Die Rolle der Bürgerhauptleute in der sog. „Brabandtschen Revolution“ (1601/02) der Stadt Braunschweig


Hausarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,7

Kevin Kappel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die politischen und sozialen Verhältnisse der Stadt Braunschweig vor der Brabandtschen Revolution
2.1 Ein Überblick
2.2 Die verfassungsrechtliche Position der Bürgerhauptleute

3 Die Brabandtsche Revolution von 1601/02
3.1 Die wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Revolution
3.2 Der Ausbruch der Revolution
3.3 Der sog. „Neue Rezess“
3.3.1 Inhalt des Neuen Rezesses
3.3.2 Die Auswirkungen des Vertrages

4 Schluss

5 Quellenverzeichnis

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Rahmen des Proseminars „Stadt und Konfessionalisierung“ wurde u.a. näher auf die Stadt Braunschweig eingegangen, die als Fallbeispiel der lutherischen Konfessionalisierung diente.

In der vorliegenden Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Bürgerhauptleute in der sog. „Brabandtschen Revolution“ (1601/02) der Stadt Braunschweig spielten bzw. ob und inwieweit diese politische Institution für den Ausbruch und den Verlauf der Revolution verantwortlich gemacht werden kann.

Um zu diesem Erkenntnisziel zu gelangen, wird zunächst als Einstieg in die Thematik ein Überblick über die politischen und sozialen Verhältnisse der Stadt vor der Revolution gegeben und insbesondere die verfassungsrechtliche Position der Bürgerhauptleute beleuchtet. In einem zweiten Schritt wird dann im Rahmen der Analyse der Brabandtschen Revolution und vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Stellung der Bürgerhauptleute ihre Bedeutung innerhalb dieses Konflikts untersucht.

Als grundlegend für die allgemeine Beschäftigung mit der Stadt Braunschweig im 16. und 17. Jahrhundert haben immer noch die Arbeiten des früheren braunschweigischen Stadtarchivars Werner Spieß zu gelten,[1] während für die spezielle Frage nach der machtpolitischen Stellung der Bürgerhauptleute in dieser Zeit insbesondere auf das Buch Jörg Walters, „Rat und Bürgehauptleute in Braunschweig 1576-1604“, zu verweisen ist.[2]

2 Die politischen und sozialen Verhältnisse der Stadt Braunschweig vor der Brabandtschen Revolution

2.1 Ein Überblick

Das Braunschweig des 16. und 17. Jahrhunderts lässt sich in fünf Weichbilde bzw. Stadtteile gliedern: der Altstadt, dem Hagen, der Neustadt, der Alten Wiek und dem Sack.[3] Die politische Führungsschicht der Stadt rekrutierte sich aus den sog. „Geschlechtern“ (ab dem 16. Jahrhundert auch „Patrizier“ genannt), die wohl auf die frühsten Siedler der Stadt zurückgingen und aufgrund ihres Ansehens und Vermögens das Recht erwarben, Ratsherren zu stellen oder wichtige politische Ämter zu übernehmen. Zu diesen Ratsfamilien zählten seit dem 13. und 14. Jahrhundert ebenfalls Zuwanderer von nah und fern, die in der Stadt Fernhandel, z.B. Tuchhandel, betrieben.[4] So basierte der Reichtum der Stadt ebenfalls auf diesen exportorientierten Gewerben, so dass sich wirtschaftliche und politische Macht in Braunschweig im Stand der Patrizier vereinigten.[5]

Jedes Weichbild verfügte über einen eigenen Rat und einen eigenen Bürgermeister. Der Rat der Gesamtstadt bestand aus den Mitgliedern der jeweiligen Weichbildräte, die im 16. Jahrhundert ihre Bedeutung als selbständige politische Institutionen jedoch längst verloren hatten.[6] Der Gesamtrat bestand aus 103 Mitgliedern und als Wahlkörperschaften fungierten die vierzehn Gilden und fünf Gemeinden der Stadt.[7] Hierbei stellten die Fernhändlergilden 29, die Handwerkergilden 49 und die Gemeinden[8] 25 Ratsherren.[9] Dabei richtete sich die Zahl der von den einzelnen Gilden gestellten Ratsherren nach der Verfassungsreform von 1386 nicht etwa nach ihrer Größe, sondern nach ihrer damaligen wirtschaftlichen Bedeutung.[10] In dieser Art der Ratsverteilung bestand jedoch eine Gefahr, da mit der Zeit die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Gilden oder Gemeinden ab- oder zunehmen konnte, ihre politische Repräsentation im Rat davon jedoch unberührt blieb.[11]

