PISA und Parteiprogrammatik

Eine Analyse der Veränderungen schulbildungspolitischer Programmatik nach PISA 2000


Diplomarbeit, 2009

107 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 EINFÜHRUNG IN DEN UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND
2.1 Forschungsstand
2.2 Strukturen, Arenen und Akteure der deutschen Schulpolitik
2.2.1 Arenen und Strukturen
2.2.2 Akteure
2.3 Die grundlegenden Positionen von CDU und SPD in der Schulpolitik
2.4 Parteiprogramme
2.5 PISA 2000 - Ziele und Ergebnisse der Studie
2.6 Handlungsempfehlungen nach PISA

3 THEORETISCHER HINTERGRUND
3.1 Wirkungsverständnis von PISA
3.2 Modelle parteilichen Verhaltens
3.3 Annäherung oder Auseinanderentwicklung der schulpolitische Profile

4 FORSCHUNGSPRAKTISCHE VORGEHENSWEISE
4.1 Begriffsdefinition und Kurzbeschreibung
4.2 Die Methode der Inhaltsanalyse
4.3 Codierverfahren
4.4 Entwicklung des Kategoriensystems
4.5 Datenerhebung und Datenerfassung

5 DATENAUSWERTUNG - PRÄSENTATION UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE
5.1 Veränderungen im schulpolitischen Gestaltungswillen der Parteien
5.2 Handlungsempfehlungen und Parteiprogrammatik
5.3 Annäherung oder Auseinanderentwicklung der Parteiprofile nach PISA?
5.3.1 Einzelanalyse
5.3.2 Globalbetrachtung
5.3.3 Analyse der schulpolitischen Schwerpunktsetzungen der Parteien nach PISA
5.3.4 Zusammenfassung der Konvergenz- bzw. Divergenzbefunde

6 FAZIT
6.1 Einordnung der Ergebnisse
6.2 Kritische Würdigung
6.3 Ausblick

LITERATURVERZEICHNIS
Primär- und Sekundärliteratur
Parteipolitische Publizistik

ANHANG
A-1: Kodierregeln
A-2: Kategoriensystem
A-3: Zusammensetzung der Kategorie „Förderung der Sprachkompetenz“

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2-1: Schulpolitische Profile von CDU und SPD nach wesentlichen Einzelaspekten

Tabelle 2-2: Funktionen der Parteiprogramme

Tabelle 4-1: Auszug aus dem Kategoriensystem

Tabelle 5-1: Gewichtung der zentralen Einzelaspekte von CDU und SPD vor und nach PISA

Tabelle 5-2: Handlungsansätze nach PISA und Parteiprogrammatik

Tabelle 5-3: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Schulsystem“

Tabelle 5-4: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Erziehungs- und Betreuungsdimension des Schulwesens“

Tabelle 5-5: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Unterrichtsgestaltung“

Tabelle 5-6: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Schulische Rahmenbedingungen“

Tabelle 5-7: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Pädagogisches Personal“

Tabelle 5-8: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Förderung im Schulwesen“

Tabelle 5-9: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Frühförderung“

Tabelle 5-10: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Bildungsqualität im Schulwesen“

Tabelle 5-11: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Schulische Organisation“

Tabelle 5-12: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Leistungsorientierung“

Tabelle 5-13: Gewichtung der relevanten Einzelaspekte durch die Parteien vor und nach PISA in der Hauptkategorie „Egalität“

Tabelle 5-14: Überblick der parteilichen Gewichtungsunterschiede in allen relevanten Einzelaspekten vor und nach PISA

Tabelle 5-15: Zusammenfassung der zum Zeitpunkt (t2) wichtigsten Aspekte der Parteien, sowie aller relevanten Einzelaspekte mit einem Eindeutigen Bedeutungszuwachs nach PISA

1 Einleitung

Die Ergebnisse des internationalen Schülerleistungsvergleichs PISA 20001 haben die Leistungsschwäche und die hohe soziale Selektivität des deutschen Schulwesens aufgezeigt, und damit auf gravierende Mängel im Bildungswesen hingewiesen, sowie eine breite bildungspolitische Debatte in der Öffentlichkeit ausgelöst. Dem Erziehungswissenschaftler Ludwig A. Pongratz nach, irritieren die Befunde der internationalen Langzeitstudie:

„die bildungspolitische Landschaft in einem Ausmaß, das seinesgleichen sucht. Keine andere empirische Untersuchung zum deutschen Schulsystem konnte so viel öffentliche Resonanz verbuchen. Die Flut von Diskussionen, Kontroversen und Reformplänen, die PISA nach sich zieht, ruft Erinnerungen an frühere Krisenszenarien wach: vor allem an die ‚Bildungskatastrophe’, mit der Picht in den 1960er Jahren die deutsche Bildungspolitik wachrüttelte (vgl. Picht 1964). Die ‚Bildungskatastrophe’ signalisierte den Beginn eines tiefgreifenden Wandels des deutschen Bildungssystems. Sie findet ihren legitimen Nachfolger im ‚PISA-Schock’ unserer Tage.“ (Pongratz 2004: 243)

Die Ansicht, dass PISA ein besonderes bildungspolitisches Ereignis mit weitreichenden Konsequenzen darstellt, ist in der Literatur weit verbreitet (Gottschall 2003, Huisken 2005; Payk 2009; Rudloff 2008; Tillmann 2004; Tillmann et al. 2008a). Dieser Befund wirft die Frage auf, ob nach PISA 2000 tatsächlich ein Reformdenken eingesetzt hat, und sich ein inhaltlich-programmatischer Wandel im Bereich der Schulpolitik feststellen lässt. Vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragestellung leisten, und beschäftigt sich dabei mit Veränderungen im schulpolitischen Gestaltungswillen2 der Parteien. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen die programmatische Verarbeitung der Erkenntnisse von PISA, sowie mögliche Veränderungen in der parteipolitischen Polarisierung des Politikfeldes Schulpolitik. Vor diesem Hintergrund wird folgenden Fragen nachgegangen:

1) Wie hat sich die schulpolitische Programmatik der beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD nach PISA I verändert?
2) Welche zentralen Erkenntnisse der ersten PISA-Studie, bzw. welche daran anknüpfenden Handlungsansätze zur Verbesserung des Schulsystems haben Eingang in die Programmatik der Parteien gefunden?
3) Wie haben sich die programmatischen Veränderungen nach PISA 2000 auf die Unterschiede im schulpolitischen Gestaltungswillen von Union3 und SPD ausgewirkt - kommt es zu einer Annäherung oder Auseinanderentwicklung der schulpolitischen Profile der Parteien?

Die Studie fokussiert demnach auf den inhaltlich-programmatischen Bereich der schulpolitischen Veränderungen nach PISA auf der Ebene der Programmformulierung. Dabei werden jedoch nicht mögliche Reformen in Form von Gesetzen untersucht, sondern vielmehr der Wandel in den schulpolitischen Programminhalten auf dem diese konkreten Reformbemühungen basieren. Dem eben skizzierten Fragenkomplex liegt die Annahme zu Grunde, dass durch PISA das Bildungswesen von Öffentlichkeit und Politik als Problemfall mit Handlungsbedarf wahrgenommen wird (vgl. Tillmann 2004: 479), worauf die verantwortlichen Akteure reagieren müssen um ihre Legitimation zu sichern.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen, und um die schulpolitischen Profile der Parteien herauszuarbeiten, werden alle Landtagswahlprogramme4 der großen Volksparteien zum Zeitpunkt der letzten Landtagswahlen vor (t1), und der ersten Landtagswahlen nach (t2) PISA 2000 mit der Methode der Inhaltsanalyse auf ihre schulpolitischen Inhalte hin untersucht und verglichen. Die Beschäftigung mit Veränderungen im schulpolitischen Gestaltungswillen der Parteien nach dem „Mängelbericht“ der ersten PISA-Studie ist von allgemeinem Interesse; leistet das Bildungssystem doch wichtige Beiträge zur Funktionsfähigkeit moderner Gesellschaften (vgl. Fend 2006: 36).

