Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Stück „Der Besuch der alten Dame“ von
Friedrich Dürrenmatt. Dabei sollen insbesondere die im Stück auftretenden
Konflikte, sowohl Konflikte zwischen den einzelnen handelnden Personen als auch
eventuelle innere Konflikte, die nur eine Person betreffen, im Mittelpunkt der
Betrachtungen stehen. Es soll die Frage gestellt werden, ob und wie diese Konflikte
gelöst werden. Bei der Untersuchung der Konflikte und Konfliktlösungen werden
auch dramentheoretische Gesichtspunkte berücksichtigt, in diesem Fall die
Merkmale der Komödie und der komischen Konfliktlösungen.
Um jedoch diese Aspekte berücksichtigen zu können, ist es unvermeidlich, sich
zunächst mit Friedrich Dürrenmatts Komödientheorie zu befassen. Dies ist im
Zusammenhang mit dem „Besuch der alten Dame“ besonders interessant, weil
Dürrenmatt sein Stück im Untertitel als eine „tragische Komödie“ bezeichnet und es
daher auch notwendig ist, das Werk sowohl nach komischen als auch nach tragischen
Elementen zu untersuchen.
Deshalb steht zu Beginn der Arbeit eine Zusammenfassung einiger dramaturgischer
Gedanken von Dürrenmatt, die ich bei der Analyse des Stückes für relevant halte.
Anschließend werde ich kurz die Handlung zusammenfassen und auf die wichtigsten
Charaktere der Komödie und auf die einzelnen Konflikte eingehen. Am Schluss steht
die Frage, ob und wie sich Dürrenmatts komödientheoretische Ausführungen im
„Besuch der alten Dame“ wiederfinden.
1 Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dame. Eine tragische Komödie. In: Dürrenmatt,
Friedrich: Werkausgabe. Band 5. Zürich 1980
Inhalt
1. Gegenstand und Ziel der Analyse
2. Friedrich Dürrenmatts Komödienbegriff
2.1 Der Stellenwert der Tragödie im 20. Jahrhundert
2.2 Die Komödie im 20. Jahrhundert
2.3 Die Funktion des Grotesken
3. Analyse des Stücks
3.1 Kurze Zusammenfassung des Inhalts
3.2 Personen und Konflikte
3.2.1 Ill
3.2.2 Claire Zachanassian
3.2.3 Die Güllener
3.3 Der zentrale Konflikt: Humanistische Traditionen und kapitalistische Wirtschaft
3.4 Komische Elemente
4. „Der Besuch der alten Dame“ als Weltkomödie
5. Literaturverzeichnis
1. Gegenstand und Ziel der Analyse
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Stück „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt.[1] Dabei sollen insbesondere die im Stück auftretenden Konflikte, sowohl Konflikte zwischen den einzelnen handelnden Personen als auch eventuelle innere Konflikte, die nur eine Person betreffen, im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Es soll die Frage gestellt werden, ob und wie diese Konflikte gelöst werden. Bei der Untersuchung der Konflikte und Konfliktlösungen werden auch dramentheoretische Gesichtspunkte berücksichtigt, in diesem Fall die Merkmale der Komödie und der komischen Konfliktlösungen.
Um jedoch diese Aspekte berücksichtigen zu können, ist es unvermeidlich, sich zunächst mit Friedrich Dürrenmatts Komödientheorie zu befassen. Dies ist im Zusammenhang mit dem „Besuch der alten Dame“ besonders interessant, weil Dürrenmatt sein Stück im Untertitel als eine „tragische Komödie“ bezeichnet und es daher auch notwendig ist, das Werk sowohl nach komischen als auch nach tragischen Elementen zu untersuchen.
