Der Suizid ist ein altes und zugleich beständiges Thema der Philosophie.
Kant lehnte die Selbsttötung unter Verweis auf eine „Pflicht gegen sich
selbst“ strikt ab; Hume sah die gegenüber dem Suizid vorherrschend
ablehnende Haltung seiner Zeitgenossen in einem natürlichen und durch
Gewohnheit weiter verstärkten Aberglauben begründet; für Seneca war
die unvoreingenommene Betrachtung der prinzipiell gegebenen
Möglichkeit zur Selbsttötung ein wesentlicher Bestandteil seiner Theorie
des guten Lebens; und Camus war gar der Auffassung: „Es gibt nur ein
wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord“.
Spezifisch prekär wird die Frage nach dem selbstbestimmten Sterben
für Menschen, die in solchem Maß von Krankheit betroffen sind, dass sie
keine Aussicht auf Genesung haben, sondern nur auf erhebliches Leiden
bis zum schließlich ohnehin eintretenden Tod. Die Perspektive Kranker ist
dabei nicht die typische Perspektive jener philosophiegeschichtlichen
Diskurse, gerade aus ihr aber scheint die Haltung, sterben zu wollen, auf
Anhieb leichter zugänglich als aus einer prinzipiellen Perspektive, die etwa
suggestiv und pathetisch zugleich die Frage aufwirft, „ob das Leben es
wert ist, gelebt zu werden oder nicht“, oder, unter welchen Umständen
man aus sittlichen Gründen regelrecht verpflichtet ist, generell nicht mehr
am Leben zu hängen6. So ist der Wunsch nach schnellem Sterben im Fall
eines Todkranken bereits intuitiv und vor-philosophisch wesentlich leichter
nachvollziehbar als im Fall eines körperlich Gesunden. Eine solche Situation der terminalen Erkrankung betrifft potentiell jeden.
Aufgrund der stetig steigenden medizinischen Möglichkeiten, auch den
stark erkrankten menschlichen Organismus noch am Leben zu erhalten, wird ein schneller Tod immer unwahrscheinlicher; das Zeitfenster, in dem
die Frage nach dem Sterbewunsch dringlich wird, vergrößert sich
entsprechend. Zugleich allerdings verbessert sich die palliativmedizinische
Behandlung, die in Verbindung mit entsprechender sozialer Zuwendung
bereits die Entstehung jeder Lebensmüdigkeit verhindern soll. Die Entwicklungstendenzen der Intensiv- sowie Palliativmedizin sind für
den akut tödlich erkrankten Menschen freilich von geringem Interesse. In
Zusammenhang mit seiner Erkrankung gibt es nur eine wichtige Frage:
Will er mit seiner Krankheit unter den faktischen Umständen weiterleben
oder leidet er darunter so stark, dass er es vorzieht zu sterben? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Suizidassistenz in Deutschland
- Rechtliche Situation
- Abgrenzung zu anderen Formen der Sterbehilfe
- Grundsätzliche Schwierigkeiten
- Exemplarische Fälle
- Fall Wittig, Bundesgerichtshof im Jahr 1984
- Fall Hackethal, Oberlandesgericht München im Jahr 1987.
- Zwischenfazit zur rechtlichen Situation
- Standesethische Situation
- Grundsätze und Richtlinien
- Zwischenfazit zur standesethischen Situation
- Rechtliche Situation
- Philosophische Kritik der Suizidassistenz
- Betrachtung der Argumente gegen eine liberale Handhabung
- Betrachtung der Argumente für eine liberale Handhabung
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Aufsatz analysiert die rechtliche und ethische Problematik der Suizidassistenz bei terminal Kranken in Deutschland. Er beleuchtet die aktuelle Rechtslage, die standesethische Positionierung und die philosophischen Argumente für und gegen eine liberale Handhabung.
- Rechtliche Rahmenbedingungen der Suizidassistenz in Deutschland
- Ethische Aspekte der Suizidassistenz aus unterschiedlichen Perspektiven
- Philosophische Argumente für und gegen eine liberale Handhabung der Suizidassistenz
- Relevanz der Selbstbestimmung am Lebensende
- Herausforderungen und Chancen in der palliativmedizinischen Versorgung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung beleuchtet die philosophischen Diskurslinien zum Suizid und führt in die Problematik der Suizidassistenz bei terminal Kranken ein.
- Das Kapitel „Suizidassistenz in Deutschland“ analysiert die rechtliche Situation der Suizidassistenz, grenzt sie von anderen Formen der Sterbehilfe ab und erläutert exemplarische Fälle.
- Die standesethische Situation wird im nächsten Kapitel beleuchtet, wobei die Grundsätze und Richtlinien der ärztlichen Berufsverbände im Fokus stehen.
- Das Kapitel „Philosophische Kritik der Suizidassistenz“ stellt Argumente gegen und für eine liberale Handhabung der Suizidassistenz gegenüber.
Schlüsselwörter
Suizidassistenz, Sterbehilfe, Selbstbestimmung, Rechtliche Rahmenbedingungen, Ethische Aspekte, Philosophische Argumente, Palliativmedizin, Lebensende, Terminaler Zustand.
- Arbeit zitieren
- Marco Lagger (Autor:in), 2008, Suizidassistenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141162