitz eingezogen wurde.

Die Tendenz des Königs, die Situation der Gutsuntertanen zu verbessern und die Macht der Gutsherren etwas einzudämmen, verstärkte sich nach dem siebenjährigen Krieg. Umwälzungen im Zuge der französischen Revolution schließlich stellten das gesamte System der Gutsherrschaft in Frage, Forderungen nach Reformen wurden laut. 1777 wurde die Leibeigenschaft in Preußen gesetzlich abgeschafft und die Höhe der oft unangemessenen bäuerlichen Lasten festgelegt.

2.2 Der Gutsherr als Feindbild

Egal, ob ein Gutsherr moderat oder tyrannisch regierte – immer hielt er seinen Untertanen ihre eigene Unfreiheit vor Augen. Manchmal verbal: „Nichts gehört euch, die Seele gehört Gott und eure Leiber, Güter und alles, was ihr habt, ist mein, ...“[6], öfters jedoch indirekt durch die Durchsetzung seines Willens und seiner Machtansprüche, die beizeiten den bäuerlichen Vorstellungen zuwiderliefen.

Ein Bereich, in dem fast nie Konsens herrschte, war die Frage um zu leistende Arbeitsdienste. Ackerdienste mit Gespann – die klassische Form der Feudalarbeit und Hauptbelastung für Bauern – waren dabei selten Stein des Anstoßes; öfters ging es um „extra-ordinaire“ Gesindezwang-, Hand- und zusätzliche (dritte) Tagedienste.[7]

[...]


[1] Siehe Göttsch, Silke: „Alle für einen Mann...“ Widerständigkeit leibeigener Untertanen in Schleswig-Holstein im 18.Jahrhundert. Neumünster: Karl Wachholtz Verlag 1991. Seite 267.

[2] Siehe a.a.O., Seite 271.

[3] Haderslebener Rezess von 1614. Sammlung der Hauptsächlichsten ... gemeinschaftlichen Verordnungen 1773, S.269. Vgl. Göttsch: „Alle für einen Mann...“, Seite 268 f.

[4] Suter, Andreas: Informations- und Kommunikationsweisen aufständischer Untertanen. In: Gutherrschaftsgesellschaften im europäischen Vergleich. Hrsg. von Jan Peters. Berlin: Akademie Verlag GmbH 1997. Seite 62.

[5] Enders, Lieselott: Die Uckermark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 1992. Seite 469.

[6] Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv, Schleswig Abt. 65.2, Nr. 1346, Depenau 29.Juli 1740. Vgl. Göttsch, Silke: „Alle für einen Mann...“ Widerständigkeit leibeigener Untertanen in Schleswig-Holstein im 18.Jahrhundert. In: Gutsherrschaft als soziales Modell. Hrsg. von Jan Peters. München: R.Oldenbourg Verlag 1995. Seite 368.

[7] Kaak, Heinrich: Vermittelte, selbsttätige und maternale Herrschaft. In: Konflikt und Kontrolle in Gutsherrschaftsgesellschaften. Hrsg. von Jan Peters. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1995). Seite 101.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Widerständigkeit ostelbischer Gutsuntertanen im 18. Jahrhundert
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Ostelbische Gutsherrschaft in der frühen Neuzeit
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V140859
ISBN (eBook)
9783640479351
ISBN (Buch)
9783640479535
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Enthält Informationen über die rechtliche Fixierung von Leibeigenschaft, Gründe für Widerständigkeit und Formen derselben (verbal und nonverbal), verfolgte Ziele der Gutsuntertanen und Reaktionen der Gutsherren.
Schlagworte
Widerständigkeit, Gutsuntertanen, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Anna-Maria Heinemann (Autor:in), 2006, Widerständigkeit ostelbischer Gutsuntertanen im 18. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140859

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