Die Questione della lingua im Cinquecento


Hausarbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Dante und sein Werk De Vulgari Eloquentia

3. Die wichtigsten Modelle und ihre Vertreter
3.1 Das modern-gesamtitalienische Modell
3.1.1 Hauptvertreter
3.1.2 Hauptwerke
3.1.3 Modell der lingua cortigiana
3.2 Das modern-toskanische Modell
3.2.1 Hauptvertreter
3.2.2 Hauptwerke
3.2.3 Modell der fiorentinità contemporanea
3.3 Das archaisch-gesamtitalienische Modell
3.4 Das archaisch-toskanische Modell
3.4.1 Hauptvertreter
3.4.2 Hauptwerk
3.4.3 Modell der trecentisti

4. Durchsetzung des trecentisti-Modells
4.1 Gründe
4.2 Auswirkungen

5. Fazit

Literatur- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Wenn man Identität als ein Zusammenspiel aus Abgrenzung und Zugehörigkeitsgefühl versteht, dann kann Sprache definitiv als einer der wichtigsten Faktoren gesehen werden. Die Frage welche Varietät als überregionale Hoch- und Literatursprache die geeignete ist, damit sich alle Menschen des betroffenen Gebietes damit identifizieren können - und so eine Gemeinschaft basierend auf einem Zusammengehörigkeitsgefühl möglich ist -, wurde besonders im Gebiet des heutigen Italien über mehrere Jahrhunderte hinweg diskutiert.

Den Anfang nahm die Auseinandersetzung, als man sich zu fragen begann, welches Latein das korrekteste sei. Diese Fragestellung kann als Questione della lingua I aufgefasst werden. Als jedoch die Schere zwischen Latein als Schriftsprache und dem volgare als Sprechsprache immer weiter aufging, setzte ein neuer Diskurs darüber ein, ob denn nun das Latein zugunsten des volgare als Schriftsprache zurücktreten sollte. Dies kann als Questione della lingua II verstanden werden. Das Thema dieser Arbeit ist die Questione della lingua im Cinquecento. Diese Questione della lingua III ist die ausgeprägteste. Sie beschäftigt sich mit der Kontroverse, welches der unterschiedlichen volgari würdig ist als Hoch- bzw. Literatursprache überregional, also als Italienisch, Verwendung zu finden. Ausgelöst wurde sie vor allem durch die Tatsache, dass ab etwa 1470 Bücher in italienischer Sprache gedruckt und so schnell verbreitet wurden. Als Folge wurden verschiedene Sprachtheorien aufgestellt, die im Folgenden jeweils kurz vorgestellt werden. Kurz werde ich zuvor noch auf Dantes De Vulgari Eloquentia eingehen, da er sich in seinem Werk schon im 14. Jahrhundert mit der dann 300 Jahre später aufkommenden Thematik auseinandersetzt.

2. Dante und sein Werk De Vulgari Eloquentia

Dante Alighieri (*1265 in Florenz; † 14. September 1321 in Ravenna) war ein italienischer Dichter und Philosoph. Sein nur wenig offiziell dokumentiertes Leben erschließt man heute vor allem aus literarischen Aussagen oder Anspielungen in seinen Werken.1 Er wächst in seiner Geburtsstadt Florenz auf, seine Eltern sterben beide relativ früh und er heiratet ca. 1285 seine Verlobte Gemma di Manetto. Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor. Es wird vermutet, dass er eine teils private, teils klösterliche Ausbildung genoss, die ihm ein breites Allgemeinwissen vermittelte. Des Weiteren vertiefte er seine Ausbildung mittels Selbststudium in anderen Städten, wie z.B. Bologna.2 Etwa 1290 begann Dante auch politisch aktiv zu werden. Im Lauf der Zeit war er Mitglied mehrerer politischer Gremien von Florenz. Seine Entscheidung, sich den weißen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Dante Alighieri Guelfen anzuschließen und offen gegen den Papst zu agieren, führte letztlich zur Verbannung ins Exil (1302).3 In der folgenden Zeit hielt sich der Dichter als Gast an verschiedensten Orten in Italien, vermutlich aber auch in Paris, auf. Ab 1318 war er in Ravenna zunächst als Sekretär und später als Gesandter des Fürsten Guido da Polenta tätig. In dessen Auftrag besuchte er 1321 die Stadt Venedig, wo er vermutlich an Malaria erkrankte. Tatsächlich erlag er der Krankheit beinahe sofort nach seiner Rückkehr.4 Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen möchte ich jetzt nur auf Dantes wichtigstes Werk im Sinne der Fragestellung der Questione della lingua - nämlich De Vulgari Eloquentia (im Folgenden DVE) - eingehen.

