Das Grundgesetz im Spiegel Hermann Hellers Staats- und Verfassungstheorie


Seminararbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Skizze zur Person

3. Staatstheoretisches Werk

4. Carl Schmitt als Kontrahent

5. Rezeption in der frühen Bundesrepublik

6. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit macht es sich zur Aufgabe anhand einer ausgewählten politi- schen Theorie den direkten wie indirekten Einfluss der Staatsrechtslehre der Weimarer Re- publik auf die Verfassungsgestalt und -gestaltung der Bundesrepublik zu beleuchten. Als Beispiel soll die Staats- und Verfassungstheorie des sozialdemokratischen Staatsrechtlers Hermann Heller dienen, dem mit seinem Plädoyer für den Rechtsstaat, seiner Neubestim- mung des Verhältnisses von Sozialismus und Staatlichkeit, einer positiven Bewertung von Pluralismus und der Überwindung positivistischer Methoden im Verfassungsrecht eine große Aufmerksamkeit zuteil wurde1. Es soll dargelegt werden, dass er, vor allem über seine Schü- ler und Anhänger, eine grundlegende Wirkung auf Form und Inhalt des Grundgesetzes ent- faltete. Dabei möchte die Hausarbeit ergründen, wie sein Einfluss im Vergleich zu anderen Staatsrechtlern zu bewerten ist. Auch soll Heller, mit seinem klaren Politikbezug und seinen demokratischen Grundüberzeugungen als eher atypischer intellektueller Akteur der Weima- rer Republik porträtiert werden. Eine Gegenüberstellung mit dem konservativen Rechtsphilo- sophen Carl Schmitt dient der Verdeutlichung dessen. Daran anknüpfend können Leitlinien der politischen Ideengeschichte aufgezeigt werden, die vor allem in der Kontinuität von Denkschulen bis hinein in die staatsrechtliche Diskussion der frühen Bundesrepublik deutlich werden.

Natürlich lässt es der Umfang der Arbeit nicht zu, Hellers Denken in vollem Umfang gerecht zu werden2 und es kann nur auf, im Sinne der Ausgangsfrage, relevante Abschnitte seiner Theorie eingegangen werden. Doch möglicherweise war es auch genau diese selektive Rezeption, welche die konkrete Modernität seines Denkens zur Aktualität für die Verfassungsgegenwart der jungen westdeutschen Teilrepublik werden ließ.

2. Skizze zur Person

Wie oft bemerkt wurde, ist die Biographie des 1891 in Österreichisch-Schlesien geborenen

Juden Hermann Heller eng verknüpft mit der Geschichte der Weimarer Republik. Interessant ist dabei, welche Rolle dem Jahr 1920 in seiner Vita zukommt. Nachdem er sein durch Teilnahme am Ersten Weltkrieg unterbrochenes Studium der Rechtswissenschaften 1915 abgeschlossen hatte, sollten drei, innerhalb einer Woche stattfindenden Ereignisse des Jahres 1920 sein weiteres Handeln in gewisser Weise vorstrukturieren.

Zunächst war da am 9.3.1920 sein Betritt zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die er Zeit seines Lebens nicht mehr verlassen sollte, mit deren Zielen und Strategien er sich allerdings oft kritisch auseinandersetzte. So plädierte er auf einem Parteikongress der Jungsozialisten im Jahre 1925 gegen die in der Partei vorherrschende marxistische Staatsverneinung und für die Durchsetzung sozialistischer Ziele mit den Mitteln des Staates.3 Seine Rolle als gesellschaftspolitisch-aktiver Sozialist wird auch an seinem Engagement für Volks- und Arbeiterbildung 1921-1925 in Leipzig offenkundig.4

Nur einen Tag nach seinem Beitritt zur SPD, erlangte er außerdem am 10.3.1920 seine Habi- litation in Staatsrecht an der Universität Kiel, was seine akademische Karriere einleiten soll- te. Seine Habilitationsschrift „Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke in Deutschland“ gab zudem die Stossrichtung seiner Arbeiten der nächsten Jahre vor: Die Revidierung des im 19.Jahrhundert auf Hegel fußenden Machtstaatsgedankens und die Etablierung eines Alterna- tiv-Modells. Obwohl er mit Veröffentlichungen und Vorträgen5 sehr viel Aufmerksamkeit erlangen konnte, blieb er in Weimarer Staatsrechtlerkreisen eher Außenseiter, was je nach Betrachter an politischen6, fachlichen7, charakterlichen8 und/oder antisemitischen9 Vorbehal- ten gelegen hat.

Das dritte bedeutungsvolle Ereignis im März 1920 war schließlich der Kapp-Putsch vom 13.3., bei welchem, gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages meuternde, Angehöri- ge des deutschen Heeres versuchten einen machtpolitischen Umsturz zu realisieren. Heller unterstützte in dieser Situation zusammen mit dem späteren Reichsjustizminister Gustav

