Sexarbeit ist ein Thema, das in akademischen Disziplinen, ebenso wie in moralischen, feministischen und soziokulturellen Diskursen stark umstritten ist. Die Debatten darüber reichen von der unfreiwilligen Ausübung der Sexarbeit, Menschenhandel und Unterdrückung bis hin zur Selbstermächtigung, Empowerment und Kampf um Arbeitsrechte. Im alltäglichen Diskurs hingegen ist Sexarbeit primär eins: Ein sehr großes Tabuthema – die Stigmatisierung und Marginalisierung Sexarbeitender, die damit einhergeht, ist evident. Einen Grund dafür sehe ich in der Abweichung der Sexarbeit von heteronormativen Vorstellungen in der Gesellschaft, die den Idealzustand von Sexualität als heterosexuell, monogam, unentgeltlich, ehelich und beschränkt auf den privaten Bereich konstruieren. Auch queere Lebensweisen stellen einen Bruch mit heteronormativen Vorstellungen dar und werden gesetzlich, sowie gesellschaftlich bis heute abgewertet. Die Verschränkung dieser beiden Abweichungsformen von der Heteronormativität soll in dieser Arbeit behandelt werden.
Durch meine erste Recherche bemerkte ich, dass Sexarbeit – sei es in politischen, wie auch in akademischen Debatten – fast immer als heterosexuell, beziehungsweise als Dienstleistung beschrieben wird, die cis Frauen für cis Männer anbieten. Queere Sexarbeit hingegen wird kaum thematisiert. Daher soll in dieser Bachelorarbeit das Thema Sexarbeit aus einer queeren Perspektive, die über die Heteronormativität hinausgeht, beforscht werden. Diese Sichtweise soll die Möglichkeit eröffnen, die Fluidität von Geschlechtern, Geschlechterrollen und Sexualität zu erforschen und gleichzeitig einen Raum für die Auseinandersetzungen und Herausforderungen nicht-heteronormativer Diskurse in und über Sexarbeit bieten.
Die Arbeit zielt aber darauf ab, nicht bei einer queeren Perspektive stehenzubleiben, sondern sich der Thematik aus einer queer-anthropologischen Sichtweise zu nähern. Die Kultur- und Sozialanthropologie interessiert sich seit jeher dafür, wie normative Konzepte kulturelle Symbole beeinflussen und Bedeutungszuschreibungen dadurch generiert werden. Auch soziale hierarchische Beziehungen und Machtungleichheiten werden in diesem Kontext schon lange thematisiert. Wie sich das Interesse an Sexualität(en) im Laufe der Zeit in der Disziplin der Kultur- und Sozialanthropologie verändert hat, und schließlich ein Blickwinkelwechsel in Richtung der Queer Theory stattfand, soll schließlich ebenfalls eruiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Forschungsleitende Fragen
- 1.2. Stellenwert des Themas und persönlicher Zugang
- 1.3. Methodik
- 2. Gesellschaftliche Kontextualisierung von Sexarbeit
- 2.1. Geschichtliche und rechtliche Aspekte von Sexarbeit
- 2.2. Zwischen patriarchaler Ausbeutung und Selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten
- 2.2.1. Contra Prostitution
- 2.2.2. Pro Sexarbeit
- 3. Die Queer Theory
- 3.1. Entstehung der Queer Theory
- 3.2. Theorie von Foucault
- 3.3. Theorie und Relevanz von Judith Butler
- 3.4. Theorie von Rubin
- 4. Einführung in die Gender- und Queere Anthropologie
- 4.1. Die Anthropologie und ihr Interesse an Gender
- 4.2. Die Anthropologie und das Interesse an Sexualität
- 4.3. New Queer Anthropology und Critical Queer Studies
- 5. Analyse der Sexarbeit durch die Perspektive der New Queer Anthropology
- 5.1. Ist Sexarbeit queer?
