Ausgehend von einem am 12. August 2006 veröffentlichten Interview Günter Grass' durch Frank Schirrmacher von der FAZ, in dem Grass den Inhalt und die Intention seines neuesten Buches „Beim Häuten der Zwiebel“ erläutert, kommt es, auch verursacht durch die Art der Inszenierung und Schwerpunktverlagerung auf das Detail der Waffen-SS, zu einer heftig geführten Kontroverse. Die überreichlich gebrauchten Schlagworte in den Meinungsbeiträgen der Printmedien, darunter solche wie moralische Autorität, Eitelkeit, Marketing, Vergangenheitsbewältigung und die Verletzung eigener Maßstäbe, implizieren bereits die Doppelbödigkeit der Debatte.
Einerseits gibt es eine Oberfläche, die, ausgehend von dem Medienereignis, eine rigoros geführte Auseinandersetzung darstellt und sich immer direkt auf Günter Grass' Bekenntnis bezieht. Auf der anderen Seite veranschaulicht die Art der Kontroverse tiefer liegende Phänomene wie die Generationsproblematik, Debattenkultur und der Umgang mit moralischen Leitfiguren, die es in dieser Arbeit zu untersuchen gilt. Der Autor der Arbeit beabsichtigt nicht, die Frei- beziehungsweise Unfreiwilligkeit des Beitritts Günter Grass' zur Waffen-SS zu thematisieren, da Vergangenheit wie Erinnerung individuell differenziert werden will. Ebenso wenig wird versucht zu mutmaßen, ob es sich um Frei- beziehungsweise Unfreiwilligkeit beim späten Entschluss zum Bekenntnis handelt, angesichts der Vorwürfe, Historiker hätten in naher Zukunft womöglich die Mitgliedschaft aufgedeckt. Sofern es der Arbeit gelingen soll, bisher wenig beachtete Ansichten und Bezüge aufzuzeigen, kann es auch nicht mein Anspruch sein, mich nur zu einem der vielen Debattenteilnehmer zu machen.
Vielmehr jedoch widmet sich die nachfolgende Abhandlung in der strukturellen Abfolge kohärenter Themenkomplexe einigen der im Übermaß verwendeten Schlagworte des Spätsommers 2006: Moral, Generationen und Political Correctness.
Die Analyse zahlreicher Stellungnahmen zu Grass' Geständnis anlässlich der Veröffentlichung seines Buches „Beim Häuten der Zwiebel“ sowie die Enthüllungen von bisher unbekannten biografischen Materials eines Erwin Strittmatter, Dieter Wellershoff, Milan Kundera oder eines Karl-Heinz Kurras macht eine charakteristische Debattenkultur offensichtlich, deren Leitmotive die Tabuisierung und die Moralisierung scheinen. Grass wirkt in dieser Debatte auch als Katalysator und hält wie so oft den Spiegel vor. Wenn wir hineinzusehen verstehen, sehen wir vielleicht anders.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Beschreibung des Ereignisses und Symptome
- 1.2 Problembestimmung durch Thesen und Eingrenzung
- 1.3 Begründung und Vorgehensweise
- 2. Über Autobiografien und Biografien
- 2.1 Über Arten und Motive von Autobiografien
- 2.2 Einordnung des Buches „Beim Häuten der Zwiebel“
- 2.3 Was geschrieben stand- biografische Darstellungen der Vitas Grass
- 2.4 Vermeintliche biografische Selbstdarstellungen in Grass' Werken
- 3. Eine kurze Geschichte der Waffen-SS
- 4. Begriffsbestimmung „Vergangenheitsbewältigung“ und Grass' Position
- 5. Ein Generationenmodell
- 6. Zwischenfazit
- 7. Die Stationen der Auf- und Verarbeitung des Nationalsozialismus im Zusammenhang mit dem Lebensweg Grass' und des Generationenmodells
- 8. Die mediale Debatte
- 8.1 Chronik
- 9. Die Zwiebel als Motiv- im Selbstversuch zum Kern der Debatte
- 10. Was bleibt
- 11. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelorarbeit analysiert die Debatte um Günter Grass' Zugehörigkeit zur Waffen-SS, die im Jahr 2006 durch sein Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ ausgelöst wurde. Sie befasst sich mit den verschiedenen Aspekten der Debatte, den Reaktionen in der Öffentlichkeit und den Reaktionen von Grass selbst.
- Die Rolle der Autobiografie in der öffentlichen Debatte
- Der Einfluss von Grass' Vergangenheit auf sein literarisches Werk
- Die mediale Konstruktion von Schuld und Verantwortung
- Die Debatte um Vergangenheitsbewältigung in Deutschland
- Das Generationenmodell im Kontext der deutschen Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Ereignis beschreibt, das die Debatte ausgelöst hat und die Problematik einführt. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Thema der Autobiografie, seiner verschiedenen Formen und dem Verhältnis von Autobiografie und Biografie. Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Geschichte der Waffen-SS. Kapitel 4 befasst sich mit dem Begriff der Vergangenheitsbewältigung und Grass' Position in dieser Debatte. Kapitel 5 stellt ein Generationenmodell vor, das die verschiedenen Generationen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg kategorisiert und deren Beziehung zur Vergangenheit beleuchtet. Kapitel 6 fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen. Kapitel 7 untersucht die Stationen der Auf- und Verarbeitung des Nationalsozialismus im Zusammenhang mit Grass' Lebensweg und dem Generationenmodell. Kapitel 8 behandelt die mediale Debatte um Grass' Zugehörigkeit zur Waffen-SS und präsentiert eine chronologische Übersicht der Ereignisse. Kapitel 9 beschäftigt sich mit dem Motiv der Zwiebel in Grass' Buch und zeigt dessen symbolische Bedeutung. Kapitel 10 fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt Schlüsselwörter wie Autobiografie, Biografie, Waffen-SS, Vergangenheitsbewältigung, Generationenmodell, Medien, Debatte, Schuld, Verantwortung, literarische Analyse, Günter Grass, „Beim Häuten der Zwiebel“.
- Arbeit zitieren
- Stephan Klausch (Autor:in), 2009, Vergegenkunft. Die Debatte um Günter Grass und die Waffen-SS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142024