Der Aufsatz beschäftigt sich mit der Diskussion qualitativer und quantitativer Methoden in der sozialwissenschaftlichen Forschung, beschreibt deren Vor- und Nachteile. Er gibt einen Überblick über beide Forschungsmethoden für Einsteiger und möchte auf der Suche nach einer geeigneten individuellen Forschungsmethode helfen.
Qualitative und quantitative Methoden in der sozialwissenschaftlichen Forschung:
Widerspruch oder Ergänzung?
Lange Zeit gab es bzw. gibt es stellenweise heute immer noch in der sozialwissenschaftlichen Forschung zwei getrennte Lager, nämlich Anhänger der qualitativen Methoden und Anhänger der quantitativen Methoden. Erstere werfen den Statistikern „Fliegenbeinzählerei“ vor und diese wiederum bezeichnen qualitativ Arbeitende als „Journalisten“ oder „Schmetterlinge“. Aber es gibt auch immer mehr Versuche, beide Methoden zu kombinieren. Wie sinnvoll eine Trennung oder eine Kombination dieser beiden Forschungsrichtungen ist, soll in diesem Aufsatz diskutiert werden. Im Zuge dessen werden verschiedene Techniken kurz vorgestellt, damit sich auch diejenigen, die sich gerade erst mit sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden beschäftigen, zurechtfinden.
Dass qualitative und quantitative Forschungsmethoden sich ergänzend angewandt werden ist in der sozialwissenschaftlichen Forschung jedoch immer noch recht selten, wenngleich es vermehrt Diskussionen darüber und Versuche der Vereinbarung gibt. MERTON/KENDALL (1984) und BARTON/LAZARSFELD (1984) beispielsweise betonen die Vorteile einer Kombination beider Methoden als neue Forschungsstrategie, die sie auch selbst praktizierten. LAZARSFELD gilt in der amerikanischen Sozialforschung als Pionier bei der Entwicklung quantitativer Erhebungsmethoden und Auswertungsverfahren, aber er ist einer Ergänzung seiner ursprünglichen Forschungsidee nicht abgeneigt.
Aufgrund des differierenden Wissenschaftsverständnisses wurde die qualitative Methode anfangs von den Vertretern der quantitativen Forschung, also ihren „Gegnern“, kritisiert. Dabei beanstandet KOHLI (1978, S. 1) die Einordnung in unstrukturierte (offene) und strukturierte (geschlossene) Methoden. Die Diskussionen über diese Forschungsansätze konnten nie ganz beigelegt werden, denn es kam nie als Resultat heraus, was die „bessere“ Herangehensweise ist und das ist grundsätzlich auch gar nicht möglich. Deshalb konnte der Streit nicht beigelegt werden. Vielmehr steht Meinung gegen Meinung und es gibt gute und schlechte Forschungen in jeder dieser Richtungen (vgl. FLICK 2002, S. 380).
Beide Methoden haben, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick anmuten wollen, Gemeinsamkeiten, nämlich ihre Ziele. Sie wollen gesellschaftliche Zusammenhänge beschreiben, ein Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit geben, Fragen beantworten und Hypothesen überprüfen. Nur arbeiten sie mit anderen Ansätzen. Die fundamentale Differenz zwischen beiden Verfahren liegt in der Art der Informationsgewinnung bzw. der Datensammlung.
Jetzt erfolgt eine kurze Vorstellung der beiden Forschungsrichtungen, in der die Differenzen und auch die Gemeinsamkeiten deutlicher werden sollen sowie deren Vor- und Nachteile herausgearbeitet werden sollen.
Beginnen wir mit der älteren, nämlich der quantitativen Methode, welche in erster Linie dazu dienen soll, zählbare Eigenschaften oder Ereignisse sozialer Tatbestände zu messen. Das ist die gängige Vorgehensweise der empirischen Sozialforschung (vgl. dazu KROMREY 2006; ATTESLANDER 2000; DIEKMANN 2002 als Klassiker auf diesem Gebiet).
Der quantitativen Forschungsrichtung liegt der kritische Rationalismus zugrunde, welcher vom Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Karl R. POPPER (2002) begründet wurde. Klassischerweise besteht der empirische Forschungsprozess aus diesen aufeinander folgenden Schritten, die sich auch manchmal zeitlich überschneiden können:
1. Aufstellung von Theorien bzw. Hypothesen oder Fragestellungen, die im Forschungsverlauf überprüft werden sollen
2. Auswahl der Stichprobe
3. Datenerhebung durch zuvor festgelegte, starre methodische Werkzeuge
4. Verarbeitung, das heißt Auswertung und Analyse der gewonnenen Zahlen
5. Überprüfung der Theorien bzw. Hypothesen oder Fragestellungen (Falsifikation, Widerlegungsversuch)
6. Verwerfung, Modifizierung oder Bestätigung der Theorien bzw. Hypothesen oder Fragestellungen auf der Grundlage der gewonnenen Ergebnisse
Die quantitative Sozialforschung wird bevorzugt in der Markt- und Meinungsforschung, Wahl- und Konsumverhalten oder auch Heiratsverhalten eingesetzt und hat hier eine lange Tradition. Da hier üblicherweise mittels Fragebogen, Telefonbefragung oder Internetumfrage gearbeitet wird, können so relativ schnell Daten größerer Personengruppen erhoben werden.