Um den Untersuchungsgegenstand bearbeiten zu können, weist die Arbeit folgende Gliederung auf: In Kapitel zwei wird der Forschungsstand aufbereitet, und das zur Beantwortung der Fragestellung relevante Grundlagenwissen vorgestellt. Anschließend erfolgt im theoretischen Teil (Kapitel drei) die Generierung von Hypothesen sowie die Explizierung des hier postulierten Wirkungsverständnisses von PISA. Im vierten Kapitel erfolgt die Darstellung der methodischen Vorgehensweise. Daran schließt sich im empirischen Teil dieser Arbeit, in Kapitel fünf, die Präsentation und Interpretation der Ergebnisse an. Zuletzt wird in Kapitel sechs eine abschließende Bewertung der Untersuchung vorgenommen.

2 Einführung in den Untersuchungsgegenstand

In diesem Kapitel wird das zur Bearbeitung des Untersuchungsgegenstandes notwendige Grundlagenwissen erarbeitet. Primäres Ziel ist, einen Referenzrahmen zur Beantwortung der Forschungsfragen und zur Entwicklung des im empirischen Teil dieser Arbeit verwendeten Kategoriensystems zu schaffen. Darüber hinaus soll mit der Aufbereitung des Forschungsstandes die Basis zur Generierung von Hypothesen und zur Entwicklung des in dieser Arbeit unterstellten Wirkungsverständnisses von PISA gelegt werden.

Außerdem soll deutlich werden, warum die vorliegende Studie auf die großen Volksparteien (Union und SPD) fokussiert, und weshalb sich Landtagswahlprogramme gut zur Erfassung des schulpolitischen Programmprofils der Parteien eignen.

2.1 Forschungsstand

Sowohl zum Gestaltungswillen der großen Volksparteien CDU und SPD im Bereich der Schulpolitik (Stern 2000), als auch zu den schulpolitischen Veränderung nach PISA 2000 mit Bezugnahme auf die Prägekraft der Parteien in diesem Politikfeld (Payk 2009) liegen bereits Studien vor. Darüber hinaus existiert Literatur, die sich mit der Wirkung von PISA im politischen Prozess, bzw. mit der politischen Verarbeitung der PISA-Ergebnisse beschäftigt (Tillmann et al. 2008a, 2008b). Die Veränderung der schulpolitischen Programmatik von CDU und SPD nach PISA ist in der Wissenschaft bislang jedoch nur sehr spärlich untersucht worden. Zwar befasst sich eine Arbeit (Rudloff 2008) mit dieser Thematik, allerdings beschränkt sich diese Analyse weitgehend auf die Entwicklungen in nur einem Bundesland. Im Hinblick auf die Fragestellungen dieser Arbeit kann in Teilen an bereits bestehende Forschung angeknüpft werden. Andererseits gibt es bislang noch kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die sich dezidiert mit den Veränderungen im schulpolitischen Gestaltungswillen von CDU und SPD nach PISA auseinandersetzen. Die vorliegende Arbeit erhebt den Anspruch einen Beitrag zur weitergehenden Schließung dieser Forschungslücke5 zu leisten. Darüber hinaus soll der Wissensstand über die politische Verarbeitung der PISA- Ergebnisse und die Entwicklung der parteipolitischen Differenzen im Bereich der Schulpolitik, erweitert werden.

Einige der Erkenntnisse der oben angeführten Studien können für die Bearbeitung des interessierenden Forschungsgegenstandes nutzbar gemacht werden. So sollen diese Befunde zur Entwicklung und Plausibilisierung der hier unterstellten Wirkungsweise von PISA auf die schulpolitische Programmatik der Parteien beitragen. Außerdem erfolgt auf Basis der Forschungsergebnisse die Generierung von Hypothesen über potentielle Annäherungs- oder Differenzierungstendenzen zwischen den schulpolitischen Parteiprofilen. Darüber hinaus kann zur Ausarbeitung eines Kategoriensystems, um die schulpolitischen Profile der Parteien zu erfassen, ebenfalls auf bereits vorhandenes Wissen zurückgegriffen werden.

Die in diesem Zusammenhang als wichtig erachteten Forschungsarbeiten, sowie deren für die beschriebenen Anliegen relevanten Erkenntnisse werden im Folgenden in knapper Form dargestellt.

Die Dissertation von Stern (2000) „Programme versus Programmatik“ arbeitet die programmatischen Profile der Parteien im Politikfeld der Bildungspolitik heraus, und stellt diese bildungspolitischen Gestaltungsabsichten dem tatsächlichen Regierungshandeln der Parteien gegenüber. Zur Erarbeitung der Programmprofile unterzieht Stern die Landtagswahlprogramme von Bd90/Grüne, CDU, CSU, SPD, und FDP im Zeitraum von 1990 bis 1996 einer Inhaltsanalyse, und ermittelt so die Unterschiede in den bildungspolitischen und damit auch den schulpolitischen Positionen der Parteien.

Die in den schulpolitischen Programmprofilen ermittelten Schwerpunktsetzungen6 dienen als Bezugspunkt für die Entwicklung des im empirischen Teil dieser Arbeit verwendeten Kategoriensystems.

Im Bereich der Bildungspolitik ist das Programmengagement der Parteien in der Schulpolitik am stärksten ausgeprägt. Zudem weisen die bildungspolitischen Programmprofile der Parteien, den Untersuchungen von Stern zufolge, in der Schulpolitik die stärksten Gegensätze auf (vgl. Stern 2000: 206), dort sind besonders tiefe ideologische Gräben auszumachen (vgl. Stern 2000: 202). Was die Ebene der tatsächlichen Regierungspraxis anbelangt, so nimmt die parteipolitische Akzentsetzung im Bereich der Schulpolitik ebenfalls eine Sonderstellung ein (vgl. Stern 2000: 307). Diese Befunde sind gerade im Hinblick auf Überlegungen zu potentiellen Konvergenz- oder Divergenztendenzen der parteilichen Programmprofile nach PISA von Relevanz.

Die Studie von Payk (2009) „Schulpolitik nach dem PISA-Schock“ geht davon aus, dass die als unbefriedigend wahrgenommenen Befunde von PISA, und die dadurch angeregte öffentliche Diskussion ein Policy-Window7 öffnete, wodurch ein Politikwandel ermöglicht, und zur Legitimationssicherung - zumindest symbolische - Politik erzwungen wird (vgl. Payk 2009:3). Vor diesem Hintergrund werden die schulpolitischen Entwicklungen in den Schulsystemen der deutschen Bundesländer nach PISA 2000 untersucht. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob die parteipolitische Prägung der Schulpolitik im Zuge der Reformen zu oder abgenommen hat (ebd.). Als eines der wesentlichen Ergebnisse ist festzuhalten, dass es auch nach PISA nicht zu einer Entpolitisierung des Politikfelds Schulpolitik kommt, sondern die Parteipolitik bei der Ausgestaltung der Schulsysteme weiterhin eine wichtige Rolle spielt (ebd. 281-282). Zudem weisen die Befunde der Arbeit auf eine zunehmende Divergenz der Schulsysteme in den einzelnen Bundesländern hin (ebd.: 282-285), was als eine Stärkung der politischen Profilierung der Parteien interpretiert werden kann (ebd.: 84). Ähnlich den Erkenntnissen von Stern, können auch die Befunde von Payk als Grundlage für die Hypothesenbildung dienen. Darüber hinaus gibt die Konzeptualisierung von PISA als Auslöser für die Öffnung eines Policy-Window Hinweise auf die Wirkungsweise von PISA im politischen Prozess.

