Der Gesellenaufstand in Aachen im Februar 1477

Städtische Normalität im Spätmittelalter oder eine Besonderheit?


Seminararbeit, 2009

18 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. „Erhub sich im kumphausz ein uffrohr …“ – Quelleninhalt und –kritik
2.1. Quelleninhalt
2.2. Quellenkritik

3. Die politische und wirtschaftliche Situation Aachens im Spätmittelalter
3.1. Der Rat
3.2. Die Zünfte
3.3. Das Wollenambacht

4. Die „Bürgerkämpfe“ in Aachen im 15. Jahrhundert
4.1. Die städtischen Unruhen zu Beginn des 15. Jahrhunderts
4.2. Der Aufstand 1428
4.3. Der Gaffelbrief 1450
4.4. Der Gesellenaufstand 1477
4.5. Die Unruhen in den deutschen Städten

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis
6.1. Quellen
6.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

„Im Jahr 1374 war in der Stadt Braunschweig der Teufel los und hetzte das Volk gegen den Rat.“[1]

In den Jahren 1374-80 kam es in Braunschweig zum Aufstand der Bürger und der Zünfte. Dieser stellte in der Geschichte der Stadt keinen Einzelfall dar. Im Laufe der Jahrzehnte des Spätmittelalters bis hinein in die Neuzeit versuchten die aufgebrachten Bürger mittels Gewalt die Monopolstellung der patrizischen Familien im Rat, eine ungerechte Gerichtsbarkeit sowie finanzielle Ungleichheiten zu beenden. Die ständigen Revolten führten neben einem verstärkten Mitspracherecht und einer Beteiligung am Rat der Stadt schließlich in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum Verlust der Autonomie der Stadt Braunschweig durch die Einbindung in das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel.[2]

Ähnliches ereignete sich ebenfalls beim Gesellenaufstand im Februar 1477 in Aachen.[3] Die Gesellen der Stadt streikten, schlossen sich mit den Bürgern zusammen und stellten Forderungen an den Rat.[4] Bildeten diese Unruhen eine Ausnahme in der Geschichte der Stadt Aachen im 15. Jahrhundert oder gab es noch weitere Unruhen in der Stadt? Dieser Frage soll in dieser Arbeit nachgegangen werden. Der Schwerpunkt liegt bewusst auf dem Gesellenaufstand im Jahre 1477 und dessen Verlauf. Es soll anhand dieses Beispiels geklärt werden, was sich in Aachen zu dieser Zeit ereignete.

Des Weiteren wird der Versuch unternommen, die Geschehnisse des Jahres 1477 in den Zusammenhang der Geschichte der Stadt Aachen zu setzen und darzustellen, welche Parteien an den Aufständen und Unruhen beteiligt waren. Weiterhin ist zu betrachten, welche Ursachen, Anlässe und Folgen die Bürgerunruhen in Aachen hatten. Hierbei soll ein weiterer Blick auf die Zünfte in Aachen gelegt werden, im Besonderen auf die Zunft der Tuchmacher, das so genannte Wollenambacht, welche die bedeutendste Zunft[5] in Aachen dieser Zeit gewesen ist, sowie den Rat der Stadt. Ebenso wird kurz die Situation in den anderen deutschen Städten des Spätmittelalters skizziert, um eine Vergleichsmöglichkeit zu den Vorkommnissen in Aachen zu erhalten.[6]

2. „Erhub sich im kumphausz ein uffrohr …“ – Quelleninhalt und –Kritik

Als Grundlage dieser Arbeit dient eine Quelle aus einer Chronik der Stadt Aachen aus dem 16. Jahrhundert zum Gesellenaufstand im Februar 1477.[7] Zunächst soll diese näher betrachtet werden.

2.1. Quelleninhalt

Am 17. Februar 1477 legten die Gesellen des Wollenambachts im Kumphaus[8] ihre Arbeit nieder und weigerten sich weiterzuarbeiten. Über den genauen Anlass des Streiks ist in der Chronik nichts zu erfahren. Von diesem Streik animiert, schlossen sich in der Folge auch alle anderen Arbeiter und Bürger der neun Grafschaften Aachens den Streikenden an. Daraufhin wollten die Mitglieder des Rates der Stadt wissen, was die Gesellen und Bürger der Stadt zu diesem Streik veranlasste. Nach einiger Bedenkzeit formulierten die Streikenden ein Schreiben, in dem sie „ihren rettlichen will und meynungh dehm rhaet zum besten gegeben“[9].