Deshalb steht zu Beginn der Arbeit eine Zusammenfassung einiger dramaturgischer Gedanken von Dürrenmatt, die ich bei der Analyse des Stückes für relevant halte. Anschließend werde ich kurz die Handlung zusammenfassen und auf die wichtigsten Charaktere der Komödie und auf die einzelnen Konflikte eingehen. Am Schluss steht die Frage, ob und wie sich Dürrenmatts komödientheoretische Ausführungen im „Besuch der alten Dame“ wiederfinden.
2. Friedrich Dürrenmatts Komödienbegriff
2.1 Der Stellenwert der Tragödie im 20. Jahrhundert
Friedrich Dürrenmatt geht zunächst von der These aus, dass die klassische aristotelische Tragödie nicht mehr dazu geeignet ist, das Leben im 20. Jahrhundert darzustellen. Er begründet dies mit dem Wegfall der Voraussetzungen der klassischen Tragödie. Diese ging von einer Gesellschaft aus, in der sich das Leben der Menschen an religiösen und mythischen Maßstäben orientierte. Diese religiös geprägte Welt betrachtet Dürrenmatt als unvermeidlich für die Tragödie, da sie eine überschaubare und an geistigen und religiösen Werten ausgerichtete Gemeinschaft darstellte, die mit der ebenfalls auf religiösen, mythischen und auch moralischen Vorstellungen basierenden Dramenform der Tragödie problemlos auf der Bühne wiedergegeben werden konnte. Diese Voraussetzung ist jedoch seit dem Wegfall der metaphysischen Sinngebung im 19. Jahrhundert nicht mehr gegeben.[2]
Ein weiterer Grund dafür, dass nach Dürrenmatt die Tragödie für die Darstellung unserer Zeit nicht mehr angebracht ist, ist der Mangel an tragischen Helden. Nach klassischem Verständnis zeichnet sich ein Held dadurch aus, dass er für sein Verhalten, dass ihn letztendlich in die Katastrophe führt, Verantwortung und Schuld auf sich nimmt und durch seinen Tod die weltliche und geistige Ordnung wieder hergestellt wird und die Konflikte der Tragödie gelöst werden. Bei diesen Helden handelt es sich um mächtige und in der Gesellschaft hochstehende Persönlichkeiten wie z. B. Staatsmänner. Nach Dürrenmatts Auffassung war jedoch der letzte Staatsmann, der sich als Held einer Tragödie eignen würde, Napoleon. Danach beschreibt er die Macht dieser Personen als zu monströs und überdimensional, um sie in einer Tragödie darzustellen. Das Handeln der mächtigen Personen hat zu schwerwiegende und unüberschaubare Konsequenzen, so dass es einem Helden nicht mehr möglich ist, die Verantwortung und die Schuld dafür auf sich zu nehmen und dadurch die Ordnung wieder herzustellen. Als Beispiele für diese überdimensionale Macht führt er Hitler und Stalin an. Dürrenmatt sieht im 20. Jahrhundert nicht mehr die Möglichkeit, einzelnen Menschen die Schuld für Katastrophen zuzuweisen, er ist eher der Auffassung, dass in unserer Zeit eine kollektive Schuld aller Menschen vorliegt: „In der Wurstelei unseres Jahrhunderts, diesem Kehraus der weißen Rasse, gibt es keine Schuldigen und auch keine Verantwortlichen mehr. Alle können nichts dafür und haben es nicht gewollt. (...) Wir sind zu kollektiv schuldig, zu kollektiv gebettet in die Sünden unserer Väter und Vorväter. Wir sind nur noch Kindeskinder.“[3]
Die Helden sind nur noch „äußere Ausdrucksformen“[4] der Macht und daher austauschbar, Dürrenmatt betrachtet Einzelschicksale im Vergleich mit den widersprüchlichen und verschlungenen Konflikten unserer Zeit als verschwindend klein und behauptet, dass es nicht mehr möglich sei, die Macht darzustellen, sondern dass das Theater allenfalls noch die Opfer dieser Macht und der unüberschaubaren Konflikte erfassen könne.