Die Veröffentlichung von Rudloff (2008), „Schulpolitik und Schulkämpfe in Hessen“, beschäftigt sich mit den schulpolitischen Kontroversen der jüngeren Vergangenheit im Bundesland Hessen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Politikzyklus ab 1999. In diesem Zusammenhang wird die Entwicklung der schulpolitischen Programmatik der hessischen Christ- und Sozialdemokraten nach PISA ziemlich detailliert beschrieben. Das in der Fallstudie ermittelte Gesamtbild hessischer Bildungspolitik wird unter dem Aspekt der Parteienkonkurrenz interpretiert (vgl. Rudloff 2008: 354). Zum einen wird festgestellt, dass CDU und SPD im Kontext des auf PISA folgenden Reformklimas mehr Übereinstimmungen aufweisen, als gelegentliche Kontroversen den Anschein erwecken. Für diese These wird ins Feld geführt, dass beispielsweise die Erhöhung der Schulautonomie, der Ausbau von Ganztagsangeboten, die frühkindliche Bildung, die Verbesserung der Lehrerbildung oder die Bildungsqualitätssicherung via Bildungsstandards und Evaluationsmaßnahmen, nicht mehr in die Programmdomäne eines bestimmten Parteilagers fallen, sondern längst als programmatischer Allgemeinbesitz beider Parteien gelten können (ebd.: 354-355). Zum anderen wird konstatiert, dass gerade die Schulstrukturfrage jedoch auch auf die Grenzen der Konvergenzthese hinweist, und es Anzeichen gibt, welche für die Gegenthese einer zunehmenden Differenz sprechen. So sind neben dem Wiederaufflammen der Schulstrukturdebatte, auch innerhalb der augenscheinlichen Konsensbereiche Differenzpunkte zu erkennen, wie dies beispielsweise die unterschiedlichen Ganztagsschulkonzepte von CDU und SPD verdeutlichen (ebd.: 356). Diese Erkenntnisse und Überlegungen von Rudloff können als wichtige Anhaltspunkte bei der Entwicklung von Hypothesen über eine potentielle Annäherung oder Auseinanderentwicklung der schulpolitischen Profile von Christ- und Sozialdemokraten dienen.

Die im Kontext des DFG geförderten Forschungsprojektes „Ministerielle Steuerung und Leistungsvergleichstudien“ (MiSteL) veröffentlichten Arbeiten „PISA als Bildungspolitisches Ereignis“ (Tillmann et al. 2008a; 2008b)8 beschäftigen sich damit, wie die Ergebnisse der ersten PISA Studie, sowie deren nationale Erweiterung im politischen Diskussions- und Entscheidungsprozess verarbeitet wurden (vgl. Tillmann et al. 2008a: 12, 2008b: 117). Dabei werden die bildungspolitischen Aktivitäten und Prozesse in der Folge der PISA Studie nachgezeichnet (vgl. Tillmann et al. 2008a: 12, 2008b: 117). Dadurch wird ein besseres Verständnis der Wirkung von PISA 2000 im politischen Prozess erlangt. Es wird u. a. aufgezeigt, dass PISA eine katalysierende oder/und initiierende Wirkung entfalten kann (vgl. Tillmann et al. 20008a: 382-384, 2008b: 136). Der katalysierende Effekt manifestiert sich in einer beschleunigten, bzw. verstärkten Durchsetzung und Umsetzung bestimmter bildungspolitischer Maßnahmen, wie der Fall der Einführung von standardisierten Leistungsüberprüfungen in Bremen zeigt (vgl. Tillmann et al. 2008b: 129). Die initiierende Wirkung konkretisiert sich dahingehend, dass eine schulpolitische Maßnahme angeregt wird, wie beispielsweise der massive Ausbau von Ganztagsschulen in Brandenburg, welche zuvor nicht auf der bildungspolitischen Agenda stand (vgl. Tillmann et al. 2008a: 383, 2008b: 134). Zudem weisen die im Rahmen des MiSteL-Projektes gewonnenen Erkenntnisse darauf hin, dass bei der Verarbeitung der PISA-Ergebnisse und der damit einhergehenden Beförderung von bestimmten schulpolitischen Gestaltungsmaßnahmen nicht nur sachliche, sondern vor allem auch machtpolitische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen (vgl. Tillmann et al. 2008b: 135-138).

Allgemein wird erkenntlich, dass einige der schulpolitische Maßnahmen, auf welche sich CDU und SPD im Rahmen der KMK als Konsequenzen aus den PISA-Ergebnissen geeinigt haben ein hohes Legitimationspotential aufweisen. Dies gilt beispielsweise für zentrale Prüfungen und Ganztagsschulen (vgl. Tillmann et al. 2008b: 136).

Es zeigt sich zudem, dass über die vor der PISA-Studie zwischen den Parteien nicht unumstrittenen Gestaltungsmaßnahmen9 des Ganztagsschulausbaus , sowie der Leistungsevaluation und Bildungsstandards10 , mit Verabschiedung des KMKHandlungskataloges nach PISA prinzipiell parteipolitischer Konsens besteht und diese schulpolitischen Maßnahmen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, von beiden Parteien protegiert wurden (vgl. Tillmann et al. 2008a: 264-265).

Die Erkenntnisse aus den Veröffentlichungen des MiSteL-Projektes liefern wichtige Hinweise für Überlegungen hinsichtlich einer potentiellen Annäherungen oder Auseinanderentwicklung des schulpolitischen Gestaltungswillens von Union und SPD, und tragen zur Entwicklung eines besseren Verständnisses der Wirkung von PISA auf die schulpolitische Programmatik der Parteien bei.

2.2 Strukturen, Arenen und Akteure der deutschen Schulpolitik

Im Folgenden wird ein Überblick über die Strukturen, Arenen und Akteure im Bereich der Schulpolitik in der BRD gegeben. Der Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll zu einem besseren Verständnis der Rolle der Parteien in der Schulpolitik beitragen.

Das Schulwesen fällt in den Bereich der ausschließlichen Landesgesetzgebung (Art. 70 GG), und damit in den Aufgabenbereich der Länder. Auch wenn der Bund die Rahmenbedingungen für die schulbezogene Bildungsplanung beeinflusst, sich aus Regelungen des Grundgesetzes (Art. 7, 20, 28 und 1 bis 19 GG) „ein materiales Schulrecht mit Verfassungsqualität“ (Rürup 2007: 20) ergibt, und internationale Verträge und Übereinkünfte auf EU-Ebene einen Rahmen für die schulpolitische Gestaltung der Länder setzen, liegt die Verantwortung bei der Ausgestaltung und Verwaltung des allgemeinbildenden Schulwesens alleinig bei den Ländern (vgl. Rürup 2007: 18-21).

Die Länder verfügen dabei über die Regelungskompetenz für die Gesamtheit der organisatorischen Ausgestaltung und Planung des Schulsystems, d.h. den strukturellen und organisatorischen Aufbau, das inhaltliche und didaktische Konzept, das Festlegen von Bildungszielen, die Organisation von Lernstandserhebungen, sowie die Vergabe von Zertifikaten (vgl. Hepp 2006: 245).