Sie forderten die Absetzung eines Werkmeisters des Wollenambachts und der Marktmeister, da diese „… mitt der waeg unredtlich lebtten und umbgiengen.“[10], sowie eines Meisters der Brauergaffel, da dieser „stundt und thet der gemein grossen schaden und last“[11]. Des Weiteren verlangten sie die Herabsetzung des Preises des 8-Pfennig-Bieres auf 6 Pfennige. Hierbei zeigt sich zum einen die Unzufriedenheit der Gesellen und der Gemeinde mit einigen ihrer Zunftmeistern und Vertretern im Rat der Stadt bzw. mit den Marktmeistern, zum anderen die angespannte finanzielle Situation der Gesellen in der Stadt Aachen im Jahre 1477. Ebenso fordern sie die Abschaffung aller „… puncten, die der gemein hinderlich und lestigh wehren, mitt alle eigenschafft, die gegen der bürger freyheit wier, …“[12]. Die Zurücknahme der Verbannung von zehn Bürgern „umb ein geringe orsaich oder miszdaeth“[13] aus der Stadt war ein weiterer Punkt ihrer Forderungen.

Die Chronik besagt nun, dass der Rat sich zunächst eine Bedenkzeit erbat und die Bürger der Stadt Aachen aufforderte, den Streik aufzulösen. Man wolle die Meinungen und Wünsche „…ehrlich und redtlich […] zum bürgerlichen nutz und guede […] das beste prueffen.“[14]. Die Bürger waren damit keinesfalls einverstanden. Ihrer Meinung nach wären ihre Forderungen schon untereinander „wehren verglichen und beschlossen“[15]. Der Rat allerdings verlangte eine sorgfältigere Prüfung der Wünsche der Bürger, da es „… wichtige saichen [wehren], die nitt lichtlich zu vergelichen oder zu schlichen wehren, …“[16] und ordnete an, aus jeder Grafschaft zwei Vertreter in den Rat zu wählen, um sich im Rahmen der Ratsversammlungen mit den Wünschen und Forderungen der Bürger auseinandersetzen.

Nach mehreren Sitzungen wurde jeder Grafschaft ein Schreiben ausgehändigt, auf welchem jene einzelnen Punkte aufgelistet waren, die beschlossen worden waren, denn „… alle puncten, die der bürgerschafft zu gegen wahren, wurden aeffgestaltt.“[17] Zunächst wurde der Bierpreis auf 6 Pfennige gesenkt und die entsprechenden Werkmeister, Marktmeister und Meister der Brauergaffel ihrer Ämter enthoben. Auch durften die der Stadt verwiesenen Bürger wieder in die Stadt zurückkehren. Zum Dank schenkten die Begnadeten jeder Grafschaft eine Tonne Bier.

2.2. Quellenkritik

Die vorliegende Quelle ist Teil einer Chronik zur Geschichte der Stadt Aachen. Sie ist eine handschriftliche Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert, die von Hugo Loersch[18] in den 1860er Jahren neu editiert wurde.[19] Leider ist der ursprüngliche Verfasser der Chronik unbekannt, dennoch wird die Echtheit der Chronik in der Forschung nicht bezweifelt, unter anderem gehen sowohl Meuthen[20] als auch Haagen[21] von ihrer Authentizität aus.

Dennoch bleibt die Besonderheit der Quellenart zu erwähnen. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei besagter Quelle um einen Ausschnitt aus einer Chronik. Dies ist eine so genannte Traditionsquelle[22]. Neben der im Mittelalter gebräuchlichen Form einer Weltchronik, die versucht ein universelles Bild von der christlichen Schöpfungsgeschichte bis zur Gegenwart des Verfassers abzubilden, stellt diese Chronik eine typische Form einer zeitlich und räumlich begrenzten Teilchronik, einer so genannten Städtechronik dar. Dies ist auch in der vorliegenden Quelle durchgängig anhand von Datums- und Ortsangaben zu erkennen, so z. B. am Beginn zu Quelle „1477 ahm 17. februari […] erhub sich im kumphausz ein uffrohr“[23]. Die Besonderheiten einer mittelalterlichen Chronik sind neben dem Versuch, eine zeitliche Abfolge von Ereignissen abzubilden, auch die gemeinsame und verwobene Darstellung von Details und von Nebensächlichkeiten geschichtlicher Geschehnisse. Der Verfasser einer Chronik sollte stets bemüht sein, ein umfassendes Bild des wirklichen Lebens zu zeichnen, wobei der Versuch unternommen werden muss, möglichst verschiedene Blickwinkel auf die Geschehnisse einzubeziehen.[24]

[...]