Radbruch in Kiel den dagegen gerichteten Generalstreik und wurde daraufhin standrechtlich zum Tode verurteilt.10 Die Erschießung konnte nur durch den schnellen Zusammenbruch des Putsches verhindert werden. An jenen Ereignissen rund um die Abwehr des Staatsstreiches wird eine weitere Besonderheit Hellers deutlich: Er war einer der wenigen Staatsrechtler die- ser Zeit, dessen Ziel die Erhaltung und Weiterentwicklung des Weimarer Staats war. Er sprach gar davon, dass die Verfassung zu verteidigen sei, „wenn es sein muss mit der Waffe in der Hand“11. In diesem Zusammenhang charakterisierte er besonders die Nationalsozialis- tischen Arbeiterpartei Deutschlands und deren Parteiprogramm als weder national, noch so- zial, sondern kapitalistisch und rassistisch.12 Dieses Bild festigte sich nach einer halbjährigen Studienreise nach Italien in der daraus resultierenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Faschismus.13 Seiner Meinung nach könne der Spannungszustand der modernen, kapitalistischen Gesellschaften, welcher in der „Trennung des politischen und ökonomischen Kommandos“ wurzelt, nur entweder durch „ökonomische Machtfundierungen“ des Staates oder durch die Beseitigung demokratischer Strukturen durch die wirtschaftlich Mächtigen gelöst werden.14 Letztere Prophezeiung seines Weltbildes sollte in Deutschland Wirklichkeit werden. Gestützt auf Militär, ost-elbischen Adel, Großbürgertum und andere alte Eliten des untergegangenen Kaiserreichs, ebneten die von Paul von Hindenburg eingesetzten Präsidial- kabinette der nationalsozialistischen Diktatur schrittweise den Weg. Rasch zog der Jude Hel- ler aus diesen Geschehnissen die Konsequenzen und kehrte nach einem Gastvortrag in Lon- don im März 1933 nicht mehr nach Deutschland zurück. Zwei Monate nachdem er aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auch offiziell vom Staats- dienst entlassen wurde, starb er am 5.11.1933 im Alter von nur 42 Jahren im Exil an einem Herzleiden, welches er sich im Kriegsdienst zugezogen hatte. Auch deswegen ist seine Bio- graphie so eng mit der Entwicklung Weimars verbunden: Im Jahr der Machtübernahme A- dolf Hitlers starb er, wie auch die Republik15, an einer Verletzung infolge des Ersten Welt- kriegs.

[...]


1 Wilfried Fiedler würdigte ihn als „den wesentlichen Betreiber einer Fortentwicklung des Rechtsstaatsgedankens über das Jahr 1848 hinaus“. Siehe: Wilfried Fiedler: Das Bild Hermann Hellers in der deutschen Staatsrechtswissenschaft (Leipziger Juristische Vorträge, 2). Leipzig 1994, S.36. Hans Mommsen nannte ihn den „Vater der Politikwissenschaft in Deutschland“. Siehe: Hans Mommsen: Zum Verhältnis von politischer Wissenschaft und Geschichtswissenschaft in Deutschland. In: Heinrich Schneider (Hrsg.): Aufgabe und Selbstverständnis der politischen Wissenschaft. Darmstadt 1967, S. 283.

2 Zumal Marc Schütze darauf hinweist, dass eine Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Heller notwendig ist. Vgl.: Marc Schütze: Subjektive Rechte und personale Identität. Die Anwendung subjektiver Rechte bei Immanuel Kant, Carl Schmitt, Hans Kelsen und Hermann Heller (Schriften zur Rechtstheorie, 218). Berlin 2004, S.263.

3 Für eine Zusammenfassung zum sozialdemokratischen Diskurs dieser Zeit siehe: Albrecht Dehnhard: Dimensionen staatlichen Handelns. Staatstheorie in der Tradition Hermann Hellers. Tübingen 1996, S.29-33.

4 Für eine Übersicht zu Hellers Wirken in Leipzig siehe: Fiedler, S.17-24.

5 Die Auseinandersetzung Hellers mit Hans Kelsen auf der Staatsrechtlehrertagung in München nennt Claudio Franzius ein „Highlight“. Siehe: Claudio Franzius: Hermann Heller. Einstehen für den Staat von Weimar, S.6. In: www.uni-konstanz.de/roehl/franzius/ss09/texte/Heller.pdf (17.08.2009).

6 Der Hinweis, dass selbst Rudolf Smend Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei war, sollte genügen um die rechtskonservative Schlagrichtung des Weimarer Staatsrechts anzudeuten.

7 In einem Gutachten, in der die Berliner Rechtswissenschaftliche Fakultät Stellung zu Heller nahm, ist von mangelnder wissenschaftlicher Leistung die Rede. Vgl.: Anne-Maria Gräfin von Lösch: Der nackte Geist. Die juristische Fakultät der Berliner Universität im Umbruch von 1993 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20.Jahrhunderts). Tübingen 1999, S.96.

8 Er sei eine „äußerst schwierige Persönlichkeit“. Siehe: Ebenda, S.93.

9 Zu antisemitischen Ressentiments der Staatsrechtslehrervereinigung siehe: Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 3. München 1999, S.185.

10 Vgl.: Dehnhard, S.22.

11 Hermann Heller: Freiheit und Form der Verfassung. In: Christoph Müller (Hrsg.): Gesammelte Schriften II. Tübingen 1992, S.371.

12 Dehnhard, S.31.

13 Hermann Heller: Europa und der Faschismus. In: Gesammelte Schriften II, S.377ff.

14 Helge Wendenburg: Die Debatte um die Verfassungsgerichtsbarkeit und der Methodenstreit der Staatsrechtslehre in der Weimarer Republik (Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien). Göttingen 1984, S.91.

15 Gemeint ist die Diskreditierung staatstragender Politiker vor allem infolge der Friedensbedingungen und alle in diesem Zusammenhang auftauchenden revanchistischen Stimmungen, die das rechte Parteienspektrum natürlich für sich zu nutzen wusste und damit in hohem Maße zur Systemdestabilisierung beitrug.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Grundgesetz im Spiegel Hermann Hellers Staats- und Verfassungstheorie
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Die Organisation von Politik in der Bundesrepublik
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V142115
ISBN (eBook)
9783640529346
ISBN (Buch)
9783640529124
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundgesetz, Spiegel, Hermann, Hellers, Staats-, Verfassungstheorie
Arbeit zitieren
Patrick Hoffmann (Autor:in), 2009, Das Grundgesetz im Spiegel Hermann Hellers Staats- und Verfassungstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142115

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