- 5.2. Mehrfachdiskriminierung und Stigmatisierung in der (queeren) Sexarbeit
- 5.3. Zu den subversiven Potentialen der (queeren) Sexarbeit
- 6. Conclusio
- 7. Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelorarbeit befasst sich mit dem Thema Sexarbeit aus einer queer-anthropologischen Perspektive. Ziel ist es, die Fluidität von Geschlechtern, Geschlechterrollen und Sexualität im Kontext der Sexarbeit zu untersuchen und die Herausforderungen nicht-heteronormativer Diskurse in diesem Bereich zu beleuchten. Besonderer Fokus liegt dabei auf dem Konzept der New Queer Anthropology, die Queer als Analysekategorie für alles Überschreitende und alles „Fremde“ betrachtet.
- Stigmatisierung und Selbstbestimmung in der Sexarbeit
- Mehrfachdiskriminierung von Sexarbeiter*innen aus einer queeren Perspektive
- Subversive Potenziale der (queeren) Sexarbeit
- Die Bedeutung der New Queer Anthropology für die Analyse von Sexarbeit
- Die Rolle von Heteronormativität und ihre Auswirkungen auf die Sichtbarkeit von queerer Sexarbeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das Thema Sexarbeit als ein Tabuthema vor, das im alltäglichen Diskurs stark stigmatisiert wird. Die Heteronormativität spielt eine wichtige Rolle bei der Marginalisierung von Sexarbeitenden, da sie von den gesellschaftlichen Vorstellungen von Sexualität abweicht. Die Bachelorarbeit soll die Sexarbeit aus einer queeren Perspektive betrachten und die Fluidität von Geschlechtern, Geschlechterrollen und Sexualität erforschen.
- Kapitel 2: Gesellschaftliche Kontextualisierung von Sexarbeit: Dieses Kapitel beleuchtet die geschichtlichen und rechtlichen Aspekte von Sexarbeit und die Debatten um das Thema im Feminismus. Es werden verschiedene Positionen, sowohl "Contra Prostitution" als auch "Pro Sexarbeit", vorgestellt.
- Kapitel 3: Die Queer Theory: Dieses Kapitel befasst sich mit der Entstehung und den wichtigsten Theorien der Queer Theory, darunter die Theorien von Foucault, Judith Butler und Rubin. Die Arbeit zeigt auf, wie diese Theorien ein Verständnis von Geschlechterrollen und Sexualität ermöglichen, das über die Heteronormativität hinausgeht.
- Kapitel 4: Einführung in die Gender- und Queere Anthropologie: Dieses Kapitel beleuchtet das Interesse der Anthropologie an Gender und Sexualität und zeigt die Entwicklung von einem traditionellen Blickwinkel hin zur Queer Theory auf. Die Arbeit fokussiert auf die New Queer Anthropology und die Critical Queer Studies, die Queer als Analysekategorie für alles Überschreitende verstehen.
- Kapitel 5: Analyse der Sexarbeit durch die Perspektive der New Queer Anthropology: Dieses Kapitel untersucht die Frage, ob Sexarbeit queer ist und welche Aspekte der Mehrfachdiskriminierung und der subversiven Potenziale sich aus der Perspektive der New Queer Anthropology ergeben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Sexarbeit, Queer Theory, New Queer Anthropology, Gender, Sexualität, Heteronormativität, Stigmatisierung, Selbstbestimmung, Mehrfachdiskriminierung und subversiven Potentialen. Sie befasst sich mit der Analyse von Sexarbeit aus einer queer-anthropologischen Perspektive und untersucht die Bedeutung des Themas in verschiedenen Disziplinen, wie z. B. der Soziologie, der Anthropologie und dem Feminismus. Die Arbeit beleuchtet die vielfältigen Aspekte von Sexarbeit und zeigt die Notwendigkeit einer sensiblen und kritischen Auseinandersetzung mit diesem komplexen Thema.
- Arbeit zitieren
- Lena Mittendorfer (Autor:in), 2023, Das Thema Sexarbeit aus dem Blickwinkel der queeren Anthropologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1419709