[1] Die Chroniken der deutschen Städte. Band 19. Lübeck 1. Göttingen 1884. S. 549.

[2] Vgl.: Blickle, Peter: Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800. München 1988. S. 46-48.

[3] Vgl.: Gesellenaufstand in Aachen. In: Möncke, Gisela: Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte oberdeutscher Städte im Spätmittelalter (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 37). Darmstadt 1982. Nr. 113, 1477 Febr. S. 356–357.

[4] Näheres zu den Forderungen in Kapitel 2.1. dieser Arbeit.

[5] Die Verwendung des Begriffes Zunft ist in Aachen im Mittelalter nicht gebräuchlich. Im gewerblichen und handwerklichen Gebrauch wird der Begriff des Ambachts an Stelle des Zunftbegriffes verwendet; im politischen Gebrauch, wie er im Besonderen ab den 1450er Jahren in Aachen auftritt, verwendet man den Begriff der Gaffel. Siehe hierzu: Hermandung, Alex: Das Zunftwesen der Stadt Aachen bis zum Jahre 1681. Aachen 1908. S. 21.

[6] Zur Struktur der Stadt im Spätmittelalter siehe: Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Stuttgart 1988.

[7] Siehe: Gesellenaufstand in Aachen. S. 356–357. Sowie: Aachener Chronik. In: Mooren, Dr. J. u. a. (Hg.): Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, insbesondere die alte Erzdiöcese Köln. Köln 1866. S.15-17.

[8] Das Kumphaus ist das Walkhaus der Stadt Aachen. Die Walker waren als Gewerbe ohne eigenen Zunftverband innerhalb des Wollenambachts organisiert.

[9] Gesellenaufstand in Aachen. Darmstadt 1982. S. 356.

[10] Ebd. S. 356.

[11] Gesellenaufstand in Aachen. Darmstadt 1982. S. 356.

[12] Ebd. S. 356.

[13] Ebd. S. 357.

[14] Ebd. S. 357.

[15] Ebd. S. 357.

[16] Ebd. S. 357.

[17] Ebd. S. 357.

[18] Hugo Loersch entstammt einer Aachener Tuchmacherfamilie. Der Rechtshistoriker versuchte durch zahlreiche Quellenveröffentlichungen einen Beitrag zur regionalen Geschichte zu liefern. Ebenso war er Mitbegründer des Aachener Geschichtsvereins. Siehe: Droege, Georg: Loersch, Hugo. In: NDB. Band15. Berlin 1987. S. 58-59.

[19] Vgl.: Aachener Chronik. Köln 1866. S. 1-29.

[20] Vgl.: Meuthen, Erich: Der gesellschaftliche Hintergrund der Aachener Verfassungskämpfe an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 74/75. Aachen 1962/63. S. 338.

[21] Vgl.: Haagen, Friedrich: Geschichte Aachens von seinen Anfängen bis zur neuesten Zeit. Band 2. Aachen 1873. S. 89.

[22] Siehe zur genauen Definition und Unterscheidung von Quellen in Tradition und Überrest: Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften. Stuttgart u. a. 2007. S. 48-64.

[23] Gesellenaufstand in Aachen. Darmstadt 1982. S. 356.

[24] Vgl.: Chronik. In: LMA. Band 2. Stuttgart 2000. S. 1954-2028. Zur Sicht der Forschung S. 1956-1957.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Gesellenaufstand in Aachen im Februar 1477
Untertitel
Städtische Normalität im Spätmittelalter oder eine Besonderheit?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Städtische Wirtschaft im Spätmittelalter
Note
2,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V141424
ISBN (eBook)
9783640493425
ISBN (Buch)
9783640493159
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesellenaufstand, Aachen, Februar, Städtische, Normalität, Spätmittelalter, Besonderheit
Arbeit zitieren
Maik Ruhnau (Autor:in), 2009, Der Gesellenaufstand in Aachen im Februar 1477, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141424

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