2.2.1 Arenen und Strukturen

Schulpolitik ist demnach Ländersache; schulpolitische Entscheidungen werden aber auch auf der bundesstaatlichen - so genannten dritten - Ebene getroffen (vgl. Rürup 2007: 21). Die Entscheidungsgremien dieser Ebene agieren entweder horizontal oder vertikal, d. h. es erfolgt eine Koordination bzw. Kooperation zwischen den Ländern, oder zwischen Bund und Länder. Als vertikal agierendes Entscheidungsgremium ist hier die auf freiwilliger Selbstkoordination beruhende Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD (KMK) zu nennen. Die ebenfalls vertikal organisierte Zusammenarbeit der Bund-Länder- Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), basiert auf einer institutionell geregelten Koordination zwischen Bund und Ländern (vgl. Stern 2000: 77). Darüber hinaus kann die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) als Ort länderübergreifender Koordination, obwohl sie keine eigenständige bildungspolitische Verhandlungsarena darstellt, bei schulpolitischen Regelungen insofern eine Rolle spielen, als das sie für die KMK (z. B. durch das Setzen von Themen) eine gewisse Orientierungsfunktion einnimmt (vgl. Rürup 2007: 24). Die politische Gestaltung des Schulwesens wird ansonsten vor allem in den Landesparlamenten, in den Ministerien der Kultusminister und ihren Verwaltungsapparaten, sowie auf kommunaler Ebene betrieben (vgl. ebd.: 24).

Die KMK ist eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Kultus- und- Wissenschaftsminister bzw. Kultus- und Wissenschaftssenatoren und basiert auf einem Übereinkommen der Länder. Aufgabe der KMK ist es ihrer Geschäftsordnung nach, „Angelegenheiten der Bildungspolitik, der Hochschul- und Forschungspolitik, sowie der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, und der Vertretung gemeinsamer Anliegen" (KMK 2005) zu behandeln. Die Länder kommen im Rahmen der freiwilligen Selbstkoordination ihrer Verantwortung für das Staatsganze nach, und sorgen in Belangen von gesamtstaatlicher Bedeutung für die notwendige Übereinstimmung um auch der grundgesetzlichen Forderung nach der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Rechnung zu tragen. Die KMK bemüht sich dabei um Vereinheitlichung und Gleichwertigkeit im Bildungswesen, um eine höchstmögliche Mobilität von Lernenden, Lehrenden und Wissenschaftlern in Deutschland zu ermöglichen (vgl. KMK 2008).

Den Kernbereich und Schwerpunkt der Koordinierungsbemühungen der KMK bildet dabei das Schulwesen (vgl. Hepp 2006: 248). Bei der gemeinsamen Interessenvertretung der Länder gegenüber dem Bund und auf europäischer Ebene, sowie der Darstellung gemeinsamer Bildungsangelegenheiten gegenüber der Öffentlichkeit, nimmt die KMK eine wichtige Rolle ein. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Instrument partnerschaftlicher Kooperation zwischen Bund und Länder in Bereichen, die notwendigerweise eine gegenseitige Abstimmung erfordern (vgl. KMK 2008).

Auf Grund der Autonomie der einzelnen Bundesländer besitzt die KMK keine eigene Entscheidungskompetenz. Daher sind zur Wirksamkeit von Beschlüssen und Verabredungen auch einstimmige Entscheidungen notwendig. Verbindlich werden diese Vereinbarungen jedoch erst durch deren rechtliche Fixierung in den einzelnen Ländern (vgl. Hepp 2006: 248).

Die BLK wurde 1970 auf Basis des Artikel 91b GG als ständiges Gesprächsforum für Bund und Länder gemeinsam berührende Bildungsangelegenheiten eingerichtet (vgl. BLK 2008). Mit ihrer Gründung erhielt sie den Auftrag, einen Bildungsrahmenplan auszuarbeiten um die länderübergreifenden Reformbemühungen zur Weiterentwicklung des Bildungswesens langfristig zu koordinieren (vgl. Rürup 2007: 24). Im Bereich der Schulbildung beschränkte sich ihre Tätigkeit, nachdem anfänglich noch die koordinierende Bildungsplanung für das allgemein bildende Schulwesen zum Aufgabenschwerpunkt gehörte, im Laufe der Jahre jedoch zum Großteil auf die Betreuung von Modellversuchen (vgl. Stern 2000: 85).

Im Rahmen der Föderalismusreform erfolgte Ende des Jahres 2007 die Auflösung der BLK. Ihrer Aufgaben wurden größtenteils an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz übergeben (vgl. BLK 2007).

Die Parlamente der Länder sind, darauf weist schon die Kompetenzverteilung im föderalen Bundesstaat hin, die zentralen Arenen schulpolitischer Entscheidungsfindung. Die bedeutende Stellung, welche den Länderparlamenten gegenwärtig in der Schulpolitik zukommt, hat sich allerdings erst in den letzten 30 Jahren entwickelt (vgl. Rürup 2007: 25).

Diese Entwicklung wurde Mitte der 1970er durch die vom Bundesverfassungsgericht verkündete „Wesentlichkeitstheorie“, welche die Länderparlamente dazu anhält, grundrechtsrelevante Angelegenheiten des Schulwesens gesetzlich zu regeln und nicht der Schuldaministration zu überlassen, befördert. Durch die gerichtliche Auslegung wurde die Position der Landtage gegenüber den Verwaltungen der Kultusministerien gestärkt (vgl. Hepp 2006: 246).

Dennoch müssen die Kultusministerien ebenfalls als eine äußerst wichtige schulpolitische Entscheidungsarena angesehen werden. Dies begründet sich vor allem aus dem Mitwirken der Kultusverwaltungen an schulpolitischen Entscheidungsprozessen in den länderübergreifenden Koordinationsgremien KMK und BLK und den daraus resultierenden Informationsvorsprüngen, sowie den Möglichkeiten durch die Teilnahme an den Verhandlungen wichtige Beschlüsse der Länderlegislativen zu präjudizieren (vgl. Rürup 2006: 27). Die gewichtige Rolle der Kultusministerien in der Schulpolitik zeigt sich auch daran, dass die politische Steuerung der Schulpolitik größtenteils durch die Exekutive erfolgt. „Die Kultusverwaltung mit ihren Abteilungen und die ihr zuarbeitende Schulaufsichtsverwaltung planen, koordinieren und kontrollieren praktisch die gesamte innere und äußere Schulentwicklung.“ (Hepp 2006: 247)

Für den großen Einfluss der Exekutive spricht ferner die Tatsache, dass der Großteil aller schulpolitische Gestaltungsinitiativen von den Kultusverwaltungen und ihren politischen Führungen ausgehen (vgl. Hepp: 248).

Die Gestaltungsmöglichkeiten der Kultusministerien und ihren Verwaltungen unterliegen jedoch gewissen Begrenzungen. So erfolgt eine Einschränkung der Steuerungsmöglichkeiten durch den Umfang des Schulwesens und der Vielschichtigkeit der bürokratischen Aufgaben, wodurch eine Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf untergeordnete Einheiten wie die Einzelschule oder die Schulleitung notwendig gemacht wird, oder sachdienlich erscheint. Beschränkend wirkt zudem, dass einige schulorganisatorischen Entscheidungen, gerade in wichtigen finanz- und ausstattungsbezogenen Angelegenheiten, nicht in den Kompetenzbereich der Kultusministerien und ihren untergeordneten Verwaltungseinheiten fallen. Eine Reihe von Aufgaben, wie beispielsweise die Sachausstattung der Schulen oder die Schulentwicklungsplanung liegt in der Verantwortung des Schulträgers, d. h. im Regelfall der Kommunen. Damit erfolgt auch über die Städte- und Gemeindetage sowohl auf Ebene der Länder wie auch des Bundes eine Thematisierung schulpolitisch relevanter Fragen (vgl. Rürup 2006: 29).