2.2 Die Komödie im 20. Jahrhundert
Aus den oben aufgeführten Gründen ist für Dürrenmatt die Komödie die einzig mögliche Theaterform im 20. Jahrhundert. Ihre Aufgabe muss es sein, die unüberschaubare moderne Welt auf die Bühne zu bringen. Mit welchen Mitteln und mit welchen Absichten er dies erreichen will, soll in diesem Kapitel kurz behandelt werden.
Das Vorbild für Dürrenmatts Komödienbegriff ist Aristophanes. Mit seinen zeitkritischen Komödien hat er Dürrenmatt stark beeinflusst. Was die Komödien des Aristophanes für ihn von den Stücken anderer griechischer Dramatiker unterscheidet ist der „Einfall“,[5] der auch in Dürrenmatts Stücken eine große Rolle spielt. Aristophanes bezieht sich in seinen Komödien nicht auf bekannte historische oder mythologische Stoffe, seine Stücke zeigen eine erfundene Handlung. Mit dieser Handlung stellt er allerdings stets einen Zusammenhang mit der politischen und gesellschaftlichen Realität seiner Zeit her: „Diese Komödien sind Eingriffe in die Wirklichkeit, denn die Personen, mit denen sie spielen und die sie auftreten lassen, sind keine abstrakten, vielmehr gerade die konkretesten, die Staatsmänner, Philosophen, Dichter und Feldherren der damaligen Zeit.“[6] Darum bezeichnet Dürrenmatt den Einfall als die Kraft, die Wirklichkeit in eine Komödie zu verwandeln. Der Einfall führt dazu, dass die Komödie in einer erfundenen Handlung die Gesellschaft wiederspiegelt.
Diese von Dürrenmatt bevorzugte Form der Komödie erzeugt Komik durch die Handlung, nicht durch Charaktereigenschaften der handelnden Personen. Dabei wird die erfundene und paradoxe Handlung, die die Welt in ihrer Widersprüchlichkeit spiegeln soll, bis zu einem möglichen Schluss durchgespielt, bei Dürrenmatt ist dabei die Wendung zur Komödie der schlimmstmögliche Ausgang einer Geschichte. Die Komödie spielt zwar mit einzelnen Personen und Charakteren und zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus der Realität, sie stellt aber immer ein Weltmodell dar.
Der Sinn dieser Weltkomödie ist es, dem Zuschauer Übersicht über eine unübersichtliche Welt zu ermöglichen. Die komische und paradoxe Handlung schafft eine Distanz, die dem Zuschauer die Freiheit lassen soll, über die gezeigte Handlung und damit über die Welt zu lachen oder auch nachdenklich zu werden. Durch diese Distanz findet keine Einfühlung in die Helden (keine Katharsis wie bei Aristoteles) statt. Die Inszenierung paradoxer und unwahrscheinlicher Vorgänge auf der Bühne verhindert die Einfühlung in die Helden, darum ist keine Verfremdung der Handlung wie etwa bei Brecht notwendig.