De Vulgari Eloquentia ist ein sprachphilosophisch und -historisches Traktat, das die Frage zu beantworten versucht, welche die Dichtung betreffenden Möglichkeiten die Volkssprache (volgare) bietet. Dante schrieb DVE ca. 1303-05, kurz nach seiner Verbannung aus Florenz. Das Traktat blieb jedoch unvollendet; es bricht mitten im 14. Kapitel des zweiten von vier geplanten Büchern ab.5 Im ersten Buch findet sich zunächst ein Prolog für die gesamte Studie, in dem Dante unter anderem das volgare als natürliche, gottgegebene und überlegene Muttersprache vom künstlich geschaffenen und starren Latein als Kunstsprache abgrenzt.6 Dann folgt die Unterscheidung verschiedener Sprachgruppen sowie die Unterteilung des „italienischen Sprachraumes“ in 14 Dialekte.7 Die Ergebnisse dieser synchronischen Untersuchung gelten im Wesentlichen noch heute. Im zweiten Teil identifiziert er sukzessive die einzelnen Dialekte als ungeeignet8 als überregionale Volkssprache, bevor er dann konstruktiv definiert, wie seine Vision der idealen Volkssprache, dem „illustrem Ytalie […] loqualem“9 aussähe. Überraschender Weise erklärt er das Toskanische als besonders unzweckmäßig, ohne jedoch genauer zu erklären warum. Vermutlich jedoch aus Verbitterung über die eigene Verbannung. Die ideale Volkssprache10 soll, laut Dante, aus allen Städten Italiens stammen und volgare latium (ฬ Italienisch) heißen. Im zweiten Buch von DVE setzt er seine Untersuchungen fort und legt fest, dass nur herausragende Dichter diese Varietät verwenden sollen. Nebenbei liefert Dante noch eine kleine Zusammenfassung der mittelalterlichen volkssprachlichen Literatur und ihrer wichtigsten Autoren.11 Interessant ist die Tatsache, dass Dante das Traktat, in dem er die Volkssprache gegen die Gelehrtensprache Latein verteidigt und den Beweis für die Existenz einer italienischen gleichwertigen Nationalsprache sucht, auf Lateinisch verfasst.12 Für die Wahl der lingua franca gibt es drei Gründe: 1. Nur auf Lateinisch bestehen die von ihm benötigten Fachbegriffe. 2. Seine Schrift ist an ein Gelehrtenpublikum auch außerhalb Italiens gerichtet. 3. Die Abhandlung ist für universitäre Kreise gedacht. Bezeichnend ist auch, dass DVE keine weite Verbreitung fand, sondern zunächst vor allem auf Norditalien beschränkt blieb. Erst im 16. Jahrhundert, zur Zeit der klassischen Questione della lingua, erlangte das Traktat nennenswerte Bedeutung.13 Aufgrund seiner methodischen Vorgehensweise und allgemeinen Vorreiterrolle wird Dante heute nicht nur als padre della lingua gesehen, sondern auch als Gründungsvater der italienischen Sprachwissenschaft.14

3. Die wichtigsten Modelle und ihre Vertreter

Spricht man von der Questione della lingua im Cinquecento, ist meist die Rede von drei bzw. vier unterschiedlichen Modellen. Grundsätzlich kann man zwei Hauptgruppen unterscheiden, die sich dann in je zwei Alternativen aufspalten. Zunächst unterteilt man die Modelle bezüglich der Tatsache, ob sie ein modernes oder archaisches Sprachsystem zu Grunde legen. Der zweite Unterscheidungsfaktor ist die Propagierung entweder eines (gesamt-)italienischen oder eines toskanischen Konzepts. So ergeben sich vier unterschiedliche Ansätze: ein modern- gesamtitalienischer, ein modern-toskanischer, ein archaisch-gesamtitalienischer sowie ein archaisch-toskanischer.

3.1 Das modern-gesamtitalienische Modell

Das modern-gesamtitalienischen Modell meint die lingua cortigiana bzw. die lingua comune e italiana.

3.1.1 Hauptvertreter

Der wichtigste Verfechter des Modells der lingua cortigiana war Baldassare Castiglione (* 6. Dezember 1478 in Casatico bei Mantua; † 7. Februar 1529 in Toledo, Spanien).15 Sein Leben führte er als Höfling, Diplomat und Schriftsteller. Unter anderem war er tätig für bedeutende Herrscher wie den Herzog von Mailand (Ludovico Sforza), den Markgrafen von Mantua (Francesco Gonzagas) oder die Herzöge von Urbino; als Botschafter bereist er so ganz Europa.16 Stets hat er auch enge Verbindungen zum jeweiligen Papst und ist zum Zeitpunkt seines Todes sogar als päpstlicher Nuntius in Spanien. Seine Zeit an zahlreichen verschiedenen Höfen und die humanistische Ausbildung, die er als Sohn einer Adelsfamilie erhielt,17 beeinflussten entscheidend das Thema seines bedeutendsten Werkes. Sein vierbändiges Werk Il libro del

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Baldassare Castiglione

Cortegiano zählt heute zu den bedeutendsten Leistungen der italienischen Renaissanceliteratur.