2.2.2 Akteure

In den angesprochenen Arenen schulpolitischer Entscheidungsfindung, und darüber hinaus, wirken verschiedene Akteure an der Ausgestaltung des Schulwesens mit. Neben der Legislative sowohl auf Länderebene, als auch Kommunalebene, nimmt vor allem die Exekutive - die Schuladministration der einzelnen Länder und das Bildungsministerium über die Einbindung in Beratungen der KMK und BLK - Einfluss auf die Gestaltung der Schulpolitik. Zudem spielen aber auch die politischen Parteien, die gesellschaftlichen Verbände und Organisationen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften, sowie die Massenmedien eine wichtige Rolle (vgl. Rürup 2007: 29).

„Unter allen nichtstaatlichen Akteuren verfügen die Parteien mit ihren Apparaten, Untergliederungen, Hilfsorganisationen und Stiftungen über die bei weitem größten Einfluß- und Gestaltungsmöglichkeiten (sic!). Über ihre Abgeordneten in den Parlamenten und Vertreter in den Regierungen nehmen sie Einfluß (sic!) auf die Definition der rechtlichen Rahmenbedingungen, die Festlegung der finanziellen Ressourcen und die strukturelle, administrative und inhaltliche Ausgestaltung des Bildungswesens.“ (Fuchs/Reuter 2000: 33)

Die über Wahlen zur allgemeinen Interessenvertretung berufenen Parteien haben durch diesen Auftrag jedoch kein schulpolitisches Entscheidungsmonopol inne. Die gesellschaftlichen Verbände und Organisationen wirken ebenfalls verfassungsmäßig legitimiert an der schulpolitischen Gestaltung mit. Außerdem sind sowohl die Parteien, als auch die staatlichen Organe auf die Expertise und das Vermittlungspotential der Verbände im Prozess der Politikformulierung- und Implementation angewiesen (vgl. Fuchs/Reuter 2000: 33-34).

Auch wenn an schulpolitischen Gestaltungsprozessen eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist, so verfügen die Akteursgruppen, wie bereits angesprochen, über unterschiedlich großes Einflusspotential.

„Regelmäßig und durchgängig sind […] nur zwei Akteursgruppen in allen schulpolitischen Beratungen und Entscheidungen involviert: Die Parteien und Verwaltungen. Die parteilichen Akteure lassen sich sogar noch weiter eingrenzen. In der schulpolitischen Entscheidungsfindung auf länderübergreifender Ebene sind lediglich die beiden Volksparteien CDU/CSU und SPD kontinuierlich präsent und prägend.“ (Rürup 2007: 31)11

Dies schlägt sich in der Besetzung der Kultusministerien der Länder, welche seit mehreren Jahrzehnten nahezu ausschließlich durch Mitglieder der beiden großen Volksparteien erfolgt, nieder. Diese Prägekraft zeigt sich auch an dem explizit auf SPD und CDU ausgerichteten Proporzdenken in den bildungspolitischen Entscheidungsgremien KMK und BLK - die CDU- regierten Länder haben das Recht den Generalsekretär der KMK zu stellen, wohingegen die SPD-regierten Länder die Position des BLK-Präsidenten besetzen dürfen. Außerdem wird in allen Organen von KMK und BLK auf die Einhaltung eines strikten Parteienproporzes geachtet (vgl. ebd.).

Zudem ist parteipolitisches Lagerdenken in der Kultusministerkonferenz, und damit einhergehend eine parteipolitisch geprägte Verhandlungspraxis die Regel. So finden vor den bildungspolitischen Diskussionen in der KMK separate Besprechungen der einzelnen Parteilager statt - die A-Länder (SPD) und B-Länder (CDU) treffen sich zu eigenen Konferenzen, und auch die großen Koalitionen vorstehenden Ministerpräsidenten tagen nach Parteien getrennt12 (vgl. Stern 2000: 82).

In der Folge ergibt sich daraus ein starker parteipolitischer Einfluss auf die Schulpolitik, welcher jedoch durch die Schulverwaltungen der Länder wieder abgeschwächt wird. Dadurch, dass die Verwaltungen stark in die Vorbereitung und Ausführung schulpolitischer Entscheidungen involviert sind, erfolgt immer wieder eine Rückbindung an bürokratische Handlungsimperative und an das in der schulpolitischen Praxis Durchsetzbare (vgl. Rürup 2007: 32). Trotz der genannten Einschränkungen lässt sich festhalten, dass die beiden großen Volksparteien Union und SPD einen starken Einfluss auf die Gestaltung der Schulpolitik ausüben.

2.3 Die grundlegenden Positionen von CDU und SPD in der Schulpolitik

Die zentralen schulpolitischen Positionen der beiden großen Volksparteien leiten sich aus ihrem ideologischen Grundverständnis ab, und lassen sich damit in den Grundsatzprogrammen13 der Parteien wieder finden (vgl. Stern 2000: 112). Im Zentrum des Grundsatzprogramms14 der CDU finden sich die aus dem christlichen Menschenbild abgeleiteten Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Sie stehen in einem funktionalen Zusammenhang, und es wird als Aufgabe der Politik angesehen, „ihre Gewichtung untereinander richtig zu gestalten“ (CDU Deutschlands 1994: Punkt 12). Von besonderer Relevanz ist dabei der Freiheitsbegriff, aus dem sich auch das Gerechtigkeitsverständnis ableitet, welches sich neben der Gleichheit vor dem Recht im Begriff der Chancengerechtigkeit konkretisiert.

Für die Schulpolitik ergibt sich aus dieser Gerechtigkeitsvorstellung die Forderung nach einem „offenen Zugang zu den Bildungseinrichtungen unter Ausgleich nachteiliger Vorbedingungen“ (CDU Deutschlands 1994: Punkt 27).

Chancengerechtigkeit und das humane Leistungsprinzip bilden die Grundlage der CDU- Bildungspolitik. Das Prinzip der Chancengerechtigkeit verlangt es, „die Verschiedenheit der Menschen in ihren Begabungen, Leistungen und ihrem sozialen Herkommen zu berücksichtigen“ (CDU Deutschlands 1994: Punkt 55). Chancengerechtigkeit ist nicht durch Nivellierung oder Einschränkungen, sondern nur durch die Förderung der Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen realisierbar (vgl. ebd.). Das Leistungsprinzip erfordert ein Fördern und Fordern der Leistungspotentiale des einzelnen, sowie eine entsprechende Honorierung von Leistungen (vgl. ebd.).

Schule soll auf das Leben nach der Schule vorbereiten; dabei kommt ihr eine erzieherische und integrative Funktion zu, sowie der Auftrag Allgemeinbildung, Basiswissen und Werte zu vermitteln (vgl. ebd.: Punkt 59). Um eine neigungs- und begabungsgerechte Förderung der Schüler zu gewährleisten, setzt sich die CDU für ein gegliedertes Schulwesen mit Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien ein, welches einen Wechsel zwischen den Schularten ermöglicht. Zudem strebt sie eine stärkere Gewichtung der Schulempfehlung beim Übergang zu einem weiterführenden Bildungsgang an (vgl. ebd.).

Außerdem bekennt sich die CDU zur Elitenbildung, und betont die Wichtigkeit der Förderung von Hochbegabten, plädiert aber auch für eine besondere Förderung derjenigen, die sich überfordert fühlen und meinen, den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können (vgl. ebd.: Punkt 58). Darüber hinaus tritt die CDU für katholischen und evangelischen Religionsunterricht, sowie die Möglichkeit der Unterrichtung anderer Konfessionen an den Schulen ein, und befürwortet schulische Ganztagsangebote auf freiwilliger Basis (vgl. ebd.: Punkt 59).