Die eigentliche Regierung der Stadt bildete der sog. „Küchenrat“ (ab 1614 auch „Enger(er) Rat“ genannt),[12] der an sitzende und ruhende Jahre nicht gebunden war.[13] Er setzte sich aus Bürgermeistern aller Weichbilde zusammen (je sechs aus Altstadt und Hagen, je drei aus Neustadt, der Alten Wiek und Sack) und vier Küchenkämmerern (drei aus der Altstadt und einem aus der Neustadt).[14]

Außenpolitisch hatte sich Braunschweig bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine vom Stadtherrn weitgehend unabhängige Position erkämpft.[15] Stadtherr war der jeweilige Herzog des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel und die Beziehungen zur seiner eigentlichen Landesstadt waren im 16. und 17. Jahrhundert durch zahlreiche Konflikte gekennzeichnet.[16]

Abschließend kann festgehalten werden, dass sich das politische Regiment Braunschweigs im 16. Jahrhundert zwar aus verschiedenen sozialen Gruppen zusammensetzte, die politische Führungsrolle aber eindeutig den handeltreibenden Gewerben bzw. den Geschlechtern zuzurechnen ist. Zudem besaß Braunschweig eine Stadtverfassung, die auf wirtschaftliche und soziale Veränderungen wenig flexibel reagieren konnte.

2.2 Die verfassungsrechtliche Position der Bürgerhauptleute

Die politische Institution der Bürgerhauptleute wurde mit dem sog. „Großen Brief“ von 1445 eingeführt.[17] Dies war ein Vertrag zwischen dem Rat und der Bürgerschaft, der aufgrund von Unruhen in der Stadt geschlossen worden war.[18]

Den Gemeinden stand demnach das Recht zu, 28 Bürgerhauptleute als Vertreter ihrer Gemeinden zu bestimmen.[19] Diesen Gemeindevertretern kamen zwei wichtige Aufgaben zu. Zum einen wählten sie die Ratsherren der Gemeinden, zum anderen durften sie zusammen mit den Gildemeistern an bestimmten Sitzungen des Rates teilnehmen.[20]

Alle drei Jahre, nämlich am Andreasabend (29. November) der Jahre, die einem Körjahr[21] vorausgingen, hatten die Gemeinden der fünf Weichbilde das Recht, sich zu versammeln, ihre Bürgerhauptleute zu wählen und dem Rat durch diese dann ihre Beschwerden oder Anregungen zukommen zu lassen.[22] In diesem Fall waren die Bürgerhauptleute reine Mittelspersonen zwischen dem Rat und der Bürgerschaft.[23]

Wie bereits erwähnt, nahmen die Bürgerhauptleute auch bei einigen wichtigen Entscheidungen (z.B. bei außerordentlichen Steuererhöhungen oder der Frage nach Krieg und Frieden) mit dem Ruhenden Rat und den Gildemeistern an einer gemeinsamen Sitzung teil, da der Küchenrat und der Gesamtrat solche Entscheidungen nicht alleine treffen durften.[24] In diesen Fällen baten die Bürgerhauptleute oft darum, mit ihren jeweiligen Gemeinden Rücksprache halten zu dürfen. Dieses Verhalten zeigt, dass die Bürgerhauptleute keineswegs frei in ihren Entscheidungen waren, sondern sich der Meinung der Bürger vergewissern wollten.[25]