2.3 Die Funktion des Grotesken
In Dürrenmatts Komödien spielt bei der Darstellung der widersprüchlichen Vorgänge auf der Bühne das Groteske eine große Rolle, ein Begriff, der ursprünglich aus der Malerei stammt. Er unterscheidet zwei Arten des Grotesken. Das Groteske, das Furcht und absonderliche Gefühle auslöst, und das Groteske, das bei der Darstellung der Gegenwart Distanz zur Handlung schafft. Im Gegensatz zur Tragödie, die in der Vergangenheit spielt und diese Vergangenheit durch die Überwindung von Distanz vergegenwärtigt, dient das Groteske dazu, Distanz zu einer Handlung zu erzeugen, die in der Gegenwart spielt. Die groteske Darstellung erregt sowohl Erheiterung als auch Furcht. Dadurch ist das Groteske ein objektivierendes Darstellungsmittel. Im Gegensatz zur Paradoxie bedarf der Groteske Effekt eines Vergleichs mit der Wirklichkeit. Der Einfall verwandelt die Wirklichkeit zur Groteske, das Groteske wird zum „Gesicht einer gesichtslosen Welt.“[7]
3. Analyse des Stückes
3.1 Kurze Zusammenfassung des Inhalts
Das Städtchen Güllen, völlig verarmt und scheinbar von der Welt vergessen, steht im Mittelpunkt des Stückes. Die Bürger warten mit großer Hoffnung auf den Besuch der alten Dame Claire Zachanassian, die in Güllen aufgewachsen ist und durch die Heirat mit einem Milliardär zu Reichtum gekommen ist. Die Bürger von Güllen erhoffen sich finanzielle Hilfe von ihrer früheren Mitbürgerin, um Güllen wieder zu einer blühenden und reichen Stadt machen zu können. Es stellt sich heraus, dass Claire Zachanassian der Stadt eine Milliarde schenken will. Diese Zuwendung knüpft sie jedoch an die Bedingung, dass Ill, der Krämer von Güllen, von seinen Mitbürgern umgebracht werden soll. Er hatte als junger Mann ein Liebesverhältnis mit Claire und hat, als sie ein Kind von ihm erwartete, seine Vaterschaft abgestritten und bei einem Prozess mit Hilfe zweier falscher Kronzeugen den vermeintlichen Beweis erbracht, dass er nicht der Vater des Kindes sei. Claire will sich mit Hilfe ihres Reichtums nachträgliche Gerechtigkeit und eine späte Rache an ihrem ehemaligen Geliebten erkaufen. Obwohl die Bürger auf ihre Forderung zunächst empört und ablehnend reagieren, fühlt sich Ill bald bedroht, weil die Bewohner von Güllen anfangen, auf Kredit teure Waren bei ihm einzukaufen und der Wohlstand in der Stadt immer größer wird. Seine Versuche, bei der Polizei, der Kirche und dem Bürgermeister Schutz zu finden, werden nicht ernstgenommen. Als die Bürger erfahren, dass Claire Güllen aufgekauft hat und für den wirtschaftlichen Niedergang der Stadt verantwortlich ist, ist Ills Schicksal besiegelt. Er wird am Ende ermordet und die Stadt steigt zu Ruhm und Wohlstand auf. Ills Ermordung wird für die Presse als natürlicher Tod inszeniert, es wird als sein Verdienst dargestellt, dass sich Claire im Rahmen einer Stiftung, die Ill ins Leben gerufen habe, der Stadt finanziell zugewandt hätte.
3.2 Personen und Konflikte
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten handelnden Personen in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ und die zentralen Konflikte des Stückes näher betrachtet werden. Ich werde mich dabei auf die beiden wohl wichtigsten Charaktere des Stückes, Claire Zachanassian und Ill, besonders konzentrieren. Auch das Bildungsbürgertum der Stadt Güllen und die übrigen Bürger der Stadt verdienen eine genauere Untersuchung, da sie zwar nicht unbedingt als einzelne Charaktere, dafür aber in ihrer Gesamtheit und Geschlossenheit große Bedeutung für den Verlauf der Handlung haben.
[...]
[1] Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dame. Eine tragische Komödie. In: Dürrenmatt, Friedrich: Werkausgabe. Band 5. Zürich 1980
[2] Vgl. Mayer, Sigrid: Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt am Main 1981. S. 7
[3] Dürrenmatt, Friedrich: Theaterprobleme. In: Dürrenmatt, Friedrich: Werkausgabe. Band 24, S. 31-72. Zürich 1980. S. 62
[4] Mayer, Sigrid: Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt am Main 1981. S. 5
[5] Vgl. Dürrenmatt, Friedrich: Anmerkung zur Komödie. In: Dürrenmatt, Friedrich: Werkausgabe. Band 24, S. 20-25. Zürich 1980.
[6] Ebenda, 26
[7] Mayer, Sigrid: Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt am Main 1981. S. 13
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