Auch im Grundsatzprogramm der SPD sind grundlegende schulpolitische Positionen niedergeschrieben. Im Mittelpunkt des sozialdemokratischen Wertefundamentes „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ (SPD Deutschlands 1998: 12), steht die Gerechtigkeit. Sie basiert auf der gleichen Würde aller Menschen, und verlangt Gleichheit in Bezug auf die Freiheit und das Gesetz, gleiche Chancen bei der soziale Sicherung und den politische wie sozialen Teilhabemöglichkeiten, sowie eine gesellschaftliche Gleichheit der Geschlechter (vgl. SPD Deutschlands 1998: 12). Gerechtigkeit, d. h. das Recht auf gleiche Lebenschancen „erfordert mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht, aber auch dem Zugang zu Bildung, Ausbildung und Kultur“ (vgl. ebd.). Die Realisierung grundsätzlich gleicher Lebenschancen soll mit den Mitteln „staatlicher Macht“ erfolgen (vgl. ebd.).

Chancengleichheit im Bildungswesen stellt ein zentrales Anliegen der SPD dar. So plädiert sie für einen offenen Zugang zu Bildung und eine Unterstützung der Schüler um einen eigenverantwortlichen Bildungsweg - unabhängig vom Verdienst der Eltern - zu ermöglichen (vgl. ebd.: 30).

Schulen sollen fördern statt selektieren, und durch eine differenzierte, begabungs- und neigungsgerechte Förderung zu mehr Chancengleichheit beitragen. Dies lässt sich der SPD nach am Besten im Schultyp ‚Gesamtschule’ umsetzen. Mehr Chancengleichheit soll zudem durch Ganztagsschulangebote erreicht werden (vgl. ebd.: 31).

Darüber hinaus befürwortet die SPD in der Schulpolitik eine Öffnung der Schulen zum Umfeld und zur Arbeitswelt, und setzt sich für größere Freiräume der Schulen ein. Außerdem plädiert sie für mehr Mitbestimmungsrechte aller Beteiligten; auch in Bezug auf Schullaufbahnentscheidungen, eine integrative Unterrichtung beider Geschlechter, behinderten und gesunden Kindern, sowie von Migranten und Deutschen, um Vorurteile und Diskriminierung entgegenzuwirken (vgl. ebd.).

Anhand der Grundsatzprogramme lassen sich einige Schwerpunkte und grundlegende Ansichten der Parteien in der Schulpolitik, und damit auch Unterschiede in den schulpolitischen Programminhalten festmachen. Dieses Wissen kann bei der Bearbeitung des Forschungsproblems, insbesondere bei der Erstellung des Kategoriensystems für die Analyse der Landtagswahlprogramme nutzbar gemacht werden.

Die Grundsatzprogramme sind in ihren Aussagen zur Schulpolitik jedoch sowohl in ihrem Umfang, als auch dem Grad ihrer Konkretisierung limitiert. Um ein umfassenderes Verständnis der schulpolitischen Positionen zur Entwicklung eines Klassifikationssystems zu erlangen, wird daher zusätzlich auf Literatur zurückgegriffen, die sich mit dieser Thematik beschäftigt. Aufschlussreiche Einblicke bietet diesbezüglich die (in Abschnitt 2.1) bereits angesprochene Arbeit von Stern. Die Untersuchung kommt in diesem Zusammenhang zu folgenden relevanten Befunden, welche sich überblicksartig in einer Tabelle darstellen lassen:

Tabelle 2-1: Schulpolitische Profile von CDU und SPD nach wesentlichen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (Stern 2000: 176)

Legende: Relative Häufigkeit der Nennung wesentlicher schulpolitischer Einzelaspekt in Prozent; bei fehlenden Werten beträgt die Nennungshäufigkeit weniger als 2,5%.

Neben den, in den Grundsatzprogrammen der beiden Parteien angesprochenen schulpolitischen Akzentsetzungen, lassen sich so weitere Schwerpunktsetzungen wie beispielsweise die Lehrerausbildung, die Verkürzung der Schulzeit oder die Modernisierung des Unterrichts identifizieren. Zudem werden die bereits bekannten Ansichten und Schwerpunkte der Parteien nochmals verdeutlicht.

2.4 Parteiprogramme

Parteien sind nach dem Parteiengesetz dazu verpflichtet, ihre Ziele schriftlich in Programmen darzulegen (vgl. Parteiengesetz §1 Absatz 3 und § 3 Absatz 6).

Programmatik ist ein wesentliches Charakteristikum politischer Parteien. Die Programmatik dient der politischen Identitätsstiftung und Identitätssicherung einer Partei. In den Programmen halten die Parteien ihre politischen Grundüberzeugungen fest, die sich in Zielen und Forderungen konkretisieren, und zu deren Realisierung die Parteien um Unterstützung werben (vgl. Klingemann 1989: 99).

Der Versuch, die Programme politischer Parteien begrifflich zu systematisieren, hat in der Literatur zu zahlreichen Typologien geführt. Der Grossteil der Arbeiten unterscheidet jedoch übereinstimmend zwischen zumindest drei Programmarten - Grundsatzprogramm, Wahlprogramm und Aktionsprogramm (vgl. Rölle 2001: 22). Dies sind auch die Programmtypen, welche in Deutschland in der politischen Praxis vornehmlich anzutreffen sind (vgl. Klingemann 1989: 99).

In den Grundsatzprogrammen werden die politischen Grundsätze und das langfristige politische Leitbild festgeschrieben (vgl. Klingemann/Volkens 2002: 513). In Wahlprogrammen legen die Parteien den Bürgern ihre politischen Zielvorstellungen und Schwerpunkte für die folgende Legislaturperiode dar (vgl. Rucht/Volkens 1998: 309). Die Parteien schärfen also ihr Profil, werben beim Wähler für bestimmte Politikoptionen, und präsentieren in diesem Zusammenhang Handlungsansätze zur Lösung von Problemen in verschiedenen politischen Bereichen (vgl. Klingemann/Volkens 2002: 513). Aktionsprogramme fokussieren hingegen auf einen bestimmten Politikbereich und artikulieren dabei bestimmte Zielvorstellungen und Lösungsstrategien (vgl. ebd.). Sie sind, abgesehen von ihrem begrenzten Geltungsbereich, Wahlprogrammen recht ähnlich, werden jedoch nicht nur anlässlich von Wahlen erarbeitet und können einen weitaus geringeren Verbindlichkeitsgrad aufweisen (vgl. Klingemann 1989: 100).

Eine Möglichkeit, die verschiedenen Programmformen inhaltlich zu differenzieren, geht auf Klingemann (1989) zurück. Demnach können politische Programme anhand: 1. dem Konkretisierungsgrad der politischen Ziele, 2. dem Ausmaß der Handlungsorientierung, 3. dem zeitlichen Horizont, 4. der Anzahl der angesprochenen Politikfelder, und 5. dem Ausmaß ihrer Verbindlichkeit unterschieden und eingeordnet werden. (vgl. Klingemann 1989: 99). Die Programme der politischen Parteien können neben einer Kategorisierung nach Programmtypen auch über ihre unterschiedlichen Funktionen eingeordnet werden. Dabei kann nach einer Außen- und Innenwirkung differenziert werden. Präziser ausgedrückt, nach der unterschiedlichen Gewichtung der beiden Funktionen (vgl. Stern 2000: 110). Diese Art der Differenzierung geht auf Kaack (1971) zurück, welcher einen ersten Versuch zur Systematisierung der einzelnen Funktionen der Programmformen unternommen hat (vgl. Rölle 2001: 26).