Der zweite wichtige Vertreter dieses Modells ist Giangiorgio Trissino (* 8. Juli 1478 in Vicenza; † 1550 in Rom). Tätig war er als Botschafter, Dichter und Sprachforscher. Als Sohn einer Patrizierfamilie geboren, widmete er sich zunächst dem Studium des Griechischen und der Philosophie und bereiste dann ganz Italien. Prominente Unterstützung fand er in Papst Leo X., der ihn als Botschafter beschäftigte wie auch dessen Nachfolger Clemens III. Einen Großteil seines Lebens verbrachte Trissino in Padua, Mailand und Rom. Sein bekanntestes Werk ist die Tragödie Sofonisba (1524, Rom). Unter seinen anderen Werken findet sich auch sein Hauptbeitrag zur Questione della lingua: Il

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Giangiorgio Trissino Castellano.

3.1.2 Hauptwerke

In Il libro del cortegiano - dt. das Buch vom Hofmann - legt Castiglione seine Ansicht dar, wie der ideale Höfling bzw. die ideale Hofdame zu sein habe. Obwohl schon 1508-1516 verfasst, erscheint das Buch erst 1528 in Venedig. Mittels eines narrativen fiktiven Dialogs - unter anderem zwischen Pietro Bembo, Ludovico da Canossa, Bernardo da Bibbiena sowie Gasparo Pallavicino - lässt Castiglione unter dem Vorsitz zweier adliger Damen ausführlich darlegen, welche Qualitäten den idealen Hofmann sowie die vollendete Hofdame ausmachen. Unter diesem Hauptthema widmet er sich auch der in seinen Augen im Umgang mit dem Adel angemessenen Sprachvarietät.18 Schon in der Einleitung, einem Widmungsbrief, verteidigt Castiglione sich gegen Vorwürfe, nicht die archaische Sprache Boccaccios angewandt zu haben. Er gibt zu verstehen, dass er viel mehr Sinn darin sieht, eine aktuelle internationale Mischsprache zu verwenden als das hochgelobte, aber veraltete Toskanisch.19 Tatsächlich fand sein Werk geradezu reißerischen Absatz in ganz Europa: bis Ende des 16. Jahrhunderts gab es schon 40 italienische Ausgaben; 1537 wurde es ins Französische, 1549 ins Spanische und 1565 ins Deutsche übersetzt.20

[...]


1 vgl. PRILL, U. (1999): Dante, S.1

2 vgl. PRILL, U. (1999), S.9/10 und 12

3 vgl. PRILL, U. (1999), S.13/14

4 vgl. PRILL, U. (1999), S.15/16

5 vgl. PRILL, U. (1999), S.87/88

6 vgl. PRILL, U. (1999), S.91

7 vgl. PRILL, U. (1999), S.93

8 Untersuchungskriterien sind Eigenarten und Verbreitung der Dialekte

9 PRILL, U. (1999), S.94

10 illustre, cardinale, aulicum et curiale volgare in Latio

11 vgl. PRILL, U. (1999), S.94-97

12 vgl. PRILL, U. (1999), S.88/89

13 vgl. PRILL, U. (1999), S.99/100

14 vgl. PRILL, U. (1999), S.96

15 vgl. F.A. BROCKHAUS (1997): dtv Lexikon, Band 3. S.197

16 vgl. WESSELSKI, A. (1907): Der Hofmann des Grafen Baldesar Castiglione. S.5-8

17 vgl. WESSELSKI, A. (1907), S.5 und 9-11

18 vgl. WESSELSKI, A. (1907), S.13

19 vgl. WESSELSKI, A. (1907), S.20/21

20 vgl. WESSELSKI, A. (1907), S.12

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Questione della lingua im Cinquecento
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar Sprache und Identität (it.)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V141807
ISBN (eBook)
9783640495900
ISBN (Buch)
9783640495955
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Questione della lingua, Dante Alighieri, De Vulgari Eloquentia, lingua cortigiana, lingua comune e italiana, Baldassare Castiglione, Giangiorgio Trissino, Il libro del cortegiano, Il Castellano, fiorentinità contemporanea, fiorentinismo vivo e popolare, Niccolò Machiavelli, Claudio Tolomei, Dialogo intorno alla nostra lingua, Il polito, Il Cesano, lingua composita, Girolamo Muzio, Pietro Bembo, Prose della volgar lingua, trecentisti, trecorone, Italienisch
Arbeit zitieren
Dorothea Bernhard (Autor:in), 2009, Die Questione della lingua im Cinquecento, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141807

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