Die Analyse eines über 87 Jahre zurückliegenden Strafprozesses aus der NS-Diktatur in Deutschland zeigt, wohin damals eine ehrliche Meinungsäußerung und Mitleidsbekundung gegenüber an Juden begangenem Unrecht führen konnte: in die Fänge der Geheimen Staatspolizei.
Bei der Familienforschung bin ich überraschenderweise auf eine im Generallandesarchiv Karlsruhe liegende Strafprozessakte über meinen Großvater Heinrich Kumpf gestoßen. Weil er sich öffentlich über Juden angetanes Unrecht empörte, wurde ihm im Dritten Reich ein "Vergehen nach § 1 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20.12.1934" vorgeworfen.
Nur knapp entging er den Folterkammern der Geheimen Staatspolizei und dem Konzentrationslager. Die im Jahr 1936 noch wirkende Scham der NS-Diktatur vor der Weltöffentlichkeit, die sich ab dem 6. Februar in der Durchführung der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen und in der Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele in Berlin befand, mag das Äußerste verhindert haben. Die Ermittlungen dauerten vom 7. Februar bis zum 15. Mai 1936 und wurden schließlich eingestellt.
Dieser Bericht ist ein Auszug aus dem größeren Werk "Tuchfabrik Georg Wilhelm Kumpf und Wollfabrik Adam Kumpf. Industrie- und Familiengeschichte in Beerfelden und Erbach im Odenwald von 1842 bis 1973".
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I Fünfundachtzig Jahre Pogromnacht
- II Ein familiengeschichtliches Ereignis
- III Ein Gespräch am 6. Februar 1936
- IV Das Protokoll der Anzeige
- V Vernehmung der Zeugen
- VI Vernehmung des Kaufmanns Heinrich Kumpf
- VII Gegenüberstellungen
- VIII Geheime Staatspolizei Gießen
- IX Geheime Staatspolizei Ansbach
- X Einstellung des Verfahrens
- XI Gedanken des Enkels 2023
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text zeichnet die Geschichte des Strafprozesses gegen den Kaufmann Heinrich Kumpf im Dritten Reich nach. Kumpf wurde wegen seiner öffentlichen Kritik an der Behandlung von Juden angeklagt. Der Autor beleuchtet die historischen Hintergründe des Prozesses und zeigt auf, wie die NS-Diktatur mit der Ausgrenzung und Verfolgung von Juden umging.
- Zivilcourage im NS-Staat
- Die Pogromnacht und ihre Folgen
- Die Verfolgung und Ermordung von Juden im Dritten Reich
- Der Umgang der NS-Diktatur mit Kritikern
- Die Bedeutung von Erinnerung und Geschichtsbewusstsein
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den historischen Hintergrund des Strafprozesses gegen Heinrich Kumpf vor und erklärt, wie der Autor auf die entsprechenden Dokumente gestoßen ist.
- I Fünfundachtzig Jahre Pogromnacht: Dieses Kapitel beleuchtet die aktuelle Debatte um die Ausgrenzung von Juden in Deutschland und setzt diese in den historischen Kontext der Pogromnacht von 1938 und des Holocaust.
- II Ein familiengeschichtliches Ereignis: Dieses Kapitel beschreibt ein Ereignis aus der Familiengeschichte des Autors, das aufzeigt, wie schon zu Beginn des NS-Regimes jüdische Geschäftspartner aus dem öffentlichen Leben verschwanden und wie Heinrich Kumpf mit seiner Kritik an dieser Entwicklung umging.
- III Ein Gespräch am 6. Februar 1936: Dieses Kapitel schildert ein Gespräch zwischen Heinrich Kumpf und einem Nachbarn, in dem Kumpf seine Meinung über die Politik der Nationalsozialisten zum Ausdruck bringt.
- IV Das Protokoll der Anzeige: In diesem Kapitel wird das Protokoll der Anzeige gegen Heinrich Kumpf vorgestellt, das von einem Nachbarn und einem Mitglied der NSDAP verfasst wurde.
- V Vernehmung der Zeugen: Hier werden die Vernehmungen der Zeugen im Strafprozess gegen Heinrich Kumpf zusammengefasst.
- VI Vernehmung des Kaufmanns Heinrich Kumpf: Dieses Kapitel beschreibt die Vernehmung des Kaufmanns Heinrich Kumpf durch die Geheime Staatspolizei.
- VII Gegenüberstellungen: In diesem Kapitel werden die Gegenüberstellungen zwischen Heinrich Kumpf und den Zeugen des Strafprozesses zusammengefasst.
- VIII Geheime Staatspolizei Gießen: Dieses Kapitel schildert die Arbeit der Geheimen Staatspolizei in Gießen im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen Heinrich Kumpf.
- IX Geheime Staatspolizei Ansbach: Hier wird die Arbeit der Geheimen Staatspolizei in Ansbach im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen Heinrich Kumpf beschrieben.
- X Einstellung des Verfahrens: Dieses Kapitel behandelt die Einstellung des Strafprozesses gegen Heinrich Kumpf.
Schlüsselwörter
Der Text beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Zivilcourage im NS-Staat, der Verfolgung und Ermordung von Juden im Dritten Reich, der NS-Propaganda und der Bedeutung von Erinnerung und Geschichtsbewusstsein. Wichtige Begriffe sind dabei die Pogromnacht, die Geheime Staatspolizei, die NSDAP, der Holocaust und die Ausgrenzung von Juden. Die Geschichte von Heinrich Kumpf verdeutlicht die Gefahren, die von einem autoritären Regime ausgehen und die Wichtigkeit, sich gegen Unrecht zu stellen.
- Arbeit zitieren
- Gert Heinz Kumpf (Autor:in), Zivilcourage 1936. Ein Strafprozess gegen den Kaufmann Heinrich Kumpf wegen Einsatzes für Juden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1418087