Unter die Außenfunktionen fällt in den Programmen das Werben der Parteien um Unterstützung für ihre politischen Überzeugungen und Ziele, sowie die Gewinnung neuer Mitglieder (Werbefunktion). Nach außen richtet sich ebenfalls die Funktion von Parteiprogrammen, das eigene politische Profil darzustellen, und von den Profilen anderer Parteien abzugrenzen (Profilfunktion). Im Kontext der Abgrenzung und dem Konkurrenzverhältnis der Parteien untereinander, fällt den Programmen auch die Funktion zu, Auseinandersetzungen mit den politischen Mitbewerbern vorzubereiten (Agitationsfunktion). Außerdem beinhalten die Parteiprogramme Sachforderungen, und bilden somit die Grundlage (Operationsbasisfunktion) für das konkrete politische Handeln (vgl. Kaack 1971: 402).

In ihrer Innenwirkung sollen die Parteiprogramme vor allem als gemeinsame, verbindliche Leitlinie für das politische Agieren der Mitglieder fungieren (Integrationsfunktion). Darüber hinaus soll die Identifikation der Parteimitglieder mit der Partei und ihren Zielen erreicht werden (Identifikationsfunktion). Parteiprogramme, als gemeinsamer Nenner der Partei, stellen aber auch ein Herrschaftsinstrument für die Parteiführung über Parteiorganisation und Mitglieder dar (Herrschaftsfunktion). Die Programme haben zudem eine legitimierende Funktion - erscheinen doch Handlungen und Entscheidungen, welche sich auf das Parteiprogramm berufen können, als legitimiert (Legitimationsfunktion). Schließlich können Parteiprogramme auch eine stimulierende Funktion (Stimulationsfunktion) für den innerparteilichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess einnehmen. Diese Innenwirkung von Parteiprogrammen ist Voraussetzung für die bereits angesprochene Agitationsfunktion (vgl. Kaack 1971: 402-403).

Die angesprochenen Funktionen der Parteiprogramme liegen bei den einzelnen Programmarten in unterschiedlich starker Ausprägung vor. Verknüpft man die Kategorisierung nach Programmtypen mit der Zuordnung nach Funktionen, so lässt sich dies tabellarisch folgendermaßen darstellen15.

Tabelle 2-2: Funktionen der Parteiprogramme (nach Kaack)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (Kaack 1971: 403)

Legende: Das Symbol „X“ in den Feldern steht für den Intensitätsgrad, mit dem die einzelnen Funktionen von den Programmen ausgefüllt werden (X: geringste Intensität; XX: mittlere Intensität; XXX: maximale Intensität).

Die spezifischen Charakteristika von Wahlprogrammen - die starke Ausprägung der Profil- und Operationsbasisfunktion - kommt dem Erkenntnisinteresse dieser Arbeit sehr entgegen, da zur Bearbeitung der Forschungsfragen das spezifische schulpolitische Profil - die konkreten schulpolitischen Positionen, Vorhaben und Ziele der Parteien - von Interesse sind. Neben diesen Eigenschaften, welche Wahlprogramme für die vorliegende Untersuchung besonderst ertragreich machen, bietet dieser Programmtyp noch einen zusätzlichen forschungspraktischen Vorteil. Wahlprogramme werden nämlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit - vor jeder Wahl - veröffentlicht. Dies ermöglicht es, Veränderungen von Themen und Positionen herauszuarbeiten (vgl. Volkens 1997: 218). Zuletzt prädestiniert die relativ hohe Verbindlichkeit von Wahlprogrammen diese Programmform als Basis für die angestrebte Analyse. Mehrere Studien weisen auf die hohe Übereinstimmung von Wahlprogrammen und Regierungspolitik hin (Hofferbert/Klingemann/Volkens 1992; Klingemann/Hofferbert/Budge 1994; Rölle 2001), was dafür spricht, dass Wahlprogramme einen guten Indikator für die Erfassung des parteilichen Gestaltungswillen darstellen. Dieser Sachverhalt begünstigt diesen Programmtyp, gerade im Vergleich zu Aktionsprogrammen, welche auch nur den Charakter von Empfehlungen haben können (vgl. Klingemann 1989:100), zusätzlich.

2.5 PISA 2000 - Ziele und Ergebnisse der Studie

PISA steht für „Programme for International Student Assessment“, und ist Teil des Indikatorenprogramms INES (Indicators of Educational Systems), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), welches den teilnehmenden Staaten vergleichende Informationen über Stärken und Schwächen ihrer Bildungssysteme liefern soll (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2002: 11).

Offizielles Anliegen von PISA ist es, den teilnehmenden Staaten Systemwissen als Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen und Steuerungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Befunde sollen den Verantwortlichen in den Ministerien helfen, das schulische System besser zu „steuern“ (vgl. Tillmann 2004: 481).

Mit der Koordinierung von PISA 2000 wurde ein internationales Konsortium unter Leitung des Australian Council for Educational Research (ACER) beauftragt. Die Durchführung in Deutschland erfolgte durch ein nationales Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB).

Das PISA-Forschungsprogramm umfasst zunächst drei Erhebungszyklen: 2000, 2003 und 2006. Am ersten Zyklus nahmen 32 Staaten teil, in denen jeweils an einer repräsentativen Auswahl 15-jähriger Schüler (unabhängig von der besuchten Klassenstufe) anhand von Tests und Fragebögen die Datenerhebung erfolgte. In Deutschland wurde der internationale Leistungsvergleich durch zusätzliche Erhebungen und eine Ausweitung der Stichprobe erweitert (PISA-E), um einen Vergleich zwischen den Bundesländern zu ermöglichen. Inhaltlich werden in jeder Erhebungsrunde, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, die drei Kompetenzbereiche Leseverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften untersucht. Der Fokus lag bei der ersten Erhebung auf der Lesekompetenz, im darauf folgenden Zyklus auf der mathematischen Grundbildung und zuletzt auf den naturwissenschaftlichen Fähigkeiten (vgl. MPIB 2005).

Hinzu kommt die Erfassung von fächerübergreifenden Basiskompetenzen, welche für selbständige methodische und kooperative Arbeits- und Lernprozesse und die allgemeine Problemlösungsfähigkeit von Bedeutung sind. Darüber hinaus werden Hintergrundmerkmale von Schülern und Schulen erhoben - von zentralem Interesse sind hierbei die sozioökonomischen und soziokulturellen Lern- und Lebensbedingungen der Schüler, und Merkmale schulischer Qualität. Dadurch sollen pädagogische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen identifiziert werden, welche für Leistungsunterschiede zwischen und innerhalb der einzelnen Staaten verantwortlich sind (vgl. MPIB 2002).

Im Dezember 2001 wurden die Ergebnisse von PISA 2000 erstmals veröffentlicht (OECD 2001)16. Im Folgenden soll nun eine Auswahl wesentlicher Befunde für Deutschland dargestellt werden:

Im Bereich Lesen rangiert Deutschland mit 484 Punkten, und damit 16 Punkte unter dem OECD-Mittelwert17 im unteren Teil der Gesamtskala. Der Abstand zu den besten Ländern ist mit ungefähr einer halben Standardabweichung ziemlich deutlich. Besonders fällt die Streuung der Lesekompetenz der deutschen Schüler auf, welche im Internationalen Vergleich die stärkste Ausprägung aufweist. Zudem ist der Anteil schwacher und sehr schwacher Leser in Deutschland ungewöhnlich groß, womit die Anzahl der Schüler, die einer potentiellen Risikogruppe zugerechnet werden müssen, entsprechend hoch ist. Auch bei Leistungen zum mathematischen Grundverständnis schneiden die deutschen Schüler mit einem Mittel von 490 Punkten unterdurchschnittlich ab. Der Anteil der 15-Jährigen, deren mathematischen Grundfähigkeiten nur eingeschränkt für ein erfolgreiches absolvieren der Berufsausbildung ausreichen, und zur Gruppe der Risikoschüler gerechnet werden müssen, ist mit 25 Prozent außergewöhnlich hoch. Bei den Naturwissenschaftlichen Kompetenzen liegt Deutschland wie in den Bereichen der Lesekompetenz und der Mathematik unterhalb des OECD-Durchschnitts. Der Abstand zur internationalen Spitze ist mit über einer halben Standardabweichung beträchtlich. (vgl. Artelt et al. 2001: 13-31)

[...]


