Nach der Ablehnung des „Vertrags über eine Verfassung für Europa“ durch die französischen und niederländischen Wähler im Jahre 2005 geriet die weitere Entwicklung der Europäischen Union zunächst ins Stocken. Die europäischen Politiker verordneten sich eine „Denkpause“ um über das weitere Vorgehen zu beraten. Schon im Sommer 2007 begann dann die Arbeit an einem neuen EU-Vertrag, welcher die gescheiterte Verfassung ersetzen sollte. Am 13. Dezember 2007 unterzeichneten die europäischen Staats- und Regierungschefs den „Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ (im Folgenden: Reformvertrag). Dieser enthält viele Elemente der alten Verfassung und soll auch einen der Hauptkritikpunkte an der Europäischen Union ansprechen: den des vermeintlichen Demokratiedefizits der Union.
Kritiker werfen der EU vor, dass sie von den europäischen Bürgern nicht demokratisch zur Verantwortung gezogen werden könne. Der EU und ihren Institutionen in Brüssel, Luxemburg und Straßburg mangele es an Gewaltenteilung, Transparenz und demokratischer Kontrolle durch die europäischen Bürger. Vor allem das europäische Parlament und die nationalen Parlamente hätten zu wenig Einfluss auf die Arbeit der Kommission und des Ministerrats. Die Legitimationsketten, welche von den nationalen Bürgern über die von ihnen gewählten Regierungen in die EU hineinreichen, seien zu lang um eine effektive demokratische Kontrolle der EU zu gewährleisten.
Der Reformvertrag von Lissabon sieht mehrere Änderungen vor, die diese Probleme lösen sollen. In meiner Arbeit möchte ich diese Änderungen vorstellen und dann im Fazit diskutieren, ob sie das Problem des Demokratiedefizits wirklich lösen können. Zuvor werde ich noch einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung der europäischen Integration und ihre vertraglichen Grundlagen bieten. Außerdem werde ich die Diskussion um das Demokra-tiedefizit der Europäischen Union zusammenfassend darstellen. Dazu muss natürlich auch der Begriff „Demokratiedefizit“ im europäischen Kontext definiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historische Entwicklung und vertragliche Grundlagen der EU
- Die Gründungsverträge
- Die Europäische Union
- Der gescheiterte Verfassungsvertrag und der Reformvertrag von Lissabon
- Die Diskussion über das Demokratiedefizit der EU
- Demokratische Legitimation und Demokratiedefizit
- Das Demokratiedefizit der EU
- Die Änderungen im Vertrag von Lissabon
- „Partizipative Demokratie“ (Art. 8 - 8b EUV idF VvL)
- Die Mitwirkung nationaler Parlamente (Art. 8c EUV idF VvL)
- Die Stellung des Europäischen Parlaments (Art. 9a EUV idF VvL u.a.)
- Sonstige Änderungen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Vertrag von Lissabon im Hinblick auf die demokratische Legitimation der Europäischen Union. Die zentrale Frage ist, ob die im Vertrag enthaltenen Änderungen dazu beitragen können, das oft diskutierte „Demokratiedefizit“ der EU zu überwinden.
- Die historische Entwicklung der EU und ihre vertraglichen Grundlagen
- Die Kritik am Demokratiedefizit der EU
- Die im Vertrag von Lissabon vorgesehenen Änderungen, insbesondere die Stärkung des Europäischen Parlaments und die Beteiligung nationaler Parlamente
- Eine Einschätzung der Erfolgsaussichten des Reformvertrags in Bezug auf die demokratische Legitimation der EU
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Hintergrund des Reformvertrags von Lissabon erläutert. Es folgt ein Überblick über die historische Entwicklung der europäischen Integration und ihre vertraglichen Grundlagen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den Gründungsverträgen, der Entwicklung zur Europäischen Union und dem gescheiterten Verfassungsvertrag gewidmet.
Kapitel 3 befasst sich mit der Diskussion um das Demokratiedefizit der EU. Es werden sowohl die theoretischen Grundlagen des Begriffs „Demokratiedefizit“ als auch die konkreten Kritikpunkte an der EU in Bezug auf die mangelnde demokratische Kontrolle durch die europäischen Bürger beleuchtet.
In Kapitel 4 werden die wichtigsten Änderungen des Vertrags von Lissabon vorgestellt, die auf die Lösung des Demokratiedefizits abzielen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den Aspekten „Partizipative Demokratie“, der Mitwirkung nationaler Parlamente und der Stärkung des Europäischen Parlaments gewidmet.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Europäische Union, Reformvertrag von Lissabon, Demokratiedefizit, demokratische Legitimation, Europäisches Parlament, nationale Parlamente, Partizipative Demokratie, Gewaltenteilung, Transparenz, demokratische Kontrolle.
- Arbeit zitieren
- Oliver Bräuner (Autor:in), 2008, Der Reformvertrag von Lissabon und die demokratische Legitimation der EU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140925