Auch das Recht, die Ratsherren der Gemeinden wählen zu dürfen, war nur scheinbar ein bedeutendes Zugeständnis des Rates an die untere Bürgerschicht. Der Rat behielt sich nämlich vor, eine ihnen unangenehme Wahl für nichtig zu erklären.[26]

Überdies hatten die Bürgerhauptleute kein Recht, eigenmächtig ihre Bauerschaften[27] zu versammeln sowie sich untereinander abzusprechen und der Rat konnte bereits gewählte Bürgerhauptleute zurückweisen.[28]

Mit der Einführung des Gremiums der Bürgerhauptleute ist letztlich eine politische Institution entstanden, die ursprünglich eine vermittelnde Rolle zwischen Rat und Bürgerschaft einnahm.[29] Die Bürgerhauptleute waren zwar in erster Linie Repräsentanten ihrer Gemeinden, aber keineswegs ihre politischen Führer. Generell waren sie aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Position in ihren Möglichkeiten der politischen Einflussnahme sehr beschränkt. Walter sieht sogar in der Einführung der Bürgerhauptleute gar kein Zugeständnis des Rates an die Bürgerschaft, sondern vielmehr eine Maßnahme des Rates, „in Zukunft spontane Meinungsäußerungen der Bürgerschaft in geordnete Bahnen [zu] lenken.“[30]

[...]


[1] U.a. Werner Spieß: Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter. Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit (14921-1671), Braunschweig 1966, Bd. 1-2 und Werner Spieß: Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671 (Braunschweiger Werkstücke Bd. 42), Braunschweig 1970.

[2] Jörg Walter: Rat und Bürgerhauptleute in Braunschweig 1576-1604. Die Geschichte der Brabandtschen Wirren (Braunschweiger Werkstücke Bd. 45), Braunschweig 1971.

[3] Vgl. Olaf Mörke: Rat und Bürgerschaft in der Reformation. Soziale Gruppen und kirchlicher Wandel in den welfischen Hansestädten Lüneburg, Braunschweig und Göttingen (Veröff. des Inst. für historische Landesforschung der Universität Göttingen Bd. 19), S. 34. Dabei ist zu beachten, dass die Zugehörigkeit eines Bürgers zu einem bestimmten Weichbild etwas über sein soziales Ansehen und seine Möglichkeit politischer Einflussnahme aussagte: somit lassen sich in der Altstadt die angesehensten und einflussreichsten Familien finden, die sog. „Geschlechter“, danach folgen die Kaufleute und Handwerker des Hagens und der Neustadt sowie die Handwerker der Alten Wiek und des Sacks. Die übrigen Bevölkerungskreise (z.B. Tagelöhner) nehmen den letzten Rang im sozialen und politischen Gefüge ein, vgl. Richard Moderhack: Braunschweigs Stadtgeschichte (Braunschweig. Das Bild der Stadt in 900 Jahren. Geschichte und Ansichten), Braunschweig 1985, Bd. 1, S. 48.

[4] Vgl. ebd., S. 14f.

[5] Vgl. Mörke: Rat, S.40f. (wie Anm. 3). Nach der Ratsveränderung 1386 und der Einführung der Institution der Bürgerhauptleute 1445 wurden die patrizischen Familien zwar formal vom Stadtregiment ausgeschlossen, bewahrten jedoch ihre politische Vorrangstellung auf dem Umweg über die fünf Gemeinden und den vornehmeren Gilden, vgl. Moderhack: Stadtgeschichte, S. 24 f. (wie Anm. 3).

[6] Vgl. Mörke: Rat, S. 41. Der Gesamtrat wurde auch „Voller Rat“ genannt. Eine Ratsperiode dauerte drei Jahre lang, wobei jeweils nur ein Drittel aller Ratsherren („Sitzender Rat“ bzw. „Gemeiner Rat“) regierte, während die anderen Ratsherren in dieser Zeit ruhten („Ratsgeschworene“ bzw. „Ruhender Rat“), vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 14 (wie Anm. 2).

[7] Vgl. Spieß: Braunschweig, S. 523ff. (wie Anm. 1).