1 PISA steht für: Programme for International Student Assessment. Wenn in dieser Arbeit von „PISA“ die Rede ist, dann ist damit die erste PISA- Studie, d. h. PISA I bzw. PISA 2000 gemeint.

2 Die Begriffe „schulpolitische Programmatik“, „schulpolitisches Programmprofil“, „schulpolitisches Profil“, „Programmprofil“ und „schulpolitischer Gestaltungswille“ werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Unter dem Begriff „schulpolitische Programmatik“ einer Partei ist hier die Gesamtheit der von dieser Partei in ihren Parteiprogrammen, in schriftlich niedergelegten Aussagen, artikulierten Positionen, Forderungen, Handlungsabsichten und Ziele im Bereich der Schulpolitik zu verstehen. Eine ausführliche Begriffsdefinition erfolgt in Kapitel vier.

3 In dieser Arbeit erfolgt keine Differenzierung zwischen dem schulpolitischen Gestaltungswillen von CDU und CSU, vielmehr wird die schulpolitische Programmatik der CSU als ein Teil des Programmprofils der CDU verstanden. Wenn also vom Gestaltungswillen der CDU im Bereich der Schulpolitik gesprochen wird, so ist damit die Programmatik der CSU mit eingeschlossen, ohne dass dies einer weiteren Erwähnung bedarf. In diesem Sinne erfolgt auch keine Unterscheidung zwischen CDU und Union, diese Bezeichnungen werden dahingehend synonym verwendet.

4 Damit sind die Landtagswahlprogramme aller 16 Bundesländer gemeint.

5 Die Analyse von Rudloff (2008) fokussiert auf das Bundesland Hessen, und nimmt somit keine allgemeine Untersuchung der Veränderungen in den schulpolitischen Programmprofilen von CDU und SPD nach PISA 2000 vor. Demzufolge sind weitere Untersuchungen nötig, um die nur partiell bearbeitete Forschungslücke weiter zu schließen.

6 Eine ausführlichere Präsentation dieser Ergebnisse erfolgt im Rahmen der Darstellung der grundlegenden Positionen von Union und SPD in der Schulpolitik (vgl. Abschnitt 2.3).

7 Der von Kingdon (1984) geprägte Begriff des “Policy-Window” bezeichnet “an opportunity for advocates of proposals to push their pet solutions, or to push attention to their special problems.” [...] These policy windows, opportunities for action on given initiatives, present themselves and stay open for only short periods” (Kingdon 1984: 173-174, hier zitiert nach Schneider/Janning 2006: 55).

8 Die hier präsentierten Erkenntnisse nehmen Bezug auf die Arbeiten „PISA als bildungspolitisches Ereignis. Fallstudien in vier Bundesländern“ (Tillmann et al. 2008a), welche die Abschließende Monographie des Forschungsprojektes MiSteL darstellt, und auf die Studie „PISA als bildungspolitisches Ereignis. Oder: Wie weit trägt das Konzept der „evaluationsbasierten Steuerung“?“ (Tillmann et al. 2008b), welche ebenfalls Ergebnisse des Projektes MiSteL präsentiert.

9 Das Thema Ganztagsschulen kann bis zum Jahr 2001 als ein schulpolitischer Konfliktpunkt zwischen CDU und SPD angesehen werden, da die CDU eine ablehnende Haltung gegenüber Ganztagsschulen einnahm, während die SPD diese Maßnahme schon seit den 1960er Jahren befürwortet. Jedoch hat die CDU ihre ablehnende Haltung spätestens seit 2001 weitgehend aufgegeben. (vgl. Tillmann et al. 2008a: 187-188).

10 Das Thema Bildungsstandards und Leistungsevaluationen wird lange Jahre zwischen CDU und SPD kontrovers diskutiert. Die unterschiedlichen Positionen manifestieren sich vor allem im Streit um ein Zentralabitur, welches die SPD ablehnt. Zum Ende der 1990er Jahre hin lassen sich in diesem Themenbereich jedoch Annäherungen zwischen den Parteien feststellen. Mit Verabschiedung der KMK-Handlungsfelder im Jahr 2001, gab die SPD ihre ablehnende Haltung gegenüber verbindlichen Leistungstests und zentralen Prüfungen faktisch auf (vgl. Tillmann et al. 2008a: 176).

11 Aus diesem Sachverhalt begründet sich auch die Fokusierung der vorliegenden Studie auf die beiden großen Volksparteien Union und SPD und die damit einhergehende Vernachlässigung anderer politischer Parteien.

12 Es muss jedoch angemerkt werden, dass zunehmend eine Überlagerung der Konfliktlinien zwischen A- undB- Ländern durch andere Interessenkonflikte (arme vs. reiche Länder, Stadtstaaten vs. Flächenstaaten und alte Bundesländer vs. neue Bundesländer) stattgefunden hat (vgl. Hepp 2006: 250).

13 Das Grundsatzprogramm der CSU wird hier nicht berücksichtigt, da es nach Ansicht des Autors keine zusätzlichen relevanten Positionen liefert.

14 Das Grundsatzprogramm „Freiheit in Verantwortung“ von 1994 war im Untersuchungszeitraum das aktuelle Programm der CDU. Für die SPD war die am 17.04.1998 geänderte Version des Berliner Programms von 1989 maßgeblich.

15 Es sei auf den stark schematisierenden Charakter dieser Tabelle hingewiesen. Auch wenn die Messung der Intensitätsgrade problematisch sein mag (vgl. Stammen 1979: 28), so stellt diese Art der Einordnung die Verschiedenartigkeit der einzelnen Programmformen in der Erfüllung unterschiedlicher Funktionen eindrucksvoll dar.

16 Die PISA-Studie gibt Anlass zu vielfältiger Kritik, auf welche in dieser Arbeit jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Einen eindrücklichen Überblick der verschiedenen Kritikpunkte geben Jahnke und Meyerhöfer (2006) oder Hopmann et al. (2007).

17 Um die internationale Vergleichbarkeit zu vereinfachen, wurde durch Standardisierung der OECDDurchschnitt der Schülerleistungen bei 500 Wertpunkten festgelegt.

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
PISA und Parteiprogrammatik
Untertitel
Eine Analyse der Veränderungen schulbildungspolitischer Programmatik nach PISA 2000
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
107
Katalognummer
V141735
ISBN (eBook)
9783640513932
ISBN (Buch)
9783640511471
Dateigröße
1346 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Abstract in English - im Werk ist auch eine Deutsche Zusammenfassung vorhanden und die Arbeit in deutscher Sprach verfasst.
Schlagworte
PISA, Parteiprogrammatik, Eine, Analyse, Veränderungen, Programmatik, PISA
Arbeit zitieren
Sebastian Metz (Autor:in), 2009, PISA und Parteiprogrammatik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141735

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