Die quantitativen Methoden dienen zur Beschreibung sozialer Phänomene und können kausale Erklärungen liefern. Das unterscheidet sie jedoch nicht von qualitativen Verfahren, die dasselbe Ziel verfolgen, aber die Forschungen sind meistens zeitintensiver und müssen sich mit einem kleineren Personenkreis begnügen.
Bei quantitativen Forschungsmethoden handelt es sich um standardisierte Verfahren, das heißt, die Forschungsbedingungen sind stets dieselben, was bei qualitativen Verfahren nicht immer gewährleistet werden kann. Dadurch ist es möglich, die gewonnenen Informationen in Form von Daten bzw. in Messwerten darzustellen. Ein Vorteil dieses Verfahrens ist das Erreichen einer gewissen Vergleichbarkeit der untersuchten Objekte und die Möglichkeit, die Ergebnisse auch gut statistisch-mathematisch auswerten zu können. In der Regel geschieht dies computergestützt mithilfe des Statistikprogrammes SPSS, welches sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung mittlerweile etabliert hat, obwohl es auch andere Auswertungsprogramme gibt.
Quantitative Verfahrenstechniken sind auf die Einzelpersonenbefragung bezogen meistens weniger aufwendig als qualitative Verfahrenstechniken. Somit ist es einfacher, größere Stichproben zu erfassen. Vorteilhaft ist in diesem Kontext, „Aussagen über Personen treffen zu können, die nicht befragt wurden, aber der vorher definierten Grundgesamtheit angehören.“ (SEIPEL/RIEKER 2003, S. 104) Die Ergebnisse können oftmals leichter generalisiert bzw. auf die Gesamtgesellschaft oder einen Teil der untersuchten Gesellschaft bezogen werden. Deswegen ist diese Methode vor allem bei Studien mit einer großen Stichprobe sehr beliebt.
Es gibt mehrere Möglichkeiten (bei beiden Forschungsmethoden), eine geeignete Stichprobe zu gewinnen. Bewährt hat sich die Arbeit mit einer Zufallsstichprobe, denn so lassen sich Verallgemeinerungen bestimmen. Damit können Rückschlüsse auf alle Zugehörigen zu dieser Personengruppe gezogen werden. Man bezeichnet die Arbeit mit dieser Stichprobe als „statistical sampling“ (vgl. SEIPEL/RIEKER 2003, S. 105).
Zur Datenerhebung bedarf es eines geeigneten Verfahrens und die gängigste Methode ist hierbei die Fragebogenerhebung. „Dadurch kommt es zu einer selektiven Erhebung vorab definierter Merkmale, d.h. dass der Erfahrungsbereich durch die versuchte Antizipation der Wirklichkeit stark eingeschränkt ist.“ (SCHWARZ/KAPL 2004) Diese Begrenzungen werden von Vertretern der qualitativen Sozialforschung allerdings bemängelt. Ein Fragebogen ist zwar praktisch, vor allem bei der Auswertung der vordefinierten Antwortmöglichkeiten, aber er hat eben genau diese Grenzen. Es können zwar sowohl geschlossene wie auch offene Fragen gestellt werden, doch die Befragten sind vielleicht „schreibfaul“ oder der dafür vorgesehene Platz reicht nicht aus und so bleiben Informationen außen vor. Deshalb wird an der quantitativen Sozialforschung häufig kritisiert, dass sich der Forscher nicht ausreichend auf die befragte Gruppe einstellen kann. Zwar werden jedem Befragten dieselben Fragen gestellt, aber möglicherweise versteht sie nicht jeder Befragte gleich oder interpretiert sie anders.
Hingegen ist die Möglichkeit, die Ergebnisse mittels stochastischer Verfahren auszuwerten, zu analysieren und graphisch darzustellen, als sehr vorteilhaft zu bewerten. Statistische Tests helfen, die aufgestellten Hypothesen oder Theorien zu überprüfen oder auf die zu Forschungsfragen eine klare Antwort zu finden. Außerdem kann die Signifikanz berechnet werden. Es gibt eine ganze Reihe von Auswertungsverfahren und oftmals ist es nicht einfach, das geeignete Instrument bzw. die passende Formel zu finden. Das erfordert präzises Wissen über statistische Verfahrensmöglichkeiten. Steigt man genauer in die Statistik ein, dann können die gewonnenen Daten zum Beispiel mittels Faktoren- bzw. Clusteranalyse oder multidimensionale Skalierung verrechnet werden.
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