[8] Als gemeine Bürgerschaft bzw. Gemeinde ist der Teil der Bürgerschaft zu verstehen, der nicht gildemäßig organisiert war. Somit gehörten diesem Kreis von Bürgern die unterschiedlichsten sozialen Gruppen an, wobei die unbemittelten Bürger zahlenmäßig am stärksten vertreten waren, vgl. Spieß: Braunschweig, S. 524f.

[9] Vgl. Mörke: Rat, S.41f.

[10] Vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 27. Siehe hierzu auch Joachim Ehlers: Historiographie, Geschichtsbild und Stadtverfassung im spätmittelalterlichen Braunschweig, in: Manfred R.W. Garzmann (Hg.): Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig. Festschrift zum 600 jährigen Bestehen der Ratsverfassung 1386-1986 (Braunschweiger Werkstücke Bd. 64), S. 99-135, hier S. 104f.

[11] Siehe hierzu Punkt 3.1.

[12] Vgl. Moderhack: Stadtgeschichte, S. 25.

[13] Vgl. Spieß: Braunschweig, S. 527.

[14] Vgl. ebd., S. 526f.

[15] Vgl. Mörke: Rat, S. 27.

[16] Die Ursachen dieser Konflikte sind hauptsächlich im Bestreben der Herzöge zu sehen, ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Braunschweig zu vergrößern. Die Stadt jedoch hielt vehement an ihren Freiheiten fest, vgl. ebd., S. 27.

[17] Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Statute und Rechtebrief 1227-1671, hrsg. von Ludwig Hänselmann, Braunschweig 1873 (im folgenden UB 1), S. 226ff. Siehe hierzu auch Matthias Puhle: Die braunschweiger „Schichten“ (Aufstände) des späten Mittelalters und ihre verfassungsrechtlichen Folgen, in: Manfred R.W. Garzmann (Hg.): Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunscheig. Festschrift zum 600 jährigen Bestehen der Ratsverfassung 1386-1986 (Braunschweiger Werkstücke Bd. 64), S. 235-251, hier S. 246f.

[18] Vgl. Spieß: Braunschweig, S. 523.

[19] Vgl. Spieß: Ratsherren der Hansestadt, S. 30f. (wie Anm. 1).

[20] Vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 12.

[21] Das Körjahr war das Jahr, indem der Rat gewählt wurde, vgl. Spieß: Braunschweig, S. 525.

[22] Vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 13.

[23] Vgl. Spieß: Ratsherren der Hansestadt, S. 31.

[24] UB 1, S. 227.

[25] Vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 17ff.

[26] Zudem durften die Bürgerhauptleute nicht zum Ratsherren erheben, wen sie wollten, sondern der Kandidat musste „der stad, dem rade, den gilden unde der menheyt nutte unde even“ sein, UB 1, S. 231.

[27] Die einzelnen Gemeinden waren in Bauerschaften (Nachbarschaften) aufgeteilt, derer es insgesamt vierzehn gab und denen jeweils zwei Bürgerhauptleute vorstanden, vgl. Spieß: Ratsherren der Hansestadt, S. 30.

[28] Vgl. Walter: Rat und Bürgerhauptleute, S. 24.

[29] Solange die Bürgerhauptleute nur diese Vermittlerrolle einnahmen, ist es nachvollziehbar, dass sich in ihren Reihen Männer verschiedener sozialer Herkunft fanden, vgl. ebd., S. 26. Siehe hierzu auch Fußnote 38.

[30] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Bürgerhauptleute in der sog. „Brabandtschen Revolution“ (1601/02) der Stadt Braunschweig
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V142373
ISBN (eBook)
9783640535897
ISBN (Buch)
9783640536313
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Braunschweig, Brabandtsche Revolution
Arbeit zitieren
Kevin Kappel (Autor:in), 2005, Die Rolle der Bürgerhauptleute in der sog. „Brabandtschen Revolution“ (1601/02) der Stadt Braunschweig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142373

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Rolle der Bürgerhauptleute in der sog. „Brabandtschen Revolution“ (1601/02) der Stadt Braunschweig



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden