Während in Deutschland Antisemitismus als Bezeichnung für judenfeindliche Einstellungen und Bestrebungen schon in der Kaiserzeit ein vieldiskutiertes Thema war, wurde die jüdische Bevölkerung erst mit dem Nationalsozialismus gezielt durch entsprechende Gesetze entrechtet und verfolgt. Doch auch in der, von widersprüchlichen Bewegungen und Entwicklungen geprägten, Weimarer Republik sah sich der jüdische Bevölkerungsanteil zwar einerseits mit dem Versprechen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gleichstellung, andererseits mit einer heftigen und nicht abreißenden Welle von Antisemitismus konfrontiert. Judenfeindlichkeit war keineswegs legalisiert, denn die Politik der frühen Weimarer Republik wollte mit der Trennung von Staat und Kirche und einem demokratischen Anspruch die Gleichberechtigung ihrer Staatsbürger gewährleisten. Die antisemitischen Ressentiments, die sich aus der Kaiserzeit heraus weiterentwickelten und in allen Gesellschaftsschichten zu finden waren, beeinträchtigten das Leben jüdischer Bürger stark – so auch an Universitäten und Hochschulen, die sich selbst als unpolitische und unabhängige Institutionen betrachteten. Pseudowissenschaftliche Äußerungen, die Aufnahme der "Rassenlehre" in den Lehrkanon sowie letztlich die Durchsetzung des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" und die Aktion "Wider den undeutschen Geist" zeugen davon, dass solches Gedankengut auch in der höheren Bildung unmittelbar vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten fest verankert war.
Doch wie sah es in der, dem NS-Staat vorausgehenden, Zeit der Weimarer Republik aus? Um näher zu beleuchten, inwieweit jüdische Angehörige deutscher Hochschulen mit offenem Antisemitismus schon in der Weimarer Republik konfrontiert waren, werden im Folgenden die zeitgenössischen Tagebuchaufzeichnungen eines jüdischen Professors, Victor Klemperers, als historische Quelle herangezogen. Im Anschluss an eine Darstellung antisemitischer politischer und gesellschaftlicher Tendenzen in den Anfangsjahren der neu entstandenen Republik wird ein Einblick in das Auftreten antisemitischer Strömungen innerhalb des universitären Systems gegeben. Dabei rücken Dozierende sowie Studierende in den Fokus, da diese die akademische Elite und eine wesentlich ins politische System einwirkende Gruppe darstellten. Die umfangreichen Aufzeichnungen Klemperers aus den Jahren 1918 bis 1932 ermöglichen in diesem Kontext einen Eindruck in den Alltag eines jüdischen Hochschulangehörigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Antisemitismus in der Weimarer Republik
- Antisemitismus an deutschen Universitäten
- Die politische Grundstimmung nach 1918
- Antisemitismus im Lehrkörper deutscher Universitäten
- Antisemitismus in der Studentenschaft
- „Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum“ – Victor Klemperer
- Klemperers Wahrnehmung von Antisemitismus unter Lehrenden
- Klemperers Wahrnehmung von Antisemitismus unter Studierenden
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie sich Antisemitismus an deutschen Universitäten in der Weimarer Republik manifestierte. Sie analysiert die politischen und gesellschaftlichen Strömungen, die diesen Antisemitismus beförderten, und beleuchtet die Erfahrungen des jüdischen Professors Victor Klemperer im universitären Kontext.
- Politische und gesellschaftliche Strömungen des Antisemitismus in der Weimarer Republik
- Antisemitische Tendenzen im universitären System
- Die Rolle von Dozierenden und Studierenden im Kontext von Antisemitismus
- Die Wahrnehmung von Antisemitismus durch einen jüdischen Professor (Victor Klemperer)
- Die Bedeutung von Tagebuchaufzeichnungen als historische Quelle
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Relevanz von Antisemitismus an deutschen Universitäten in der Weimarer Republik. Sie stellt Victor Klemperer als zentrale historische Quelle vor und skizziert den Forschungsansatz der Arbeit.
- Antisemitismus in der Weimarer Republik: Dieses Kapitel beleuchtet die historischen Wurzeln des modernen Antisemitismus und zeichnet die Entwicklungen von Judenfeindlichkeit in der Weimarer Republik nach. Es geht auf die Rolle des Ersten Weltkriegs und die Auswirkungen der Kriegsniederlage auf antisemitische Einstellungen ein.
- Antisemitismus an deutschen Universitäten: Dieses Kapitel untersucht die Verbreitung und Auswirkungen von Antisemitismus im universitären System der Weimarer Republik. Es betrachtet die politische Grundstimmung nach dem Krieg, den Antisemitismus im Lehrkörper und die Rolle der Studentenschaft.
- „Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum“ – Victor Klemperer: Dieses Kapitel analysiert die Tagebuchaufzeichnungen von Victor Klemperer als Quelle für die Untersuchung von Antisemitismus an Universitäten. Es beleuchtet Klemperers persönliche Erfahrungen mit Antisemitismus unter Dozierenden und Studierenden.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, Weimarer Republik, Universitäten, Hochschulen, Victor Klemperer, Tagebuchaufzeichnungen, politische Grundstimmung, Lehrkörper, Studentenschaft, Rassenlehre, „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, „Wider den undeutschen Geist“, jüdische Identität, gesellschaftliche Akzeptanz, Judenemanzipation, Judenzählung, Dolchstoßlegende, CV (Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens)
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2022, Antisemitimus an Universitäten zu Zeiten der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1414659